Presse | Brief an Christa Sager |
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Oldenburg, den 15. März 2004 Sehr geehrter Herr Müntefering, am vergangenen Wochenende ist die Bundesarbeitsgemeinschaft Schwule Juristen zu ihrem diesjährigen Frühjahrstreffen zusammengekommen. Anders als zu früheren Zeiten haben wir beschlossen, für die in diesem Jahr anstehenden Wahlen – insbesondere die Europawahl – keine Wahlempfehlungen mehr zugunsten der Regierungsparteien abzugeben. Dies hat folgende Gründe: Nachdem das Lebenspartnerschaftsgesetzergänzungsgesetz mangels Zustimmung des Bundesrates in der 14. Legislaturperiode nicht zustande gekommen ist und obwohl die SPD im Bundestagswahlkampf versprochen haben, sich für die Gleichstellung von Lesben und Schwulen einzusetzen, konnten wir bisher keine gesetzgeberischen Aktivitäten in dieser Hinsicht feststellen. Soweit wir Politiker von Bündnis90/Die Grünen hierauf ansprechen, wird argumentiert, die CDU/CSU-geführten Länder würden dieses Gesetz blockieren. Hiervon kann allerdings nicht gesprochen werden, weil es einen Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestages, dem der Bundesrat zustimmen müsste, zurzeit gar nicht gibt. Soweit wir uns um Anpassung der landesrechtlichen Vorschriften bemühen, werden wir von den Landesregierungen darauf verwiesen, dass auch die Regierungskoalition im Bund offenbar keinen Ergänzungsbedarf sehe, weil sie bislang untätig geblieben ist. Die Lebenspartnerschaft ist für viele Schwule und Lesben derzeit unattraktiv, weil sie mit vielen Pflichten, aber fast keinen Rechten ausgestattet ist. Dies ist in den vergangenen Monaten durch die Bundestagsmehrheit noch verschlimmert worden, etwa durch die Änderung der sozialhilferechtlichen Vorschriften. Im Rahmen der Beschlussfassung zum SGB XII haben die Koalitionsfraktionen eine gemeinsame politische Erklärung abgegeben, in der es hieß, "es bleibe Ziel der Koalitionsfraktionen, den Abbau der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Paare durch Gleichstellung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft bei weiteren Reformen, spätestens durch ein Überarbeitungs- und Ergänzungsgesetz, abschließend zu regeln" (Bundestags-Drucksache 15/1761 vom 16.10.2003). Trotzdem wurden Lebenspartner bei der gerade verabschiedeten Reform der Hinterbliebenenversorgung wiederum nicht gleichgestellt, obwohl dies unter Hinweis auf diese Reform im Rahmen des in der letzten Wahlperiode verabschiedeten Lebenspartnerschaftsgesetzes ausgeklammert worden ist. Über die Rente hinaus gibt es über 60 Bundesgesetze, in denen die Gleichstellung Eingetragener Lebenspartnerschaften ohne Zustimmung des Bundesrates erfolgen könnte. Auch hier fehlt es an jeglicher Gesetzesinitiative der Regierungskoalition. Die BASJ und der LSVD haben schon vor einigen Monaten hierzu einen fertigen Gesetzentwurf geliefert, der nur in das Parlament eingebracht werden müsste (siehe unter www.lsvd.de/lebenspartnerschaft). Eine Wahlempfehlung für die Regierungsparteien können wir auch schon deshalb – glaubhaft – nicht mehr abgeben, weil sogar die FDP einen Entwurf vorgelegt hat, der zwar in der Sache nicht ausreicht, aber besser als die Untätigkeit auch von Bündnis90/Die Grünen ist. Dadurch wird sich der Bundestag wenigstens wieder mit der Gleichstellung von Lesben und Schwulen befassen müssen. Wir fordern Ihre Fraktion auf, diese Initiative zum Anlass zu nehmen, endlich selbst einen Entwurf sowohl für ein Überarbeitungs- wie für ein Ergänzungsgesetz zum Lebenspartnerschaftsgesetz vorzulegen und zu beschließen. Wir – die Bundesarbeitsgemeinschaft Schwule Juristen – sind zu aktiver Mitarbeit hieran bereit. Auf der genannten Internetseite finden Sie auch für ein Ergänzungsgesetz einen fertigen Gesetzentwurf. Wir wären Ihnen dankbar, wenn Sie uns zeitnah mitteilen könnten, welchen Zeitplan die SPD-Bundestagsfraktion für die Gleichstellung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der Ehe hat. Für ein persönliches Gespräch stehen wir gerne zur Verfügung. Mit freundlichen Grüßen gez. Christian Landowski Rechtsanwalt |
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