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L 9 AL 196/99 vom 08.06.2000

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen

LANDESSOZIALGERICHT NORDRHEIN-WESTFALEN

Verkündet am 08.06.2000

Az.: L 9 AL 196/99 LSG NRW
Az.: S 32 AL 33/98 SG Düsseldorf

F......
Regierungsangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

..........

Kläger und Berufungsbeklagter,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin .....,

gegen

Bundesanstalt für Arbeit, Nürnberg, vertreten durch den Präsidenten des Landesarbeitsamtes Nordrhein-Westfalen, Josef-Gockeln-Straße 7, 40474 Düsseldorf,

Beklagte und Berufungsklägerin,

hat der 9. Senat des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen in Essen auf die mündliche Verhandlung vom 25. Mai 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht M., die Richter am Landessozialgericht K. und G. sowie die ehrenamtlichen Richter R. und R. für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 19. August 1999 geändert.

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 2l. August 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 1998 verurteilt, dem Kläger eine bis zum 21. Dezember 2001 befristete sowie auf den Wirtschaftszweig des Hotel- und Gaststättengewerbes und den Bezirk des Arbeitsamtes Solingen beschränkte Arbeitserlaubnis zu erteilen. Außerdem wird die Beklagte verpflichtet, den Kläger unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger drei Viertel der außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.


Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Erteilung einer Arbeitserlaubnis.

Der 1970 geborene Kläger ist thailändischer Staatsangehöriger. Er lernte im April 1996 den deutschen Lehrer A. in Thailand kennen. Es entwickelte sich eine homosexuelle Beziehung. Im August 1996 reiste der Kläger in das Bundesgebiet ein und lebt seitdem mit A. in dessen Wohnung in gleichgeschlechtlicher Gemeinschaft. Die Ausländerbehörde der Stadt Remscheid erteilte ihm gemäß § 15 iVm § 7 Abs. l Ausländergesetz (AuslG) eine zunächst bis zum 20.12.1999 befristete Aufenthaltserlaubnis, die inzwischen bis zum 22.12.2001 verlängert worden ist. Grundlage für die aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen war die Feststellung, dass ein erhebliches privates Interesse des Klägers an der Verwirklichung der Partnerschaft im Bundesgebiet vorhanden ist und öffentliche Belange nicht entgegenstehen.

Am 12.08.1997 beantragte der Kläger unter Hinweis auf diesen Sachverhalt eine besondere Arbeitserlaubnis. Die Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 21.08.1997 mit der Begründung ab, die Voraussetzungen der allein in Betracht zu ziehenden Vorschrift des § 2 Abs 7 der Arbeitserlaubnisverordnung idF vom 30.09.1996 - BGBl I 1491 - (AEVO) lägen nicht vor. Die Einbeziehung der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft in die Sonderregelung des Härtefalles widerspreche dem in § 2 Abs. l AEVO zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers. Mit dem binnen Monatsfrist eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, die Beklagte berücksichtige nicht die bisherige sozialgerichtliche Rechtsprechung, insbesondere die Urteile des Sozialgerichts Stade vom 28.10.1993 - S 6 Ar 66/93 - und des Landessozialgerichts Sachsen vom 03.04.1997 - L 3 AL 45/96 -= InfAuslR 1997, 414, 415. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 12.02.1998 zurück:

Die vom Kläger angesprochenen gerichtlichen Entscheidungen könnten auf den vorliegenden Fall nicht übertragen werden, weil sie auf den jeweiligen Einzelfall abzielten. Der Kläger habe - anders als in dem vom Sozialgericht Stade entschiedenen Fall - nicht nachgewiesen, dass er in seinein Heimatland wegen seiner Homosexualität strafrechtlich verfolgt werde. Nicht zu prüfen sei, ob ihm eine allgemeine Arbeitserlaubnis erteilt werden könne. Einen konkreten Arbeitsplatz habe er bisher nicht nachgewiesen.

Bereits am 28.01.1998 hatte der Kläger eine Arbeitserlaubnis für eine hauswirtschaftliche Beschäftigung bei seinem Lebenspartner A. beantragt. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 07.04.1998 - bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 15.06.1999 - ab: Die Voraussetzungen des § 285 Abs. l Sozialgesetzbuch - Drittes Buch - (SGB III) seien nicht erfüllt, weil A. sich nicht um die Besetzung der Stelle mit einem bevorrechtigten Arbeitnehmer bemüht habe. Der Arbeitsplatz sei zudem allein auf die Person des Klägers zugeschnitten.

Der Kläger hat am 25.02.1998 sowie am 09.07.1998 Klagen erhoben. Er hat erneut auf die im Widerspruchsverfahren zitierte sozialgerichtliche Rechtsprechung sowie auf die Urteile des Sozialgerichts Dortmund vom 27.04.1998 - S 33 (6) Ar 226/97 und des Sozialgerichts Hamburg vom 17.05.1998 - S 7 AL 1487/88 - Bezug genommen und beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Arbeitserlaubnis ohne Beschränkung auf bestimmte Betriebe, Berufsgruppen, Wirtschaftszweige oder –bezirke, hilfsweise, eine Arbeitserlaubnis für die Beschäftigung als Hauswirtschafter bei zu erteilen.

Das Sozialgericht hat der Klage durch Urteil vom 16.08.1999 stattgegeben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger eine Arbeitserlaubnis ohne Beschränkung auf bestimmte Betriebe, Berufsgruppen, Wirtschaftszweige oder -bezirke zu erteilen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Anspruch ergebe sich aus § 285 Abs. 2 SGB III iVm § l Abs. 2 der Verordnung über die Arbeitsgenehmigung für ausländische Arbeitnehmer – Arbeitsgenehmigungsverordnung - vom 25.09.1998, in Kraft getreten am 17.09.1998 - BGBl I 2899 -(ArGV). Diese Vorschriften seien anzuwenden, weil bei Verpflichtungsklagen die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich sei. Die Versagung der Arbeitserlaubnis durch die Beklagte bedeute unter Berücksichtigung der Verhältnisse des Einzelfalles eine besondere Harte. Insoweit seien die Grundsätze maßgebend, die bereits für die deckungsgleiche Vorschrift des § 2 Abs. 7 AEVO entwickelt worden seien. Allerdings habe die besondere Arbeitserlaubnis früher bei Vorliegen einer besonderen Härte erteilt werden müssen. Nunmehr stehe die Erteilung der Arbeitserlaubnis nach § l Abs. 2 ArGV im Ermessen der Beklagten. Die vom Kläger gewählte rechtlich zulässige Form des Zusammenlebens in einer homosexuellen, auf Dauer ausgerichteten Lebensgemeinschaft stehe unter dem Schutz des Art 2 Abs. l Grundgesetz (GG). Außerdem sei nach Art 8 Abs. l der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 04.11.1950 - BGBl II 1952, 686, 953; BGB1 II 1954, 14 - (EMRK) das Privatleben zu achten. Danach habe der Kläger das Recht, eine seinen Neigungen entsprechende Partnerschaft einzugehen und dürfe in der Praktizierung nicht unangemessen benachteiligt werden. Benachteiligt werde der Kläger bereits dadurch, dass er sich als Homosexueller nicht auf § 2 Abs. 2 ArGV berufen könne, weil er aus rechtlichen Gründen die Voraussetzung nicht durch Eheschließung herbeiführen könne. Die Versagung der Arbeitserlaubnis bringe neben der Benachteiligung, die sich aus der zulässigen Privilegierung der Ehe nach Art 6 Abs. l GG ergebe, auch Nachteile steuerlicher oder finanzieller Art mit sich, die sich auf die Lebensführung und die Ausgestaltung der Partnerschaft gravierend auswirkten. Der Ausübung einer Berufstätigkeit komme in der Gesellschaft ein besonders hoher Stellenwert zu. Der Kläger könne nicht darauf hingewiesen werden, die Partnerschaft in seiner Heimat zu realisieren. Der Lebenspartner A. sei Lehrer und Beamter auf Lebenszeit. Er könne in Thailand seinen Beruf nicht ausüben. Obwohl die Erteilung der Arbeitserlaubnis jetzt im Ermessen der Beklagten stehe, habe der Kläger einen Rechtsanspruch darauf. Das Ermessen sei auf Null reduziert, weil die besondere Arbeitserlaubnis nach früherem Recht in einem solchen Fall ohne weiteres habe erteilt werden müssen. Insoweit verfahre die Beklagte ermessensfehlerhaft, wenn sie diesen Umstand nunmehr unberücksichtigt lasse.


Die Beklagte hat gegen das ihr am 08.11.1999 zugestellte Urteil am 03.12.1999 Berufung eingelegt und vorgetragen, auch unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles sei die Arbeitserlaubnis nicht zu erteilen. § l Abs. 2 ArGV sei als Ausnahmevorschrift eng auszulegen. Es sei nicht erheblich, dass der Kläger in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebe, denn diese könne auch unter Härtegesichts punkten nicht der familiären Lebensgemeinschaft gleichgesetzt werden. Es sei gesetzessystematisch bedenklich, über die Härteklausel des § l Abs. 2 ArGV eine Ausnahme von § 2 Abs. 2 ArGV zu ermöglichen. Bei der Prüfung der Härte dürfe nicht darauf abgestellt werden, dass der Ausübung der Berufstätigkeit ein hoher Stellenwert zukomme. Insoweit unterscheide sich die Situation des Klägers nicht von den Gegebenheiten in einer verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaft. Auch hier gehe oftmals nur ein Partner einer Erwerbstätigkeit nach und erwirtschafte den Unterhalt für die Familie. Ein generelles Arbeitsverbot sei mit der Ablehnung der Arbeitserlaubnis für eine Tätigkeit als Hauswirtschafter nicht verbunden gewesen.

Seit dem 27.12.1999 ist der Kläger aufgrund der ihm erteilten Urteilsarbeitserlaubnis als Küchenhelfer für die OK ..... GmbH im B......Motel in R. beschäftigt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 19.08.1999 zu ändern und die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

Beweis zu erheben über die Anzahl der bevorrechtigten arbeitslosen Arbeitnehmer, die für eine Beschäftigung als Küchenhelfer bei der OK ....... GmbH in Betracht kommen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

hilfsweise,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 19.08,1999 insoweit abzuändern, als ihm eine Arbeitserlaubnis für den Wirtschaftszweig des Hotel- und Gaststättengewerbes zu erteilen ist,

weiter hilfsweise,

ihm eine Arbeitserlaubnis für eine Tätigkeit bei dem Arbeitgeber OK ..... GmbH zu erteilen.

Er ist der Ansicht, seine gleichgeschlechtliche Beziehung stehe, auch wenn sie nicht den Schutz des Art 6 Abs. l GG genieße, unter dem Schutz des Art 2 Abs. l GG und des Art 8 Abs. l EMRK. Bei der Härtefallprüfung seien nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) die Gründe zu berücksichtigen, die dazu führten, dass die Regelvoraussetzungen für die Erteilung einer Arbeitserlaubnis nicht erfüllt seien. Es sei zu prüfen, ob gerade deshalb eine Härte vorliege. Er befinde sich in einer Sondersituation, weil er diese Voraussetzungen nicht durch eine Eheschließung sichern könne und er darüber hinaus zu einer kleinen Minderheit gehöre. Der Vergleich mit der wirtschaftlichen Situation in einer Ehe gehe fehl, weil die Ausgestaltung der Lebensverhältnisse dort auf einer freien Entscheidung beruhe. Im übrigen stellten sich die bürokratischen Hemmnisse bei Bewerbungen und der damit verbundenen Arbeitsmarktprüfung faktisch als Arbeitsverbot dar. Das angefochtene Urteil habe es ihm ermöglicht, eine Arbeit zu finden und auch ein Praktikum zu absolvieren. Es sei für sein Selbstwertgefühl - auch gegenüber seinem Partner -unverzichtbar, arbeiten zu dürfen und den Lebensunterhalt selbst zu erwirtschaften. Ihm jetzt die Arbeit wieder zu nehmen, sei eine nicht mehr zu rechtfertigende Härte.

Die Arbeitgeberin des Klägers, die OK ..... GmbH in R., hat am 20.03.2000 mitgeteilt, sie habe erhebliche Schwierigkeiten gehabt, die Stelle eines Küchenhelfers, die der Kläger jetzt innehabe, mit einem geeigneten Bewerber zu besetzen. Das Landessozialgericht hat von der Arbeitgeberin des Klägers eine ergänzende schriftliche Auskunft zur Höhe der Entlohnung und zu der konkreten Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses eingeholt. Auf das Antwortschreiben der OK .... GmbH vom 28.03.2000 wird Bezug genommen. Der Senat hat den in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung vom 19.05.2000 enthaltenen Artikel "Im Gastgewerbe fehlt Personal" zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten verwiesen. Die den Kläger betreffenden Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie der Ausländerbehörde der Stadt Remscheid sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.


Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist nur zum Teil begründet.

Das angefochtene Urteil ist zu ändern, soweit dem Kläger eine unbeschränkte und unbefristete Arbeitserlaubnis zuerkannt worden ist. Der Kläger hat jedoch Anspruch auf Erteilung einer bis zum 21.12.2001 befristeten und auf den Wirtschaftszweig des Hotel- und Gaststättengewerbes sowie auf den Bezirk des Arbeitsamtes Solingen beschränkten Arbeitserlaubnis. Hinsichtlich seines darüber hinausgehenden Klagebegehrens hat er lediglich einen Anspruch auf Neubescheidung durch die Beklagte. Im übrigen haben Klage und Berufung keinen Erfolg.

Die Rechtsposition des Klägers bestimmt sich - wovon das Sozialgericht zu Recht ausgegangen ist - nach der ab 01.01.1998 geltenden Rechtslage, nämlich nach den Vorschriften der §§ 284 ff. SGB III und der am 25.09.1998 in Kraft getretenen ArGV vom 17.09.1998 (aaO). Denn maßgeblicher Zeitpunkt für die Frage, welches Recht anzuwenden ist, ist sowohl bei Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen als auch bei Anfechtungs- und Leistungsklagen grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl § 54 Rn 34 mwN). Unter Einbeziehung von Sachgesichtspunkten besteht kein Anlass zu einer anderen Beurteilung, weil sich aus der Übergangsvorschrift des § 432 SGB III ergibt, dass nur erteilte und damit bestandskräftig gewordene Arbeitserlaubnisse weiter gelten sollen und kein abgeschlossener, in der Vergangenheit liegender Sachverhalt betroffen ist, sondern ein Rechtsverhältnis, das über den Zeitpunkt des dieses regelnden Verwaltungsaktes hinaus bedeutsam ist (vgl. BSG SozR 3-4100 § 152 Nr 7).

Der Kläger hat zwar Anspruch auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis gemäß §§ 285 Abs. 2, 288 Abs. l Nr 2 SGB III iVm § l Abs. 2 ArGV, jedoch nur in dem im Tenor ausgesprochenen zeitlich begrenzten und inhaltlich beschränkten Umfang. Nach der zuletzt genannten Vorschrift kann die Arbeitserlaubnis abweichend von § 285 Abs. l Satz l Nrn l und 2 SGB III auch dann erteilt werden, wenn die Versagung unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse des einzelnen Falles eine besondere Härte bedeuten würde. Daraus folgt zunächst, dass der Senat die in § 286 Abs. l Satz l Nrn l und 2 SGB III aufgeführten Arbeitsmarktvorbehalte nicht zu prüfen und dem die Zahl der bevorrechtigten Arbeitslosen, die für eine Beschäftigung als Küchenhelfer in Betracht kommen, betreffenden Beweisantrag der Beklagten nicht nachzukommen braucht. Auch der Kläger hat eine auf den Betrieb seiner derzeitigen Arbeitgeberin bezogene Arbeitserlaubnis nur (äußerst) hilfsweise und nur für den Fall der Versagung einer Härtefallarbeitserlaubnis beantragt.

Das Sozialgericht hat die Voraussetzungen des § l Abs. 2 ArGV abweichend von der Beurteilung durch die Beklagte zu Recht bejaht.

Die Tatbestandsmerkmale "besondere Verhältnisse des einzelnen Falles" und "besondere Härte" sind unbestimmte Rechtsbegriffe, deren Auslegung durch die Beklagte von den Gerichten in vollem Umfang nachgeprüft werden kann. Bereits zur alten Fassung der Härteklausel (§ 2 Abs. 5 AEVO idF vom 02.03.1971 - BGBl I 152-), die ebenfalls das Wort "kann" enthielt, hatte das BSG (SozR 4100 § 19 Nrn 2, 3) entschieden, dass hinsichtlich der Frage, ob ein Härtefall vorliegt, der Beklagten weder Ermessen noch ein gerichtsfreier Beurteilungsspielraum eingeräumt ist. Nichts anderes gilt für die vom Gesetzgeber entsprechend § 285 SGB III erneut als "Kann-Bestimmung" gefasste Härteregelung des § l Abs 2 ArGV, die sich inhaltlich von der in Bezug genommenen früheren Regelung nicht unterscheidet. Sie ist als eine auf die Rechtsfolgeseite, nämlich die inhaltliche Ausgestaltung der Arbeitserlaubnis beschränkte Ermessensvorschrift auszulegen (vgl. auch Geiger, Die Härtefall-Arbeitserlaubnis nach dem SGB III, InfAuslR 1999, 356). Bei der Prüfung der Voraussetzungen des § l Abs. 2 ArGV sind deshalb die von der Rechtsprechung zu den früherer Härteregelungen entwickelten Grundsätze heranzuziehen.


Dementsprechend ist weiter davon auszugehen, dass eine Härte nicht allein mit der Begründung verneint werden kann, der Antragsteller erfülle nicht die Voraussetzungen, die die ArGV an anderer Stelle (hier: § 2) zur Anspruchsbegründung aufstelle. § l Abs. 2 ArGV ist gerade für solche Fälle eine Auffangvorschrift, so dass die Gründe, weshalb ein Antragsteller die Voraussetzungen zB nach § 2 Abs. l Nr l oder Abs. 2 ArGV (familiäre oder eheliche Lebensgemeinschaft) nicht erfüllt, im Einzelfall durchaus in die Wertung einbezogen werden können, ob gerade deswegen ein Härtefall zu bejahen ist (vgl. BSG SozR 4100 § 19 Nrn 16 und 17). Die zuletzt aufgeführte Entscheidung betrifft eine nichteheliche Erziehungsgemeinschaft, die in § 2 Abs. l bis 3 AEVO aF (jetzt § 2 ArGV) ebenso wenig berücksichtigt ist wie die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft. Die eheähnliche Gemeinschaft hat sich als sozialer Typus lediglich deutlicher herausgebildet als andere Gemeinschaften (vgl. BVerfG SozR 3-4100 § 137 Nr 3). Von der Gesetzessystematik her ist es jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass Angehörige anderer Lebensgemeinschaften als die in § 2 Abs. l Nr l und Abs. 2 ArGV genannten familiären und ehelichen Lebensgemeinschaften in die Härtefallprüfung einbezogen werden, zumal die Vorschrift des § l Abs. 2 ArGV - anders als die früheren Härteregelungen (zuletzt § 2 Abs. 7 AEVO) - und anders als die nach § 2 ArGV zu erteilende Arbeitsberechtigung keinen umfassenden Zugang zum Arbeitsmarkt mehr eröffnet (s. aber auch den Beschluss des BSG vom 23.01.1992 in InfAuslR 1992, 106, der sich jedoch auf den Ablauf der Sechsjahresfrist des § 2 Abs. l Nr 6 AEVO bezieht).

Die Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe des § l Abs. 2 ArGV ist - nicht anders als bei der Vorgängervorschrift des § 2 Abs. 7 AEVO (vgl. dazu BSG SozR 4100 § 19 Nr 16) - an dem Zweck der Arbeitserlaubnis auszurichten, der im Wesentlichen darin besteht, aus besonderen sozialen Gründen die Arbeitsaufnahme des Ausländer zu ermöglichen, obwohl dies dem Vorrang der deutschen und der ihnen gleichgestellten ausländischen Arbeitnehmer widerspricht. Die für ausländische Arbeitnehmer allgemein gültigen Verhältnisse begründen einen Härtefall daher nicht und besondere Verhältnisse nur, wenn sie stärkeres Gewicht haben als der Vorrang deutscher und gleichgestellter ausländischer Arbeitnehmer. Bei der Interessenabwägung sind vor allem die Grundrechte und die in ihnen zu Ausdruck kommende Wertordnung zu beachten (vgl. Hambüchen/Arnold/ Richter, Das Arbeitserlaubnisrecht in Handbuch des Arbeits- und Sozialrechts Stand: Oktober 1997 § 6 E Rdnrn 266-268).

Das Sozialgericht ist bei Bejahung der besonderen Härte zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft mit A. hier verwirklichen darf, ohne dass öffentliche Belange entgegenstehen. Dies folgt bereits aus der auch für die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit maßgebenden Tatbestandswirkung der ausländerbehördlichen Entscheidungen. Zu Recht ist auch darauf hingewiesen worden, dass diese rechtlich zulässige Form des Zusammenleben unter dem Schutz des Art 2 Abs l GG sowie des Art 8 Abs. l EMRK (Achtung des Privatlebens) steht (vgl. BVerwG DVBl 1996, 1253 ff.; OVG NRW NVwZ 1997, 512 ff.) und grundrechtsrelevante Benachteiligungen zu vermeiden sind (vgl. BVerfG NJW 1993, 3058).

Ob diese rechtliche Situation unter Berücksichtigung des Umstandes, dass Homosexuelle nach geltendem Recht eine Ehe nicht eingehen und damit die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 ArGV nicht erfüllen können, sowie unter Berücksichtigung des hohen Stellenwertes, dem die Ausübung einer Berufstätigkeit in der Gesellschaft zukommt, für sich gesehen dazu führt, einen Härtefall anzunehmen, begegnet jedoch Bedenken. Die Entscheidung des Verfassungsgesetzgebers, die Ehe unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung zu stellen (Art 6 Abs. l GG) und gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften diese Privilegierung nicht zuzuerkennen, dürfte im Hinblick auf die Erteilung einer Arbeitserlaubnis nicht dadurch "korrigiert" werden können, dass die für homosexuelle Lebensgemeinschaften nicht gegebene Möglichkeit der Eheschließung ohne weiteres zur Annahme eines Härtefalles führt (ebenso Sozialgericht Dortmund, Urteil vom 27.04.1998 - S 33 (6) Ar 226/97 -). Auch dem hohen Stellenwert, dem die Ausübung einer Berufstätigkeit in der Gesellschaft zukommt, vermag dieses Ergebnis nicht in der Weise zu stützen, dass vorhandene Zweifel beseitigt werden. Dieser Umstand betrifft nämlich nicht nur Ausländer, die mit einem Deutschen in gleichgeschlechtlicher Gemeinschaft leben, sondern auch andere (nicht bevorrechtigte) Ausländer. Außerdem hat jedenfalls das BSG den Versuchen, aus der Verfassung ein "Recht auf Arbeit" oder auf Zulassung zum Arbeitsmarkt abzuleiten, bisher eine Absage erteilt (vgl. dazu Hambüchen/Arnold/Richter aaO Rdnrn 38-40). Diese allgemeinen Erwägungen bedürfen indessen keiner Vertiefung, weil sie für die Entscheidung des vorliegenden Falles nicht erheblich sind. Die besondere Härte ist hier zu bejahen, weil die besonderen Verhältnisse des Klägers diese Beurteilung rechtfertigen.

Die in Art 2 Abs. l GG und Art 8 Abs. l EMRK zum Ausdruck kommende Schutzfunktion ist jedenfalls bei der Prüfung der Frage, ob die Versagung der Arbeitserlaubnis nach den besonderen Verhältnissen des einzelnen Falles eine besondere Härte bedeutet, zu berücksichtigen (so auch unter Ablehnung eines unmittelbaren Anspruchs auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis gemäß § 2 Abs. 7 AEVO: Sächsisches Landessozialgericht InfAuslR 1997, 414, 415). Diese Schutzfunktion kann sich insbesondere in bedeutsamer Weise auswirken, wenn die Erteilung der Arbeitserlaubnis und die Aufnahme einer Arbeit durch den Kläger seine Situation innerhalb der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft in nicht unerheblichem Umfang positiv beeinflussen. Das ist hier der Fall. Der Kläger hat glaubhaft dargelegt, dass es für sein Selbstwertgefühl unverzichtbar ist, für seinen Lebensunterhalt durch eigene Arbeit aufzukommen, und er sich nur so dem A. gegenüber als gleichwertiger Partner wahrnehmen kann. Für die Richtigkeit der Angaben des Klägers spricht auch die Tatsache, dass er in besonderem Maße integrations- und fortbildungswillig ist. Er hat auch aufgrund des Besuchs von Volkshochschulkursen bereits verhältnismäßig gute Kenntnisse der deutschen Sprache. Sein ernsthaftes Bemühen um Integration wird ferner durch die Auskunft seiner Arbeitgeberin vom 28.03.2000 bestätigt, die insbesondere seine schnelle Auffassungsgabe, seine saubere Arbeit, seinen überdurchschnittlichen Arbeitseinsatz und seine Freundlichkeit hervorhebt. Auch der Umstand, dass die Familienangehörigen des A. (Mutter und Schwägerin), die in der mündlichen Verhandlung anwesend waren, sein Begehren erkennbar unterstützen, lässt darauf schließen, dass ihm aus Gründen, welche die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft betreffen, viel an der Zulassung zum Arbeitsmarkt liegt. Bei der im Rahmen der Härtefallprüfung vorzunehmenden Interessenabwägung kommt hinzu, dass dem arbeitsmarktpolitischen Vorrangprinzip, das hier trotz des in § l Abs. 2 ArGV normierten Ausschlusses des strengen Vorbehalts (§ 285 Abs. l Satz l Nr 2 SGB III) heranzuziehen ist, .für den Bereich des Hotel- und Gaststättengewerbes kein großes Gewicht hat. Denn in diesem Wirtschaftszweig sind verhältnismäßig viele Stellen frei, die nicht oder nur schwer zu besetzen sind. Das ergibt sich aus der in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung vom 19.05.2000 veröffentlichten Erklärung des Hotel- und Gaststättenverbandes, der sogar befristete Arbeitsverträge für "Gastarbeiter" fordert, und aus der Stellungnahme der Arbeitgeberin des Klägers vom 28.03.2000. Es darf in diesem Zusammenhang auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass die aufenthalts- und arbeitserlaubnisrechtliche Position des Klägers nach fast vier Jahren erlaubten Aufenthalts im Bundesgebiet inzwischen so gestärkt ist, dass er die zeitlichen Voraussetzungen für eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis am 22.12.2001 und die Voraussetzungen für die Erteilung einer unbefristeten Arbeitsberechtigung (§ 286 Abs. l Nr l b, Abs. 3 SGB III) voraussichtliche Mitte 2002 erfüllen wird. Diese Gesichtspunkte rechtfertigen insgesamt die Annahme einer besonderen Härte.


Daraus folgt jedoch nicht, dass der Kläger Anspruch auf eine unbefristete und unbeschränkte Arbeitserlaubnis hat. Der Auffassung des Sozialgerichts, dass dem Kläger bereits bis Ende 1997 eine solche Arbeitserlaubnis gemäß § 2 Abs. 7 AEVO hätte erteilt werden müssen, stimmt der Senat nicht zu. Es ist bereits eingangs darauf hingewiesen worden, dass auf den vorliegenden Sachverhalt neues Recht anzuwenden ist. Die Übergangsvorschriften der §§ 432 Satz i SGB III, 14 Abs. l ArGV, nach denen vor dem 01.01.1998 erteilte Arbeitserlaubnisse ihre Gültigkeit behalten, legen den Umkehrschluss nahe, dass zum damaligen Zeitpunkt noch nicht abgeschlossene Verfahren ausschließlich nach neuem Recht zu beurteilen sind. Dieses sieht aber regelmäßig eine zeitliche, räumliche und sektorale Beschränkung der Arbeitserlaubnis vor (vgl. § 285 Abs. 5 SGB III, § 4 ArGV), wobei die Entscheidung darüber in das Ermessen der Beklagten gestellt ist. Im übrigen haben die vorstehend aufgeführten Gründe für die Annahme einer besonderen Härte jedenfalls insgesamt bis Ende 1997 nicht vorgelegen, so dass die Interessenabwägung bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht zugunsten des Klägers ausgefallen wäre.

Auf die Erteilung einer Arbeitserlaubnis für den Wirtschaftszweig des Hotel- und Gaststättengewerbes hat der Kläger jedoch einen Rechtsanspruch, weil das Ermessen der Beklagten aus dem bereits bei der Härtefallprüfung aufgeführten Gründen auf Null reduziert ist. Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes stehen der Erteilung einer Arbeitserlaubnis für diesen Sektor eindeutig nicht entgegen.

Soweit andere Wirtschaftszweige und die inhaltliche Ausgestaltung der Arbeitserlaubnis betroffen sind, ist die Beklagte zur Neubescheidung verpflichtet. Dafür ist die Arbeitsmarktsituation in den anderen Wirtschaftszweigen bedeutsam. Ob die räumliche Beschränkung der Arbeitserlaubnis erweitert werden kann, wird auch davon abhängen, inwieweit der Kläger wegen der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft an seinen derzeitigen Wohnort gebunden ist.

Die Kostentscheidung folgt aus § 193 Abs. l SGG.

Der Senat hat die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr l SGG zugelassen.

 
 


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