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10. April 2003

LSVD-Lobbyarbeit auf EU-Ebene:

Antidiskriminierung und Verfassung der Europäischen Union

Zur intensiven Lobbyarbeit des LSVD auch auf europäischer Ebene erklärt Philipp Braun, Sprecher und ILGA-Koordinator des Lesben- und Schwulenverbandes:

Vom 5. bis 6. April fand in Gent das dritte EU-Koordinierungstreffen der ILGA-Europa statt, an dem schwullesbische Organisationen aus allen 15 EU-Mitgliedsstaaten teilnahmen, darunter auch der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland für Deutschland. Das Netzwerk hat sich die wichtige Lobbyarbeit gegenüber den europäischen Institutionen und den jeweiligen Regierungen der Mitgliedsstaaten zur Aufgabe gemacht. So wird auch von schwullesbischer Seite Einfluss genommen auf wichtige europäische Weichenstellungen, etwa auf die Verabschiedung von EU-Richtlinien, die für alle Mitgliedsstaaten bindend sind.

Das noch in diesem Jahr in Deutschland umzusetzende arbeitsrechtliche Antidiskriminierungsgesetz ist auch auf eine EU-Richtlinie aus dem Jahr 2000 zurückzuführen. Insbesondere im Bereich der Antidiskriminierung und dem sich wandelnden Bild von Partnerschaft und Familie wird Europa immer mehr Bedeutung erlangen. In Grundsatzurteilen hat der Europäische Menschenrechtsgerichtshof mehrmals die Diskriminierung auf Grund der sexuellen Ausrichtung und Geschlechtsidentität deutlich verurteilt.

In Gent wurde vor allem über drei aktuelle Themen in Europa beraten: EU-Verfassung, Asyl und Freizügigkeit.

Zur Zeit wird im Europäischen Konvent eine Verfassung für die Europäische Union erarbeitet. Im ersten Entwurf fehlten die Aspekte der Gleichheit aller Menschen und der Bedeutung der Antidiskriminierung für die EU. Die europäischen Dachverbände der Alten, Behinderten, Frauen, Immigranten und Lesben und Schwulen haben daraufhin gemeinsam entsprechende Änderungen in der Verfassung gefordert. Der LSVD hat diesbezüglich die deutschen Mitglieder, stellvertretenden Mitglieder und Beobachter im Konvent angeschrieben. Das deutsche Mitglied im Präsidium des Konvents, Klaus Hänsch, hat dem LSVD geschrieben, dass er die Forderungen unterstützt und zuversichtlich ist, dass sie in der europäischen Verfassung berücksichtigt werden.

Weitere Ergebnisse unserer Lobbyarbeit liegen vor: Die Regierungen haben Ende Februar beschlossen, dass Menschen, die wegen ihrer sexuellen Ausrichtung verfolgt werden, unter bestimmten Vorraussetzungen als politisch verfolgte Asyl erhalten können. Damit wird nach der EU-Erweiterung in 25 Staaten anerkannt, dass die Verfolgung auf Grund der sexuellen Ausrichtung eine schwerwiegende Verletzung der Menschenrechte darstellt.

Zudem hat das Europäische Parlament im Februar beschlossen, dass in der geplanten Richtlinie zur Freizügigkeit z. B. auch eingetragene Lebenspartnerinnen und Lebenspartner bei deren Umzug in andere EU-Staaten anerkannt werden. Dies ist insbesondere für Paare wichtig, bei denen der Partner oder die Partnerin aus einem nicht EU-Staat kommt. Zur Zeit ist ihnen das Führen ihrer Lebenspartnerschaft z. B. in Österreich oder Spanien nicht möglich. Jetzt sind die Regierungen gefragt. Der LSVD wird im Mai mit dem Bundesinnenministerium Gespräche führen und darauf drängen, dass die Bundesregierung sich auf europäischer Ebene stark macht für das Grundrecht der Lebenspartner und Lebenspartnerinnen auf Freizügigkeit innerhalb Europas.

Nachtrag zu unserer Pressemitteilung: LSVD-Lobbyarbeit auf EU-Ebene

Antwort von Bundesaußenminister Fischer

Kurz nach der Versendung unserer heutigen Pressemitteilung ist die Antwort von Bundesaußenminister Joschka Fischer bei uns eingegangen. Er schreibt:

"Kern der Werteordnung der Europäischen Union wird zukünftig die Grundrechtecharta sein. Für deren Aufnahme in den Text der Verfassung an herausgehobener Stelle habe ich mich nachdrücklich eingesetzt. Diese Initiative hat im Konvent zahlreiche Unterstützerinnen und Unterstützer gefunden.

Durch Art. 21 der Grundrechtecharta wird das Diskriminierungsverbot in der Verfassung verankert werden. Ich werde auch dafür eintreten, dass die bisherige Rechtsgrundlage für europäische Antidiskriminierungsmaßnahmen (Art. 13 EGV) im zweiten Teil der Verfassung einen angemessenen Platz findet."

Die von Fischer zitierten Vorschriften lauten:

Artikel 21 der Grundrechtscharta
Nichtdiskriminierung
(1) Diskriminierungen insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung sind verboten.

(2) Im Anwendungsbereich des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und des Vertrags über die Europäische Union ist unbeschadet der besonderen Bestimmungen dieser Verträge jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten.

Art. 13 EGV
Unbeschadet der sonstigen Bestimmungen dieses Vertrages kann der Rat im Rahmen der durch den Vertrag auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments einstimmig geeignete Vorkehrungen treffen, um Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung zu bekämpfen.

Kontakt zu Philipp Braun: eMail an ilga@lsvd.de

LSVD Pressestelle
Willmanndamm 8
10827 Berlin
T. (030) 78954763
F. (030) 44008241
presse@lsvd.de
www.lsvd.de

 


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