Presse



ÖGS vom 12. Juli 2004

ÖGS fordert Ende der homophoben Treibjagd

„Kein Sex- sondern Heuchlerskandal!“

Mit scharfen Worten verurteilt die Österreichische Gesellschaft für Sexualforschung (ÖGS) die mediale Berichterstattung über sexuelle Kontakte zwischen Angehörigen des St. Pöltner Priesterseminars. Die dabei an den Tag gelegte Heuchelei liberaler Medien sei ebenso unerträglich wie die Scheinheiligkeit der konservativen Geistlichkeit.

„Nicht die sexuellen Beziehungen sind der Skandal, sondern die Heuchelei der katholischen Kirchenmänner, die exzessiv betreiben, was sie nach außen verdammen“, sagt der Wiener Psychotherapeut und Vorsitzende der ÖGS, Mag. Johannes Wahala, vor einigen Jahren selbst von Erzbischof Schönborn wegen seines Eintretens für die Rechte gleichgeschlechtlich l(i)ebender Menschen seiner Pfarren enthoben, „Diese katholische Doppelmoral zieht sich wie eine Blutspur durch die europäische Geschichte, von den heftig lodernden Scheiterhaufen des Mittelalters bis zu den erhöhten Selbstmordraten lesbischwuler Jugendlicher heutiger Zeiten“.

Die mediale Berichterstattung über den „Fall St. Pölten“, so kritisiert die ÖGS, beinhaltet kaum etwas von dieser Doppelmoral und Heuchlerei oder gar ihren ungezählten Opfern. Stattdessen werden homosexuelle Intimitäten als „abartig“ und „pervers“ ausgeschlachtet, die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare – ansonsten von der Kirche (zurecht) gefordert – als „besonders delikate Attraktion“ und „zynische Verächtlichmachung der Lehre“ niedergemacht und das freizügige homosexuelle Leben der Seminaristen als „offene Perversionen“ gebrandmarkt.

„Sexualität ist ein Menschenrecht und Geistliche sind davon nicht ausgenommen“, sagt der Wiener Rechtsanwalt und Co-Vorsitzende der ÖGS Dr. Helmut Graupner, der auch Präsident der Homosexuellen-Bürgerrechtsorganisation Rechtskomitee LAMBDA ist. „Abartig und pervers ist nicht, dass sie dieses Menschenrecht in Anspruch nehmen; abartig und pervers ist, dass sie es anderen verwehren wollen“.

Keine Rücktritte wegen Kinderpornografie

„Über das Leiden der Menschen, denen die Vertreter einer rigiden katholischen Sexualmoral die Liebe und sogar den Empfang des Abendmahls verbieten, liest man gegenwärtig herzlich wenig; auch das Leid, die verborgene Sexualität und die unendliche Einsamkeit katholischer Geistlicher, die ihre Liebe nicht leben dürfen, wird mit Redetabus belegt“, ergänzt die Wiener Psychoanalytikerin und Co-Vorsitzende der ÖGS Prof. Dr. Rotraud Perner, „Stattdessen erregt sich die Presse über Bilder von innig küssenden Seminaristen und alteriert sich über einverständliche ‚Sexspiele’ erwachsener Männer.“

„Es ist erschütternd und bezeichnend zugleich, dass die Einleitung von Ermittlungen wegen des Verdachtes von Kinderpornografie zu keinem Rücktritt geführt haben“, so Graupner, „nun aber, wo es um einvernehmliche Sexualität zwischen erwachsenen Männern geht, zahlreiche Rücktritte erfolgen, die die Diözese St. Pölten ‚ins Chaos’ stürzen.“

Johannes Wahala verweist darauf, dass nur erwachsene Männer das Priesterseminar besuchen: „Den Rücktritt des Bischofs zu fordern, weil Seminaristen ihre Homosexualität leben, ist eine unerträgliche Heuchelei liberaler Medien“. Die ÖGS verweist auf die Linke der Zwischenkriegszeit, die zwar einerseits für die Entkriminalisierung homosexueller Beziehungen eingetreten war, anderseits aber die Nationalsozialisten wegen deren (angeblicher) Homosexualität massiv denunzierte.

„Diese homophobe Treibjagd muss ein Ende haben“, schließen Graupner, Perner und Wahala, „In einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat geht es nicht an, dass Menschen für ihre gelebte Homosexualität medial verfolgt werden, überdies garniert mit Plaudereien eines leitenden Kriminalbeamten über, noch dazu strafrechtlich gar nicht relevante, Ermittlungsergebnisse und der Veröffentlichung von behördlich beschlagnahmten intimen und legalen Bildern. Wir erwarten, dass alle straf- und zivilrechtlichen Maßnahmen ergriffen werden, um diesem Spuk ein jähes Ende zu bereiten.“

Rückfragehinweis:
 
Mag. Johannes Wahala: 01/585 69 60, 0676/706 21 11
Dr. Helmut Graupner: 01/876 61 12, 0676/309 47 37
Prof. Dr. Rotraud Perner: 0699/1/969 18 18

A-1060 Wien, Windmühlgasse 15, Stiege 1 Tür 7
Tel: + 43/1/585 69 60, Fax: + 43/1/585 69 61
Email: office@oegs.or.at
www.oegs.or.at


 
 

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