Presse



Margot von Renesse MDB:

Erklärung zur Diskussion über die Errichtung
einer Magnus-Hirschfeld-Stiftung

Der Bundestag hat die Errichtung einer Magnus-Hirschfeld-Stiftung durch Gesetz beschlossen. Wegen dieses Gesetzes und der Zusammensetzung des Kuratoriums der Stiftung wird nun der Kollege Volker Beck von Teilen der Opposition und auch teilweise in der Presse persönlich angegriffen. Ihm wird unterstellt, in eigennütziger Weise die Interessen seines Verbandes, des LSVD, durchgesetzt zu haben. Ganz nebenbei: Es ist auch kränkend für mich, wenn mir nachgesagt wird, mich zum Instrument solcher Interessen gemacht zu haben. Gegen persönliche Angriffe kann sich der Betroffene schlecht wehren; ich will es um der Gerechtigkeit willen für den Kollegen Beck an seiner Stelle tun.

Gleichzeitig nehme ich Partei für die vom Bundestag errichtete Stiftung, deren Beginn nicht in den Schmutz gezerrt werden darf. Zum Gedächtnis an Magnus Hirschfeld, der als Jude, Homosexueller und Sozialdemokrat der dreifach tödlichen Feindschaft der Nazis zum Opfer gefallen ist, wird eine Stiftung seinen Namen tragen. Sie dient zugleich dem Gedächtnis an alle, die während der Nazidiktatur verfolgt und ermordet wurden und die auch danach noch, im Osten und im Westen, gesellschaftliche und rechtliche Ausgrenzung erfahren mussten. Sie soll schließlich dazu beitragen, dass in Gegenwart und Zukunft jeder Mensch ohne Angst anders sein kann und Anderssein auch nicht Angst erzeugt.

Die Ziele der Stiftung sind einvernehmlich zwischen allen Fraktionen formuliert worden. An ihnen – und nur an ihnen – ist die Zusammensetzung des Kuratoriums zu messen. Mit den im Gesetz vorgesehenen 22 Mitgliedern, von denen die Hälfte aus Regierung und Parlament kommen soll, dürfte die maximale Größe für das Lenkungsgremium der finanziell nicht gerade üppig ausgestatteten Stiftung erreicht sein. Für die Verbände gleichgeschlechtlich orientierter Menschen bleiben damit elf Sitze. Selbstverständlich ist es damit unmöglich, der gesamten Breite des homosexuellen Vereinswesens einen Platz im Kuratorium zu verschaffen.

Da also Auswahl sein musste, hatte sich diese an den Zielen der Stiftung zu orientieren. Liegen sachliche Gründe vor, so kann weder von Begünstigung noch von Benachteiligung die Rede sein. Wer dann gleichwohl solches unterstellt, handelt blind vor Ablehnung oder als schierer Lobbyist.

Wir haben für unsere Auswahl sachliche Gründe, nämlich die folgenden: Als Stiftung auf Bundesebene sollen dem Kuratorium nur bundesweit organisierte Verbände angehören, weil es nicht Platz gibt für bis zu 16 nur in einzelnen Bundesländern aktive Organisationen. Die Aktivität der infrage kommenden Verbände muss außerdem möglichst allen Aspekten homosexueller Existenz gewidmet sein. Denn werden Akzente auf einzelne Schwerpunkte gelegt, so bleiben zwangsläufig andere Bereiche, die ebenfalls von Bedeutung sind, unterrepräsentiert. Schließlich ist der Gefahr zu begegnen, dass die Interessen, Sichtweisen und Erfahrungen von Frauen zu wenig berücksichtigt werden, da sie weniger als Männer dazu tendieren, sich in Verbänden zu organisieren.

An diese Vorgaben haben wir uns gehalten, allerdings mit einer Ausnahme: Wir haben den Völklinger Kreis und die Gewerkschaft ver.di mit je einem Sitz im Kuratorium versehen, obgleich in beiden Organisationen homosexuelles Leben nicht in der ganzen Breite, sondern vorwiegend in Bezug auf die Arbeitswelt Thema ist. Das schien uns deshalb vertretbar, weil aus beiden Verbänden in der Vergangenheit erhebliche Impulse gekommen sind, gesellschaftliche Diskriminierung von homosexuellen Menschen zu beseitigen.

Grundsätzlich haben die im Kuratorium vertretenen Organisationen je eine Stimme. In zwei Fällen haben wir davon Ausnahmen gemacht, um uns dem Ziel einer nicht allzu geringen Repräsentanz von Frauen anzunähern. Die Verbände nämlich, die eine nicht nur mikroskopisch kleine Anzahl weiblicher Mitglieder aufweisen, haben je zwei Sitze. Bei diesen Verbänden lässt sich gesetzlich bestimmen, dass sie sich durch einen Mann und eine Frau vertreten lassen. Sonst wäre es hoch wahrscheinlich, dass sich im Kuratorium nur ein einziges weibliches Mitglied befindet, nämlich die Vertreterin des Lesbenringes. Dagegen richtete sich wütender Protest von Teilen der Opposition. Man ruft „Begünstigung!“, weil der Kollege Beck Mitglied eines dieser Verbände ist.

Stellt aber die Mitgliedschaft des Kollegen Beck im LSVD denn wirklich einen zureichenden Grund dar, um sachliche Gründe für die von uns gewählte Regelung auszuhebeln? Wir waren in einem Gespräch mit den Berichterstattern aller Fraktionen entgegen unserer Überzeugung zum Einlenken bereit. Eine Einigung schien möglich. Sie scheiterte nur daran, dass Herr Dr. Gehb (CDU/CSU) ohne jeden sachlichen Grund mit aller Macht auf einen Sitz im Kuratorium für einen Landesverband bestand, nämlich für das Schwule Netzwerk NRW, und verlangte, dafür wahlweise die AG „Homosexuelle und Kirche“ oder die „International Lesbian and Gay Association“ aus dem Kuratorium zu entfernen. Wie kann jemand, der so offensichtlich Lobbytum für eine Gruppe betreibt, es auch nur wagen, anderen Lob-byismus vorzuwerfen.

Frau Christina Schenk kritisiert grundsätzlich, dass zwei Verbände zwei Stimmen haben und fordert statt dessen zwei Sitze für den Lesbenring. Wo ist da die Logik? Die hat wohl auch die PDS-Fraktion vermisst, denn mit Ausnahme von Frau Schenk hat diese geschlossen für den Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen gestimmt.

Ernsthaft nachgedacht haben wir über das Anliegen des Jugendverbandes Lambda, im Kuratorium vertreten zu sein. Dessen Argumente in der Anhörung waren bedenkenswert. Wir sind dennoch im Ergebnis dabei geblieben, bis auf den Völklinger Kreis und die Gewerkschaft ver.di keine weiteren Verbände mit speziellen Zielsetzungen aufzunehmen, weil wir sonst nicht hätten rechtfertigen können, warum nicht auch andere Gruppierungen mit anderen Interessen im Kuratorium vertreten sein sollen. Dem berechtigten Anliegen, dass gerade Jugendarbeit im Kuratorium durch Personen repräsentiert ist, die diese Arbeit aus eigener Erfahrung kennen, sollte jedoch durch die Auswahl der Vertreter des Jugendministeriums Rechnung getragen werden.

Die Opposition hätte gerne in der Satzung eine Klausel gesehen, die den Ausschluss eines Verbandes mit einem Quorum der Mitglieder ermöglicht. Wir halten dies für kontraproduktiv. Gibt es Konflikte mit einem Verband, so wird man schon deshalb von einem Ausschluss durch Kuratoriumsbeschluss absehen müssen, weil solche Beschlüsse gerade dann extrem untunlich sind. Eine solche Regelung gibt es bei keiner anderen Bundesstiftung. Wir möchten daher auch nicht den Eindruck erwecken, als bestünde schon bei Errichtung der Stiftung der Verdacht, die Kooperation mit homosexuellen Menschen werde zu unlösbaren Konflikten führen.

Einzuräumen ist, dass die Koalition im Vorfeld noch mehr Gespräche hätte führen müssen. Dies war uns angesichts der knappen Zeit, die nach den langwierigen Verhandlungen über die finanzielle Ausstattung der Stiftung blieb, nicht im wünschenswerten Ausmaß möglich. Wir mussten größte Eile an den Tag legen, damit die Stiftung noch in dieser Wahlperiode den Bundestag passieren konnte.

Das ist nun erreicht. Jetzt sollte das Stiftungsziel ins Zentrum rücken. Ich wünsche mir, dass nun konstruktiv an dem Aufbau der Magnus-Hirschfeld-Stiftung weitergearbeitet wird. Dazu gehört auch, dass die eifersüchtige Mäkelei an der Zusammensetzung des Kuratoriums aufhört. Bei der Stiftung ging und geht es mir darum, mit der Person des ermordeten Dr. Magnus Hirschfeld stellvertretend für viele Opfer einen Menschen angemessen zu ehren, dem furchtbares Unrecht angetan wurde. Angemessene Ehrung bedeutet in diesem Falle, dass in unserer Gesellschaft die Würde aller Menschen, auch der homosexuellen, geachtet wird.

 


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