Presse



Presserklärung des Jungendnetzwerks Lambda vom 09. 07. 2002

Stellungnahme zur Errichtung der Magnus-Hirschfeld-Stiftung

Zum Bundestagsbeschluss zur Errichtung der Magnus-Hirschfeld-Stiftung und zu den öffentlichen Reaktionen darauf erklärt der Bundesgeschäftsführer des Jugendnetzwerk Lambda, Fabian Straßenburg:

I. Stiftungszweck

Das Jugendnetzwerk Lambda begrüßt die Initiative zur Errichtung der Magnus-Hirschfeld-Stiftung ausdrücklich. Damit setzt die Bundesrepublik Deutschland nach der Einführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes ein weiteres öffentliches, national wie international sichtbares Zeichen eines gewandelten Verständnisses des Staates gegenüber seinen lesbischen Bürgerinnen und schwulen Bürgern. Insbesondere für lesbische und schwule Jugendliche ist ein solches öffentliches Bekenntnis der Bundesrepublik eine wichtige Unterstützung in der Phase ihrer sexuellen Identitätsbildung.

Besonders begrüßenswert erscheint die Kombination der Stiftungszwecke. Die Stiftung erhält dadurch ihren besonderen Wert, dass sie mit dem Ziel antritt, aus Vergangenheit zu lernen, um Zukunft zu verändern.

Insbesondere Jugendliche stellen deshalb eine wichtige Zielgruppe für die Arbeit der Stiftung dar. Jugendliche bestimmen die gesellschaftliche und politische Zukunft. Ihnen muss deshalb besondere Aufmerksamkeit zukommen, wenn künftige Entwicklungen beeinflusst werden sollen. Internationale Jugendbegegnungen, Gewaltprävention und Aufklärungsarbeit in Schulen und Jugendzentren sowie parteiische Emanzipationsarbeit für schwule und lesbische Jugendliche insbesondere in der Phase ihres Coming Outs stellen nur einige beispielhafte Möglichkeiten von unterstützenswerten Maßnahmen dar. Auch in Bezug auf die geschichtliche Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit müssen Jugendliche die zentrale Zielgruppe der Informations- und Aufklärungsarbeit darstellen. Das Jugendnetzwerk Lambda hat hierzu in den letzten Jahren beispielhafte Projekte durchgeführt.

Gerade die internationale Perspektive darf hier nicht vernachlässigt werden. Die Erfahrung zeigt, dass gerade schwule und lesbische Jugendliche aus dem Ausland von Jugendbegegnungen in Deutschland profitieren und ihre Erfahrungen in ihren Heimatländern gewinnbringend einbringen können. So verdient das Stiftungsziel, international Initiativen auch vor Ort zu fördern, die höchste Unterstützung.

II. Zusammensetzung des Kuratoriums

Die Errichtung der Stiftung wurde bedauerlicherweise überschattet von der Auseinandersetzung über die Zusammensetzung des Stiftungskuratoriums. Die überhastete Einbringung des Gesetzes, vorbei nicht nur an der Öffentlichkeit, sondern auch an der Fachöffentlichkeit, erzeugte bei Vielen Misstrauen gegenüber den Motiven der einbringenden Regierungskoalition.

Ursprünglich war geplant, das Gesetzgebungsverfahren innerhalb von acht Tagen nach der Einbringung des Gesetzes abzuschließen. Erst durch die Durchführung einer von der CDU/CSU-Fraktion beantragten Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestages konnte die Zeit gewonnen werden, die für eine Diskussion der Inhalte und der geplanten Kuratoriumszusammensetzung notwendig war.

Im Rahmen der Anhörung im Rechtausschuss hatte auch das Jugendnetzwerk Lamdba, als sachverständiger Verband von der FDP-Bundestagsfraktion benannt, die Möglichkeit, seine Argumente für eine Berücksichtigung von Trägern der Jugendarbeit im Stiftungskuratorium vorzustragen. Das Jugendnetzwerk Lambda vertrat und vertritt die Ansicht, dass es als einer der größten schwul-lesbischen Interessenverbände in Deutschland (von den im Kuratorium vertretenen Organistionen hat nur der LSVD eine ähnlich hohe Mitgliederzahl) und als einziger bundesweiter Träger schwul-lesbischer Jugendarbeit als Vertreter der Jugendinteressen dem Kuratorium hätte angehören müssen. Mit dieser Ansicht stehen wir nicht alleine:

  • "Besonders ärgerlich ist, dass das schwul-lesbische Jugendnetzwerk Lambda bei der Kuratoriumssitzung völlig unberücksichtigt geblieben ist." - Jörg van Essen, MdB-FDP, in seiner Rede zur Dritten Lesung des Stiftungsgesetzes im Bundestags am 27.06.02
     
  • "Erwägenswert finden wir zudem, die Bereiche Jugend sowie Arbeitswelt, zu denen jeweils bundesweite Organisationen tätig sind, noch zu integrieren." - Stellungnahme des LSVD vom 24.06.02
     
  • "Unverständlich sei aber zum Beispiel, warum Rot-Grün das Jugendnetzwerk Lambda nicht im Kuratorium sehen wolle. Gerade die Jugend müsse eine Stimme in der Stiftung haben." - Martin Herdieckerhoff, Bundesvorsitzender der LSU, zit. in Pressemitteilung der LSU vom 04.07.02
     
  • "Dass das Jugendnetzwerk Lambda nicht vertreten ist, ist völlig unverständlich. Seit Jahren engagiert sich der Verein in der Jugendarbeit, derart professionell, dass seine Projekte wie Jugendaustausche und Ferienfreizeiten regelmäßig vom Bund gefördert werden. Gerade Jugendliche müssen an die Vergangenheit erinnert, zugleich für die Zukunft gefördert werden. Dass statt Lambda ein Vertreter des Bundes im Kuratorium vertreten sein soll, ist nicht akzeptabel. Und nicht begründbar, wenn gleichzeitig die Elterninitiative BEFAH einen Sitz im Gremium bekommt." - Norbert Blech, Eurogay 28.06.02

Auch Volker Beck, Bundestagsabgeordneter von Bündnis 90 / Die Grünen, befürwortete in Folge der Anhörung die Aufnahme des Jugendnetzwerk Lambda ausdrücklich. Im Gegensatz zur allgemeinen Darstellung in den Berichten der letzten Tage zeigte sich Beck durchaus aufgeschlossen für Argumente für eine Veränderung der Zusammensetzung des Kuratoriums. Dies hat sich letztlich auch niedergeschlagen in der Aufnahme des Völklinger Kreises und der Gewerkschaft ver.di.

Die Aufnahme des Jugendnetzwerk Lambda scheiterte tatsächlich am Widerstand der SPD-Berichterstatterin im Rechtsausschuss, Margot von Renesse. Die Erklärung für ihre Position blieb auch in ihrer Rede zur Dritten Lesung des Stiftungsgesetzes im Bundestag am 27. Juni 2002 im Dunkeln: "Ernsthaft nachgedacht haben wir über das Anliegen des Jugendnetzwerk Lambda, im Kuratorium vertreten zu sein. Dessen Argumente in der Anhörung waren bedenkenswert. Wir sind dennoch im Ergebnis dabei geblieben, bis auf den Völklinger Kreis und die Gewerkschaft ver.di keine weiteren Verbände mit speziellen Zielsetzungen aufzunehmen, weil wir sonst nicht hätten rechtfertigen können, warum nicht auch andere Gruppierungen mit anderen Interessen im Kuratorium vertreten sein sollen. Dem berechtigten Anliegen, dass gerade Jugendarbeit im Kuratorium durch Personen repräsentiert ist, die diese Arbeit aus eigener Erfahrung kennen, sollte jedoch durch die Auswahl der Vertreter des Jugendministeriums Rechnung getragen werden."

Die Nichtaufnahme des Jugendnetzwerk Lambda in das Kuratorium ist sachlich nicht nachvollziehbar, insbesondere in Bezug auf die hier vorgetragene Begründung geradezu absurd. Hier wird von einem berechtigten Anliegen der Vertretung von in der Jugendarbeit erfahrenen Personen im Kuratorium gesprochen. Die Lösung soll darin liegen, dass Beamte des Jugendministeriums nun die Jugendinteressen vertreten sollen, anstatt den erfahrensten Träger in diesem Bereich einzubinden, an dessen Zuverlässigkeit nach mehr als zwölf Jahren öffentlicher Förderung aus Bundesmitteln kein Zweifel besteht. Diese Position verdeutlicht, dass Frau von Renesse als Rechtspolitikerin von Jugendarbeit offensichtlich nichts versteht. Sie hätte sich in dieser Sache besser von ihren jugendpolitisch versierten Kolleginnen und Kollegen aus der SPD-Bundestagsfraktion beraten lassen sollen.

Es bleibt zu hoffen, dass die nun im Kuratorium vertretenen Verbände ihrer Verantwortung in Hinblick auf schwule und lesbische Jugendliche gerecht werden.

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