Presse



16.06.2006

Warschauer Bürgermeister verbietet CSD in der polnischen Hauptstadt

Maneo-Protestaktion beim polnischen Botschafter

Rechtslastiger Populismus auf höchster Ebene in Polens Hauptstadt: Die dortige, für den 11. Juni geplante "Equality Parade" wurde von Warschaus Bürgermeister Lech Kaczynski verboten. Die schwullesbische Demonstration sei "sexuell obszön" und eine "Gefahr für die öffentliche Moral". Die Demonstration verfolge seiner Meinung nach das Ziel, Pornographie zu verbreiten und die religiösen Gefühle von Dritten zu verletzen. Damit geht der Politiker eine Allianz mit der rechtspopulistischen Partei "Liga der polnischen Familien" (Liga Rodzin Polskich) und deren rechtradikalen Jugendorganisation "Allpolnische Jugend" ("Mlodziez Wszechpolska") ein, die durch wiederholte Anmeldungen von Gegendemonstrationen am gleichen Tag und Ort dem Bürgermeister in die Hände spielte.

Der Warschauer CSD wurde von der "Kampagne gegen Homophobie", Polens größter schwul-lesbischen Bürgerrechtsorganisation, vorbereitet. Gesprächsangebote mit den Warschauer CSD-Organisatoren lehnte der Bürgermeister laut polnischer Pressemeldungen mit dem Hinweis ab: "Ich werde mich mit keinen Perversen treffen!"

Kurz vorher hatten zum ersten Mal in der Geschichte der Stadt Krakau vom 6. bis 9. Mai 2004 Tage der schwul-lesbischen Kultur stattgefunden. Die Veranstaltung konnte trotz zahlreicher Einsprüche, Proteste und Hassattacken seitens Vertreter lokaler und nationaler Parteipolitiker, verschiedener Zeitungen und Vertreter der katholischen Kirche durchgeführt werden. Höhepunkt der Kulturtage war der "Tolerenz-Marsch" am 07.06.04. Dabei wurde die Demonstration mit 1.500 Teilnehmern durch Gegendemonstranten der rechtsradikalen "Allpolnischen Jugend" angegriffen. In Folge der Ausschreitungen wurden etwa 100 Teilnehmer des Demonstrationszuges und zahlreiche Polizisten zum Teil schwer verletzt. "Ein Polizist liegt noch heute auf der Intensivstation", erklärt Tomasz Baczkowski, Mitglied der Kampagne gegen Homophobie. "Die jüngsten Vorfälle in Krakau und die Absage der Parade in Warschau verdeutlichen die starke institutionelle, politische und gesellschaftliche Homophobie in Polen", erklärt Robert Biedron, Vorsitzender der "Kampagne gegen Homophobie". Er fordert, dass die EU-Institutionen Druck auf die polnische Regierung ausüben, damit diese die Menschenrechte in Polen verteidigen.

Der Vorsitzende der polnischen Bürgerrechtsorganisation wandte sich auch an die deutschen Partner und bat um Unterstützung. Er traf bei den Mitarbeitern des Berliner Anti-Gewalt-Projekts Maneo auf offene Ohren. Dass ein staatlicher Vertreter ausgerechnet eine Veranstaltung verhindert, die sich dem Abbau von Hass und Gewalt verschrieben hat, während Rechtsextreme unbehelligt demonstrieren dürfen, empfinden die Mitarbeiter von Maneo als Skandal. Nicht zuletzt werden damit im Nachbarland Polen die von der Europäischen Menschenrechtskonvention garantierten Bürgerrechte und der Schutz vor Diskriminierung verweigert. Auch die Antidiskriminierungsrichtlinie der EU und die EU-Charta der Grundrechte, die beide eine Benachteiligung aufgrund der sexuellen Orientierung verbieten, werden völlig ignoriert.

Seit 1998 engagieren sich Mitarbeiter von Maneo, dem Opferhilfe- und Anti-Gewalt-Projekt von Mann-O-Meter e.V., Berlins schwulem informations- und Beratungszentrum, für die Zusammenarbeit mit polnischen Homosexuellenorganisationen. Erst im Herbst 2003 reisten Mitarbeiter von Maneo nach Warschau und trafen sich dort mit Vertretern der "Kampagne gegen Homophobie" und "Lambda". "Als Partnerorganisation der ,Kampagne' sind über diese Entwicklung schockiert und erklären unsere volle Solidarität mit den polnischen Bürgerrechtsaktivisten. Wir drücken den vielen verletzten Demonstranten in Krakau unsere Anteilnahme aus. Vor allem dem schwerverletzten Polizisten wünsche wir gute Besserung", erklärt Bastian Finke, Projektleiter von Maneo.

Um die Bemühungen um Akzeptanz und Offenheit zu unterstützen, will Maneo am 26. Juni 2004  - gemeinsam mit weiteren Freunden der Antidiskriminierungs- und Antigewaltarbeit - dem polnischen Botschafter einen Protestbrief übergeben.

"Wir unterstützen die ,Kampagne gegen Homophobie' in ihrem Bemühen, für mehr Akzeptanz für Schwule und Lesben in der polnischen Gesellschaft zu werben. Mit ihren Zielen wirbt die Kampagne nicht nur für Toleranz gegenüber Homosexuellen, sondern für alle Minderheiten in der Gesellschaft. Wir wollen uns am 25. Juni, um 12 Uhr, vor der polnischen Botschaft in Berlin, Lassenstr. 19-21 (Berlin-Grunewald) einfinden, um unsere Solidarität mit den polnischen Bürgerrechtlern zu bekunden und dem polnischen Botschafter unseren Protest zu übermitteln. Darüber hinaus appellieren wir an die Abgeordneten des polnischen Parlaments, sich im Sinne eines geeinten Europa für den Schutz der für alle Menschen geltenden Bürgerrechte einzusetzen., so Projektleiter Bastian Finke.

Maneo engagiert sich seit 1990 als Opferhilfe und Anti-Gewalt-Projekt in Berlin für schwule und bisexuelle Männer, die von Gewalt und Diskriminierung betroffen sind. Maneo wurde 2001 mit dem CSD-Preis für Zivilcourage ausgezeichnet. Zu weiteren Preisträgern gehörten u.a. Ex-Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth, der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland Paul Spiegel und die evangelische Bischöfin aus Hamburg, Maria Jepsen.

Aus aktuellem Anlaß laden wir am Sonntag, dem 27.06.04, um 14 Uhr, zur einer weiteren Maneo-Matinee ins Mann-O-Meter ein. Der Vorsitzende der ,Kampagne gegen Homophobie', Robert Biedron, sowie weitere Vertreter der Bürgerrechtsorganisation, werden nach dem CSD noch einem über die Situation in Polen berichten und Fragen beantworten.

MANEO - Schwules Überfalltelefon und Opferhilfe
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