Klaus Timm, Bundessprecher der Arbeitskreise Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender
in ver.diver.di-Positionen zur
Gleichstellung von
Lesben und Schwulen
im Arbeits- und Dienstrecht
- Welche Positionen hat die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) zur Behandlung von Lesben und Schwulen in der Arbeitswelt?
Mit Vereinigung der Gewerkschaften HBV, ÖTV, DAG, DPG und IG Medien zu ver.di
im März 2001 sind die Beschlusslagen der Gründungsgewerkschaften zur
Gleichbehandlung und Antidiskriminierung von Lesben und Schwulen in ver.di
übergegangen. Im Arbeits- und Dienstrecht fordert ver.di hiernach ein
Antidiskriminierungsgesetz (ÖTV-Gewerkschaftstagsbeschluss 1988), das vor
Benachteiligungen im Berufsleben schützen soll.
Da ver.di die Gleichstellung von Lesben und Schwulen in allen Rechtsgebieten
fordert, d. h. auch das uneingeschränkte Recht der Eheschließung
(ÖTV-Gewerkschaftstagsbeschlusse 1992), müssen auf Arbeits- und
Dienstverhältnisse lesbischer und schwuler Beschäftigter alle Rechte (und
Pflichten) übertragen werden, die für verehelichte Anwendung finden.
Zur Tarifpolitik hat sich ver.di dafür ausgesprochen, dass eine
Ungleichbehandlung lesbischer und schwuler Beschäftigter sowie nichtehelicher
und ehelicher Lebensgemeinschaften in der Tarifverträgen abgeschafft wird
(Stichwort „Kinder statt Ehe fördern").
Lesben und Schwule müssen hiernach in folgenden Punkten gleichgestellt werden
(beispielhafte Nennung):
- Tarif- und Besoldungsrecht
Familienzuschläge sind zu gewähren, wie der erhöhte Ortszuschlag,
Kinderzuschläge.
Sonderurlaub und Arbeitsbefreiung
Für die Pflege von Kindern und Partner/inne/n, Eheschließung/Verpartnerung,
Tod.
Trennungsgeld
Gleiche Zuschüsse und Heimfahrtregelung.
Reisekosten, Umzugskosten
Gleiche Erstattungsregelungen wie bei Verehelichten.
Beihilfe
Die Beihilfeberechtigung muss Verpartnerte und ihre/r Partner/in
einschließen.
Sterbegeld
Verpartnerten muss der gleiche Anspruch wie Verehelichten zustehen.
Sonderregelungen
An den Ehestand gebundene Sonderregelungen (wie Partnerrabatte) müssen auch
Verpartnerten zustehen.
Zusatzversorgung
Die ehestandsbedingten Ansprüche müssen auch für Verpartnerte gelten.
Teilzeitregelungen
An die Eheschließung, Kindererziehung oder Personenversorgung gebundene
Regelungen sind auch auf Verpartnerte anzuwenden.
Soziale Auswahl (bei Abordnungen, Versetzungen, Kündigungen)
Verpartnerte Beschäftigte sind verehelichten gleichzustellen.
- Wie wirkt sich das Partnerschaftsgesetz auf die Arbeitswelt aus?
- Rechtfolgen
Rechtsansprüche resultieren z. Z. im Arbeits- bzw. Dienstverhältnis infolge
einer Verpartnerung grundsätzlich nicht. Es bestehen allerdings in Einzelfällen
betriebliche Regelungen, die „freiwillig" gewährt werden und somit jederzeit
wieder rückgängig gemacht werden können (z. B. Partnerrabatte,
Sonderbeurlaubungen, betriebliche Versorgung).
In den Personalverwaltungen herrscht teilweise Unkenntnis darüber, ob und
ggf. welche Anspruchsveränderungen durch die Verpartnerung eintreten oder wie
die Verpartnerung bei den Personalunterlagen zu vermerken ist (z. B.
Familienstand, Angehörigenstatus). Die EDV-Programme lassen vielfach den neuen
Status nicht zu.
SozialstatusDie in den Betrieben und Verwaltungen zur Kenntnis gebrachten Verpartnerungen
von Beschäftigten hat zum einen durchaus demonstrativ beabsichtigte Wirkung (wie
schon immer die Heirat bei Heterosexuellen!). Sie hat aber auch eine soziale
„Aufholwirkung": sie hilft besonders den Betroffenen aber auch den
nichtverpartnerten lesbischen Mitarbeiterinnen und schwulen Mitarbeitern im
Akzeptanzprozess ihrer gleichgeschlechtlichen Identität und Lebensweise.
Tendenziell wird Lesbisch- und Schwulsein somit auch in der (durch besondere
Abhängigkeiten und Anpassungsdruck gekennzeichneten) Arbeitswelt
„gesellschaftsfähig", gerade weil die staatliche Rahmenbedingung
(Lebenspartnerschaftsgesetz) die Legitimität der gleichgeschlechtlichen
Lebensweise unterstreicht. Das Outing wird tendenziell konfliktfreier, und
Diskriminierungen geraten längerfristig sogar in den Tabu-Bereich.
Welche Auswirkungen hat das Urteil des BVerfG auf die Arbeitswelt?
Eine negative Position wird innerhalb konservativer katholischer aber
auch evangelischer Kirchenoberhäupter deutlich und öffentlich proklamiert. Sie
fordern die Kündigung verpartnerter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des
kirchlichen Dienstes, weil diese schwerwiegend gegen die
Loyalitätsobliegenheiten des kirchlichen Arbeitsrechts verstießen. Da die
kirchlichen Einrichtungen einen sehr bedeutenden Bereich der Arbeitsplätze in
unserem Land stellen, wird mit diesen Drohungen die wirtschaftliche Existenz
vieler lesbischer und schwuler Beschäftigter infrage gestellt.
Die positive Wirkung des Urteils geht besonders von der Feststellung
aus, dass das sog. „Abstandsgebot" (GG Art. 6 Abs. 1) verneint worden ist. D. h.
gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften können die gleichen Rechte und
Vergünstigungen erhalten, wie Verheiratete.
Da nach der EG-Richtlinie 2000/78 (zur Festlegung eines allgemeinen
Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf)
die Bundesrepublik Deutschland bis Ende 2003 rechtlich regeln muss, dass eine
Diskriminierung u. a. wegen der sexuellen Ausrichtung verhindert wird, hat das
Urteil des BVerfG folglich Auswirkungen auf die Veränderung des Arbeits- und
Dienstrechts für Verpartnerte.
- Welcher Handlungsbedarf besteht auch Sicht von ver.di?
- Was muss noch getan werden durch die Tarifpartner?
Die Rechtsangleichung muss unverzüglich erfolgen (incl. Tarifverträge,
Betriebs- oder Dienstvereinbarungen und Absprachen zu Arbeitsverträgen). Da
sowohl die sachliche Ausgestaltung von Tarifverträgen als auch die von Betriebs-
oder Dienstvereinbarungen, wie letztlich auch die Arbeitsverträge durch die
jeweils zuständigen Stellen erfolgt (bedingt eigenständig handelnde
Tarifkommissionen, Betriebs- oder Personalräte / Unternehmens- oder
Dienststellenleitungen, Arbeitnehmer/innen / Arbeitgeber/innen), muss der „neue
Rechtsgrundsatz" gesetzlich in den notwendigen Einzelregelungen festgelegt
werden.
Die Rechtsansprüche für verpartnerte Beschäftigte müssen rückwirkend zum
Zeitpunkt der Verpartnerung anerkannt und in den Betrieben und Verwaltungen
realisiert werden.
Die Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen müssen die neuen Regelungen
in geeigneter Weise veröffentlichen und für die Überwachung der Einhaltung der
Regelungen sorgen.
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