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15. LSVD-Verbandstag am 29./30.05.2003 in Köln

Abschiedsrede von Halina Bendkowski

Liebe Alle!

Ein Wort zum Abschied wäre nur ein Farewell, doch ein paar Sätze mehr sollen es schon sein. Warum ich mich von Euch irgendwie feierlich verabschieden will, hat was mit der Bedeutung unserer gemeinsamen Geschichte zu tun. Obwohl meine LSVD –Vorstandstätigkeit seit unserer Gründung im Jahre 1999 nur 4 Jahre dauerte, bin ich die letzte der Gründungsfrauen, die vor genau 4 Jahren den SVD in den LSVD erweiterten. Und ich wollte nicht so einfach aus unserer Geschichte verschwinden, dafür war diese Zeit lebensgeschichtlich zwar recht kurz, aber doch von großer Bedeutung, politisch, wie persönlich.

So don’t fade away!

Ich möchte mit meiner kurzen Abschiedsrede auch an die anderen Gründungsfrauen erinnern, an Sabine Bohle, Dorothee Markert, Gerta Siller und vor allem an Ida Schillen, die für den LSVD u.a. die Zukunftsthematik Familienpolitik durchgesetzt hat.

Fern wie sie nun sind, möchte ich ihnen dennoch hier mit Euch! ein Denkmal setzen.

Nun ist Krieg. Wie ich Euch durch meine rundummailerei bereits bekannt machte, war und bin ich schon seit längerem - ungewöhnlich genug für mich - als Friedensengel in hl. Mission aktiv. Der Krieg hätte verhindert werden müssen. Meine gute katholische Mädchenerziehung von einst, die mir auch in unserem Kampf um unsere Gleichstellung spirituell mit den kirchlichen Würdenträgern zu jetzo emanzipatorischen Diensten behilflich war, brachte mich auch auf die Idee, mehr von den Kirchlichen zu fordern als uns nur zum Beten für den Frieden gegen den Irakkrieg aufzurufen.

Mit professoralem Druck von Peter Grottian und anderen, machte ich mich auf den Weg in die USA, um dort bei der großen Demo am 15. Februar in NY, (The world says no to war!) unsere Forderung: *Bischöfe und Nobelpreisträger nach Bagdad!* zu promoten. Bei dieser unerwartet größten und großartigsten US-Demo nach den Vietnam-Protesten, fielen die ‚glamericans against war’ am meisten bei der Demo in NY auf.

Erstens waren sie trotz der extremen Kälte noch schick anzusehen und zweitens gaben sie sich freundlich aufmunternd unpolitisch.

Wie Ihr ahnt, waren es unsere schwulen Schwestern und lesbischen Brüder, die als ‚Glamericans Against War’ eben glamourös das Kriegerische karikierten und selbst gemalte Plakate trugen mit Aufschriften, wie:

  • Too cool for war
  • Bombing Iraq is so ten years ago
  • God bless hysteria

Und damit bin ich wieder bei den Kirchen, mit denen ich als BuVo LSVD-Frau mehr zu tun hatte als mir zuweilen bekömmlich war. Da ich sie aus meiner Jugend nur zu gut kannte, waren sie meine Lieblingsfeinde, die mir noch etwas schuldig geblieben waren - Nächstenliebe zumindest und Respekt.

Wenn Manfred Bruns hier in seinem Tätigkeitsbericht beinahe niedergeschlagen resumiert, dass wir nach den letzten Bundestagswahlen ohne  ‚gebildete’ AnsprechpartnerInnen in den Parteien, wieder soweit sind, wie im Jahre 1998, dann fühle ich mich besonders aufgerufen ihn persönlich zu trösten.

Nein 2003 ist nicht wie 1998. Und wie Ihr wisst, gehöre ich grundsätzlich zu denen, die nichts unterhalb der Gleichheit mit der heterosexuellen Mehrheitsgesellschaft zu akzeptieren bereit ist. Irreführende Begriffe, wie Homoehe lehnte ich immer ab und benutze sie auch deswegen nicht, denn weder haben wir Ehegleichheit noch sollten sich Homosexuelle auf eine spezielle Ehe minderer Art für Homos zufrieden geben. Keine Sondergesetze für die Minder– oder Mehrheit und doch weiß ich aus politischer Erfahrung, dass auf dem Weg dahin, politische Mehrheiten unterschiedlich in die Pflicht zu nehmen sind. RotGrün hatte uns die Gleichheit versprochen und das war die Chance, die wir historisch nutzen mussten. Dass RotGrün dann nicht unseretwegen zu sehr ans geschlechterdemokratische Gewissen der Gesellschaft appellierte und mit einem einfachen, aber wirkungsvollen Generalverweis uns aus der Diskriminierung befreite, ist eine bittere Lehre, die wir leider schon zu sehr in Deutschland gewohnt sind. Dabei hätte es gerade in Deutschland mal einer Geschichtsschreibung bedurft, für die die Roten sich nicht grün hätten ärgern müssen. Deswegen ist es uns, dem LSVD zu verdanken, dass wir uns auf keine aliud-Diskussion der damaligen Justizministerin Herta Däubler-Gmelin eingelassen haben, die uns tollerant zu Aliens machen wollte. Wir waren aber verpflichtet, die Politik als Problemlösung für diejenigen einzuklagen, die sich nicht mit Geld oder anderen Privilegien aus Dilemmas freikaufen konnten.

Manfred Bruns im LSVD-Bundesvorstand haben wir insbesondere für seine juristische Arbeit, Expertise, Autorität und Frustrationstoleranz gegenüber seinen Hofkollegen zu danken. Aber auch dem Berliner Rechtsanwalt und Notar Dirk Siegfried sind wir vom LSVD zu höchstem Dank verpflichtet, nicht nur, weil er die entscheidenden Prozesse für binationale homosexuelle Paare durchgefochten hat, sondern auch deswegen, weil er uns Lesben im LSVD rechtspolitisch beraten und engagiert ‚empowered’ hat. Ich hatte Rechtsberatung besonders nötig und freue mich bei meiner persönlichen Bilanzierung der LSVD-Arbeit nicht nur einen politischen Freund dazu gewonnen zu haben.

Manfred Bruns und Dirk Siegfried waren für mich die Juristen, die sich creativ-juristisch überzeugend für eine Emanzipation der Homosexuellen einsetzten und nicht Notariatslösungen favorisierten, wie manche der KollegInnen und denkfaule PolitikerInnen.

Es ist ein existentieller Unterschied, ob man Rechte hat oder nicht. Und niemand, wie ich war in der Notlage, das auch so schätzen zu lernen. Am 27.9. 2002 hatte meine US-Freundin, mit der ich seit dem 9.8. 2001 lebenspartnerschaftlich registriert bin, einen sehr schweren Verkehrsunfall.

Die Hochzeit nach 10 verarmenden Jahren dauerte leider nicht lange. Ich mag mir gar nicht ausdenken, was gewesen wäre, wenn meine Freundin nicht durch mich in der Krankenkasse abgesichert gewesen wäre. Schon so war es schlimm genug, aber sowohl die Ärzte als auch die Krankenkasse waren verpflichtet zu helfen. Sie blickten nicht durch und wieder war es mein Freund Dirk Siegfried, der weiter half und der hilflosen Bürokratie Rechtssicherheit lehrte.

So waren wir wider Willen überall die Pioniere, das Exempel zu statuieren. Für diesen realen Fortschritt habe ich Euch allen auch zu danken.

Auch menschlich war ich gerührt über manche materiellen Grüße von Euch.

Politisch will ich auch die ILGA würdigen, Kurt Krickler aus Wien und Philipp Braun aus Bonn haben soeben beeindruckend dargelegt, wie sehr unser ‚Fortschritt’ hier dem europäischen Vergleich und der best practise geschuldet war, das heißt, es gibt Länder, die sich nicht mit unserer Registrierung zufrieden gegeben haben und die unser Vorbild sind, wie Dänemark, Schweden, Holland und demnächst auch Belgien.

In dem diesjährigen Grußwort zitiert die derzeitige Familienministerin Renate Schmidt Adorno ganz banal fortschrittlich, dass wir nun ‚ohne Angst, verschieden zu sein’ leben können. Ich ende mit einem anderen Klassiker von Adorno, und zwar meine ich den für uns realen Fortschritt durch die ‚normative Kraft des Faktischen’ das Recht auf unserer Seite verstärkt zu haben. Seit 1990 sind wir laut WHO nicht mehr krank und seit 2001 hat uns das dt. Bundesverfassungsgericht zugestanden, dass nichts gegen unsere Gleichstellung spricht. Ganz unsere Meinung, für die der LSVD sich ‚penetrant’ und laut stark gemacht hat und noch weiter stark machen muss. Insofern hat der LSVD, wie einst der Feminismus erheblich zur Zivilisierung einer geschlechterdemokratischen Gesellschaft beigetragen.

Ich danke Euch feierlich mit EUCH daran beteiligt gewesen zu sein!

Feiern will ich auch besonders die Ostdeutschen, die klüger als wir im Westen erkannt hatten, dass Toleranz allein nur eine Duldung der Rechtlosigkeit ist.

Und wie schwankend das gesellschaftliche Klima ist, zeigt ganz besonders dramatisch die deutsche Geschichte, 20er-40er-60er und erst jetzt im Jahre 2003 beschäftigen wir die Gesellschaft damit, sich jegliche Diskrimierung uns gegenüber zu verbieten.

Mein Farewell! ist ein Abschied aus der BuVo-Tätigkeit, nicht aber aus unserer Mission…

Insofern empfehle ich mich Euch weiterhin wärmstenst, mich als Agentin für Feminismus&Geschlechterdemokratie nachzufragen

halina.bendkowski@gmx.de

 


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