Presse



26.11.2003

Antwort unseres Lesers Dieter Wolfram auf den Zenit-Artikel vom 22.11.2003:

"Wenn Eheleute mit ihrem Leib die Wahrheit sagen" von Bischof Victor Galeone.

Absatz 1: Sie sprechen von "irgendwelchen zwei Erwachsenen". Man darf darauf aufmerksam machen, dass eine Ehe IMMER zwischen "irgendwelchen zwei Erwachsenen" geschlossen wird, der einzige Unterschied ist, dass es sich bisher um verschiedengeschlechtliche Partner handelte.

Absatz 3: Die Forderung "seid fruchtbar und mehret Euch und füllt die Erde" kann man getrost als erfüllt betrachten. Sehr viel mehr Menschen wird dieser Planet nicht mehr ernähren können.

Der Satz "Ohne die Liebesumarmung zwischen Ehemann und Ehefrau würde menschliches Leben auf dieser Erde aufhören zu existieren." läßt einen sprachlos zurück. Zweifellos entsteht neues Leben, indem ein Männchen und ein Weibchen miteinander Sex haben. Was das mit Liebe zu tun haben soll oder gar mit Ehe, ist ein Rätsel. Die Aufzucht des entstandenen Kindes wiederum erfordert in der Tat zwingend Liebe, aber dabei spielt es nicht die geringste Rolle, WER das Kind aufzieht, ob leibliche oder Stief-Mutter, ob Adoptivvater oder Kibbuz.

Beim Liebesgebot wiederum ist nicht erkennbar, warum die Ehe exklusiv verschiedengeschlechtlichen Partnern vorbehalten sein soll.

in Absatz 4 widersprechen Sie sich selbst. Ich möchte zunächst auf einen Text verweisen, den David Brooks von der "New York Times" für die am 24.11. veröffentlichte Ausgabe der "National Post" geschrieben hat ("We should insist on gay marriage"): Er sieht keinen Widerspruch darin, die völlige Vereinigung zweier Menschen ("Dich lieben ? Ich bin Du !") auch gleichgeschlechtlichen Partnern zuzugestehen. Und Brooks bezeichnet Promiskuität immerhin als "spirituellen Selbstmord". Man kann ihn also gewiß nicht dem libertinistischen Lager zurechnen. Sie schreiben: "die Ehegatten bilden etwas organisch Zusammengehörendes wie Kopf und Herz -- nicht etwas mechanisch Zusammengehörendes, wie Schloss und Schlüssel." Genau diese mechanistische/anatomistische Sichtweise ist es aber, die die Kirche vertritt, und in der Vergangenheit noch viel dogmatischer vertreten hat. Die biologischen Unterschiede zwischen Mann und Frau sind aber letztlich auf die äußeren und inneren Geschlechtsmerkmale beschränkt. Die Behauptung, Frauen wären "weicher, liebevoller", Männer wären "dominant, stark" ist ein wohlgepflegter Mythos. Noch bis ins letzte Jahrhundert hat man Frauen mithilfe des Korsetts in die Schwäche gezwungen. Tatsache ist aber, dass es genauso weiche, liebevolle Männer gibt wie starke, dominante Frauen. Es gibt Frauen, die sich in der Armee pudelwohl fühlen, und es gibt Männer, die mit Freude Heimchen am Herd spielen. Das hat noch nicht einmal etwas mit der sexuellen Orientierung zu tun. Die "wahre Ergänzungsbedürftigkeit", die der gleichgeschlechtlichen Verbindung angeblich fehle (davon war einmal in einem Papier aus dem Vatikan die Rede), gibt es also nicht. Ergänzungsbedürftig sind die homosexuellen Partner einander nämlich ganz genauso. Als jemand, der in einer solchen Partnerschaft lebt, auf dieselbe freilich 33 Jahre hat warten müssen, kann ich, wie ich meine, den Sachverhalt auch besser beurteilen als jemand, der sein Leben im Zölibat verbracht hat.

Der Begriff "lebensspendend" ist mir von Ihnen zu eng ausgelegt. Sicher, in einer gleichgeschlechtlichen Verbindung ist BIOLOGISCHE Fruchtbarkeit nicht gegeben. Aber das Aufblühen, das Schöpfen von Kraft aus der Beziehung, das Entwickeln einer vorher verkümmerten Kommunikation auf intimster Ebene (und ich meine beileibe nicht nur Sex), die Möglichkeit, seine Liebe in einer EXKLUSIVEN Beziehung zu schenken und zu empfangen, wie das in keiner anderen Beziehung möglich ist (auch die Beziehung zu Gott ist ja etwas anderes, mehr die Beziehung Vater-Kind), ist das alles nicht "lebensspendend" ?

Absätze 5 und 6: Hier wird Ihre Argumentation unsauber. Sie vergleichen Empfängnisverhütung mit gestörter Kommunikation. Für den eigentlichen geschlechtlichen Akt ist es aber unerheblich, ob einer der Partner sterilisiert ist oder nicht. Es wird lediglich die mögliche FOLGE des Geschlechtsaktes unterbunden. Dazu möchte ich aber folgendes sagen: Es sind die Partner, die entscheiden, wann sie miteinander schlafen. Sie sind nicht verpflichtet, ununterbrochen miteinander Sex zu haben, damit auch ja alle Kinder, die sich Gott vielleicht vorstellen könnte, gezeugt werden. Der Mensch selektiert also ganz automatisch und niemand hat etwas dagegen.

Absatz 7: Von einer Ehe zwischen Adam und Eva ist in der Genesis keine Rede. So lange sich Adam und Eva im Paradies aufhalten, zeugen sie auch keine Nachkommen ! Erst nach dem Sündenfall, nach der Vertreibung aus dem Paradies, "erkennt" Adam Eva. Die Ehe entspricht also nicht der Schöpfungsordnung, sie ist, wie ja auch die Kirche, Hilfs- und Heilmittel gegen die Trennung des Menschen von Gott und vom anderen Menschen. Betrachtet man die Verbindung von Adam und Eva im Garten Eden jedoch als Ehe, so ist doch gerade diese Ehe eben NICHT mit Fortpflanzung verbunden !

Absatz 8: Ich empfinde mich, inklusive meiner Homosexualität, als von Gott geschaffen. Es ist Gott selbst, Der mir die Ehe mit einer Frau verwehrt hat. Er hat mich aber fähig gemacht, einen Mann in entsprechender Weise zu lieben. Sex ist für mich eine der intensivsten Arten, meinem Mann zu sagen: "Ich liebe Dich !". Falls Sex ausschließlich für die Fortpflanzung reserviert sein soll, was mache ich dann mit meinen erotischen Wünschen und Bedürfnissen ? Und wo ist die Freiheit, die ihr Bischöfe in Anspruch genommen habt, als ihr euch freiwillig für die Ehelosigkeit entschieden habt ? Ihr hättet doch genauso mit einer Frau glücklich werden können, und niemand hätte etwas dagegen gehabt. Ich aber kann nur mit einem Mann glücklich werden. Nur mit meinem Mann fühle ich mich ganz.

Absatz 10: In meinem Bekanntenkreis sind diejenigen Ehemänner, die ihre Frauen "nur noch als Sexobjekte" betrachten, in verschwindender Minderheit.

Absatz 11: Ganz gefährlich. Man muß seinem Gewissen IMMER folgen, auch, wenn es irrt. Selbstverständlich sollte man vorher alle Fakten abgewägt, alle Informationen eingeholt haben, um sich eine möglichst objektive Meinung zu bilden. Aber dann MUSS man seinem Gewissen folgen, und zwar UNBEIRRT. Andernfalls folgt man immer nur anderen, und findet seinen eigenen Weg, der der einzige ist, der zu Gott führen kann, nie.

Absatz 13: Hier wird es dann echt verlogen. Ganz gleich, ob man "natürliche" oder "künstliche" Empfängnisverhütung anwendet, entscheidend ist doch das ZIEL ! Und das Ziel ist in beiden Fällen, Sex zu haben, ohne ein Kind zu zeugen. Ehrlich und konsequent wäre es ausschließlich, Sex zu haben, wenn man ein Kind möchte, und auf Sex zu verzichten, wenn man keines möchte. Aber das überfordert, wie wir wissen, die meisten Menschen, und zwar von ihrer Natur her. Gewiß kann man Techniken entwickeln, um seine sexuellen Bedürfnisse zu übertönen. Aber man kann sich ja auch einen Katheter legen lassen, um nicht mehr aufs Klo gehen zu müssen, sollte man eines Tages herausfinden, dass aufs Klo gehen Sünde ist.

Absatz 15: Die geringere Scheidungsrate bei Leuten ohne "künstliche" Empfängnisverhütung sagt noch nichts über die Qualität der Ehen aus. Vielleicht macht man sich einmal bewußt, dass Vergewaltigung in der Ehe in Deutschland erst seit etwa 20 Jahren strafbar ist ! Früher hatte die Frau zu schweigen und zu dulden. Der Verzicht auf "künstliche" Empfängnisverhütung ist nicht per se Garant für eine gelungene Ehe. Man muß den Kontext betrachten.

Absatz 17: Ich kann Roberta Roane in vielem zustimmen. Was freilich die Sexualität angeht, so hat die Kirche, habt ihr Bischöfe uns ganz im Stich gelassen. Ihr habt uns immer nur gelehrt, dass Homosexualität Sünde ist; ihr habt uns nicht beigebracht, wie zwei Männer oder zwei Frauen sich in der Sexualität verbinden können, im Sex miteinander eins werden können. Wir mußten und müssen uns alles selbst erarbeiten. Aber genau deshalb werden wir schließlich eine Antwort haben, der ihr nichts mehr entgegensetzen könnt.

Zum Schluß möchte ich noch fragen, warum die Kirche Menschen verheiratet, von denen jeder weiß, dass sie unfruchtbar, weil etwa alt oder behindert, sind ? Ich habe noch keinen Priester sagen hören, dass diese Menschen keinen Sex miteinander haben dürfen. Ist das eine Karikatur oder eine Nachbildung der Ehe ? Unterscheidet sich eine solche Ehe tatsächlich so sehr von einer Verbindung, wie ich sie habe ?

Dieter Wolfram
 


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