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Beschluss des 15. LSVD-Verbandstages

am 29./30.03.2003 in Köln

Umfassende Umsetzung der EU-Richtlinie
zur Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf

Der LSVD fordert eine engagierte Umsetzung der EU-Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf in deutsches Recht. Die Umsetzung muss bis zum 2. Dezember 2003 erfolgen.

In der Richtlinie ist ein ausdrücklicher Schutz vor Diskriminierung wegen der "sexuellen Ausrichtung" verankert. Es war ein bedeutender Akt, dass sich alle 15 Mitgliedsstaaten der EU im Jahr 2000 einstimmig auf eine Richtlinie verständigt haben, die neben anderen Gruppen auch Lesben, Schwule und Transgender in den Diskriminierungsschutz in Beschäftigung und Beruf einbezieht.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs umfassen die Begriffe "Beschäftigung und Beruf" nicht nur die Tätigkeit von Arbeitern und Angestellten, sondern auch die der Beamten, Richter und der Berufssoldaten. Wir erwarten von Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat die volle Umsetzung der EU-Richtlinie.

Dazu fordert der LSVD im Einzelnen:

  • Ausdrückliche Diskriminierungsverbote im Öffentlichen Dienstrecht

Aufgrund der Richtlinie 2000/78/EG ist die Gleichbehandlungsvorschrift im Betriebsverfassungsgesetz bereits 2001 um das Merkmal der "sexuellen Identität" erweitert worden.

Im deutschen Recht setzt sich statt der in der Richtlinie verwendeten Formulierung der "sexuellen Ausrichtung" zunehmend der Begriff der "sexuellen Identität" durch.  "Sexuelle Identität" verdeutlicht besser, dass neben Lesben und Schwulen auch Transgender und Intersexuelle erfasst werden.

Das Bundespersonalvertretungsgesetz, das Bundesbeamtengesetz, das Beamtenrechtsrahmengesetz und das Soldatengesetz enthalten ebenfalls Diskriminierungsverbote, die Art. 3 Abs. 3 GG nachgebildet sind. Ein ausdrücklicher Diskriminierungsschutz aufgrund der "sexuellen Identität" fehlt darin bislang.

§ 67 Abs. Satz 1 Personalvertretungsgesetz (Grundsätze für die Behandlung der Beschäftigten), § 7 Beamtenrechtsrahmengesetz (Handhabung der Ernennung), § 8 Abs. 1 Satz 1 Bundesbeamtengesetz (Auslese der Bewerber) und § 3 Soldatengesetz (Ernennungs- und Verwendungsgrundsätze) müssen nun entsprechend um das Merkmal der "sexuellen Identität" ergänzt werden.

  • Diskriminierungsverbot im Bürgerlichen Gesetzbuch

Das Bürgerliches Gesetzbuch verbietet bislang schon die geschlechtsbezogene Diskriminierung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitsnehmern, insbesondere bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses, beim beruflichen Aufstieg, bei einer Weisung oder einer Kündigung (§ 611 a BGB). Die Vorschrift muss nun um das Verbot der Benachteiligung aufgrund der sexuellen Identität erweitert werden.

  • Gleichstellung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft in der Hinterbliebenenversorgung

Ehegatten von verstorbenen Beamten und Richtern erhalten aufgrund des Beamtenversorgungsgesetzes ein "Witwengeld" (Hinterbliebenenpension). Eingetragene Lebenspartnerinnen und Lebenspartner sind davon bislang ausgeschlossen.

Die Hinterbliebenenpension gilt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs als Teil des Arbeitsentgelts. Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2000/78/EG verbietet die Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung beim Arbeitsentgelt. Da sich Lebenspartnerinnen (oder Lebenspartner) und Ehegatten, die Beamte oder Richter sind, hinsichtlich der Versorgung ihrer Partnerinnen oder Partner in einer "vergleichbaren Situation" befinden (Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie), stellt die Tatsache, dass den Lebenspartnerinnen oder Lebenspartnern die Hinterbliebenenpension verweigert wird, eine durch die Richtlinie verbotene Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung dar.

Das Beamtenversorgungsgesetz muss deshalb um eine Gleichstellungsklausel für Eingetragene Lebenspartnerschaften ergänzt werden. Das gleiche gilt im Soldatenversorgungsgesetz für die hinterbliebenen Lebenspartnerinnen oder Lebenspartnern von Soldatinnen bzw. Soldaten.

Die Richtlinie 2000/78/EG zwingt nicht zur Gleichstellung der Lebenspartnerinnen und Lebenspartner mit Ehegatten in der gesetzlichen Rentenversicherung. Das Bundesverfassungsgericht hat aber festgestellt, dass die beitragsfinanzierten Versicherungsrenten genauso wie die Versorgungsbezüge der Beamten Gegenwert für die zur Zeit der aktiven Beschäftigung erbrachten Dienstleistungen sind (BVerfGE 105, 73, 114). Es würde deshalb gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen, wenn demnächst nur hinterbliebene Lebenspartner von Beamten, Richtern und Soldaten in die Hinterbliebenenversorgung einbezogen würden. Deshalb muss in das Sechste Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung – ebenfalls eine Gleichstellungsklausel für Lebenspartnerschaften eingefügt werden.

  • Einbeziehung von Eingetragenen Lebenspartnerschaften beim Familienzuschlag, bei Beihilfe sowie bei Reise- und Umzugskosten, Sonderurlaub, Trennungsgeld

Beamte, Richter und Soldaten, die verheiratet sind, erhalten wegen ihrer Unterhaltspflicht gegenüber ihren Ehegatten zusätzlich zu ihrem Gehalt einen Familienzuschlag. Lebenspartnerinnen oder Lebenspartner erhalten diesen Zuschlag nicht, obwohl sie dieselben Unterhaltspflichten haben wie Eheleute. Das stellt eine durch Art 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG verbotene Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung der Lebenspartnerinnen oder Lebenspartner dar, weil sie eine weniger günstige Behandlung erfahren wie Eheleute, obwohl sie sich in einer vergleichbaren Situation befinden.

Die Höhe des Familienzuschlags richtet sich nach der Anzahl der Personen, denen Unterhalt gezahlt werden muss. Der Familienzuschlag ist also nicht vom "Familienstand" abhängig, sondern von den Unterhaltsverpflichtungen. Diese sind aber bei Eheleuten und Lebenspartnerinnen bzw. Lebenspartnern "vergleichbar". Das Bundesbesoldungsgesetz muss deshalb um eine Gleichstellungsklausel für Eingetragene Lebenspartnerschaften ergänzt werden.

Genauso stellt sich die Situation bei der Gewährung von Beihilfe in Krankheits-, Pflege-, Geburts- und Todesfällen dar. Die Ungleichbehandlung von Lebenspartnerschaften gegenüber der Ehe verstößt gegen die Richtlinie 2000/78/EG. Daher muss eine entsprechende Gleichstellungsklausel in das Bundesbeamtengesetz und das Beamtenrechtsrahmengesetz eingefügt werden.

In gleicher Weise gilt das für die Bevorzugung von verheirateten Beamten, Richtern und Soldaten bei der Erstattung von Reise- und Umzugskosten, beim Sonderurlaub und beim Trennungsgeld. In des Bundesreisekostengesetz, das Bundesumzugskostengesetz, die Sonderurlaubsverordnung und die Trennungsgeldverordnung muss jeweils eine entsprechende Gleichstellungsklausel für Eingetragene Lebenspartnerschaften eingefügt werden.

  • Aufhebung von Einschränkungen bei der Ausübung von Heilberufen für ausländische Lebenspartnerinnen und Lebenspartner

Gegenüber Ehegatten in vergleichbarer Situation gibt es für ausländische Lebenspartner von Deutschen und von freizügigkeitsberechtigten Ausländern aus dem Europäischen Wirtschaftsraum Einschränkungen bei der vorübergehenden Ausübung von Heilberufen. Die Bundesärzteordnung, das Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde, das Psychotherapeutengesetz und die Bundes-Apothekerordnung müssen entsprechend geändert werden.

  • Gleichbehandlung bei Regelungen zur Weiterführung des Geschäfts oder Unternehmens durch die überlebende Lebenspartnerin oder den überlebenden Lebenspartner

Wenn ein Geschäft oder Unternehmen nur aufgrund einer Erlaubnis oder Approbation betrieben werden darf, sieht das Gesetz meist vor, dass beim Tod des Erlaubnisinhabers der Ehegatte und die minderjährigen Kinder das Unternehmen durch einen Stellvertreter weiterführen lassen dürfen. Die gleiche Befugnis haben Lebenspartnerinnen und Lebenspartner bislang hinsichtlich Apotheken, Fahrschulen und milchwirtschaftlichen Betrieben.

Da das Ergänzungsgesetz zur Lebenspartnerschaft noch nicht umgesetzt ist, bleibt ihnen diese Befugnis bei Gewerbebetrieben, Handwerksbetrieben, Gaststätten und bei der Ausübung des Schornsteinfegergewerbes dagegen willkürlicherweise verwehrt.

Dies verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz, da sich überlebende Lebenspartner in einer "vergleichbaren" Situation wie Ehegatten befinden. Deshalb muss in die einschlägigen Gesetze jeweils eine Gleichstellungsklausel für Eingetragene Lebenspartnerschaften eingefügt werden.

  • Einführung eines Verbandsklagerechts

Nach der Richtlinie 2000/78/EG muss den Verbänden der Betroffenen die Möglichkeit eingeräumt werden, die Betroffenen bei der Verfolgung ihrer Rechte zu unterstützen. Zu diesem Zweck muss den Verbänden ein Verbandsklagerecht eingeräumt und das Verbot der Rechtsberatung für diesen Bereich aufgehoben werden.
 


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