Presse



10. Oktober 2002

Liebe Freundinnen und Freunde,

der LSVD trauert um seinen langjährigen Mitstreiter Hans-Georg Stümke. Der bekannte Historiker, Publizist und Aktivist ist am 29. September verstorben. Nachfolgend findet Ihr eine knappgefasste Würdigung seines jahrzehntelangen Einsatzes für die Rechte von Schwulen und Lesben.

Die Trauerfeier für Hans-Georg Stümke findet am Freitag dem 11. Oktober 2002, um 13.30 Uhr im Krematorium Treptow, Kiefholzstr. 221, 12437 Berlin, statt. Anstelle von Blumen und Kränzen wird um eine Spende an House of Life e.V., Konto 3397900 bei der Bank für Sozialwirtschaft (BLZ 100 205 00)gebeten.

Mit besten Grüßen
Günter Dworek
Für den LSVD Bundesvorstand


Wir trauen um Hans-Georg Stümke

(16.9.1941 - 29.9.2002)

Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) trauert um seinen langjährigen Mitstreiter Hans-Georg Stümke. Der bekannte Historiker und Publizist ist am 29. September nach langer schwerer Krankheit in Berlin verstorben.

Hans-Georg Stümke zählt zum Urgestein der neueren deutschen Homosexuellenbewegung. Über drei Jahrzehnte hat er an vielen Fronten für die Bürgerrechte der Schwulen und Lesben gekämpft. Auch unseren Verband hat er von Anfang an mit begleitet. Als einer von zwei westdeutschen Gästen nahm er im Februar 1990 in Leipzig bereits an der Gründungsversammlung der damals noch "Schwulenverband in der DDR" getauften Organisation teil. Hans-Georg hatte sich bereits sehr frühzeitig für die schwul-lebische Bürgerrechtsopposition in Ostdeutschland interessiert. Er hatte schon immer eine gute politische Spürnase.

Dem SVD und späteren LSVD blieb Hans-Georg vielfältig verbunden: als Ideengeber, als politischer Berater und kritischer Analytiker, durch seine publizistischen Aktivitäten sowie als Vortragsredner auf zahllosen LSVD-Veranstaltungen, Verbandstagen und Seminaren. Er hat im LSVD wichtige Diskussionen angestoßen und vielen Projekten ein inhaltliches Fundament gegeben, in der Lebensformenpolitik, in der Anti-Gewalt-Arbeit, im Bereich Gay and Gray und in der Geschichtspolitik.

Bereits in den 70er Jahren hatte Hans-Georg Grundlagen einer homosexuellen Bürgerrechtspolitik entwickelt. Er hat nachdrücklich dafür gekämpft, sich nicht auf die bequeme Auspolsterung "warmer Nischen" zu beschränken, sondern alle gesellschaftlichen Institutionen mit der Schwulen- und Lesbenfrage zu konfrontieren und Bündnispartner zur Durchsetzung gleicher Bürgerrechte zu gewinnen.

In der politischen Linken und in der Geschichtswissenschaft hat er diese Vorhaben mit großem persönlichen Einsatz vorangetrieben. Seine Bücher "Rosa Winkel, Rosa Listen" und "Homosexuelle in Deutschland" erschienen in renommierten Verlagen und haben dadurch erhebliche Breitenwirkung erzielen können. Sie haben vielen Menschen überhaupt erst einen Zugang zur verschütteten Geschichte der homosexuellen Minderheit eröffnet.

Gerade aus seiner Beschäftigung mit den Katastrophen deutscher Geschichte heraus hat er den Anspruch formuliert, dass sich die Homosexuellen als organisierte Minderheit etablieren sollten, und damit als politischer Faktor, der bündnisfähig ist mit anderen Gruppen, die für Demokratisierung und zivilgesellschaftliche Reformen eintreten. Er hat aufgerüttelt, zur Aktivierung und Politisierung aufgerufen aber genauso selbst angepackt, z.B. beim Aufbau des Magnus-Hirschfeld-Zentrums in Hamburg.

Die Welt der Homosexuellen kannte, durchblickte und verstand er wie kaum ein anderer. Das wird nicht zuletzt in den köstlichen Gran Canaria-Reiseberichten seines literarischen Alter Egos Elvira Klöppelschuh deutlich. Er hat darin den Schwulen den Spiegel vorgehalten und wir alle haben uns wiedererkannt.

Hans-Georg war kein bequemer Zeitgenosse. Er bestand auf Klarheit im Denken und konnte für seine Standpunkte mit großer Schärfe streiten. Genauso hat er sich aber auch darin hervorgetan, Menschen zu fördern und zusammenzuführen, Verbindungen zu knüpfen, Gemeinsamkeiten aufzuzeigen. Hans-Georg war ebenso Aktivist wie Theoretiker der Homo-Politik - freilich ein Theoretiker der ganz und gar nicht abgehobenen Art. Hans-Georg konnte in einzigartiger Weise seine persönliche Biographie mit politischer Analyse und Strategiebildung verknüpfen. Wir haben oft erlebt, wie er mit dieser Kombination in Veranstaltungen insbesondere junge Menschen in seinen Bann zog, so dass sie geradezu an seinen Lippen hingen. Er hat es vielleicht gar nicht bemerkt, wie viel Respekt, ja Verehrung ihm in solchen Situationen entgegengebracht wurde.

Hans-Georg Stümke hat viel bewegt. Er hat einen großen Anteil daran, dass Schwule und Lesben in diesem Land heute freier leben können als je zuvor. Eines seiner Herzensanliegen war, dass die homosexuelle Bürgerrechtsarbeit kontinuierlich aufgebaut wird, dass Wissen und Erfahrung nicht verloren gehen, sondern weitergetragen werden. Wir hoffen, dass wir in der Arbeit des LSVD Hans-Georgs politisches Vermächtnis würdig bewahren und weiterentwickeln können.

Hans-Georg hatte bereits seit Jahrzehnten mit einer schweren Krankheit zu kämpfen. In den letzten beiden Jahren kamen weitere Erkrankungen hinzu, zuletzt wurde Krebs diagnostiziert. Er ist gerade 61 Jahre alt geworden. Eine große Persönlichkeit ist von uns gegangen. Wir haben nicht nur einen unserer wichtigsten Vordenker und Mitstreiter verloren. Uns fehlt ein Freund. Wir sind tief traurig.

Günter Dworek
LSVD-Bundesvorstand

 


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