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Wahlprüfsteine des
Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD)
zur Europawahl am 13. Juni 2004

Für eine umfassende Antidiskriminierungspolitik auf
europäischer Ebene !

1. Sachgerechte und zügige Umsetzung der bestehenden Antidiskriminierungsrichtlinien

Die Fristen zur Umsetzung der Richtlinien 2000/78/EG (Rahmenrichtlinie zur Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf) und 2000/43/EG (Antirassismusrichtlinie) sind im Jahr 2003 abgelaufen. Neben anderen EU-Staaten hat auch Deutschland die Richtlinien bisher nicht oder nur ungenügend umgesetzt.

Wir erwarten eine zügige und sachgerechte Umsetzung. Sachgerecht bedeutet für uns, dass in das zur Umsetzung der Richtlinie 2000/43/EG geplante zivilrechtliche Antidiskriminierungsgesetz alle relevanten Diskriminierungsgründe einbezogen werden. Diskriminierungen im privaten Rechtsverkehr wie im Gastronomiebereich (Zugang zu Lokalen, Diskotheken oder Hotels), auf dem Mietwohnungsmarkt oder im Versicherungswesen sind Sachverhalte, die beispielsweise behinderte Menschen oder Angehörige ethnischer Minderheiten in vergleichbarer Weise betreffen wie Lesben und Schwule. Hier unterschiedliches Recht zu schaffen, würde ein ernstes Gleichbehandlungsproblem bringen.

Besondere Handlungspflichten aus der EU-Richtlinie 2000/78/EG zur Verhinderung von Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Identität ergeben sich vor allem im Beamtenrecht- und Soldatenrecht. Bestehende Gleichbehandlungsvorschriften müssen um ein ausdrückliches Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität ergänzt werden. Ebenso müssen Eingetragene Lebenspartnerschaften im Beamtenrecht mit der Ehe gleichgestellt werden (z.B. bei der Hinterbliebenenpension, der Beihilfe und dem Familienzuschlag). Lebenspartnerschaften haben die gleichen Unterhaltspflichten wie die Ehe. Dass Lebenspartnerschaften im Beamtenrecht bislang nicht berücksichtigt werden, stellt eine nach EU-Richtlinie 2000/78/EG nunmehr verbotene Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität dar.

Frage: Wird sich Ihre Partei für ein zivilrechtliches Antidiskriminierungsgesetz einsetzen, das den Schutz vor Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität voll mit einschließt? Wird sich Ihre Partei bei der Umsetzung der EU-Richtlinie 2000/78/EG für eine Gleichstellung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft im Beamtenrecht mit der Ehe einsetzen?

2. Einführung einer umfassenden europäischen Antidiskriminierungsrichtlinie

Die Antirassismus-Richtlinie der EU enthält ein umfassendes Diskriminierungsverbot, das unter anderem auch für das Zivilrecht gilt, z.B. hinsichtlich des Zugangs zu Waren und Dienstleistungen. Bei Diskriminierungen aufgrund der übrigen in § 13 EG-Vertrag aufgeführten Diskriminierungsmerkmale gibt es bislang über EU-Richtlinien nur ein Diskriminierungsverbot in Beschäftigung und Beruf.

Wir setzen uns für eine umfassende Antidiskriminierungsrichtlinie nach dem Vorbild der Antirassismus-Richtlinie 2000/43/EG ein, die auch die sexuelle Identität umfassen soll. Das würde die bisherigen Regelungen vervollständigen und demonstrieren, dass es in Europa keine „Hierarchie der Diskriminierungen“ gibt.

Frage: Wird sich Ihre Partei auf EU-Ebene für eine Antidiskriminierungsrichtlinie einsetzen, die auch die sexuelle Identität umfasst?

3. Diskriminierung auf Grund der Geschlechtsidentität

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte gilt das Verbot von Diskriminierung auf Grund des Geschlechts auch für das Verbot der Diskriminierung auf Grund der Geschlechtsidentität. Wir fordern, dass in der weiteren Ausgestaltung des EU-Rechts auf diese Tatsache auch explizit hingewiesen wird, um ein deutliches Signal gegen die Diskriminierung von Transgendern zu setzen.

Frage: Wird sich Ihre Partei dafür einsetzen, dass der Diskriminierungsschutz für Transgender entsprechend ausgebaut wird?


4. Weiterentwicklung des EU Antidiskriminierungsprogrammes

Durch das Antidiskriminierungsprogramm 2000 – 2006 wurde es den in diesem Bereich engagierten Nichtregierungsorganisation ermöglicht, sich europäisch zu vernetzen, damit ihre Stimme im europäischen Prozess gehört werden kann. Außerdem wurden viele Modellprojekte und Kampagnen gefördert, um die Gesellschaft gegen Diskriminierung zu sensibilisieren.

Wir plädieren für eine Fortsetzung und Weiterentwicklung des EU- Antidiskriminierungsprogrammes. Insbesondere sollten Projekte zur Bekämpfung der Diskriminierung auf Grund von Alter, Behinderung, Geschlecht, „Rasse“ oder ethnischer Herkunft, Religion oder Weltanschauung und sexueller Identität im Rahmen des „Mainstreaming“ in andere EU-Förderprogramme einbezogen werden, insbesondere in den Strukturfonds EQUAL.

Frage: Wird sich Ihre Partei für die Fortsetzung und Weiterentwicklung des EU-Antidiskriminierungsprogrammes einsetzen?

5. Anerkennung von Lebenspartnerschaften und Regenbogenfamilien in Europa

In vielen EU-Staaten gibt es bereits Rechtsinstitute der Eingetragenen Partnerschaften für gleichgeschlechtliche Paare. Leider ist in der laufenden Legislaturperiode des EP bei den Bemühungen, für diese Partnerschaften eine europaweite Anerkennung zu erlangen, nur ein minimaler Fortschritt erreicht worden.
Wir begrüßen jedoch ausdrücklich, dass sich das Europäische Parlament im September 2003 für die europaweite Anerkennung von Eingetragenen Partnerschaften und für die Öffnung der Ehe in Europa ausgesprochen hat.
Wir treten weiter nachdrücklich für die europaweite gegenseitige Anerkennung von Eingetragenen Partnerschaften einschließlich ihrer Kinder bei der Freizügigkeit innerhalb der Union ein. Auch in den anderen Gesetzgebungen der Europäischen Union sollte der sozialen Realität der neuen Familienmodelle und Rechtsinstitute Rechnung getragen werden.

Frage: Wird sich Ihre Partei für die europaweite gegenseitige Anerkennung von Eingetragenen Partnerschaften einsetzen sowie für die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Familien?

6. Menschenrechtspolitik für Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender

Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender sind in vielen Ländern dieser Welt noch immer Verfolgungen durch Staat und Gesellschaft ausgesetzt, die mitunter bis zum Mord reichen. In etwa 80 Staaten wird Homosexualität noch heute strafrechtlich verfolgt, in einigen islamischen Staaten auch mit der Todesstrafe. Gleichzeitig entwickelt sich weltweit eine starke Bürger- und Menschenrechtsbewegung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgendern, die zu unterstützten auch eine Aufgabe der EU ist.

Im Rahmen der gemeinsamen Außenpolitik, auch gerade in Bezug auf die „Good Governance“-Klauseln von Assoziations- und Handelsabkommen mit Drittstaaten, sollte sich die Europäische Union auch für die Menschenrechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgendern einsetzen. Wir fordern, dass auch Projekte von Nichtregierungsorganisationen aus diesem Bereich in Förderungsprogrammen berücksichtigt werden – insbesondere in dem Programm European Initiative for Democracy and Human Rights (EIDHR) 2005-2007.

Frage: Wird sich Ihre Partei für ein entsprechendes stärkeres Engagement der EU für die Menschenrechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgendern einsetzen?

[beschlossen auf dem 16. LSVD Verbandstag, 20.03.2004]
 


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