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Schreiben des LSVD vom 31.10.2002:

An die Bundesjustizministerin
Frau Brigitte Zypries MdB
Mohrenstraße 37

10117 Berlin

per Fax: 030 2025-9525

Ihr Interview in der heutigen Ausgabe der "Süddeutsche Zeitung"

Sehr geehrte Frau Bundesjustizministerin Zypries,

im Namen des Lesben- und Schwulenverbandes in Deutschland gratuliere ich Ihnen sehr herzlich zu Ihrem neuen Amt. Wir wünschen Ihnen für Ihre Aufgabe viel Erfolg.

Anlass meines heutigen Schreibens ist das Interview, dass Sie der "Süddeutsche Zeitung" gegeben haben und das dort heute veröffentlicht worden ist. Ich habe den Eindruck, dass Sie bei Ihrer Äußerung zum Lebenspartnerschaftsgesetz mit der Materie noch nicht voll vertraut waren. Sonst hätte Ihnen bewusst sein müssen, dass das Lebenspartnerschaftsgesetz mit anderen neuen Gesetzen nicht zu vergleichen ist.

Während Gesetze sonst üblicherweise in einem längeren Prozess mit allen Beteiligten einschließlich der Justizverwaltungen abgestimmt werden, ist das Lebenspartnerschaftsgesetz die Frucht eines mühsamen Kompromisses, den eine Koalitionsarbeitsgruppe unter Ausschluss der Beteiligten und der Praxis formuliert hat. Dabei hat die Koalitionsarbeitsgruppe aus Angst vor dem Bundesverfassungsgericht viele tatsächliche und angebliche Unterschiede zur Ehe eingebaut, die Lebenspartner grundlos benachteiligen und Rechtsunsicherheit zur Folge haben. Außerdem weist das Gesetz eine Reihe handwerklicher Mängel auf, die die Rechtsunsicherheit verstärken. Das muss unbedingt geändert werden.

Die gravierenden Mängel des Lebenspartnerschaftsgesetzes waren den Koalitionsparteien bei der Abfassung der Koalitionsvereinbarung durchaus bewusst. Sie haben deshalb dort festgelegt, dass die Regierungskoalition das Lebenspartnerschaftsgesetz auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts überarbeiten wird (S. 68 der Koalitionsvereinbarung). Mit der "Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts" ist das Urteil vom 17.07.2002 zum Lebenspartnerschaftsgesetz gemeint. Dort hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt (NJW 2002, 2543):

"Die Einführung des Rechtsinstituts der eingetragenen Lebenspartnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare verletzt Art. 6 Abs. 1 GG nicht. Der besondere Schutz der Ehe in Art. 6 Abs. 1 GG hindert den Gesetzgeber nicht, für die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft Rechte und Pflichten vorzusehen, die denen der Ehe gleich oder nahe kommen. Dem Institut der Ehe drohen keine Einbußen durch ein Institut, das sich an Personen wendet, die miteinander keine Ehe eingehen können."

In Übereinstimmung mit diesem Urteil hat Bundeskanzler Gerhard Schröder den Lesben und Schwulen vor der Wahl versprochen, dass er sich für gleiche Rechte einsetzen wolle. Im Vertrauen auf dieses Versprechen haben viele Lesben und Schwulen die Koalitionsparteien gewählt.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie, sehr geehrte Frau Justizministerin, das Wahlversprechen von Bundeskanzler Gerhard Schröder und die Koalitionsvereinbarung tatsächlich nicht umsetzen wollen. Ich wäre Ihnen deshalb dankbar, wenn Sie dies klarstellen würden, da Ihr Interview die Lesben und Schwulen sehr verunsichert hat.

In diesem Zusammenhang weise ich daraufhin, dass Lebenspartner bisher im Wesentlichen nur Pflichten, aber keine Rechte haben, weil das Lebenspartnerschaftsergänzungsgesetz in der letzten Legislaturperiode am Widerstand der CDU/CSU gescheitert ist. Es fehlt vor allem die Gleichstellung mit Ehegatten im Steuer-, Besoldungs- und Versorgungsrecht. Diese Mängel müssen größtenteils aufgrund der Richtlinie 2000/78/EG bis zum 02.12.2003 behoben werden. Das trifft z.B. für die Einbeziehung der Lebenspartner in die Beamtenversorgung zu, da die Beamtenpension europarechtlich als "Entgelt" angesehen wird (EuGH, Slg. 2001 I-9383, Rs. Griesmar), bei dem eine Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung aufgrund von Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2000/78/EG verboten ist.

Deshalb haben die Regierungskoalitionen in der Koalitionsvereinbarung zusätzlich festgelegt, dass sie auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts das Lebenspartnerschaftsgesetz ergänzen (Lebenspartnerschafts-Ergänzungsgesetz) wollen.

Ich gehe davon aus, dass Sie, sehr verehrte Frau Bundesjustizministerin, auch diese Vereinbarung nicht aufkündigen wollten.

Mit freundlichen Grüßen
für den Lesben- und Schwulenverband in Deutschland

gez: Manfred Bruns
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof a.D.

 


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