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der Abgeordneten Alfred Hartenbach, Margot von Renesse, Hermann Bachmaier, Anni Brandt-Elsweier, Hans-Joachim Hacker, Christine Lambrecht, Gabriele Lösekrug-Möller, Winfried Mante,
Dirk Manzewski, Dr. Jürgen Meyer (Ulm), Wilhelm Schmidt (Salzgitter), Richard Schuhmann (Delitzsch), Erika Simm, Joachim Stünker, Hedi Wegener, Dr. Peter Struck und der Fraktion der
SPD Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege (NS-AufhGÄndG)
A. Problem Durch das Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege vom 25. August 1998 (NS-AufhG) werden nach § 1 verurteilende strafgerichtliche Entscheidungen, die unter Verstoß gegen elementare Gedanken der Gerechtigkeit nach dem 30. Januar 1933 zur Durchsetzung oder Aufrechterhaltung des nationalsozialistischen Unrechtsregimes aus politischen, militärischen, rassischen, religiösen oder weltanschaulichen Gründen ergangen sind, aufgehoben. Die genannten Entscheidungen betreffen nach § 2 des Gesetzes unter anderem auch Entscheidungen, die auf den in der Anlage zu § 2 Nr. 3 NS-AufhG genannten gesetzlichen Vorschriften beruhen. Nicht erfasst werden durch diese Regelung Verurteilungen homosexueller Männer nach den §§ 175, 175a Nr. 4 Reichsstrafgesetzbuch sowie eine Vielzahl von Verurteilungen unter anderem wegen Desertion (§ 69 Militärstrafgesetzbuch), Feigheit (§ 85) oder unerlaubter Entfernung (§ 64). Die Betroffenen müssen sich bislang, um die Bestätigung der Aufhebung ihres Urteils zu erhalten, einer Einzelfallprüfung durch die zuständige Staatsanwaltschaft unterziehen. Dies wird teilweise als unzumutbar durch die Betroffenen empfunden. B. Lösung In Zukunft soll es auch hinsichtlich dieser Betroffenen einer Einzelfallprüfung nicht mehr bedürfen. Der Entwurf schlägt deshalb vor, die entsprechenden Strafvorschriften des Reichstrafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzbuches ebenfalls in der Anlage zu § 2 Nr. 3 des NS-AufhG aufzunehmen, wodurch die Einzelfallprüfung entfällt und die entsprechenden Verurteilungen durch Gesetz aufgehoben werden. C. Alternativen Keine D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte Die Ergänzung des Gesetzes kann zu einer geringfügigen Entlastung der öffentlichen Haushalte führen, da in den aufgeführten Fällen eine Einzelfallprüfung durch die zuständigen Staatsanwaltschaften entbehrlich wird. E. Sonstige Kosten Keine |
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege (NS-AufhGÄndG) Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen: Artikel 1 Die Anlage zu § 2 Nr. 3 des Gesetzes zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege vom 25. August 1998 (BGBl. I S. 2501) wird wie folgt geändert:
Artikel 2 Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft. Berlin, den 20. Februar 2002 Dr. Peter Struck und Fraktion Kerstin Müller (Köln), |
BegründungA. Allgemeines Durch § 1 des Gesetzes zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege (NS-AufhG) vom 25. August 1998 (BGBl. I S. 2501) wurden verurteilende strafgerichtliche Entscheidungen, die unter Verstoß gegen elementare Gedanken der Gerechtigkeit nach dem 30. Januar 1933 zur Durchsetzung oder Aufrechterhaltung des nationalsozialistischen Unrechtsregimes aus politischen, militärischen, rassischen, religiösen oder weltanschaulichen Gründen ergangen sind, aufgehoben. Die Globalklausel des § 1 wurde durch die Regelbeispiele des § 2 konkretisiert, um die deklaratorische Feststellung durch die Staatsanwaltschaft gemäß § 6, dass ein bestimmtes Urteil gemäß § 1 aufgehoben ist, zu erleichtern. Aufgehoben sind danach alle Entscheidungen des Volksgerichtshofs, der auf Grund der Verordnung über die Einrichtung von Standgerichten vom 15. Februar 1945 (RGBl. I S. 30) gebildeten Standgerichte sowie alle Entscheidungen, die auf den in der Anlage zu § 2 Nr. 3 genannten gesetzlichen Vorschriften beruhen. Dadurch wurde in weitem Umfang eine Einzelfallprüfung vermieden. Für die von den Regelbeispielen des § 2 nicht erfassten Entscheidungen kann die Feststellung, ob eine Entscheidung durch das Gesetz aufgehoben wurde oder nicht, erst nach einer Einzelfallprüfung durch die Staatsanwaltschaft getroffen werden. Diese Regelung hat sich bisher im Wesentlichen bewährt; insbesondere sind keine Fälle bekannt geworden, bei denen die Staatsanwaltschaft eine nachgewiesene Verurteilung nicht für aufgehoben erklärt hat. Allerdings führt die in einigen Fällen vorgesehene Einzelfallprüfung zu Unzuträglichkeiten. Sie wird insbesondere den Betroffenen, die nach den §§ 175, 175a Nr. 4 RStGB verurteilt wurden, nicht gerecht. Homosexuelle Männer wurden während der NS-Gewaltherrschaft systematisch und menschenverachtend verfolgt. Durch auch heute noch bestehende Vorurteile sehen sich die Betroffenen oft auch nicht in der Lage, einen entsprechenden Antrag bei der Staatsanwaltschaft zu stellen. Ähnlich stellt sich die Situation bei einer Vielzahl von Verurteilungen nach dem Militärstrafgesetzbuch dar. Beispielhaft seien die Verurteilungen nach § 63 (Übergabe an den Feind), §
64 (Unerlaubte Entfernung), § 65 ("wer sich der Truppe, von der er abgekommen ist, nicht wieder anschließt"), § 69 (Desertion), § 84 (Dienstpflichtverletzung aus Furcht) und § 85
(Feigheit) genannt. Die Personen, die wegen dieser Delikte verurteilt wurden, haben es aus Gewissensgründen oder berechtigter Angst um ihr Leben gewagt, sich sinnlosen Befehlen zu
widersetzen oder sie in Frage zu stellen, sich dem Kriegsdienst durch Flucht zu entziehen oder ihre Dienstpflichten zu verletzen. In einem vom nationalsozialistischen Deutschland
verschuldeten Angriffsund Vernichtungskrieg war dies weder kriminell noch unehrenhaft. Dennoch müssen die Betroffenen einen Antrag auf Erteilung der Bescheinigung nach § 6 NS-AufhG
stellen, um Klarheit über die Aufhebung ihrer Urteile zu erlangen. Dies wird von vielen zu Recht als unzumutbar empfunden. Die Bundeswehr ist Armee eines demokratischen Rechtsstaates. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland gewährt die Kriegsdienstverweigerung und verbietet jede auf einen Angriffskrieg angelegte Handlung; darüber hinaus ist den Soldaten der Bundeswehr gesetzlich verboten, verbrecherische Befehle zu befolgen. Deshalb können die Rehabilitierung und Entschädigung der Opfer der Wehrmachtjustiz keine negativen Auswirkungen auf die Bundeswehr haben." Diese Ausführungen haben unverändert Gültigkeit und lassen sich auf eine große Anzahl anderer Verurteilungen nach dem Militärstrafgesetzbuch übertragen. Das NS-AufhG soll deshalb durch eine Ergänzung der Anlage zu § 2 Nr. 3 so geändert werden, dass bei einer Vielzahl von Verurteilungen einer Einzelfallprüfung künftig nicht mehr bedarf. Die Koalitionsfraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kommen damit auch dem Ersuchen des Deutschen Bundestages nach, der in seiner 140. Sitzung am 7. Dezember 2000 die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses auf Bundestagsdrucksache 14/4894 angenommen hat. In dem Beschluss wird die Bundesregierung u. a. ersucht, einen Entwurf zur Ergänzung des NS-AufhG vorzulegen, um so ein der Unrechtserfahrung Homosexueller angemessenes Verfahren zur gesetzlichen Rehabilitierung der Opfer der §§ 175, 175a RStGB aus den Jahren 1935 bis 1945 sicherzustellen. In diesem Zusammenhang sollten auch weitere noch offene Fragen der Rehabilitierung im Bereich der Opfer der Militärjustiz angegangen werden. II. Kosten Bund, Länder und Gemeinden werden durch die Gesetzesänderung insgesamt nicht mit neuen Kosten belastet. In geringem Umfang kann sie zu einer Entlastung der Länderhaushalte fuhren, da Einzelfallprüfungen künftig in geringerem Umfang anfallen werden, als bisher. Kosten bei Wirtschaftsunternehmen Zusätzliche Kosten bei Wirtschaftsunternehmen sind nicht zu erwarten. Preiswirkungsklausel Auswirkungen auf die Einzelpreise und das allgemeine Preisniveau, insbesondere das Verbraucherpreisniveau, sind nicht ersichtlich. |
B. Zu den einzelnen Vorschriften Zu Artikel I Zu Nummer 1 In der Folge des so genannten Röhm-Putsches und der ihn begleitenden Propaganda gegen Homosexuelle wurde durch das Gesetz vom 28. Juni 1935 die Strafbarkeit in § 175 RStGB auf sämtliche Formen gleichgeschlechtlicher Handlungen ausgedehnt. § 175a RStGB sah für schwere Fälle Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren Zuchthaus vor. Diese Verschärfung war Ausdruck typisch nationalsozialistischen Gedankenguts. So heißt es in der amtlichen Begründung zur Neufassung: "Der neue Staat, der ein an Zahl und Kraft starkes, sittlich gesundes Volk erstrebt, muss allem widernatürlichen geschlechtlichen Treiben mit Nachdruck begegnen. Die gleichgeschlechtliche Unzucht zwischen Männern muss er besonders stark bekämpfen, weil sie erfahrungsgemäß die Neigung zu seuchenartiger Ausbreitung hat und einen erheblichen Einfluss auf das ganze Denken und Fühlen der betroffenen Kreise ausübt." (Ackermann in: Bauer/Bür-ger-Prinz/Giese/Jäger [Hrsg.], Sexualität und Verbrechen, 1963). Die hierdurch beeinflusste Rechtsprechung kam in ihrer erheblich verschärften Spruchpraxis der Aufgabe, zugunsten eines "gesunden Volkskörpers" die Ausbreitung der "Seuche" Homosexualität zu verhindern, bereitwillig nach. Zwischen 1935 bis 1945 wurde ca. 50000 Verurteilungen nach den §§175 und 175a Nr. 4 RStGB ausgesprochen. Tausende wurden wegen ihrer Homosexualität in Konzentrationslager verschleppt, die Mehrzahl davon ermordet. Zudem waren Homosexuelle weiteren Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt. Dazu zählen Zwangssterilisierungen und medizinische Experimente. Diese Verfolgungsmaßnahmen sind als offenbares nationalsozialistisches Unrecht anzusehen. Sowohl in der Bundesrepublik Deutschland als auch in der DDR wurden auch nach 1949 Menschen wegen einvernehmlicher gleichgeschlechtlicher Beziehungen unter Erwachsenen strafrechtlich verfolgt. In der Bundesrepublik Deutschland blieb der § 175 StGB bis 1969 unverändert in Kraft. Zwar wurde der Gesetzeswortlaut dieser Vorschrift vom Bundesverfassungsgericht als mit dem Grundgesetz vereinbar angesehen (BVerfGE 6, 389, 414). Dies gilt jedoch nicht für die Praxis der strafrechtlichen und erst recht nicht für die Praxis der staatsterroristischen Verfolgung bis 1945. Im Übrigen verstößt die Verfolgung einvernehmlicher gleichgeschlechtlicher Beziehungen gegen die Europäische Menschenrechtskonvention und nach heutigem Verständnis auch gegen das freiheitliche Menschenbild des Grundgesetzes. Allerdings würde eine Aufhebung von nachkonstitutionellen Urteilen nach §§175, 175a Nr. 4 StGB gravierenden verfassungsrechtlichen Einwänden begegnen: Aus dem in Artikel 21 Abs. 2 Satz 2 GG normierten Gewaltenteilungsprinzip folgt, dass jede der drei Staatsgewalten grundsätzlich verpflichtet ist, die von den beiden anderen Staatsgewalten erlassenen Staatsakte anzuerkennen und als rechtsgültig zu behandeln. Für das Verhältnis von Judikative und Exekutive zu Akten des Gesetzgebers lässt sich dies zusätzlich aus Artikel 20 Abs. 3 GG, für die Judikative auch aus Artikel 97 Abs. 1 GG ableiten. Auch das BVerfG hat darauf hingewiesen, dass Gesetze, die rückwirkend in die Rechtskraft von Gerichtsentscheidungen eingreifen, den Grundsatz der Gewaltenteilung berühren (BVerfGE 72, 302, 328). Einer Aufhebbarkeit nachkonstitutioneller Urteile durch Gesetz steht ferner das Rechtsstaatsprinzip entgegen. Es enthält als wesentlichen Bestandteil die Gewährleistung von Rechtssicherheit; diese verlangt nicht nur einen geregelten Verlauf des Rechtsfindungsverfahrens, sondern auch einen Abschluss, dessen Rechtsbeständigkeit gesichert ist (BVerfGE 2, 380, 381). Stünden rechtskräftige Urteile zur Disposition des Gesetzgebers, so wäre die Sicherheit des Rechts nicht mehr gewährleistet. Gleichwohl rechtfertigt sich eine pauschale Aufhebung der Urteile aus der Zeit der Gewaltherrschaft der Nationalsozialisten auf Grund der damaligen Anwendungspraxis. Um dies zu
erreichen, soll die Nummer 26 der Anlage zu § 2 Nr. 3 NS-AufhG um die §§ 175, 175a Nr. 4 RStGB ergänzt werden. Damit wird die bisherige Einzelfallprüfung abgeschafft. |
Zu Nummer 2 Während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wurden im Verlauf des Zweiten Weltkriegs Zehntausende deutscher Soldaten und Zivilpersonen Opfer von Verurteilungen wegen der Tatbestände "Kriegsdienstverweigerung", "Desertion/Fahnenflucht" und "Wehrkraftzersetzung". Bereits in seiner Entschließung vom 15. Mai 1997 hat der Deutsche Bundestag festgestellt, dass die wegen dieser Tatbestände verhängten Urteile unter Anlegung rechtsstaatlicher Wertmaßstäbe Unrecht waren und den Opfern und ihren Familien Achtung und Mitgefühl bezeugt. Durch das NS-AufhG wurden die Urteile weitgehend aufgehoben. Bei den Verurteilungen wegen "Kriegsdienstverweigerung" und "Wehrkraftzersetzung" geschah dies durch die Aufnahme der Kriegssonderstrafrechtsverordnung (KSSVO) vom 17. August 1938 (RGBl. 1939 I S. 1455) in die Anlage zu § 2 Nr. 3 NS-AufhG (Nr. 30). Diese Verurteilungen sind - sofern sie nach dem Inkrafttreten der KSSVO ergangen sind - daher unmittelbar aus dem Gesetz ablesbar aufgehoben. Für die Verurteilungen wegen Desertion/Fahnenflucht - die nach Militärstrafgesetzbuch und nicht nach der Kriegssonderstrafrechtsverordnung erfolgten - gilt etwas anderes: § 1 NS-AufhG erfasst u. a. strafgerichtliche Entscheidungen, die unter Verstoß gegen elementare Gedanken der Gerechtigkeit nach dem 30. Januar 1933 zur Durchsetzung oder Aufrechterhaltung des nationalsozialistischen Unrechtsregimes aus "militärischen" Gründen ergangen sind. Hierunter fallen in aller Regel auch Verurteilungen wegen Desertion/Fahnenflucht, allerdings erschließt sich dies nicht zweifelsfrei aus dem Gesetz selbst; um Sicherheit zu erlangen, müssen die Betroffenen eine Einzelfallprüfung veranlassen. Gleiches gilt für die - in der genannten Entschließung nicht erwähnten - Verurteilungen wegen Unerlaubter Entfernung. Diese gesetzliche Regelung hat sich grundsätzlich bewährt; es ist bisher kein Fall bekannt geworden, in dem eine beantragte Urteilsaufhebung verweigert worden wäre. Gleichwohl ist festzustellen, dass die Betroffenen sich nicht vollständig rehabilitiert fühlen. Sie halten eine Einzelfallprüfung und eine damit verbundene Beweisführung, dass eine entsprechende Verurteilung erfolgt ist, für unzumutbar. Die Kritik erscheint berechtigt. Mehr als fünfzig Jahre nach Kriegsende wird ein Betroffener nur noch in Ausnahmefällen eine Urteilsabschrift vorlegen können, zumal diese in den letzten Kriegsmonaten ohnehin nur selten ausgehändigt wurde. Eine Glaubhaftmachung erfordert nicht nur eine präzise Erinnerung an die "Tat", sondern auch an die Namen von Richtern, Vorgesetzten und anderen am Geschehen beteiligten Personen. Dies ist für die Betroffenen angesichts der inzwischen vergangenen Jahrzehnte schwierig und wird zu Recht als entwürdigend empfunden. Dies gilt auch für eine Vielzahl anderer Verurteilungen nach dem Militärstrafgesetzbuch. Ob es sich um Verstöße gegen § 63 (Übergabe an den Feind), § 84 (Dienstpflichtverletzung aus Furcht) und § 85 (Feigheit) oder gar gegen § 150 (Heirat ohne Erlaubnis) handelt; immer fühlen sich die Betroffenen mit dem Makel des "Vorbestraften" behaftet und fühlen sich gegenüber anderen Betroffenen, deren Urteil durch das NS-AufhG ausdrücklich aufgehoben wurde, unangemessen benachteiligt. Gerade in den letzten Kriegsmonaten, als klar wurde, dass der Krieg verloren war und ein Ausfuhren der immer unverständlicher werdenden "Führerbefehle" nur zusätzliche Opfer fordern würde, haben verantwortungsbewusste Kommandeure Befehle zur Verteidigung bestimmter, zwar strategisch wichtiger, aber auf Dauer ohnehin nicht zu haltender Positionen nicht ausgeführt, um die Zahl der gefallenen Soldaten nicht weiter ansteigen zu lassen, und damit gegen § 63 MStGB verstoßen. Ihnen ist nicht zuzumuten, die Aufhebung ihres Urteils im Wege der Einzelfallprüfung zu erreichen. Dies gilt auch für diejenigen, die aus Widerstand gegen das nationalsozialistische System oder aus anderen Gründen wie beispielsweise "Furcht vor persönlicher Gefahr" ihre Dienstpflichten verletzt haben. Insoweit kann nämlich nicht unberücksichtigt bleiben, dass es vielen bewusst war, dass der 2. Weltkrieg ein vom nationalsozialistischen Deutschland verschuldeter Angriffs- und Vernichtungskrieg war und sie deshalb an den auf den "Führer" geleisteten Eid nicht in der Weise gebunden waren, wie dies in einem demokratischen Rechtsstaat im Verteidigungsfall der Fall wäre. Auch diesem Personenkreis ist deshalb eine Einzelfallprüfung nicht zuzumuten. Dies gilt letztlich auch für die Vielzahl von anderen Verurteilungen, die durch dieses Gesetz aufgehoben werden sollen. Durch den Entwurf wird deshalb eine neue Nummer 26a in die Anlage zu § 2 Nr. 3 NS-AufhG eingefügt. In ihr werden die Vorschriften bezeichnet, nach denen die zuvor genannten Verurteilungen erfolgten; die Urteile sind dann ohne Einzelfallprüfung durch Gesetz aufgehoben. Die Aufnahme einer großen Zahl von Straftatbeständen des Militärstrafgesetzbuches (MStGB) legt die Frage nahe, ob nicht das ganze MStGB in die Anlage zu § 2 aufgenommen und damit für alle Verurteilungen nach diesem Gesetz eine Einzelfallprüfung entbehrlich gemacht werden sollte. Diese Frage ist zu verneinen. Es finden sich eine ganze Reihe von Straftatbeständen, bei denen die Aufhebung des Urteils ohne Einzelfallprüfung nicht verantwortbar erscheint. Beispielhaft seien hier der Kriegsverrat, die Plünderung, die Fledderei sowie die Misshandlung von Untergebenen genannt. Bei diesen Delikten vermag auch der Umstand, dass sie während eines völkerrechtswidrigen Angriffskrieges begangen wurden, keinen Anlass zur Rehabilitierung zu begründen. Aus diesen Gründen war die Aufnahme von genau zu benennenden Einzel Vorschriften des MStGB in die Anlage zu § 2 erforderlich. Zu Artikel 2 Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes. |
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