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29. April 2003 Drei Baustellen für die Gleichberechtigung
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Der LSVD legt der Öffentlichkeit heute ausformulierte Gesetzentwürfe zur Überarbeitung und Ergänzung des Lebenspartnerschaftsgesetzes sowie ein Eckpunktepapier zum Antidiskriminierungsgesetz vor.
Diese Entwürfe haben wir bereits der Bundesregierung und den Ministerpräsidenten der Länder übersandt. Der LSVD erwartet, dass nun zügig in die Gesetzgebungsarbeit eingetreten wird. Die Vorschläge liegen auf dem Tisch.
Das Bundesverfassungsgericht hat 2002 grünes Licht gegeben zur vollständigen Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften mit Ehen. Es gibt keinen Grund, hier noch länger zuzuwarten.
Bei der Eingetragenen Lebenspartnerschaft kämpfen wir für die volle rechtliche Gleichstellung. Das Lebenspartnerschaftsgesetz war ein großer Schritt nach vorne. Doch im Steuerrecht, im Beamtenrecht, bei der Hinterbliebenenversorgung und in vielen anderen Bereichen werden Lebenspartner noch immer massiv diskriminiert.
Wir haben inzwischen Gespräche in verschiedenen Bundesministerien geführt. Vor Ostern fand unser Gespräch mit Bundesjustizministerin Zypries statt. An dem Gespräch haben außer dem Lesben- und Schwulenverband auch VertreterInnen der „Bundesarbeitsgemeinschaft Schwule Juristen (BASJ)", der "Bundesarbeitsgemeinschaft Schwule und Lesbische Paare (SLP)" und des "Bundesverbands der Eltern, Freunde und Angehörigen von Homosexuellen (BEFAH)" teilgenommen.
Die Unterredung ist insgesamt sehr enttäuschend verlaufen. Frau Zypries hat nicht zu erkennen geben, welche Zeitrahmen sie sich für die Einbringung der verschiedenen Gesetzentwürfe gesetzt hat. Wir stehen damit wieder vor derselben Situation wie in der letzten Legislaturperiode. Wenn wir der Bundesjustizministerin nicht genügend Druck machen, wird gar nichts geschehen.
Zu der von den Koalition vereinbarten Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsgesetzes meinte Frau Zypries, dass die Praxis und die Betroffenen das Gesetz akzeptiert hätten und dass man erst einmal abwarten solle, wie sich das Gesetz in der Praxis bewähre.
Dem haben wir vehement widersprochen und auf viele Unklarheiten und Lücken im Lebenspartnerschaftsgesetz verwiesen. Außerdem haben wir betont, dass das Gesetz die Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften nicht beendet hat, sondern aus – unbegründeter - Angst vor dem Bundesverfassungsgericht erhebliche Ungleichbehandlungen enthält.
Zudem haben wir Frau Zypries darauf hingewiesen, dass das Bundesverfassungsgericht die Gleichstellung von Lebenspartnerschaften mit Ehen gebilligt hat, so dass die Koalition ihre Wahlversprechen jetzt einlösen kann.
Dies kann nach unserer Auffassung nur dadurch geschehen, dass die Einzelregelungen des Lebenspartnerschaftsgesetzes durch eine Generalklausel ersetzt werden, die besagt, dass auf die Lebenspartnerschaft die Rechtsvorschriften des Bundes für die Bürgerliche Ehe auf dem Gebiet des Bürgerlichen Rechts entsprechend anzuwenden sind. Nur dies beendet die Diskriminierung wirklich.
Zum Lebenspartnerschaftsergänzungsgesetz hat sich Frau Zypries kaum geäußert. Sie verwies darauf, dass für die verschiedenen Komplexe andere Ministerien zuständig seien. Sie selbst will offenbar nicht initiativ werden, obwohl die Federführung beim Bundesjustizministerium liegt, sondern abwarten, was von den anderen Ministerien an sie herangetragen wird.
Im Bereich Antidiskriminierung muss Deutschland noch in diesem Jahr zwei EU-Richtlinien aus dem Jahr 2000 umsetzen.
Für diese Antidiskriminierungsgesetzgebung zum Zivilrecht und zur Arbeitswelt hat der LSVD ein detailliertes Eckpunktepapier entwickelt, das den Bundesministerien und den Bundestagsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen übersandt wurde und das auch Ihnen hier vorliegt.
Der LSVD tritt dafür ein, dass das zivilrechtliche Antidiskriminierungsgesetz sich nicht auf die beiden in der EU-Richtlinie genannten Merkmale Rasse und ethnische Herkunft beschränkt, sondern für sämtliche im Grundgesetz und Amsterdamer Vertrag aufgezählten Merkmale gilt, einschließlich des Merkmals der sexuellen Identität.
Das will Frau Zypries nicht. Zur Begründung verwies sie auf die grundgesetzlich gewährleistete Privatautonomie (diese beinhaltet z.B. die Berechtigung, einen Vertragspartner nach Belieben auszuwählen), die nicht ohne weiteres eingeschränkt werden könne.
Sie gab aber zu erkennen, dass es über diese Frage in der Koalition
Meinungsverschiedenheiten gibt und die Grünen wie auch Teile der SPD eine
andere Position vertreten.
Wir haben Frau Zypries ausführlich erläutert, wo Lesben und Schwule im
Alltag noch immer diskriminiert werden und in diesem Zusammenhang vor
allem den Bereich Lebensversicherungen angesprochen. Frau Zypries meinte
daraufhin, sie halte es für wirkungsvoller, dass das Justizministerium mit
den Versicherungen Gespräche führe und die Versicherungen auf diese Weise
veranlasse, ihre diskriminierende Praxis einzustellen.
Wir haben entgegnet, dass die Nichtaufnahme der "sexuellen Identität" in das geplante Antidiskriminierungsgesetz ein negatives Signal ist, das geradezu dazu ermuntere, die jetzige diskriminierende Praxis fortzusetzen.
Der Hinweis, dass das Gesetz wegen der Einschränkung der Privatautonomie vom Bundesverfassungsgericht gekippt werden könne, sei ein Scheinargument, da ja im Gesetzentwurf Ausnahmeregelungen vorgesehen sind. Wenn diese Ausnahmeregelungen sachgemäß formuliert werden, gibt es gegen die Aufnahme der sexuellen Identität in das geplante zivilrechtliche Antidiskriminierungsgesetz keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Zudem ist das Gesetz nicht zustimmungsbedürftig, kann also ohne Zustimmung des Bundesrats verwirklicht werden.
Das „arbeitsrechtliche" Antidiskriminierungsgesetz darf sich nicht auf die Umsetzung der Richtlinie im Bereich des Arbeitsrechts beschränken, sondern muss auch das Beamten- und Richterrecht sowie das Soldatenrecht an die EU-Richtlinie anpassen. Es muss nicht nur in das Arbeitsrecht (bürgerliches Gesetzbuch), sondern auch in die Beamtengesetze, das Soldatengesetz und das Personalvertretungsgesetz Diskriminierungsverbote einfügen, wie das im Betriebsverfassungsgesetz bereits geschehen ist. Das bedeutet insbesondere die Gleichstellung von Lebenspartnern mit Ehegatten beim Familien- bzw. Ortszuschlag, bei der Beihilfe und bei der Hinterbliebenenversorgung.
Wir warnen das Bundesjustizministerium: Wenn nicht bald Signale kommen, dass man die Wahlversprechen ernsthaft angeht, werden Lesben und Schwule auf den diesjährigen Demonstrationen zum Christopher-Street-Day ihren Protest zwischen Hamburg und München, Köln und Berlin sehr deutlich auf die Straße tragen.
Besonders nachdrücklich warnen wir vor Überlegungen aus dem Justizministerium, Benachteiligungen aufgrund der sexuellen Identität, des Geschlechts oder einer Behinderung aus dem geplanten zivilrechtlichen Antidiskriminierungsgesetz auszusparen.
Damit würde geradezu ein Freibrief für Diskriminierung ausgestellt. Das werden wir auf keinem Fall hinnehmen. Solche Pläne wären einer sozialdemokratisch geführten Bundesregierung absolut unwürdig.
Verbleibende Unterschiede zur Ehe im Lebenspartnerschaftsgesetz müssen aufgehoben, Einzelregelungen durch einen generellen Verweis auf die Rechtsvorschriften für die Ehe ersetzt werden.
Dasselbe gilt für die gesetzliche Rentenversicherung und alle noch offenen kindschaftsrechtlichen Fragen. Diese Regelungen benötigen keine Zustimmung des Bundesrates.
Das Ergänzungsgesetz muss erneut eingebracht werden. Dies erfordert allein schon die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, die bis Jahresende zu erfolgen hat.
Der LSVD fordert Bundestag und Bundesrat auf, Lesben und Schwule nicht auf den Klageweg zu zwingen, sondern rechtzeitig für einen rechtskonformen Zustand zu sorgen.
Es kann nicht angehen, dass Eingetragene Lebenspartnerschaften ihr
gutes Recht vor Gericht erstreiten müssen, weil der Gesetzgeber seine
Pflichten nicht erfüllt.
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