Presse



LSVD Pressemeldung vom 26. Juni 2004

Rede zum CSD Berlin

Von Philipp Braun

Liebe Freundinnen und Freunde,

Der Lesben- und Schwulenverband hatte der Bundesregierung im Frühjahr ein Ultimatum gestellt. Wir haben gesagt: Bis zum CSD wollen wir eine Gesetzesvorlage zur Lebenspartnerschaft sehen, sonst gibt es massenhaften Protest. Und siehe da, der CSD hilft der Politik auf die Sprünge. Eben haben wir gehört, das Gesetz kommt tatsächlich: Das begrüßen wir auf Schärfste. Nach 2 Jahren bewegt sich politisch wieder etwas für Lesben und Schwule.

Das zeigt: Es lohnt sich, wenn wir nicht locker lassen. Wir fordern von der Bundesregierung, endlich ein umfassendes Antidiskriminierungsgesetz vorzulegen, das auch Lesben und Schwule im Zivilrecht schützt. Darüber hinaus ist die Reform des 25 Jahre alten Transsexuellengesetzes überfällig. Die Schikanen gegenüber Transgendern müssen endlich ein Ende haben.

Von der Opposition verlangen wir, dass sie beim Ergänzungsgesetz zur Lebenspartner-schaft im Bundesrat ihre Blockade von "Gleichen Rechten für Gleiche Pflichten" endlich aufgibt. Vor allem die FDP in den Bundesländern und der Hamburger Senat sind hier in der Pflicht, warmen Worten auch Taten folgen zu lassen.

Auch 35 Jahre nach Stonewall haben wir allen Grund, weiter aktiv für gleiche Rechte zu kämpfen. Schauen wir nur über unsere Grenzen nach Osten, nach Polen - wo in Warschau der CSD vom Bürgermeister verboten wurde und in Krakau der CSD von Rechtsradikalen überfallen wurde! Das ist ein Skandal mitten in Europa. Wir haben gestern vor der polnischen Botschaft in Berlin demonstriert. Wir werden immer wieder demonstrieren, bis sich die Politik ändert.

Schon 2001 wurde auch in Belgrad der CSD überfallen - dieses Jahr wurde dort der CSD aus Angst vor neuen Übergriffen abgesagt. Wir verurteilen die Missachtung von europäischen Werten, von Demokratie und Rede- und Versammlungsfreiheit in aller Schärfe.

In rund 80 Ländern der Welt wird Homosexualität noch strafrechtlich verfolgt, bis hin zur Todesstrafe in einigen islamischen Ländern wie Iran und Saudi Arabien.

In Ägypten fanden Schauprozesse gegen Schwule statt. In Usbekistan ist der schwule Menschenrechtsaktivist Sharipov noch immer im Gefängnis. In Jamaika wurde kürzlich der Gründer der Gruppe J-FLAG Brian Williamson ermordet, in einem Land wo die sog. Dancehall Musik offen zum Mord an Lesben und Schwulen aufruft. Letzte Woche gingen in Indien Kinos in Flamen auf, weil sie einen Film mit lesbischen Motiven zeigten.

ILGA mit seinen 400 Mitgliedsorganisationen in 90 Ländern setzt sich seit 1978 für eine Welt ein, in der die Menschenrechte von Leben, Schwulen, Bisexuellen und Transgendern geachtet werden.

In den letzten 26 Jahren konnten wir vieles schon erreichen:

In Osteuropa hat es seit dem Fall des Eisernen Vorhangs durch den Motor der Europäischen Union und des Europarats einen großen Fortschritt für Lesben und Schwule gegeben. Seit Sommer 2003 gibt es nirgends in Europa noch Strafgesetze gegen Homosexualität - das erste mal seit 1500 Jahren! Der neue Schutz vor Diskriminierung im Arbeitsleben gilt für alle 25 EU Staaten mit 450 Millionen Menschen. Die soeben beschlossene EU Verfassung schützt auch die Rechte von Lesben und Schwulen.

Südafrika war das erste Land der Erde, das in seiner freien Verfassung nach Ende der Apartheid die Rechte von Lesben und Schwulen schützte - und wird auch vorrausichtlich das erste Land im globalen Süden sein, das die Ehe öffnet. In Brasilien hat sich seit der ILGA Konferenz 1995 in Rio eine mächtige Bewegung gebildet, die vor zwei Wochen mit weit über einer Million Teilnehmer beim CSD alle Rekorde aus Europa und Nordamerika in den Schatten stellte! Es war auch Brasilien, das letztes Jahr erstmalig das Thema Menschenrechte für Lesben und Schwule auf die Agenda der UNO brachte. Wir freuen uns, dass Außenminister Fischer im April vor der UNO dieses Anliegen vorbehaltlos unterstützt hat.

Liebe Freundinnen und Freunde, das sind wichtige Erfolge. Der LSVD und ILGA haben viel bewirkt. Wir kriegen auch Beifall für unsere Arbeit. Das freut uns, aber das reicht nicht. Wir brauchen noch mehr Unterstützung. Wir laden alle ein: Gebt Euch einen Ruck, macht mit! Es gibt noch sehr viel zu tun! Es geht um Menschenrechte. Nichts ist wichtiger!

Vielen Dank


 
 

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