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Arbeitsgemeinschaft 2:

Familie ist, wo Kinder sind. Lebenspartnerschaft und Kind

Referentinnen:

Moderation:


Lela Lähnemann, Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport, Berlin:

Zum Thema „Regenbogenfamilien"

Der Einstieg ins Thema erfolgt über die Pluralisierung von Lebensformen, wie sie u.a. im 11. Kinder- und Jugendbericht des Bundes vom Februar diesen Jahres beschrieben wird. Auch homosexuelle Paare mit Kindern werden dort ausdrücklich erwähnt. Die Vielfalt der Lebens- und Familienformen stellt neue Anforderungen an die Familien- und Gleichstellungspolitik sowie an die Jugendhilfe.

Ich werde im Folgenden darauf eingehen, welche Vorgeschichte die Wahrnehmung von „Regenbogenfamilien" und ihren rechtlichen und sozialen Bedürfnissen vor dem Lebenspartnerschaftsgesetz hatte, z.B. bei der Reform des Kindschaftsrechts.

Anlässlich der heutigen Fachtagung „1 Jahr Lebenspartnerschaftsgesetz" will ich im einzelnen der Frage nachgehen, welche Verbesserungen das LPartG für Lesben- und Schwulenpaare mit Kindern gebracht hat, und was noch fehlt, um eine Gleichbehandlung aller Kinder zu erreichen, die unabhängig ist von der Lebensform, die ihre Eltern gewählt haben.

Da Lesben und Schwule mit Kindern nicht immer Paare und schon gar nicht immer eingetragene Paare sind, möchte ich auch die Bedürfnisse aller anderen „Regenbogenfamilien" benennen.

Dazu habe ich versucht, eine Liste der mir bekannten Konstellationen in Regenbogenfamilien zu erstellen. Ich bin spontan auf 16 verschiedene gekommen, eine Kategorienbildung erscheint mir nicht einfach – da wäre die empirische Sozialforschung gefragt.

Anschließend möchte ich bei der Beantwortung der Frage, was das Lebenspartnerschaftsgesetz gebracht hat und was noch zu tun ist, auf die Beispiele Bezug nehmen.

Dabei untersuche ich u.a. folgende Rechtsbereiche: Sorgerecht, Umgangsrecht, Verbleibensanordnung bei Tod des leiblichen Elternteils, Verwandtschaftsverhältnis und Unterhaltsrecht.

Abschließend gehe ich auf die Frage ein, welche sozialen Bedingungen und welche Unterstützung Regenbogenfamilien benötigen, um soziale Anerkennung und ein Leben ohne Diskriminierung zu erleben. An Beispielen werde ich Möglichkeiten der Unterstützung in Schule und Jugendhilfe einschließlich der Pflegekinderdienste und Adoptionsvermittlungsstellen, in Familienpolitik und –förderung vorstellen.

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Antje Ferchau, LSVD Bundesvorstand

Ergebnisbericht der AG 2:

Zum Familienbegriff

Der Begriff der Familie scheint an das Zusammenleben von einem oder mehreren Erwachsenen mit Kind/ern gekoppelt zu sein.

Familie - traditionell sind damit die miteinander verheiratete (leibliche) Mutter, der (leibliche) Vater und deren Kind/er gemeint. Doch ist dies wirklich die alleinige Lebensrealität von Kindern ?

Die Lebens- und Familienstrukturen befinden sich gesamtgesellschaftlich im Wandel. Familien sind gegenüber früheren Generationen kleiner geworden, wenn überhaupt wird später geheiratet, Scheidungen nehmen zu und das Zusammenleben unverheirateter Paare wird alltäglicher. Diese Entwicklung können wir in der eigenen Familie, bei Arbeitskollegen, bei Freunden oder Nachbarn wahrnehmen. Weniger jedoch in politischen Diskussionen, wissenschaftlichen Diskursen oder in der Gesetzgebung.

Dem in Deutschland staatlich geförderten Ideal der Familie mit männlichem Ernährer und weiblicher Hausfrau steht die zunehmende Pluralität von Familien entgegen, wie zum Beispiel:

  • alleinerziehende Mutter mit Kind/ern
  • alleinerziehender Vater mit Kind/ern
  • Großeltern mit ihren Enkeln
  • Stiefelternfamilien
  • homosexuelle Paare mit Kind/ern u.v.m.

Regenbogenfamilien

Regenbogenfamilien – ein schillernder, fröhlicher Begriff, der das Zusammen-leben von Lesben und Schwulen, als Einzelpersonen oder in verschiedenen Paarkonstellationen, mit Kindern bezeichent.

In der Bundesrepublik leben mindestens eine Million homosexueller Eltern. Eine genaue Zahl ist nicht zu ermitteln, da die sexuelle Orientierung aus daten-schutzrechtlichen Gründen nicht erhoben wird. Studien jedoch gehen davon aus, wonach jede 3. lesbische Frau Mutter und jeder 5. schwule Mann Vater ist. Aber auch der Begriff der Regenbogenfamilien ist kein einheitlicher, auch hier erleben Kinder eine Vielfalt von Familienkonstellationen und ein Geflecht an Beziehungen. So leben Lesben und Schwule mit ihren Kindern aus vorangegangenen heterosexuellen Beziehungen, mit und ohne Kontakten zum anderen leiblichen Elternteil, entscheiden sich lesbische Frauen bewusst für ein eigenes leibliches Kind durch Insemination, oder lesbische und schwule Paare realisieren ihren Kinderwunsch gemeinsam. Sie übernehmen Verantwortung für Kinder als Pflege- und / oder Adoptionseltern.

Tendenziell wird das Thema Kinder nicht mehr zwangsläufig durch die eigene Homosexualität ausgeklammert. Immer mehr Lesben und Schwule setzen sich sehr intensiv mit ihrem Kinderwunsch auseinander und suchen nach Wegen diesen umzusetzen. Dies spiegelt auch der Teilnehmerkreis an dieser Arbeitsgruppe wieder. Mehr als die Hälfte der TeilnehmerInnen befindet sich momentan in der Diskussion um den eigenen Kinderwunsch.

Zur Rechtssituation von Regenbogenfamilien

Viele Konstellationen auch in Regenbogenfamilien und jede davon mit ganz spezifischen Problemstellungen. Und doch treffen alle Regenbogenfamilien auf gleiche ungünstige gesellschaftliche und rechtliche Rahmenbedingungen.

Viele dieser Familien leben in einer gewissen Isolation, denn sie kennen keine anderen Regenbogenfamilien. Manchmal verbergen gar Eltern und Kinder die Homosexualität der Eltern aus Angst vor Diskriminierung.
Regenbogenfamilien werden rechtlich und insbesondere auch finanziell nicht als vollwertige Familien anerkannt. Dies gilt insbesondere für die soziale Elternschaft von Lesben und Schwulen.
Das Nicht-Gewähren von steuerlichen Vorteilen für lesbische oder schwule Co-Eltern (insbesondere wenn der zweite leibliche Elternteil diese nicht übernimmt) führen zur finanziellen Ungleichbehandlung der Kinder. Es wird nicht die gleiche Förderung für die Kinder gewährt, obwohl die Co-Eltern als soziale Eltern die gleiche Erziehungsaufgaben wahrnehmen und in den meisten Fällen das maßgebliche Familieneinkommen erwirtschaften.
Ein gleichberechtigtes Familienbild zu Regenbogenfamilien wird weder in Kindergarten, Schule oder in den Ausbildungen vermittelt. Die Lebenssituation vieler Kinder wird ignoriert.

Das am 01. August 2001 in Kraft getretene Lebenspartnerschaftsgesetz enthält das sogenannte kleine Sorgerecht. Dadurch werden Erleichterungen im Alltag und einige Verbesserungen für Eltern und Kinder geschaffen, etwa die Möglichkeit der Verbleibensanordnung nach dem Tod, des Umgangsrechts nach einer Trennung und des Erziehungsurlaubs für Co-Mütter oder Co-Väter. Im Steuerrecht besteht dagegen weiterhin eine eklatante Ungleichbehandlung. So ist die steuerliche Zusammenveranlagung und die Übertragung von kinderbezogenen Freibeträgen auf den sozialen Co-Elternteil nicht vorgesehen.
Das Lebenspartnerschaftsgesetz sieht kein gemeinsames Adoptions- und Sorgerecht für lesbische oder schwule Paare vor. Dies führt zu rechtlichen Unsicherheiten von Kindern und zu Ungleichheit von schwul-lesbischen Eltern.

Die rechtliche Ungleichbehandlung hat mit Rechtssicherheit, Chancengleichheit und einem dem Kindeswohl verpflichteten Familienpolitik, mit der auch Regenbogenfamilien gleichberechtigt gemeint sein müssen, nichts zu tun. Dabei hat das EU-Parlament bereits 1994 eine Resolution verabschiedet, die allen Mitgliedsstaaten empfiehlt, die rechtliche Ungleichbehandlung von Lesben und Schwulen abzuschaffen. Dabei wurde auch empfohlen das Recht von Schwulen und Lesben auf Elternschaft zu berücksichtigen.

Vorreiter in Europa sind neben den Niederlanden die skandinavischen Länder. So gibt es in Dänemark seit dem 01. Januar 2000 das gemeinsame Adoptionsrecht für lesbische und schwule Paare. Am 01. Januar 2002 folgte dieser Schritt in Norwegen und in Schweden soll ein entsprechendes Gesetz 2003 in Kraft treten. Zu Beginn des Jahres 2002 wurde in den Niederlanden die Ehe für Schwule und Lesben geöffnet und damit verbunden wurden auch alle Rechte in Bezug auf Kinder eingeräumt.
In Deutschland wurde mit dem Lebenspartnerschaftsgesetz kein adäquates Recht geschaffen. Die bereits von vielen Lesben und Schwulen übernommene Erziehungsverantwortung wurde nicht entsprechend anerkannt und gestärkt. Das kleine Sorgerecht ist hierzu nicht ausreichend.

Forderungen von Regenbogenfamilien

Ganz ohne Frage ist Familie nach wie vor der richtige Ort, an dem Kinder aufwachsen und wo sie Geborgenheit und Unterstützung finden. Die Frage ist nur, welche Art der Familie? Wer konsequent das Wohl des Kindes in den Vordergrund stellt, der wird nicht nach der Struktur, sondern nach der Qualität der Familie fragen.

Aufgrund vielfältiger Familienformen erscheint es opportun die Rechtsgleichheit für das Wohl der Kinder zu fordern. Dazu bedarf es eines gesellschaftlichen und gesetzlichen Rahmens der

  1. alle Kinder gleich behandelt unabhängig von der Art der Elternschaft und
  2. die Erziehungsarbeit unabhängig von der Art der Elternschaft anerkennt.

Es geht insbesondere um die Anerkennung und die rechtliche Absicherung der sozialen Elternschaft (z.B. durch die Stiefelternadoption), sowie die Anerkennung von Erziehungsverantwortung unabhängig von Verwandtschafts-verhältnissen. Eine Forderung die sich bei der Tendenz zu Patchworkfamilien nicht nur für Regenbogenfamilien stellt.

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