19.02.2005Hallo,
Presse und Rundfunk berichten zur Zeit über eine einstweilige Anordnung
des Sozialgerichts Düsseldorf (AZ S 35 SO 28/05 ER) zugunsten einer Frau,
die mit einem Mann in einer eheähnlichen Gemeinschaft zusammenlebt und
Arbeitslosengeld II beantragt hatte. Das war von der Arbeitsagentur
abgelehnt worden, weil der Mann zu viel verdiente.
Laut den Pressemeldungen soll das Sozialgericht entschieden haben, dass
die Anrechnung von Partnereinkommen bei eheähnlichen Paaren gegen das
Grundgesetz verstoße, weil eine solche Anrechnung bei homosexuellen
nichtverpartnerten Lebensgemeinschaften nicht vorgesehen sei; das
widerspreche dem Gleichheitsgrundsatz.
Ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums soll erklärt haben, die Regierung
sei "nach wie vor der festen Überzeugung", dass Hartz IV verfassungsgemäß
sei: Im Sozialgesetzbuch II werde nicht zwischen homosexuellen und
heterosexuellen Lebensgemeinschaften unterschieden.
Das ist nur vordergründig richtig. Sowohl beim Arbeitslosengeld II als
auch bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung wird das
Einkommen und Vermögen des Partners nur angerechnet, wenn es sich um eine
"eheähnliche" Lebensgemeinschaft handelt. Damit sind nach feststehender
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und aller oberen
Bundesgerichte nur die Lebensgemeinschaften verschiedengeschlechtlicher
Lebensgefährten gemeint, weil nur diese "eheähnlich" sind (vgl.
unsere
Rechtsprechungsliste sowie die erste Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts zu Hartz IV). Das Einkommen und Vermögen
eines gleichgeschlechtlichen nichtverpartnerten Lebensgefährten darf
deshalb nicht angerechnet werden (siehe die entsprechenden Ausführungen
in unserem Ratgeber
zum Lebenspartnerschaftsgesetz).
Zur Frage, ob diese Unterscheidung gegen den Gleichheitsgrundsatz
verstößt, hat das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil aus dem
Jahre 1992 ausgeführt (Randziffer 112):
<<
Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt auch nicht darin, daß durch § 137
Abs. 2 a AFG nur eheähnliche Gemeinschaften, nicht aber auch andere
Lebens-, Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaften - wie etwa
Gemeinschaften zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern oder Verwandten -
der verschärften Bedürftigkeitsprüfung unterworfen werden. Der Gesetzgeber
durfte davon ausgehen, daß die eheähnliche Gemeinschaft in weitaus
größerer Zahl vorkommt und sich als sozialer Typus deutlicher
herausgebildet hat als die genannten anderen Gemeinschaften.
>>
Diese Entscheidung war dem Sozialgericht Düsseldorf offenbar nicht
bekannt.
Mich erstaunt immer wieder, wie schnell unsere Gerichte bereit sind,
angebliche Ungerechtigkeiten, die Heterosexuellen widerfahren, entgegen
dem Gesetz zu korrigieren, und wie schnell sie andererseits bereit sind,
massive Ungerechtigkeiten, die Homosexuelle zu erdulden haben, mit
fadenscheinigen Begründungen zu rechtfertigen.
Beste Grüße,
Manfred Bruns
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