LSVD Pressestelle vom 08. Juli 2003
Zivilcourage-Preis für Eddi Stapel
Laudatio von Marianne Birthler
Von Marianne Birthler, Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR
Laudatio auf Eddi Stapel anlässlich der Verleihung des Zivilcourage-Preises des Berliner CSD am 28. Juni 2003
Lieber Eddi! Hier sind mehrere hunderttausend versammelt, die Dir gute Besserung wünschen!
Als wir uns 1986 kennen lernten, hattest Du schon eine gewisse Berühmtheit erlangt: als erster offiziell Angestellter für Schwulen-Arbeit bei der Evangelischen Stadtmission Magdeburg. Später erfuhren wir, was über Dich in den Stasiakten stand: “Als Hauptorganisator einer ‚alternativen Bewegung‘ Homosexueller in der DDR muß ... Eduard (“Eddi”) Stapel ... gelten.”
Da lagen die Genossen von der Sicherheit mit ihrer Einschätzung völlig richtig. Ohne Eddi Stapel, ohne seinen Mut wäre es nicht zu einer staatsunabhängigen schwul-lesbischen Bürgerrechtsbewegung in der DDR gekommen.
Die 80'er waren für Eddi so etwas wie Gründerjahre: 1982: Arbeitskreis Homosexualität der Evangelischen Studentengemeinde Leipzig. 1983: Arbeitskreis Homosexualität Magdeburg. Weitere in den nächsten Jahren. Am Ende der DDR gab es in 21 Städten Arbeitskreise. Unter den argwöhnischen Augen der SED war eine republikweite Bewegung für Emanzipation und Bürgerrechte entstanden.
Unter Eddis Führung war die kirchliche Schwulenarbeit fester Bestandteil der DDR-Opposition. Die Stasi sah in seiner Arbeit eine “feindliche Zielstellung” und - ganz absurd - eine “Diskriminierung der DDR”. Der Operativ-Vorgang Stapel trug den Decknamen “After-Shave”. Solche Herrenwitze waren ganz nach dem Geschmack der Genossen, die auch vor sogenannten “Zersetzungsmaßnahmen” nicht zurückschreckten.
Aber Eddi Stapel ließ sich nicht einschüchtern. Es war auch sein Erfolg, daß die DDR im Sommer 1989 ihren Homo-Paragraphen 151 strich. Dieser Erfolg der ostdeutschen Schwulenbewegung hat auch das Ende des § 175 in Westdeutschland eingeläutet.
Die Ehrung, die Eddi Stapel heute erhält, gilt seinem Engagement in der DDR. Aber seine Geschichte ging weiter, und das hieß für Eddi: Es wird weiter gegründet.
Im Februar 1990 hat er in Leipzig den “Schwulenverband in der DDR” aus der Taufe gehoben. Der heißt heute LSVD - Lesben- und Schwulenverband - und ist die größte homosexuelle Bürgerrechtsorganisation in Deutschland.
Die Sensation daran: Mit dem LSVD hat sich ein politisches Ostprodukt erfolgreich nach Westen ausgedehnt. Man nennt das: Vereinigung andersherum.
Eddi ist nach wie vor aktiv im Bundesvorstand des LSVD.
Aber der Theologe Eddi Stapel, der sich offen zu seinem Schwulsein bekennt, ist bis heute von seiner Kirche nicht ordiniert worden. Das ist schlecht für die Schwulen - und schlecht für die Kirche.
Trotz aller Erfolge: Volle Gleichstellung ist längst noch nicht erreicht. Und nicht nur aus reiner Freundschaft wünschen wir uns, daß er bald wieder gesund wird: Er wird gebraucht.
Von Eddi habe ich vor über 15 Jahren gelernt, daß die Gleichstellung von Lesben und Schwulen nicht nur das Problem einer Minderheit ist, sondern eine Frage von Demokratie und Menschenwürde - und damit eine Frage an uns alle.
Wenn er hier wäre und sich für die Ehrung selber bedanken könnte, würde er zuerst kurz danke sagen und dann länger darüber reden, daß sich noch viel mehr Lesben und Schwule aktiv an der Bürgerrechtsarbeit beteiligen sollten. Und ich bin ganz mit ihm einig, wenn ich an seiner Stelle sage:
Gebt keine Ruhe. Engagiert Euch. Kämpft weiter für Eure Rechte!
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