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Sehr geehrter Herr Bürgermeister Wolf,
sehr geehrte Frau Ferchau,
sehr geehrter Herr Beck,
meine sehr verehrten Damen und Herren,
ich freue mich, Ihnen heute im Namen der Ministerin für Gesundheit, Soziales,
Frauen und Familie des Landes Nordhein-Westfalen, Birgit Fischer, Grußworte
anlässlich des Verbandstages des Lesben- und Schwulenverbandes in Deutschland
hier in Köln überbringen zu dürfen. Frau Ministerin bedauert, dass sie aus
terminlichen Gründen heute nicht anwesend sein kann.
Die Gleichstellung aller Menschen in Deutschland ist bis heute nicht wirklich
erreicht. Trotz Benachteiligungsverbot im Grundgesetz und trotz einer deutlichen
Verbesserung des gesellschaftlichen Klimas werden immer noch Menschen aufgrund
von Geschlecht, Behinderung, Alter, Herkunft oder der sexuellen Identität
diskriminiert.
Lesben und Schwule sind im Alltag Ausgrenzungsversuchen, Belästigungen und nicht
selten gewalttätigen Übergriffen ausgesetzt. Eine Grundlagenstudie belegt, dass
über 80 % der Befragten bereits am Arbeitsplatz wegen ihrer Homosexualität
benachteiligt oder diskriminiert worden sind. Das reicht von schwulen- und
lesbenfeindlichen Witzen, über unangenehme sexuelle Anspielungen bis zu Mobbing,
sexuelle Belästigung und Gewalt.
Und Lesben und Schwule sind nach wie vor rechtlich nicht überall gleichgestellt.
Bis heute fehlt eine rechtliche Gleichstellung gleichgeschlechtlicher
Lebenspartnerschaften im Familienrecht.
In Kenntnis dessen hat sich die Landesregierung für eine aktive
Antidiskriminierungspolitik zu Gunsten der gesellschaftlichen Gleichstellung von
Lesben und Schwulen ausgesprochen und im April 1998 ein entsprechendes
Arbeitsprogramm beschlossen, das mit Kabinettsbeschlüssen vom Dezember 1999
sowie vom Dezember 2001 fortgeschrieben wurde.
Diese Kabinettbeschlüsse sowie das Arbeitsprogramm stellen die Grundlagen der
Lesben- und Schwulenpolitik der Landesregierung Nordrhein-Westfalen dar.
Grundgedanke dieser Politik ist, dass erst eine Gesellschaft, die
unterschiedliche Lebensweisen als gleichberechtigt akzeptiert, Gleichbehandlung
ermöglicht. Daher haben wir ein breites Maßnahmenbündel von Aktionen gestartet,
dass von einer breiten Akzeptanzkampagne „Andersrum ist nicht verkehrt: Lesben
und Schwule in NRW“ über die Vernetzung und Strukturstärkung von Initiativen,
Gruppen und Vereine der lesbischen und schwulen Selbstorganisation bis hin zu
psychosozialen Beratungsangeboten und Anti-Gewalt-Maßnahmen reicht.
Die politische Diskussion zum Thema Gleichbehandlung hat durch neue
Antidiskriminierungsrichtlinien der Europäischen Kommission eine neue Qualität
erhalten. Dabei stellen die EU-Richtlinien „Gleichbehandlung im Bereich der
Beschäftigung“ sowie „Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung ohne
Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft“ juristisch bindende Rechte
für alle Menschen in allen EU-Ländern bereit. Wie Ihnen allen bestens bekannt
ist, ist Deutschland aktuell aufgefordert, diese in nationales Recht umzusetzen,
wobei zwei Richtlinien bereits überfällig sind.
Wir brauchen dringend auf Bundesebene ein Antidiskriminierungsgesetz, das diesen
Namen auch verdient. Denn Gesetze und Programme gegen Diskriminierung sind
bisher fast immer auf einzelne Gruppen zugeschnitten. Dieses Konzept greift zu
kurz. Wir brauchen ein übergreifendes, das heißt horizontal ausgerichtetes
Regelwerk, das jede Form von Diskriminierung entschlossen bekämpft und zwar
nicht nur für den Bereich des Arbeitsrechtes sondern auch für das Zivil- und
Sozialrecht.
Denn: Obwohl es Unterschiede und Besonderheiten gibt, sind die Strukturen, die
die Benachteiligung der verschiedenen Gruppen in den einzelnen Lebensfeldern
betreffen, ähnlich. Diese Tatsache spricht für den Zielgruppen übergreifenden
oder horizontalen Antidiskriminierungsansatz. Der horizontale Ansatz verweist in
besonderem Maße darauf, dass Ursache für Diskriminierungen Vorurteile, Klischees
und Stereotypisierungen sind.
Der Vorteil eines umfassenden Antidiskriminierungsgesetzes liegt in der
Bündelung von Kräften und Synergien, so dass eine größere Wirkung erzielt werden
kann. Gleichzeitig wird dadurch eine Hierarchisierung der
Diskriminierungstatbestände vermieden und ein erfolgversprechender und
effizienter Umgang mit Mehrfachdiskriminierungen ermöglicht.
Das Land Nordrhein-Westfalen hat in vielen Bereichen Pionierarbeit gegen
Diskriminierungen geleistet. Erwähnen möchte ich hier besonders
Das Familienministerium NRW fördert bereits mehrere Projekte der
zielgruppenübergreifenden Arbeit gegen Diskriminierungen. Dazu wird
beispielsweise ein Projekt in Siegen so weiterentwickelt, dass es
Ansprechpartner für alle Menschen sein kann, die sich von Diskriminierungen
betroffen fühlen. Darüber hinaus leistet das Land mit dem Projekt „QuBA“
(Qualifizierung von Beratung) einen Beitrag zur übergreifenden
Antidiskriminierungsarbeit. Dieses Projekt war unter anderem Gegenstand einer
vielbeachteten Fachtagung „Ungleich besser: Vielfalt statt Diskriminierung –
Europäische Fachtagung zur Zielgruppen übergreifenden
Antidiskriminierungsarbeit“ am 6. Februar 2004 in Bochum.
Und für den Bereich Gleichgeschlechtliche Lebensweisen möchte ich das
transnationale bestpractice Projekt TRIANGLE hervorheben. Der Name – durchaus
auch als geschichtlicher Verweis zu verstehen – steht dabei als Akronym für
Transfer of Information to Combat Discrimination Against Gays and Lesbians in
Europe. TRIANGLE besteht aus einer Projektgruppe von acht verschiedenen
Kooperationspartnern aus fünf Ländern, die ein Handbuch zum Abbau von
Diskriminierungen im Bereich „education“ und „public health“ im September 2004
herausgeben wird. Das Handbuch richtet sich im Wesentlichen an
Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, die mit Jugendlichen und jungen
Erwachsenen arbeiten.
Es soll für die Problematik der Diskriminierung aufgrund der sexuellen
Orientierung und der ethnischen Herkunft sensibilisieren, theoretisches Wissen
vermitteln, sowie konkrete Tipps, Methoden und Beispiele zur praktischen
Umsetzung beinhalten. Ziel des Projekts ist es, Vorurteile von Jugendlichen
gegen Lesben und Schwule sowie Migrantinnen und Migranten abzubauen. Im
September soll das transnationale Projekt abgeschlossen werden.
Ein weiterer horizontaler Ansatz bezieht sich auf das Thema Diversity und –
insbesondere in Richtung Arbeitsleben – Diversity Management, das wir im Rahmen
der landesweiten Akzeptanzkampagne „Andersrum ist nicht verkehrt“ aufgreifen. Im
Dezember letzten Jahres haben wir Lesben und Schwule aus der Arbeitswelt zu
einer Fachveranstaltung „Gleichgeschlechtliche Lebensweisen und Diversity“
eingeladen, um mit ihnen gemeinsam auszuloten, welche Maßnahmen zur Verbesserung
der Situation am Arbeitsplatz führen. Die Vorschläge werden dokumentiert und in
unsere weitere Konzeption der Akzeptanzkampagne eingebaut.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
der LSVD nimmt in der Arbeit für die rechtliche und gesellschaftliche
Gleichstellung von Lesben und Schwulen bundesweit eine herausgehobene Stellung
ein. Sie haben das Thema Lebenspartnerschaftsgesetz und dessen Ergänzungsgesetz
sowie die Antidiskriminierungsarbeit intensiv und kritisch begleitet und
wichtige Impulse gegeben. Für diese qualitätvolle Bürgerrechtsarbeit möchte ich
Ihnen im Namen der Ministerin ganz herzlich danken und hoffe, dass wir auch auf
Landesebene von diesen konstruktiven Arbeit profitieren können. Für Ihre
Zusammenkunft an diesen zwei Tagen wünsche ich Ihnen gute und fruchtbare
Gespräche.
Vielen Dank!
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