Home | PresseAktuelles | Termine | 16. LSVD-Verbandstag |


Unsere familienpolitischen Forderungen

In Deutschland leben derzeit Hunderttausende Kinder mit ihren lesbischen Müttern oder schwulen Vätern zusammen. Diese sogenannten Regenbogenfamilien sind rechtlich immer noch weit schlechter gestellt als heterosexuelle Familien. Das am 1. August 2001 in Kraft getretene Lebenspartnerschaftsgesetz enthält leider nur wenige Verbesserungen für Eltern und Kinder. Das EU-Parlament hat bereits 1994 eine Resolution verabschiedet, die allen Mitgliedsstaaten empfiehlt, die rechtliche Ungleichbehandlung von Lesben und Schwulen abzuschaffen.

Die vielfältige Ungleichbehandlung von Regenbogenfamilien gegenüber Heterosexuellen geht speziell zulasten der rechtlichen, finanziellen und psychosozialen Situation der Kinder, für die Lesben und Schwule Verantwortung übernehmen.
Der Verbandstag des LSVD solidarisiert sich mit den lesbischen (Co)Müttern, schwulen (Co)Vätern und ihren Kindern und fordert die persönliche, gesellschaftliche und rechtliche Gleichstellung von Regenbogenfamilien.

Der Verbandstag unterstützt ausdrücklich die im Folgenden formulierten familienpolitischen Forderungen des LSVD an die Bundesregierung:

1. Anerkennung von Lebenspartnerschaften mit Kindern als Familien.

Kinder in Lebenspartnerschaften stammen aus heterosexuellen Vorbeziehungen, wurden von einem der Partner adoptiert, durch Insemination gezeugt oder sind Pflegekinder. Sie bilden mit ihren Eltern eine Familie.

Als Art. 6 Abs. 1 GG geschaffen wurde, verstand man unter dem Begriff „Familie“ etwas anderes als heute. Regelungsmodell des Jahres 1949 war der Idealtypus der bürgerlichen Kleinfamilie mit traditioneller Rollenverteilung zwischen dem männlichen Ernährer, der weiblichen Hauswirtschafterin und einer de iure gleichberechtigten, de facto aber mütterlichen Erziehung der Kinder (Gröschner in: Dreier, GG, 1996, Art. 6 Rn. 13). Unstreitig dürfte es sein, dass sich dieser Begriff der Familie – vor allem durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – gewandelt hat (Beck NJW 2001, 1894, 1897; vgl. auch Schmitt-Kammler in: Sachs, GG, 2. Aufl. 1999, Art. 6 Rn. 15 m.w.N.). Das Gericht hat den Begriff der verfassungsrechtlich geschützten Familie ausdrücklich auf Mütter mit Kindern (BVerfGE 18, 105 f.) bzw. Väter mit Kindern (BVerfGE 45, 123) ausgedehnt. Nach h.M. wird auch die Gemeinschaft nichtehelicher Eltern mit Kindern vom Familienbegriff erfasst (Coester-Waltjen in: v. Münch/Kunig, GG, 5. Aufl. 2000, Art. 6 Rn. 11; Schmitt-Kammler in: Sachs, GG, 2. Aufl. 1999, Art 6. Rn. 16, jeweils m.w.N.; vgl. auch BVerfG, InfAuslR 1993, 10; 1994, 394; NVwZ 1997, 479). Damit hat sich der Begriff „Familie” ganz auf den Bereich des Zusammenlebens von Erwachsenen mit Kindern verlagert. Deshalb müssen Kinder, die in Lebenspartnerschaften aufwachsen, rechtlich mit Kindern gleichgestellt werden, die in Ehen aufwachsen.

Das bedeutet im Einzelnen:

2. Gemeinschaftliches Sorgerecht

Lebenspartnern muss die Möglichkeit eingeräumt werden, durch eine Sorgeerklärung die gemeinsame Sorge für die leiblichen oder adoptierten Kinder der Partner zu übernehmen. Falls bei Kindern aus früheren Ehen die elterliche Sorge für das Kind auch dem anderen leiblichen Elternteil zusteht, muss dieser der Sorgeerklärung zustimmen bzw. widersprechen können (Ergänzung des § 1626 BGB).

3. Adoption

Bisher ist nur die Adoption durch einen der beiden Elternteile zulässig. In den übrigen Fällen ist eine Adoption der Stiefkinder nur in der Weise möglich, dass der leibliche oder rechtliche Elternteil auf seine Elternschaft verzichtet. Das kann dem Kindeswohl widersprechen, weil es für ein Kind z.B. im Hinblick auf seine Unterhalts- und Erbrechtsansprüche besser ist, zwei Eltern zu haben. Der generelle Ausschluss der gemeinschaftlichen und der Stiefkindadoption widerspricht deshalb dem Kindeswohl. Ob solche Adoptionen im konkreten Fall dem Wohl des Kindes dienen, muss jeweils der sachkundigen Entscheidung des Vormundschaftsgerichts überlassen bleiben.

4. Einheitlicher Lebenspartnerschaftsname

Lebenspartner (§ 3 LpartG) haben genauso wie Ehegatten (§ 1355 BGB) das Recht, einen gemeinsamen Lebenspartnerschafts- bzw. Familiennamen zu wählen. Deshalb muss ihnen - genauso wie Ehegatten (§ 1618 BGB) – auch die Möglichkeit eingeräumt werden, Kindern, die im gemeinschaftlichen Haushalt leben, ihren Lebenspartnerschaftsnamen zu geben (Einbenennung).

Im Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über die Anfechtung der Vaterschaft und das Umgangsrecht von Bezugspersonen des Kindes (Bundesrats-Drucksachen 151/03) ist zwar eine orthographische Änderung des § 1618 BGB vorgesehen, aber keine Gleichstellung von Lebenspartnern mit Ehegatten bei der Einbenennung von Kindern.

5. Familien- bzw. Orts- oder Sozialzuschlag

Ehegatten mit Kindern erhalten einen Familien- bzw. Orts- oder Sozialzuschlag, der jeweils eine Stufe höher ist als die Zuschläge für Lebenspartner mit Kindern (§ 40 BBesG und die entsprechenden Tarifverträge). Diese Diskriminierung muss beseitigt werden.

6. Steuerliche Gleichstellung von Lebenspartnerschaften mit Kindern mit Ehen.
Lebenspartnerschaften mit Kindern werden gegenüber Ehen mit Kindern steuerlich erheblich benachteiligt. Das kann die wirtschaftliche Situation und damit auch die Lebenssituation der Kinder merklich verschlechtern. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Probleme:

  • Lebenspartnerschaften mit kleinen Kindern werden häufig wie „Hausfrauenehen“ geführt, das heißt, einer der Partner betreut die Kinder und führt den Haushalt, während der andere einer Erwerbstätigkeit nachgeht. Bei Ehegatten wird das steuerlich durch die Möglichkeit anerkannt, bei der Einkommensteuer die Zusammenveranlagung zu wählen (§§ 26, 26b EStG). Lebenspartner werden dagegen steuerlich selbst dann wie Fremde behandelt, wenn in ihrem Haushalt Kinder leben. Das führt in der Regel zu beträchtlichen steuerlichen Mehrbelastungen.
     
  • Ehegatten können für Stiefkinder, die im gemeinschaftlichen Haushalt leben, Kindergeld erhalten, Lebenspartner dagegen nicht (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 BKGG).
     
  • Während Lebenspartner im Erbrecht wie Ehegatten behandelt werden, gelten sie im Schenkungs- und Erbschaftsteuerrecht weiterhin als Fremde. Sie fallen in die Steuerklasse III (§ 15 Abs. 1 ErbStG) und unterliegen somit dem höchsten Steuersatz (§ 19 ErbStG). Ihr allgemeiner Freibetrag beläuft sich nicht auf 307.000,00 €, der für Ehegatten gilt, sondern nur auf 5.200,00 € (§ 16 Abs. 1 ErbStG). Sie erhalten keinen zusätzlichen Versorgungsfreibetrag, während Ehegatten ein solcher in Höhe von 256.000,00 € zusteht (§ 17 Abs. 1 ErbStG). Ihr Freibetrag für Hausrat einschließlich Wäsche beträgt nicht 41.000,00 € und für andere bewegliche körperliche Gegenstände 10.300,00 €, sondern insgesamt nur 10.300,00 € (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Wenn ein Lebenspartner gesetzlicher Erbe wird und im Vermögensstand der Ausgleichgemeinschaft mit dem Erblasser gelebt hat, ist sein fiktiver Ausgleichsanspruch nicht steuerfrei (§ 5 ErbStG). Dasselbe gilt für den Voraus nach § 10 Abs. 1 Satz 2 u 3 LPartG. Auch lebzeitige Zuwendungen unter Lebens¬partnern im Zusammenhang mit einem inländischen Familienwohnheim sind nicht steuerfrei (§ 13 ErbStG). Das führt in der Regel zu einer erheblichen steuerlichen Mehrbelastung überlebender Lebenspartner und führt sehr oft dazu, dass sie und die Kinder die Familienwohnung aufgeben müssen.

Lebenspartnerschaften mit Kindern müssen im Steuerrecht wie Ehegatten mit Kindern behandelt werden.

7. Hinterbliebenenversorgung

Eine weitere erhebliche Benachteiligung ergibt sich daraus, dass überlebende Lebenspartner selbst dann keine Hinterbliebenen-Rente (§ 46 SGB VI),
-Pension (§§ 19 bis 28 BeamtVG), - Betriebsrente oder -Zusatzversorgung (siehe die entsprechenden Tarifverträge) erhalten, wenn sie wegen der Betreuung der Kinder nicht berufstätig sein können.

Das muss geändert werden.

[beschlossen auf dem 16. LSVD Verbandstag, 20.03.2004]
 


[Impressum] [Feedback] [Sitemap]