Presse | |
|
Volker Beck Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion Bündnis 90 / Die Grünen: Laudatio auf Alice Schwarzer anlässlich der Verleihung des Zivilcourage-Preises des Berliner CSD am 28.06.2003Alice Schwarzer erhält den Zivilcourage-Preis für ihr Lebenswerk. Ich weiß nicht, ob es überhaupt Menschen gibt, deren Lebenswerk man in fünf Minuten zusammenfassen kann. Alice Schwarzer gehört aber ganz gewiss nicht dazu. 1970 war sie in Paris eine der Initiatorinnen der Frauenbefreiungsbewegung
in Frankreich.
Zahllose Kampagnen gegen die Unterdrückung und Entwürdigung der Frau hat Alice Schwarzer angezettelt, mittlerweile 16 Bücher geschrieben und 15 weitere herausgegeben. Alice Schwarzer ist präsent in Presse, Funk und Fernsehen. Ich erinnere nur an ihre legendären Streitgespräche mit Esther Vilar bis hin zu Verona Feldbusch. Sie hat selbst mich schon zu Handlungen verführt, die ich sonst nie begangen hätte. Allein wegen Dir, liebe Alice, habe ich mir im Fernsehen gelegentlich die Neuauflage von "Was bin ich?" angeschaut. Da saß dann eine fröhliche Alice Schwarzer neben Torwart Sepp Maier auf der Ratebank und fragte immer dreimal klüger, als alle Männer zusammen. Alice Schwarzer wird geliebt und von manchen auch gehasst. Sie ist - weiß Göttin - nicht unumstritten. Aber niemand ist unumstritten, wer eine Meinung hat und für diese auch kämpft. Soziale Bewegungen ebenso wie politische Ideen werden nur wirksam, wenn sie mit populären Personen verbunden sind. Alice Schwarzer hat dem Feminismus in Deutschland ein Gesicht gegeben. Und sie hat ihm politisches Gewicht gegeben. In der frühen deutschen Schwulenbewegung wurde im Kampf gegen den § 175 das Schlagwort geprägt "Das Recht auf sich selbst". Das könnte fast ein Motto sein für Alice Schwarzers lebenslangen Kampf für Selbstbestimmung und für Gleichheit. Das zeigt auch: Lesben, Schwule und die Frauenbewegung hatten und haben viele Berührungspunkte. Wir schwulen Männer sind ja die heimlichen Kriegsgewinnler des Geschlechterkampfes. Ohne die zivilisierende Wirkung des Feminismus auf die Männerwelt wären wir längst noch nicht so weit. Die Frauenbewegung wäre ohne die in ihr engagierten Lesben nicht denkbar. Und ohne den Feminismus hätten Lesben noch viel schwerer zu kämpfen, ein selbstbestimmtes Leben in Frauenbezügen zu leben. Derzeit wird in Deutschland über ein zivilrechtliches Antdiskriminierungsgesetz diskutiert. Es wird darüber gestritten, ob auch die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und aufgrund der sexuellen Identität mit einbezogen wird. Da sitzen wir wieder einmal im gleichen Boot. Ich sage ganz deutlich: Es kann nicht sein, dass hier ein Gesetz gegen Diskriminierung gemacht und dann plötzlich ein Schild aufgehängt wird. "Frauen müssen leider draußen bleiben, Schwule und Lesben ebenso." Nein, wir brauchen ein Gesetz, das alle Diskriminierungen verbietet und keine neuen Ungleichheiten schafft. Hier am CSD sei auch daran erinnert: Schon 1984 hat Alice Schwarzer in der "EMMA" ein flammendes Plädoyer für das Recht auf Ehe für Lesben und Schwule veröffentlicht. 1984, vor fast 20 Jahren! Damals haben die Schwulen- und Lesbenbewegung noch gar nicht gewagt, eine solche Forderung auch nur zu denken. Da war Alice Schwarzer wieder einmal vorneweg. Sie hat glasklar gesagt, bei aller feministischen Kritik an der Ehe: "Die Eheschließung ist ganz einfach ein elementares Menschenrecht." Und weiter ging es im Text: "In einer zwangsheterosexuellen Welt wie der unseren ist und bleibt es eine Unerhörtheit, die homosexuelle Liebe so ernst zu nehmen wie die heterosexuelle. Und genau das drückt sich im Ehewunsch aus. Denn die Ehe, das ist eine verdammt ernste Sache." Liebe Alice, das sind Worte wie aus Granit gemeißelt, aber eben deswegen auch zeitlos wahr. Alice Schwarzer und die "EMMA" waren im Kampf um das Standesamt all die Jahre eine große publizistische Unterstützung, waren verlässliche Verbündete der schwul-lesbischen Bürgerrechtsbewegung. Der Zivilcourage-Preis ist eine gute Gelegenheit, hierfür ein dickes Dankeschön zu sagen. Alice Schwarzer hat einmal gesagt: "Um keinen Preis möchte ich die manchmal
recht dünne Luft der Konfrontation wieder tauschen gegen die stickige des
Sich-Einreihens, des Sich-Beugens." Sich nicht beugen, genau das macht
Zivilcourage aus. Wir brauchen viel mehr davon, wenn wir wahre Gleichheit
erreichen wollen. Gleichheit, die nicht nur auf dem Papier steht, sondern im
Alltag auch gelebt werden kann. Dafür müssen wir weiter gemeinsam kämpfen.
|
|
[Impressum] [Feedback] [Sitemap] |
|