Presse



14. Mai 2004

Antworten der Parteien
auf die Wahlprüfsteine des LSVD zur Europawahl 2004

Die Parteien haben die Wahlprüfsteine des LSVD wie folgt beantwortet:

1) Sachgerechte und zügige Umsetzung der bestehenden Antidiskriminie-rungsrichtlinien

Die SPD verweist in der Frage eines zivilrechtlichen Antidiskriminierungsgesetzes, auf den rot-grünen Koalitionsvertrag und die Vorarbeiten aus der vergangenen Legislaturperiode. Dennoch ist sie offenbar nur gewillt, „die einschlägigen EU-Richtlinien möglichst rasch umzusetzen“, wozu sowieso jeder Mitgliedsstaat verpflichtet ist. Zur aktuell umstrittenen Einbeziehung der Merkmals „sexuelle Identität“ gibt die SPD damit keine eindeutige Stellungnahme ab.

Zur Gleichstellung der Lebenspartnerschaft im Beamtenrecht teilt sie mit, dass die „fachlichen Vorarbeiten und Abstimmungen in der Koalition zur Überarbeitung sowie Ergänzung des Lebenspartnerschaftsgesetzes laufen“.

Die CDU tritt zwar „gegen Diskriminierungen jeglicher Art, so (auch) aufgrund der sexuellen Orientierung, ein, und dies auch im Rechtsverkehr.“ Ein zivilrechtliches Antidiskriminierungsgesetz, das auch das Kriterium der sexuellen Identität einschließt, lehnt sie aber aufgrund ihres Verständnisses von Vertragsfreiheit ab. Sie sieht vielmehr die Notwendigkeit einer „behutsamen Abwägung der Interessen.“

Eine Gleichstellung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der Ehe im Beamten- und Soldatenrecht, die sich aus der EU-Richtlinie 2000/78/EG ergibt, sieht die CDU als nicht sachgerecht an, da „Ehe und Familie als Keimzelle unserer Gesellschaft“ vom Grundgesetz privilegiert werden müssten.

Die CSU hat es abgelehnt, dazu Stellung zu nehmen.

Bündnis 90/Die Grünen will sich ohne Einschränkung dafür engagieren, dass die „vorhandenen EU-Richtlinien in Deutschland (für alle Kriterien, also auch der sexuellen Identität) zügig in einem zivil- und arbeitsrechtlichen Antidiskriminierungsgesetz umgesetzt werden“, denn „es wäre ein fatales Signal und praktisch eine Einladung zur Diskriminierung, wenn z. B. Lesben und Schwule aus dem Diskriminierungsschutz ausgegrenzt blieben.“

Die Partei verfolgt zudem das Ziel, „noch vor der Sommerpause 2004“ die Antidiskriminierungsgesetzgebung auf den Weg zu bringen, räumt jedoch ein, dass dazu „die Meinungsbildung in der rot-grünen Koalition noch nicht abgeschlossen“ ist.

Bündnis 90/Die Grünen setzt sich darüber hinaus dafür ein, dass bei der Umsetzung der arbeitsrechtlichen Antidiskriminierungsrichtlinie Eingetragene Lebenspartnerschaften auch im Beamten- und Soldatenrechtrecht mit der Ehe gleichgestellt werden.

Die FDP lehnt ein zivilrechtliches Antidiskriminierungsgesetz, das auch den Schutz aufgrund der sexuellen Identität voll mit einschließt, ab, da dies aus ihrer Sicht „un-verhältnismäßig intensiv in die Freiheitssphäre des Einzelnen“ und in die „Vertragsfreiheit“ eingreife. Im Übrigen verweist die FDP auf den Gesetzentwurf ihrer Bundestagsfraktion zur Ergänzung des Lebenspartnerschaftsgesetzes, der „beamtenrechtliche Regelungen ... für Lebenspartner für sinngemäß anwendbar erklärt“, womit eine „weitgehende Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaft im Beamten-recht mit der Ehe erzielt“ werde.

Die PDS „setzt sich für eine umfassende Antidiskriminierungsregelung auch auf europäischer Ebene ein“. Das gelte für das Arbeits- und das Zivilrecht. Darüber hinaus fordert die PDS die Aufnahme der „Beweislastumkehr, so dass der oder die Diskriminierende die Beweispflicht hat, dass er oder sie nicht diskriminiert“. Die Partei fordert auch eine Gleichstellung im Beamtenrecht.
 

2) Einführung einer umfassenden europäischen Antidiskriminierungsrichtlinie

Die SPD antwortet ausweichend auf unsere Frage nach ihrem Einsatz auf EU-Ebene für eine Antidiskriminierungsrichtlinie, die auch die sexuelle Identität umfasst. Die PSE-Fraktion im Europäischen Parlament habe die Kommission zunächst einmal aufgefordert, ein Weißbuch zur künftigen Gleichstellungsstrategie der EU zu erstellen.

Die CDU ist der Auffassung, „die Bekämpfung von Diskriminierung sollte sich nicht in der Verabschiedung von Richtlinien erschöpfen.“ Wichtiger sei hier „die Unterstützung von Aufklärungsprojekten, bildungspolitischen Maßnahmen und Anti-Gewalt-Projekten.“ Die CSU hat es abgelehnt, dazu Stellung zu nehmen.

Für Bündnis 90/Die Grünen ist die Frage, wie mit Minderheiten umgegangen wird, „Gradmesser für ein demokratisches Europa.“ Deshalb will die Partei den Schutz vor Diskriminierung weiter ausbauen und „dafür sorgen, dass die EU eine umfassende Antidiskriminierungsrichtlinie verabschiedet“.
 
Die FDP lehnt es mit Verweis auf ihr Verständnis von Vertragsfreiheit ab, sich auf EU-Ebene für eine Antidiskriminierungsrichtlinie einzusetzen, die auch die sexuelle Identität umfasst.

Die PDS hingegen verspricht, sich für eine umfassende Antidiskriminierungsrichtlinie einzusetzen.
 

3) Diskriminierung aufgrund der Geschlechtsidentität

Auch in dieser Frage verweist die SPD auf ihre Forderung nach einem Weißbuch, das die Kommission zunächst zu erstellen habe.

Die CDU tritt gegen jede Diskriminierung ein, was auch den Schutz für Transgender miteinschließe. Die CSU hat es abgelehnt, dazu Stellung zu nehmen.

Bündnis 90/Die Grünen hingegen stellt fest, dass Transgender „oft besonders gravierenden Anfeindungen und Diskriminierungen ausgesetzt“ sind. Deshalb will die Partei, „dass Transgender bei der weiteren Ausgestaltung des EU-Rechts in sämtliche Bestimmungen zum Diskriminierungsschutz selbstverständlich einbezogen werden.“

Auch die FDP stellt fest, dass Transgender vielfältigen Diskriminierungen ausgesetzt sind, setzt sich für einen Diskriminierungsschutz für Transgender ein und fordert darüber hinaus eine Reform des Transsexuellengesetzes.

Die PDS fordert für jeden Menschen die freie Wahlmöglichkeit des eigenen Geschlechts und der eigenen Geschlechtsmerkmale sowie der Wahlmöglichkeit des Namens.
 

4) Weiterentwicklung des EU Antidiskriminierungsprogramms

Die SPD hebt das vergangene und künftige Engagement der sozialdemokratischen Abgeordneten im Europaparlament für die Berücksichtigung der sexuellen Orientierung als Diskriminierungsgrund bei allen Gesetzesinitiativen hervor. Sie äußerst sich aber nicht zu unserer Forderung nach Fortsetzung und Weiterentwicklung des EU-Antidiskriminierungsprogramms.

Die CDU spricht sich nicht ausdrücklich für eine Weiterentwicklung des EU-Antidiskriminierungsprogramms aus, meint jedoch, sinnvolle Programme zum Abbau von Diskriminierung sollten fortgesetzt werden.

Die CSU hat es abgelehnt, dazu Stellung zu nehmen.

Bündnis 90/Die Grünen hingegen tritt dafür ein, dass die EU-Programme mit Maßnahmen zur Bekämpfung von Diskriminierung fortgeschrieben und ausgebaut werden. Auch will sich die Partei für die „weitere institutionelle Förderung des europäischen Zusammenschlusses der Lesben- und Schwulenverbände“ einsetzen. Darüber hinaus fordert Bündnis 90/Die Grünen „einen jährlichen Bericht der EU-Kommission an das Europäische Parlament über den Stand der Integration gesellschaftlicher Minderheiten in der Europäischen Union.“

Die FDP begrüßt zwar das Antidiskriminierungsprogramm 2000-2006, spricht sich aber nicht ausdrücklich für dessen Fortsetzung und Weiterentwicklung aus.

Die PDS hingegen hält dies für „dringend geboten“.
 

5. Anerkennung von Lebenspartnerschaften und Regenbogenfamilien in Europa

Die SPD verspricht, „auch zukünftige Initiativen im Bereich der europaweiten Anerkennung von Eingetragenen Partnerschaften an(zu)regen und (zu) unterstützen.“ Zur Frage der gegenseitigen Anerkennung und Freizügigkeit äußert sie sich ebenso wenig wie zur Frage der Regenbogenfamilien.

Die CDU meint zur Frage der gegenseitigen Anerkennung eingetragener Partnerschaften und Regenbogenfamilien in den europäischen Staaten, dies gehöre „zur Rechtswirklichkeit innerhalb der EU. Gleichgeschlechtliche Partnerschaften mit und ohne Kinder sind in Deutschland längst Wirklichkeit. Dies sollte in der ganzen EU möglich sein.“

Die CSU hat es abgelehnt, dazu Stellung zu nehmen.

Bündnis 90/Die Grünen hingegen strebt „die volle Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften und gleichgeschlechtlicher Familien in den EU-Gesetzgebungen an“, weshalb im Wahlprogramm der Partei „die Forderung nach einer europaweiten Anerkennung eingetragener Partnerschaften und gleichgeschlechtlicher Ehen verankert“ sei.

Des weiteren stellt Bündnis 90/Die Grünen fest, dass es „schon im Interesse des Kindeswohles“ geboten ist, die rechtliche und finanzielle Diskriminierung von gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften mit Kindern zu beenden.

Auch die FDP „tritt für die europaweite gegenseitige Anerkennung von eingetragenen Partnerschaften sowie für die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Familien“ ein.

Die PDS kämpft dafür, dass „nationale Regelungen des Zusammenlebens von Menschen ... zur Gewährleistung von Freizügigkeit und gegenseitiger Anerkennung innerhalb der Union“ anerkannt werden. Die Partei hält dies für selbstverständlich und tritt im übrigen dafür ein, „dass keine Lebensweise gegenüber einer anderen privilegiert wird.“
 

6) Menschenrechtspolitik für Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender

Die SPD will sich auch weiterhin „für die Bekämpfung der in den Gesetzen der einzelnen Mitgliedsstaaten existierenden Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Ausrichtung“ einsetzen. Sie verweist zudem auf diskriminierende Bestimmungen in Deutschland, die geändert werden müssen, „wie z. B. Diskriminierungen auf Länderebene wie die in Bayern bestehende Notwendigkeit, die Lebenspartnerschaft vor einem Notar zu schließen und nicht vor dem Standesamt wie die Ehe.“ Zur Frage des verstärkten Engagements der EU für die Achtung der Menschenrechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgendern in Drittstaaten äußert sich die SPD nicht. Sie stellt fest, der Schutz der Menschenrechte gelte in gleicher Weise für alle Menschen.

Die CDU setzt sich für die volle Verwirklichung der Menschenrechte für alle Menschen ein, „selbstverständlich auch für Leben, Schwule, Bisexuelle und Transgender.“ Im übrigen verweist die Partei auf ihr „Selbstverständnis als einer auf dem Wertefundament des Christentums stehenden Partei.“

Die CSU hat es abgelehnt, dazu Stellung zu nehmen.

Bündnis 90/ Die Grünen
hingegen betont, dass der EU eine wichtige Funktion zukommt, „die Anerkennung der Menschenrechte für Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender weltweit voranzubringen.“ Weiter verweist die Partei auf die Rede von Außenminister Fischer auf der 60. UN-Menschenrechtskommission in Genf, in der er betonte, dass „es uns ein wichtiges Anliegen ist, dass diese MRK die Diskriminierung Homosexueller, Bisexueller und Transgender unmissverständlich verurteilt.“

Für die FDP ist es „eine Selbstverständlichkeit, dass sich die EU für die Achtung von Menschenrechten von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgendern einsetzen muss.“ Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit sollen, so die FDP, im Bereich der EU-Außenpolitik eine noch zentralere Rolle einnehmen.

Auch die PDS befürwortet Bestrebungen, sich für die Menschenrechte von Lesben, Schwulen und Transgendern einzusetzen, denn „Menschenrechte sind nicht teilbar.“
 
 


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