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Bundesministerium der Verteidigung Generalinspekteur der Bundeswehr Fü S l 4 - Az 35-04-09 |
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Ich erlasse die Führungshilfe für Vorgesetzte Umgang mit SexualitätHarald Kujat VorbemerkungVor dem Hintergrund der weiteren Öffnung der Streitkräfte für
Frauen, der Änderung der bisherigen Haltung der Bundeswehr gegenüber
Soldatinnen und Soldaten mit gleichgeschlechtlicher Orientierung und
den Problemen der Soldatinnen und Soldaten im Einsatz mit dem Thema "Umgang
mit Sexualität" soll diese Führungshilfe zum Abbau von Verhaltensunsicherheiten beitragen. Umgang mit Sexualität(1) Einführung Für die Streitkräfte gelten die folgenden Rechtsgrundsätze.
Aus diesen Grundsätzen ergäben sich die folgenden Regeln, deren Kern vor allem Toleranz und gegenseitiger Respekt bilden. (2) Allgemeine Verhaltensregeln Sexualität ist grundsätzlich Privatangelegenheit, die eigene wie die fremde Sexualität haben jedoch Einfluss auf das Zusammenlehen der Menschen in den unterschiedlichen Lebensbereichen, auch im beruflichen bzw. dienstlichen Umfeld. Aus dem Pflichtenkatalog des Soldatengesetzes sind deshalb besondere Forderungen an den Soldaten abzuleiten: (a) Zurückhaltung Auf Grund unterschiedlicher Einstellungen zur Sexualität kann es zu Irritationen und negativen Reaktionen in einer Gruppe kommen. Deshalb ist auf die Gefühle und Überzeugungen anderer Rücksicht zu nehmen. Ein sensibler Umgang sowohl mit der eigenen wie mit der Sexualität anderer ist ein Gebot der Kameradschaft. Überzogene Thematisierung sexueller Erfahrungen und Partnerschaften, provozierendes Verhalten sowie das "Ausleben" von Sexualität jeglicher Orientierung sind daher innerhalb der militärischen Liegenschaft zu unterlassen. Auch außer Dienst und außerhalb dienstlicher Unterkünfte und Anlagen hat sich der Soldat so zu verhalten, dass er das Ansehen der Bundeswehr nicht ernstlich beeinträchtigt. (b) Verbot sexueller Belästigung Im Dienst wie außerhalb des Dienstes ist die sexuelle Integrität einer Person zu achten und zu wahren. Das Beschäftigtenschutzgesetz (VMB1 1995 S 272) gilt uneingeschränkt auch für den militärischen Bereich. Ebenso findet das Recht zur Beschwerde nach der WBO uneingeschränkt Anwendung. Ein schuldhafter Verstoß stellt zugleich ein Dienstvergehen nach § 23 Abs l SG dar8. Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist danach jedes vorsätzliche, sexuell bestimmte Verhalten, das die Würde von Beschäftigten am Arbeitsplatz verletzt. Die militärische Gemeinschaftsunterkunft gilt im Sinne dieses Gesetzes in und außer Dienst ah Arbeitsplatz. Über sexuelle Handlungen und Verhaltensweisen, die unter Strafe gestellt sind, hinaus umfasst sexuelle Belästigung auch
(c) Wahrung des Zusammenhalts
Ein vorurteilsfreier Umgang mit nicht strafbewehrten sexuellen
Orientierungen verhindert, dass es zu Gerüchten, übler Nachrede oder
zu Mobbing-Verhalten kommt und dadurch die Rechte Einzelner verletzt und
der Zusammenhalt in einer militärischen Gruppe gestört werden Der
Soldat darf den kameradschaftlichen Zusammenhalt nicht durch Neid,
Eifersucht oder demonstrative Ablehnung einer bestimmten sexuellen
Orientierung stören. (d) Respektieren von Partnerschaften Bestehende Partnerschaften sind stets zu achten. Der Respekt gegenüber Partnerschaften - auch über den unmittelbaren Dienstalltag hinaus - ist wesentliche Grundlage für das Vertrauen der Soldaten untereinander. Ihm kommt daher eine wesentliche Rolle für den Zusammenhalt zu. (e) Achtung der Privatsphäre Das enge Zusammenleben in der militärischen Gemeinschaft zwingt zu besonderer Rücksichtnahme. Die Privatsphäre ist auch und gerade im militärischen Bereich zu respektieren und zu gewährleisten Deshalb verbietet sich sowohl die Bloßstellung des Anderen wie auch eine Verletzung seiner Intimsphäre. (f) Toleranz Die Verpflichtung zur Kameradschaft gebietet Toleranz gegenüber anderen nicht strafbewehrten sexuellen Orientierungen, dementsprechend auch für gleichgeschlechtlich veranlagte Soldatinnen und Soldaten. Die eigenen Lebensentwürfe dürfen nicht zum Maßstab für andere gemacht werden. Unabhängig davon, welche moralische Einstellung der Einzelne hat, muss von ihm die Toleranz erwartet werden, Kameraden ein anderes als das eigene Sexualverhalten zuzugestehen, solange dadurch Ausbildung und Einsatz nicht gefährdet werden. (3) Pflichten und Aufgaben von Vorgesetzten Bei allem Bemühen, den dienstlichen Bereich von Problemen frei zu halten, die sich aus persönlichen Beziehungen oder sexuell orientiertem Verhalten ergeben, darf der Vorgesetzte sexuelle Beziehungen in seinem unterstellten Bereich nicht grundsätzlich negativ bewerten. Sexualität ist ein wesentlicher Teil menschlicher Gesamtpersönlichkeit. Sofern sich daraus keine Störung des Dienstbetriebes ergibt, unterliegt Sexualität daher nicht der Bewertung durch den Vorgesetzten. Im Umgang mit Sexualität trägt der Vorgesetzte jedoch eine besondere Verantwortung. (a) Beispielhaftes Verhalten Auch Vorgesetzte sind nicht immun gegenüber sexuellen Reizen. Damit steht der Vorgesetzte im natürlichen Spannungsfeld zwischen dienstlichen Erfordernissen einerseits und seinen Bedürfnissen andererseits wie jeder seiner Soldaten. Es gilt nicht nur, dieses Spannungsverhältnis im Sinne seines Auftrages und seiner Rolle als Vorgesetzter zu bewältigen, sondern auch immer wieder sein Verhalten und seine Entscheidungen dahingehend zu prüfen, ob sie durch Zu- oder Abneigung gegenüber anderen Soldaten (mit-) bestimmt sind. Sensibilität gegenüber der eigenen Sexualität und Toleranz gegenüber der Sexualität anderer, soweit sich diese nicht als Störfaktor im dienstlichen Bereich darstellt, sind daher wesentliche Voraussetzungen dafür, der Aufgabe als Vorgesetzter gerecht zu werden und glaubwürdig ein den Bedingungen des militärischen Dienstes angemessenes Verhalten von anderen zu fordern. Dass der Vorgesetzte auf keinen Fall seine dienstliche Stellung
gegenüber Untergebenen missbrauchen darf, ist selbstverständlich. Er
muss jedoch damit rechnen, dass Untergebene
versuchen könnten, sich durch gezielte Annäherung persönliche
Vorteile zu verschaffen oder von Außenstehenden eine Beziehung so
eingeschätzt wird. Persönliche Beziehungen über Hierarchieebenen
hinweg sind deshalb in der Regel immer Auslöser vielfältiger Probleme.
Sofern sich eine solche Beziehung abzeichnet, muss der Vorgesetzte von
sich aus eine dienstliche Trennung herbeiführen, um eine
Beeinträchtigung seiner Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit zu
vermeiden. Entsprechender Handlungsbedarf ist ebenso gegeben, wenn der
Vorgesetzte in seinem unterstellten Bereich eine solche
hierarchieübergreifende Beziehung feststellt. (b) Vorbeugung Eine wichtige Aufgabe des Vorgesetzten ist es, den Einfluss sexuell bestimmten Verhaltens auf den Zusammenhalt und das innere Gefüge zu erläutern und die Notwendigkeit der Beachtung allgemeiner Verhaltensregeln für das Zusammenleben in der militärischen Gemeinschaft zu verdeutlichen. Der Vorgesetzte muss sensibel für sexuell motivierte Spannungen und Störungen des Zusammenhalts im unterstellten Bereich sein und frühzeitig, z.B. durch Herbeiführen eines Gesprächs mit den Beteiligten, den Abbau derartiger Spannungen einleiten. Dabei darf er nicht grundsätzlich davon ausgehen, dass partnerschaftliche Beziehungen bzw. die betroffenen Partner die Auslöser dieser Spannungen sind. Vielmehr ist der Einzelfall genau zu prüfen. Die Betroffenen und ihre Beziehung sind ggf. vor Neid, Missgunst und übler Nachrede zu schützen. Darüber hinaus gilt es insbesondere, Toleranz gegenüber einer anderen geschlechtlichen Orientierung einzufordern. Der Vorgesetzte muss dabei beachten, dass es z.B. gegenüber der Homosexualität in der Gesellschaft zum Teil noch tiefsitzende Vorurteile gibt, die bis zu einer fundamentalen Ablehnung reichen. Es gilt daher ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass sich die Qualität der militärischen Aufgabenerfüllung nicht an der sexuellen Orientierung eines Soldaten misst und Rechte und Pflichten nach dem Soldatengesetz sowie die Grundsätze der Inneren Führung für heterosexuelle und homosexuelle Soldaten in gleicher Weise gelten. (c) Durchsetzen Dort, wo die Erziehung zur Toleranz im Einzelteil wegen besonders tiefgehender Ablehnung an ihre Grenzen stößt, ist der Vorgesetzte aufgefordert, die Situation im Sinne der Einsatzbereitschaft, z.B. durch Veränderungen der Personalzusammensetzung, zu lösen. Dies soll möglichst einvernehmlich und ohne Schuldzuweisungen erfolgen. Die Beteiligungsrechte sind zu beachten. Verschwiegenheit über Ursachen und Hintergründe sind selbstverständlich Ebenso, wie der Vorgesetzte jeder Diskriminierung energisch entgegentreten muss, hat er die Verhaltensregeln durchzusetzen und dafür zu sorgen, dass eine Kultur der Zurückhaltung im Hinblick auf sexuell orientiertes Verhalten im dienstlichen Bereich zur Normalität wird. Jedes Verhalten, das den Zusammenhalt stört, die Regeln der Kameradschaft verletzt und den Einzelnen ins Abseits stellt, ist bereits im Ansatz zu unterbinden
Dies gilt insbesondere im Hinblick auf sexuelle Belästigungen oder
Übergriffe. Durch Bekanntgabe der Verhaltensregeln für das
Zusammenleben und -arbeiten im dienstlichen Bereich kann der
Vorgesetzte hier zusätzlich Vorbeugung leisten.
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