Presse



24. März 2004

Gemeinsame Pressemitteilung des Robert Koch-Instituts und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zur Aids-Situation in Deutschland

Die Hinweise darauf, dass die HIV-Epidemie
auch in Deutschland eine neue Dynamik
erhalten könnte, mehren sich

Die bereits im ersten Halbjahr 2003 zu beobachtende Zunahme an HIV-Erstdiagnosen bei Männern mit gleichgeschlechtlichen Sexualkontakten hat sich auch im zweiten Halbjahr weiter fortgesetzt. Parallel steigt in der gleichen Gruppe die Zahl der Syphilisinfektionen deutlich an. Die Gesamtzahl der in Deutschland neu diagnostizierten HIV-Infektionen ist im Vergleich zum Vorjahr leicht angestiegen. In den sexuell aktiven Gruppen der Bevölkerung ist ein Rückgang im Schutzverhalten zu beobachten. Das zeigt sich vor allem an einer selteneren Kondomnutzung in riskanten Situationen. Auch sind sinkende Absatzzahlen bei den Kondomherstellern zu beobachten. „Diese Entwicklungen geben Anlass zur Sorge und müssen im Hinblick auf die zukünftige Verbreitung von HIV ernst genommen werden“, betonen Reinhard Kurth, Präsident des Robert Koch-Instituts, und Elisabeth Pott, Direktorin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.

Der neue Halbjahresbericht des Robert Koch-Instituts zu HIV/AIDS in Deutschland zeigt, dass dem Institut zwischen dem 1.1.2003 und dem 31.12.2003 insgesamt 1.700 neu diagnostizierten HIV-Infektionen übermittelt wurden. Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), stellen mit 41 % weiterhin die größte Gruppe. Die Zunahme der Meldungen von neudiagnostizierten HIV-Infektionen bei MSM konzentriert sich im wesentlichen auf die Großstädte Berlin, Hamburg, München, Köln und Frankfurt. Der Anteil der Meldungen ohne Angaben zum Infektionsweg beträgt 22 % und ist gegenüber den Vorjahren weiter angestiegen. „Es ist daher wichtig, im Gespräch mit dem Patienten nach dem wahrscheinlichen Infektionsweg zu fragen und die Antworten auf dem Meldebogen zu vermerken. Nur mit Hilfe dieser Angaben können verlässliche Aussagen zum Verlauf der HIV-Epidemie gemacht werden“, appelliert Osamah Hamouda, im Robert Koch-Institut Leiter des Fachgebietes Sexuell übertragbare Infektionen, an alle meldenden Ärzte.

Indizien für eine Veränderung des Risikoverhaltes von MSM sind die epidemische Ausbreitung der Syphilis unter MSM in allen größeren Städten Westeuropas und Nordamerikas in den letzten Jahren und die Zunahme anderer sexuell übertragbarer Infektionen wie z.B. der Gonorrhö in dieser Bevölkerungsgruppe. Solche Veränderungen des Risikoverhaltens bei MSM werden auch durch entsprechende Untersuchungen in Deutschland, beispielsweise durch Wiederholungsbefragungen im Auftrag der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), dokumentiert. So hatten 1996 76 Prozent der MSM keine Risikokontakte in den letzten 12 Monaten vor der Befragung, 2003 liegt der Anteil nur noch bei 70 Prozent, wie die Ergebnisse der Studie „Aids – wie leben schwule Männer heute“ zeigen.

Aber auch außerhalb der MSM-Gruppe mehren sich Zeichen eines nachlassenden Schutzverhaltens, wie die seit 1987 jährlich durchgeführte Repräsentativerhebung "Aids im öffentlichen Bewusstsein" der BZgA bestätigt. Die Ergebnisse der aktuellen Befragung 2003 zeigen, dass

  • bei den unter 45-jährigen Alleinlebenden die Kondomnutzung vor allem in riskanten Situationen sinkt.
  • Befragte mit mehreren Sexualpartnern im letzten Jahr nur noch zu 78 Prozent Kondome benutzen, 2001 waren es noch 83 Prozent.
  • auch zu Beginn neuer Sexualbeziehungen nur noch 73 Prozent der Alleinlebenden unter 45 Jahren Kondome verwenden, im Jahr 2000 waren es noch 78 Prozent.
  • nur noch 73 Prozent im Jahr 2003 bei Urlaubsbekanntschaften immer Kondome benutzen, 2001 waren es 79 Prozent.

Die rückläufige Entwicklung beim Schutzverhalten kommt auch in sinkenden Absatzzahlen der Kondomhersteller zum Ausdruck. Nachdem im Jahr 2000 noch 207 Millionen Kondome verkauft wurden, sank diese Zahl im Jahr 2003 auf 189 Millionen.

Diese Veränderungen vollziehen sich vor dem Hintergrund eines immer noch sehr hohen Informationsstandes der Bevölkerung über Aids und einer ausgeprägten Bereitschaft, sich bei Sexualkontakten mit Kondomen vor einer HIV-Infektion zu schützen. Wissen und Schutzverhalten sind die Folge eines breit gefächerten Informationsangebotes, das immer noch viele Menschen erreicht – insbesondere die nachwachsende Generation.

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung wird die umfangreiche nationale Aids-Präventionskampagne fortsetzen und verstärkt junge Erwachsene ansprechen, die sich in riskante Situationen begeben.

Der Bericht „HIV-Infektionen und AIDS-Erkrankungen in Deutschland“, Epidemiologisches Bulletin A/2004“ sowie weitere Informationen zu HIV und AIDS sind im Internet abrufbar unter http://www.rki.de/INFEKT/AIDS_STD/AZ.HTM

Die Kurzfassung der Studie „Aids im öffentlichen Bewusstsein“ der BZgA steht im Internet unter http://www.bzga.de/studien, die Langfassung erscheint an gleicher Stelle noch im März

Das Aids-Beratungstelefon der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ist unter der Rufnummer 01805-555 444 (12 Cent/Minute) zu erreichen. Montag bis Donnerstag von 10.00 bis 22.00 Uhr, Freitag bis Sonntag von 10.00 bis 18.00 Uhr.

Weitere Informationen:
http://www.gib-aids-keine-chance.de
http://www.machsmit.de
http://www.aidsberatung.de
http://www.bzga-reisegesundheit.de

Robert Koch-Institut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
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Tel. 01888-7542286 Tel. 0221-8992280


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