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Die "Aktion Standesamt" des SVD
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2. Die Debatte über die "eheähnliche Lebensgemeinschaft" Ende der achtziger JahreDagegen gab es damals in der Öffentlichkeit eine breite Debatte über die Frage, ob für eheähnliche Lebensgemeinschaften ein neues Rechtsinstitut geschaffen werden solle. Das hatte der damalige F.D.P.-Justizminister Engelhardt immer wieder mit der Begründung abgelehnt: "Wer rechtliche Regelungen haben will, der mag heiraten."6) Engelhardt hatte sogar die Auffassung vertreten, der Schutz von Ehe und Familie bedeute keine Diskriminierung homosexueller Partnerschaften: "Auch für Menschen mit homosexuellen Neigungen gilt, dass es ihre höchstpersönliche Entscheidung ist, wie sie Partnerschaft und ihr eigenes Leben gestalten..."7) Die Bundestagsfraktion der SPD hatte dagegen Anfang 1988 begonnen, für eheähnliche Lebensgemeinschaften rechtliche Verbesserungen zu fordern. Am 23./24. August 1988 führte sie dazu in Bonn eine Anhörung durch. Auf ihr erklärte die Vorsitzende Renate Schmidt gleich zu Beginn, man wolle nur die Probleme heterosexueller eheähnlicher Lebensgemeinschaften erörtern. Die Einbeziehung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften in die neue Regelung würde nur zu einem Scheitern des Vorhabens führen. Dagegen protestierte der Vertreter des BVH und der "Ökumenischen Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche e.V." (HuK) energisch. In der Sache selbst lehnte er - genauso wie die Vertreter der beiden Kirchen -besondere gesetzliche Regelungen für nichteheliche Lebensgemeinschaften ab. Während aber die Kirchen ihre Ablehnung mit dem besonderen Schutz der Ehe durch Art. 6 Abs. 1 GG begründeten, forderte der Vertreter der beiden Schwulenverbände eine konsequente Unverheiratetenpolitik. Darunter verstand er die Streichung aller Rechte und Vergünstigungen, die an die Eheschließung anknüpfen. Diese Stellungnahme hatte er aber nicht mit den beiden Verbänden abgesprochen, weil diese dazu noch keine Beschlüsse gefasst hatten. Nach der Anhörung gab es weitere Proteste gegen die Ausgrenzung der Lesben und Schwulen durch die SPD. Deshalb sprach der "Arbeitskreis Gleichstellung von Mann und Frau" der SPD-Bundestagsfraktion Ende 1989 in einem Diskussionspapier nur noch ganz unbestimmt von "zwei Erwachsenen", die auf Dauer zusammenleben. In dem 1990 verabschiedetes Grundsatzprogramm sprach sich die SPD dann ausdrücklich gegen die rechtliche Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften aus8). Die Probleme der nichtehelichen Lebensgemeinschaften wurden im Oktober 1988 auch vom 57. Deutschen Juristentag in Mainz diskutiert. Er empfahl, für die nichtehelichen Lebensgemeinschaften eine gesetzliche Regelung zu schaffen und darin "andere personale Lebensgemeinschaften" einzubeziehen9). Diese Ansätze wurden dann aber nicht weiter verfolgt, weil sich aus der deutschen Wiedervereinigung eine Fülle von Problemen ergaben, die drängender erschienen. Schließlich begann sich im Jahre 1988 abzuzeichnen, dass es den dänischen
Lesben und Schwulen gelingen würde, eine besondere gesetzliche Regelung
für lesbische und schwule Lebensgemeinschaften durchzusetzen. In Dänemark
können sich gleichgeschlechtliche Paare seit dem 1. Oktober 1989 als
"Partnerschaften" registrieren lassen, sofern mindestens ein Partner Däne
ist und seinen Wohnsitz in Dänemark hat. Von dieser Möglichkeit haben bis
Ende 1991 265 lesbische und 749 schwule Paare Gebrauch gemacht10). Die
Registrierung hat grundsätzlich dieselben Rechtswirkungen wie die
Eingehung einer Ehe. Ausgenommen sind die Vorschriften über die Adoption
durch Ehepaare sowie alle geschlechtsspezifischen Regelungen für Eheleute.
Außerdem finden internationale Verträge keine Anwendung, es sei denn, dass
die Vertragsstaaten dem zustimmen11).
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3. Der Streit der Lesben und Schwulen um die LebensformenpolitikAus all dem zogen Volker Beck, Günter Dworek und ich damals den Schluss dass die politische Arbeit der Schwulengruppen auf die so genannte Lebensformenpolitik hin erweitert werden müsse. Volker Beck war damals, wie schon erwähnt, Schwulenreferent der Bundestagsfraktion DIE GRÜNEN, Günter Dworek und ich gehörten dem Beirat des BVH an. Wir formulierten unsere Vorstellungen in mehreren Programmpapieren. Eins der Papiere stammt von Volker Beck und mir und wurde ab Juli 1989 verbreitet. Es trägt die Überschrift: "Möglichkeiten und Grenzen schwul-lesbischer Rechtspolitik für die 90er Jahre". Zur gleichen Zeit verabschiedete die "Bundesarbeitsgemeinschaft Schwulenpolitik" der GRÜNEN ein ähnliches Papier zur "Lebensformenpolitik". Hiergegen wandte sich Jutta Oesterle-Schwerin im September 1989 mit einem Papier, das die Überschrift trägt: "Macht die Mottenkiste zu! Antwort auf Volker Beck und Manfred Bruns und die Forderung der Schwulen-BAG". Ihre Position übernahm im November 1989 auch die "Bundesarbeitsgemeinschaft Lesbenpolitik" der GRÜNEN12). Außerdem veröffentlichten Volker Beck und Günter Dworek am 24. Juni 1989 in der taz den programmatischen Aufsatz: "Die 'Rechte des Arsches' erkämpfen". Dazu schrieb Stefan Etgeton am 9. August 1989 in der taz die Entgegnung: "Epitaph auf die Schwulenbewegung". Diese Papiere lösten sofort heftige Diskussionen in der lesbischen und schwulen Presse aus und wurden auf vielen Veranstaltungen mit Leidenschaft diskutiert. Typisch dafür sind z. B. die Diskussionsbeiträge in der Nr. 12/1990 der Zeitschrift "EMMA"13) sowie die Diskussion zwischen Jutta Oesterle Schwerin und Viola Roggenkamp in der taz vom 21. Mai 1991, die bezeichnenderweise überschrieben ist mit: "Streitpunkt Homo-Ehe: Freie Liebe oder Standesamt für alle". Die unterschiedlichen Standpunkte sind in dem von Klaus Laabs herausgegebenen Buch: "Lesben, Schwule, Standesamt. Die Debatte um die Homoehe" sehr gut dokumentiert14). In dieser Diskussion ging und geht es auch heute nicht um die "Fernziele" der Lesben- und Schwulenbewegung, über die sich alle einig sind. Es sind dies die Forderung nach einer umfassenden Antidiskriminierungsgesetzgebung für Lesben und Schwule sowie die Durchsetzung des sogenannten Individualprinzips, das heißt, der Abbau aller Vergünstigungen für Verheiratete und aller Benachteiligungen für Nichtverheiratete sowie die Konzentrierung der staatlichen Förderung auf Menschen mit Kindern ohne Rücksicht auf ihren Familienstand. Der Streit entzündete sich vielmehr an unserer Feststellung, dass die Durchsetzung des Individualprinzips im Steuer- und Sozialrecht eine Aufgabe für Jahrzehnte sei und dass es deshalb noch lange Jahre erforderlich bleibe, an die Ehe und die nichteheliche Lebensgemeinschaft unterschiedliche Rechte und Pflichten zu knüpfen. Deshalb müssten auch Lesben und Schwule das Recht haben, wie Heterosexuelle zwischen den verschiedenen Modellen des Zusammenlebens wählen zu können. Dabei stand für uns ursprünglich die Forderung nach Einbeziehung der Lesben und Schwulen in das noch zu schaffende neue Rechtsinstitut der "Nichtehelichen Lebensgemeinschaft" ganz im Vordergrund. Dagegen erschien uns die Forderung nach Öffnung der Ehe für Lesben und Schwule damals noch so utopisch, dass wir uns ihre baldige Durchsetzung nicht vorstellen konnten. Wir führten für unseren Standpunkt hauptsächlich folgende Gründe an:
Von der Gegenseite wurde und wird dagegen vor allem vorgebracht:
Im BVH konnten wir unseren Standpunkt nur zum Teil durchsetzen. Die Mitgliederversammlung vom 12. November 1989 in Hamburg akzeptierte zwar unsere Forderung nach Einbeziehung der Schwulen in das neue Rechtsinstitut der "Nichtehelichen Lebensgemeinschaft", konnte sich aber nicht darauf einigen, für Schwule auch die Öffnung der Ehe zu verlangen. Stattdessen verständigte man sich auf die Formulierung: "In der politischen Debatte ist an geeigneter Stelle auch darauf hinzuweisen, dass die Privilegierung Heterosexueller durch die Ehe für Schwule objektiv eine rechtliche Diskriminierung darstellt."15) Nach dieser Mitgliederversammlung entstand unter den Vorstands- und Beiratsmitgliedern ein heftiger Streit darüber, ob zustimmende Äußerungen zur "Schwulen Ehe" durch diese Kompromissformel gedeckt sind. Dies führte schließlich dazu, dass die Befürworter der "Schwulen Ehe" den BVH verließen und sich dem im Februar 1990 neu gegründeten "Schwulenverband in Deutschland e.V." (SVD) anschlossen. Der SVD ist aus den Schwulengruppen der DDR hervorgegangen, die sich als Teil der Bürgerrechtsbewegung der DDR verstanden. Für sie bedeutete deshalb politische Arbeit die Einforderung von Menschen- und Bürgerrechten. Dagegen hatte es bei ihnen nie grundsätzliche Auseinandersetzungen über den richtigen schwulen Lebensstil gegeben. Deshalb war es für den SVD selbstverständlich, sich die Forderung nach der "Schwulen Ehe" zu eigen zu machen und sie mit Nachdruck zu vertreten. Die Tradition der Lesben- und Schwulengruppen in den alten Bundesländern
ist dagegen eine ganz andere. Die Lesben sehen in den patriarchalischen
heterosexuellen Familienstrukturen die eigentliche Ursache für ihre
Diskriminierung. Sie werten deshalb die Forderung nach der
gleichgeschlechtlichen Ehe als Bestätigung dieser diskriminierenden
Strukturen. Die Schwulen andererseits hängen noch immer dem Traum von der
gesellschaftsverändernden Kraft der schwulen Sexualität nach. Sie fürchten
daher nichts so sehr wie die "Heterosexualisierung der Schwulen". |
4. Die Diskussion über die "Homo-Ehe" in der ÖffentlichkeitIn der Öffentlichkeit gab es bis zum Inkrafttreten des dänischen Gesetzes über die "Registrierten Partnerschaften" am 1. Oktober 1989 keine Diskussion über die so genannte Homo-Ehe. Erst die Bilder von Männern- und Frauenpaaren, die sich im Hochzeitssaal des Kopenhagener Rathauses "registrieren" ließen, erregten Aufmerksamkeit und beschäftigten die Phantasie der Leute. Danach wurde das Thema von den Medien immer mal wieder aufgegriffen, so etwa am Jahrestag des Inkrafttretens der dänischen Regelung am 1. Oktober 1990 oder in der ARD-Sendung PRO & CONTRA vom 21. Februar 1991, in der über die "Homosexuellen-Ehe" diskutiert wurde. In die Schlagzeilen geriet das Thema Anfang Mai 1991 durch Hella von Sinnen und Cornelia Scheel, die damals verkündeten, dass sie heiraten wollten und deshalb notfalls bis zum Bundesverfassungsgericht gehen würden17). Viel Aufmerksamkeit erregte auch die kirchliche Trauung eines Männerpaares durch einen, wie BILD schrieb, "falschen" Pater Ende Mai 1991 in Köln18). Ab Juli 1991 beherrschte das Thema längere Zeit die Medien aufgrund eines Interviews, dass die Bundestagspräsidentin Prof. Dr. Süssmuth der Illustrierten "Bunte" gegeben hatte19). Sie hatte dort erklärt:
Diese Äußerung löste eine Fülle von ablehnenden und zustimmenden Kommentaren aus. Die schärfste Ablehnung kam von der Jungen Union Bayerns, die eine Diskussionsveranstaltung mit Frau Süssmuth absagte20). Von den positiven Stimmen erregte die meiste Aufmerksamkeit ein evangelischer Pfarrer, der in der ARD im "Wort zum Sonntag" am 17. August 1991 dem Bayerischen Innenminister Stoiber die Leviten las, weil dieser sich auf einer Pressekonferenz geweigert hatte, über eine steuerrechtliche Gleichstellung von homosexuellen Paaren auch nur nachzudenken, und zur Begründung erklärt hatte, da könne man ja gleich "über Teufelsanbetung diskutieren"21). Der SVD hat sich an dieser öffentlichen Diskussion durch Presseerklärungen und Interviews sowie durch Mitwirkung an Rundfunk- und Fernsehdiskussionen intensiv beteiligt. Viel beachtet wurde eine Pressekonferenz vom 16. Juli 1991, auf der der SVD zwei Gesetzentwürfe über die "Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts" und über "Nichteheliche Partnerschaften"22) der Öffentlichkeit vorstellte23). Diese Gesetzentwürfe hatten die "Schwulen Juristen" erarbeitet. Sie hatten sich nach langen und intensiven Diskussionen darauf geeinigt, diese Forderungen zu unterstützen. Seitdem arbeiten der SVD und die "Schwulen Juristen" bei allen Fragen der sogenannten Lebensformenpolitik eng zusammen. Der SVD und die "Schwulen Juristen" haben im Verlauf der öffentlichen Diskussion folgende Erfahrungen gemacht:
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5. Die "Aktion Standesamt"Fast alle Politiker der Koalitionsparteien und der SPD räumen, wenn sie darauf angesprochen werden, ein, dass bei den lesbischen und schwulen Partnerschaften Probleme auftreten, die gesetzlich geregelt werden müssen. Aber keiner von ihnen ist bereit, im Parlament entsprechende Anträge einzubringen. Sie haben Angst, dadurch mehr Wähler zu verprellen als zu gewinnen. Das hat den SVD und die "Schwulen Juristen" auf den Gedanken gebracht, die Gerichte zu bemühen. Zwar lässt sich nicht voraussagen, ob das Bundesverfassungsgericht das Eheverbot bei Gleichgeschlechtlichkeit für verfassungswidrig erklären wird. Es besteht aber die Hoffnung, dass es die erheblichen Benachteiligungen anerkennen und den Gesetzgeber auffordern wird, ausgleichende Regelungen zu schaffen. Nach unserem Eindruck wären die Politiker froh, wenn sie sich vor ihren Wählern hinter einem derartigen Auftrag des Bundesverfassungsgerichts verstecken könnten. Zur Vorbereitung einer solchen "Klage" haben Volker Beck und ich im September 1991 in der "Monatsschrift für Deutsches Recht" einen Aufsatz über "Das Eheverbot bei Gleichgeschlechtlichkeit" veröffentlicht24). Dort haben wir anhand der Rechtsprechung der oberen Bundesgerichte dargelegt, dass sich die Beurteilung der Gleichgeschlechtlichkeit in den letzten zwanzig Jahren grundlegend geändert hat, und daraus gefolgert, dass das Eheverbot bei Gleichgeschlechtlichkeit gegen das Grundrecht der Eheschließungsfreiheit verstößt. Wir hatten erwartet, dass der Artikel eine breite Diskussion in der juristischen Fachpresse auslösen würde, und hatten uns davon weitere zustimmende Stellungnahmen erhofft. Das Thema war den Juristen aber wohl zu anrüchig. Unser Aufsatz blieb bis zu dem positiven Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 21. Dezember 199225) unbeantwortet. Erst diese Entscheidung hat weitere Stellungnahmen ausgelöst26).
Die "Schwulen Juristen" hatten zwar schon 1991 begonnen, interessierte
Paare für ein Klage gegen das Eheverbot bei Gleichgeschlechtlichkeit zu
suchen. Sie hatten aber ursprünglich nicht beabsichtigt, die Paare zu
baldigen Klagen zu ermuntern. Der SVD und die "Schwulen Juristen" hatten
damals den Eindruck, dass die Öffentlichkeit noch nicht genug für das
Problem sensibilisiert war. Die Situation änderte sich dann aber dadurch,
dass Hella von Sinnen und Cornelia Scheel27)
sowie mehrere andere Paare Ende Mai 1992 mit dem Marsch durch die
Instanzen begannen. Das zwang den SVD und die "Schwulen Juristen" zu einer
Änderung ihrer Planung, weil sie unbedingt erreichen wollten, dass
möglichst viele Paare den Rechtsweg beschreiten, um beim
Bundesverfassungsgericht die Dringlichkeit des Problems zu unterstreichen.
Deshalb riefen der SVD und die "Schwulen Juristen" im Juli 1992 dazu auf,
am 19. August 1992 die Standesämter zu "stürmen". Die Entscheidungen der Standesbeamten sowie der Amts- und Landgerichte sind mit Ausnahme des schon erwähnten Beschlusses des Amtsgerichts Frankfurt, wie erwartet, negativ ausgefallen. Aber mehrere Gerichte haben die sich aus dem Eheverbot ergebenden Benachteiligungen und die Notwendigkeit entsprechender gesetzlicher Regelungen ausdrücklich hervorgehoben.
Ein besonders schöner Erfolg war die positive Entscheidung des
Amtsgerichts Frankfurt am Main28). Das
Gericht hat die von Volker Beck und mir entwickelte Argumentation in
vollem Umfang übernommen. Das wird es dem Bundesverfassungsgericht
erschweren, die Klagen als offensichtlich unbegründet abzuweisen. Wenn
sich aber das Bundesverfassungsgerichts mit der Sache selbst
auseinandersetzen muss, ist zumindest damit zu rechnen, dass das Gericht
dem Gesetzgeber aufgeben wird, die Nachteile, die sich aus dem Eheverbot
ergeben, durch besondere gesetzliche Regelungen für gleichgeschlechtliche
Lebensgemeinschaften auszugleichen.
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