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Beschluss des 15. LSVD-Verbandstages

am 29./30.03.2003 in Köln

Lebenspartnerschaft: Gleichstellung vollenden

Das Lebenspartnerschaftsgesetz ist ein bedeutender gesellschaftlicher Durchbruch und ein großer Sprung nach vorn für die Bürgerrechte von Lesben und Schwulen. Volle Gleichstellung bringt es aber nicht. Im rechtlichen Detail bleiben noch viele Wünsche offen.

Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt: "Der besondere Schutz der Ehe in Art. 6 Abs. 1 GG hindert den Gesetzgeber nicht, für die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft Rechte und Pflichten vorzusehen, die denen der Ehe gleich oder nahe kommen."

Volle Gleichstellung ist also verfassungsrechtlich möglich. An diesem Maßstab muss jede neue Gesetzgebung zur Eingetragenen Lebenspartnerschaft gemessen werden. Es gibt keinen sachlichen Grund, lesbischen Bürgerinnen und schwulen Bürgern Rechte vorzuenthalten.

Mit der Einführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes und mit dem positiven Urteil des Bundesverfassungsgerichtes sind die Grundsatzentscheidungen gefallen. Das ist ein großer Erfolg schwul-lesbischer Bürgerrechtspolitik. Jetzt muss auf vielen verschiedenen Baustellen an weiteren Verbesserungen gearbeitet werden. Diese Detailarbeit ist weniger spektakulär, aber genauso wichtig, damit die Eingetragene Lebenspartnerschaft tatsächlich gelebt werden kann und Lesben und Schwule alle Rechte erhalten. Wir sind noch nicht am Ziel. Das ist erst erreicht, wenn in allen Bereichen volle Gleichstellung hergestellt ist.

Die Regierungsparteien haben in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, dass die Koalition das Lebenspartnerschaftsgesetz auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts überarbeiten und ergänzen (Lebenspartnerschafts-Ergänzungsgesetz) wird.

Der LSVD fordert die Regierungskoalition auf, die Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsgesetzes zügig in Angriff zu nehmen. Zudem erwarten wir, dass sich die Koalition gegenüber dem Bundesrat nach allen Regeln der politischen Kunst und mit dem gleichen Engagement wie bei anderen Gesetzgebungsvorhaben für den Erfolg des Ergänzungsgesetzes einsetzt.

Den Bundesrat fordern wir dringend auf, endlich die Blockadehaltung gegen zustimmungspflichtige Ergänzungen zur Lebenspartnerschaft aufzugeben. Die Bundesländer sind zudem aufgefordert, Eingetragene Lebenspartnerschaften auch im jeweiligen Landesrecht anzuerkennen.
 

Im Einzelnen fordern wir:

1. Lebenspartnerschaftsgesetz zügig überarbeiten

Die Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsgesetzes ist dringend geboten. Das Lebenspartnerschaftsgesetz stellt einen Kompromiss dar. Aus Angst vor dem Bundesverfassungsgericht wurden viele Unterschiede zur Ehe eingebaut, die Lebenspartner/innen benachteiligen und Rechtsunsicherheit zur Folge haben. Nach dem Karlsruher Urteil können diese Unterschiede nun aufgehoben und der Abstand zur Ehe beseitigt werden. Das betrifft z.B. Regelungen zum Unterhalt, zur Trennung, zum Vermögensstand oder den Versorgungsausgleich.
Das Bundesverfassungsgericht hat zudem für die Fallkonstellation, dass ein Lebenspartner eine Ehe eingehen will, ausdrücklich eine gesetzliche Regelung angeregt, die den Vertrauensschutz für den anderen Lebenspartner stärkt.

Der LSVD plädiert insgesamt dafür, die Einzelregelungen des Lebenspartnerschaftsgesetzes nach dem Vorbild des skandinavischen Rechts durch einen generellen Verweis auf die Rechtsvorschriften des Bundes für die Bürgerliche Ehe zu ersetzen. Das trägt zu einer erheblichen Vereinfachung bei und erhöht die Rechtssicherheit.

Dasselbe soll bei allen zustimmungsfreien Bundesgesetzen geschehen, die für die Eingetragene Lebenspartnerschaft relevant sind. Das gilt insbesondere für die Gleichstellung bei der Hinterbliebenenversorgung in der gesetzlichen Rentenversicherung.

Auch die noch offenen kindschaftsrechtlichen Fragen müssen geregelt werden. Trotz erster gesetzlicher Verbesserungen sind Kinder, die in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften aufwachsen, rechtlich und finanziell schlechter abgesichert als andere Kinder. Insbesondere die fehlende Möglichkeit zur Stiefkindadoption entzieht den Kindern Versorgungsansprüche und sorgt für Unsicherheit, wenn dem leiblichen Elternteil etwas zustößt. Das kann nicht im Interesse des Kindeswohls sein. Es gibt keinen sachlichen Grund, Menschen allein wegen ihrer Homosexualität vom Adoptionsrecht auszuschließen. Unter den gleichen Voraussetzungen wie für Ehepaare muss auch für Eingetragene Lebenspartnerschaften die Stiefkindadoption ermöglicht werden. Das gleiche gilt für das gemeinsame Adoptionsrecht sowie für das gemeinsame Sorgerecht.
Wichtig ist zudem die Gleichstellung im Namensrecht hinsichtlich der Einbenennung von Kindern in einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft: Gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften mit Kindern muss wie Ehepaaren ermöglicht werden, dass alle Familienmitglieder den gleichen Familiennamen führen können.

Die von uns geforderten Überarbeitungen des Lebenspartnerschaftsgesetzes sind allesamt ohne Zustimmung des Bundesrates möglich. Sie könnten daher unverzüglich angegangen werden. Wir erwarten von der Regierungskoalition, dass sie das Versprechen auf Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsgesetzes zügig einlöst. Bis zum Christopher-Street-Day 2003 wollen wir erste Ergebnisse sehen.
 

2. Ergänzungsgesetz verabschieden und EU-Vorgaben umsetzen

Der LSVD fordert insbesondere die Unions- und FDP- sowie die von großen Koalitionen regierten Bundesländer auf, endlich die gesellschaftlichen und rechtlichen Realitäten zu akzeptieren und ihren Frieden mit der Eingetragenen Lebenspartnerschaft zu machen sowie die noch ausstehenden Ergänzungsregelungen nicht länger zu blockieren. Auch die anderen Bundesländer sind aufgefordert, sich für die Verwirklichung des Lebenspartnerschaftsgesetzes zu engagieren.

Wir verlangen, dass das in der letzten Wahlperiode gescheiterte Ergänzungsgesetz im Laufe der neuen Legislatur erneut in das parlamentarische Verfahren eingebracht wird. Es sollte zudem um weitere Elemente angereichert werden. Beispielsweise müssen die faktischen Partnerschaftsverbote für Transgender dringend beseitigt werden.

Bis Dezember 2003 muss die EU-Richtlinie zur Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf umgesetzt werden. Der Gesetzgeber ist somit aufgrund des europäischen Rechts und des Art. 3 Grundgesetz in vielen Bereichen zum Handeln gezwungen. Das betrifft insbesondere die Gleichstellung der Lebenspartner/innen mit Ehegatten im Steuerrecht, bei der Besoldung und bei der Hinterbliebenenversorgung.

Die fehlende Anerkennung eingetragener Lebenspartnerschaften bei Besoldung unter Hinterbliebenenversorgung ist spätestens ab dem Dezember 2003 rechtswidrig. Der LSVD fordert Bundestag und Bundesrat auf, Lesben und Schwule nicht auf den Klageweg zu zwingen, sondern als gesetzgebende Organe rechtzeitig für einen rechtskonformen Zustand zu sorgen.
 

3. Lebenspartnerschaft im Landesrecht anerkennen

Neben dem Bundesrecht müssen auch die Gesetze der Länder an das Lebenspartnerschaftsgesetz angeglichen werden. Das ist bisher nur im Land Berlin mit dem "Gesetz zur Anpassung des Landesrechts auf Grund der Einführung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft" geschehen. Darin wurden die Landesregelungen zur Ehe auf die Eingetragenen Lebenspartnerschaft erstreckt. Das betrifft das öffentliche Dienstrecht des Landes und zahlreiche weitere Gesetze und Verordnungen – vom Landesjagdgesetz bis zur Friedhofsordnung.

Der LSVD fordert die anderen fünfzehn Bundesländer auf, dem Berliner Vorbild zu folgen. Die Anpassung kann am einfachsten durch eine allgemeine Klausel erfolgen, dass alle Bestimmungen in den Gesetzen und Verordnungen des betreffenden Landes, die sich auf das Bestehen oder frühere Bestehen einer Ehe beziehen, auf das Bestehen oder frühere Bestehen einer Lebenspartnerschaft entsprechend anzuwenden sind.

Acht Bundesländer haben in ihren Ausführungsgesetzen einheitlich das Standesamt als Eintragungsbehörde festgelegt. Wir fordern die anderen Bundesländer auf, hier nachzuziehen und einheitliche Verhältnisse zu schaffen.

Besonders kritisieren wir die Haltung des Freistaates Sachsen. Als einziges Bundesland hat Sachsen bislang kein Ausführungsgesetz erlassen. Die Eintragung kann landesweit nur an drei Stellen (den drei Regierungspräsidien) vorgenommen werden. Diese Praxis ist reine Schikane und muss ein Ende haben.

 


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