Presse



08. Mai 2003

Druck ausüben auf den Verfolgerstaat Ägypten

LSVD formuliert Mindeststandards für die deutsche Politik zu Menschenrechten für Lesben, Schwule und Transgender

Zum zweiten Jahrestag der Kairoer Polizeirazzia gegen vermeintlich schwule Männer erklärt Philipp Braun, Sprecher und ILGA-Koordinator des Lesben- und Schwulenverbandes in Deutschland LSVD:

Vor zwei Jahren, am 10. Mai 2001, wurden auf dem Nilschiff "Queen Boat" in Kairo 52 Männer willkürlich verhaftet und in den folgenden Wochen mehrfach von der Polizei misshandelt. Die "Queen Boat" galt als Treffpunkt und beliebtes Nachtlokal für schwule Männer. Nach internationalen Protesten, u. a. auch durch das EU-Parlament, wurde ein skandalöses Urteil des ägyptischen Staatssicherheitsgerichts gegen 21 Männer im Mai 2002 von Staatspräsident Mubarak per Dekret aufgehoben.

Es folgte ein erneuter Prozess vor einem Kairoer Strafgericht, das am 15. März 2003 die Strafen verschärfte und die 21 jungen Männer zu drei Jahren Haft und Zwangsarbeit wegen angeblicher "gewohnheitsmäßiger Unzucht" verurteilte. Auf die Haft soll eine dreijährige Bewährungszeit mit Polizeiüberwachung folgen. Ägyptische Menschenrechtsorganisationen sprachen von einem "Urteil ohne Prozess" und einer "skandalösen Verletzung grundlegender, international anerkannter Rechtsprinzipien". In den letzten zwei Jahren sind weitere Männer inhaftiert worden, u. a. auch wegen der Anbahnung von Kontakten über das Internet.

amnesty international betrachtet die jungen Männer als gewaltlose politische Gefangene, die allein aufgrund ihrer angeblichen sexuellen Orientierung verfolgt wurden. Für Samstag hat die deutsche Sektion von amnesty international Protestaktionen in mehreren Städten organisiert. Auch in vielen anderen Ländern werden Demonstrationen stattfinden, unterstützt u. a. von amnesty international, ILGA-Europe und dem internationalen Netzwerk von schwulen, lesbischen, bisexuellen und Transgender Muslimen Al-Fatiha .

Der LSVD nimmt diesen traurigen Jahrestag zum Anlass, um fünf Mindeststandards als Forderung an die deutsche Außen-, Entwicklungs- und auswärtige Kulturpolitik zu formulieren:

  1. Bei Gesprächen und Kontakten mit Verfolgerstaaten wie Ägypten müssen Vertreter der Bundesregierung und des Bundestages die Verfolgung von Lesben und Schwulen auf allen Ebenen ansprechen und verurteilen. Wir appellieren insbesondere an Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, dieses Thema anzusprechen, wenn im Sommer sein ägyptischer Amtskollege zu einem offiziellen Besuch nach Berlin kommt.
     
  2. Das Thema Menschenrechte für Lesben, Schwulen, Bisexuelle und Transgender muss Eingang finden in den Kriterienkatalog zum Monitoring des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), wenn es gilt, die Einhaltung der Verpflichtung der Nehmerländer zu "good governance" zu prüfen. Auch sollte der Europäische Rat im Rahmen des Monitoring von EU Handels- und Entwicklungshilfeabkommen auf die Achtung der Menschenrechte und der demokratischen Prinzipien drängen. Wir begrüßen in diesem Zusammenhang die Entschließung des Europäischen Parlamets vom April 2003, in dem es Ägypten an die Verpflichtungen aus dem Assoziationsvetrtag vom November 2001 erinnert.
     
  3. Das Thema Menschenrechte für Lesben und Schwulen muss auch weiterhin offensiv in multilateralen Foren der UNO vertreten werden. Wir hoffen, dass im nächsten Jahr eine Resolution der UN-Menschenrechtskommission zum Thema "Menschenrechte und sexuelle Orientierung" trotz des zu erwartenden Widerstands von Verfolgerstaaten wie Ägypten mehrheitlich verabschiedet wird. Für Nichtregierungsorganisationen wie die International Lesbian and Gay Association ILGA muss es endlich einen offiziellen Beobachterstatus bei der UNO geben.
     
  4. Deutsche Auslandsvertretungen, politische Stiftungen und andere Organisationen vor Ort müssen die Arbeit der oft unter schwierigsten Umständen mutig wirkenden schwullesbischen Organisationen in ihrem Gastland aktiv unterstützen und fördern.
     
  5. In der Außendarstellung der Bundesrepublik Deutschland (Goethe-Institute, Deutsche Welle, Botschaften, Stiftungen etc.) muss auch die gesellschaftliche und rechtliche Situation von Lesben und Schwulen in Deutschland (z. B. das Lebenspartnerschaftsgesetz) und deren Kampf für gleiche Rechte vermittelt werden.

Kontakt zu Philipp Braun: ilga@lsvd.de

LSVD Pressestelle
Willmanndamm 8
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T. (030) 78954763
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