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Grußwort des Vorsitzenden
der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft
Frank Bsirske

für den Bundesverbandstag des LSVD Deutschland am 20./21. März 2004

überbracht von Bodo Busch

 ver.di Vorsitzender Frank Bsirske
ver.di Vorsitzender
Frank Bsirske

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich bedaure sehr, dass ich bei Ihrem diesjährigen Bundesverbandstag nicht anwesend sein kann, da gerade in den letzten Monaten und Wochen der Lesben- und Schwulenverband Deutschland mit dem ver.di-Bundesarbeitskreis Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender beim Kampf um ein umfassendes Anti-Diskriminierungsgesetz in Deutschland sehr eng zusammengearbeitet hat. Ich erinnere nur an die Gemeinsamen Presseerklärungen „Anti-Diskriminierung jetzt“ vom 2. Dezember 2003, „Bischöfe sollen endlich Kündigungsandrohungen zurücknehmen“ vom 18. Januar 2004 und die gemeinsame Übergabe von 15.000 Unterschriften für ein Anti-Diskriminierungsgesetz an den Parlamentarischen Staatssekretär Alfred Hartenbach.

Die Umsetzung der drei EU-Richtlinien (2000/34/EG, 2000/78/EG und 76/207/EWG) steht an. Deutschland hätte bereits die ersten zwei Richtlinien umsetzen müssen. Doch nach entsprechenden Rückfragen bei Vertretern des BMFSJ wird die Veröffentlichung des Referentenentwurfs ständig hinausgeschoben, so dass es langsam fraglich wird, ob eine angemessene parlamentarische Behandlung in diesem Jahr noch möglich ist. Damit setzt sich Deutschland zunehmend der Gefahr eines Vertragsverletzungsverfahrens seitens der Europäischen Kommission aus. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di kritisiert dieses zögerliche Verhalten, denn wir halten es für dringend erforderlich, dass wirksame und effektive Mittel zur Bekämpfung von Benachteiligung sowohl den Betroffenen wie auch den einschlägigen Verbänden und Sozialpartnern an die Hand gegeben werden. Denn nicht nur die Tarifpartner sind für ein Klima gegenseitiger Akzeptanz und Toleranz verantwortlich, sondern sehr wohl auch die deutsche Bundesregierung. Gerade die Bundesregierung hat eine besondere Verantwortung, Diskriminierung zurückzudrängen und Gleichbehandlung innerhalb der Gesellschaft voranzubringen.

Aus gewerkschaftlicher Sicht ist es nicht zu rechtfertigen, den Entwurf ausschließlich auf die Merkmale ‚Rasse‘ und ethnische Herkunft zu beschränken. Dass nur die Anti-Rassismus-Richtlinie 2000/43/EG einen umfassenderen zivilrechtlichen Anwendungsbereich hat, kann als Begründung nicht ausreichen. Dies umso weniger, als auch die beiden anderen Anti-Diskriminierungs-Richtlinien ebenfalls einen Anwendungsbereich im Rahmen des allgemeinen Zivilrechts haben – die selbständige Beschäftigung.

Grundsätzlich sollten jedoch von vorn herein alle Diskriminierungsverbote des Artikels 3 Abs. 3 des Grundgesetzes mit aufgenommen werden. Besonders gilt dies für die Bekämpfung der Benachteiligung aufgrund des Geschlechts. Hier ist dem Staat sogar eine ausdrückliche Förderpflicht in Artikel 3 Abs. 2 des Grundgesetzes auferlegt. Wie das Beispiel der Frauengleichstellung zeigt, reichen die individuellen Rechte gerade nicht aus, diese Gleichstellung herzustellen. Die Anzahl der individuellen Klagen ist gering, die Zugangsbarrieren zu Beschwerden im Betrieb und Klagen vor Gericht sind nach wie vor enorm.

Ähnliches gilt für das Merkmal der Behinderung. Aber auch das im Grundgesetz nicht enthaltene Merkmal der sexuellen Identität sollte mit aufgenommen werden. Wir plädieren auch für einen besonderen Schutz von Mehrfachdiskriminierungen und besonders schweren Fällen von Diskriminierungen (z.B. bei körperlicher Gewaltanwendung).

Damit Benachteiligung auf der betrieblichen Ebene wirksam geahndet werden kann, schreiben die EU-Richtlinien einen Rechtsschutz als Mindeststandard vor, an dem die Verbände und Organisationen beteiligt sind. In der Rechtsprechung des BAG ist ein solches Recht bisher nicht anerkannt. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di fordert daher eine gesetzliche Kodifikation auf Grund der Richtlinien, um die Umsetzung korrekt durchzuführen. Da den Sozialpartnern den Richtlinien zufolge eine besondere Rolle, z.B. durch den sozialen Dialog, zugewiesen ist, sind sie einzubeziehen. Dass eine solche Umsetzung erforderlich ist und auch durch gesetzliche Neuerungen gestaltet werden muss, zeigt § 63 SGB IX, in dem der einschlägige Artikel der Richtlinie für Behinderte umgesetzt wurde.

Aber eine 1:1-Umsetzung der EU-Gleichbehandlungsrichtlinien reicht nicht aus, wenn es darum geht, eingeschliffene Verhaltensweisen zu ändern. Die Bundesregierung muss ein umfassendes Programm entwickeln, das auf Breitenwirkung in der Gesellschaft angelegt ist. Wir verstehen darunter die Schaffung einer Kultur der Anti-Diskriminierung, das Aufdecken von versteckten/mittelbaren Diskriminierungen und Zielgruppenspezifische Maßnahmen.

Unsere Erfahrungen im Zusammenhang mit bereits bestehenden Gesetzen, wie z.B. der Beschäftigungspflicht schwerbehinderter Menschen sind bedrückend. Nur in Teilbereichen des öffentlichen Dienstes wird die - bereits abgesenkte - Beschäftigungspflichtquote von zur Zeit 5% erreicht; in der Privatwirtschaft liegt sie zwischen 2,4 und 3,6%.

Arbeitgeber dürfen sich nicht entziehen und noch weniger gesetzliche Regelungen bekämpfen. Sie müssen für Gleichbehandlung aller Beschäftigten sorgen und gegen Diskriminierung im Betrieb vorgehen. Es ist ihre elementare Pflicht, für Gleichbehandlung im Erwerbsleben zu sorgen. Das fängt bei einer umfassenden statistischen Erhebung an und setzt sich über entsprechende (Förder-)Pläne bis zu wirksamen Maßnahmen zur Herstellung von Gleichbehandlung einschließlich ihrer regelmäßigen Bewertung und Weiterentwicklung fort.

Dies gilt ganz besonders für die öffentlichen Arbeitgeber. Hier sind durch die Gleichstellungsgesetze für Männer und Frauen gewisse Ansätze gemacht. Sie müssen weiterentwickelt und auf alle anderen Diskriminierungstatbestände ausgeweitet werden.

Auch die Gewerkschaft ver.di ist aufgerufen, ihren Beitrag zu einer wirksamen Antidiskriminierung zu leisten. Den Ansatzpunkt bilden dabei Tarifverträge und betriebliche Regelungen. Wie das ausgestaltet sein wird und welche Möglichkeiten wir haben, wird gerade in einer ver.di-internen Arbeitsgruppe diskutiert.

Zum Thema Umsetzung des Lebenspartnerschaftsgesetzes in Tarifverträgen kann ich ihnen folgendes mitteilen:
Der für die fachbereichsübergreifende Erarbeitung tarifpolitischer Grundsätze in verd.i zuständige Bundestarifausschuss behandelte in seiner letzten Sitzung die Konsequenzen aus der seit spätestens 2.12.2003 umzusetzenden EU-Richtlinie 78/2000/EG.

Der zu diesem Tagesordnungspunkt eingeladene Sprecher des Bundesarbeitskreises Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender, Klaus Timm, erläuterte den Ausschussmitgliedern die Rechtslage, die insbesondere die Gleichstellung von in eingetragener Lebenspartnerschaft lebenden mit verheirateten Kolleginnen und Kollegen in Beschäftigung und Beruf rechtsverbindlich vorschreibt.

Die Ausschussmitglieder, unter ihnen die ver.di-Vizevorsitzende Margret Mönig-Raane, waren sich nach Abklärung der in den unterschiedlichen Berufssparten geltenden Anspruchstatbestände wie Verheiratetenzuschlag, Sonderurlaub, Hinterbliebenenversorgung usw. darin einig, dass die Anpassung der maßgeblichen Tarifverträge überfällig ist.

Da es angesichts der vielen Tausend anzuwendenden Tarifverträge als äußerst aufwendig eingeschätzt wurde, die geforderten Korrekturen lückenlos einzuarbeiten, wurde vorgeschlagen, eine Generalklausel in den Tarifverträgen sicherzustellen, dass "alle für Verheiratete geltenden Regelungen auch für eingetragene Lebenspartner gelten" sollen.

Das Thema Anti-Diskriminierung ist Bestandteil unserer Agenda. Dabei verfolgen wir einen horizontalen Ansatz - alle betroffenen Personengruppen und Fachbereiche arbeiten an einer gemeinsamen politischen Orientierung und Strategie. Nur so können wir erfolgreich sein und auf unsere Anliegen in der Öffentlichkeit aufmerksam machen. Aber natürlich ist eine der wichtigsten und aktivsten Personengruppen bei diesem Thema der Bundesarbeitskreis Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender.

Aus diesem Grund würde ich mir persönlich wünschen, dass die begonnene erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen dem LSVD Deutschland und dem Bundesarbeitskreis fortgesetzt und intensiviert wird.

Ich wünsche Ihnen anregende und umfassende Diskussionen auf Ihrem Bundesverbandstag und ein erfolgreiches Gelingen!

Mit freundschaftlichen Grüssen

Frank Bsirske
 


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