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Wir wollen, dass Schwule im Alter nicht abseits stehen!


Aufbruch Gay and Gray

Alte Liebe rostet nicht: Immer mehr ältere Menschen lassen sich nicht mehr ins Abseits schieben. Sie wollen auch im Alter ihr Leben aktiv und selbstbestimmt gestalten. Unter dem Motto "Gay and Gray" formieren sich selbstbewusste schwule Senioren. Es werden Wohnprojekte entwickelt, man diskutiert über Sexualität im Alter und entwirft gemeinsame Freizeitaktivitäten. Schwule Senioren wollen ihre Lebenserfahrung und Kompetenz in die schwule Gemeinschaft einbringen. Ältere Schwule beginnen die Unsichtbarkeit zu verlassen. Die ersten Schritte in die Öffentlichkeit und in die Medien sind getan. Unter den "Golden Gays" in der Bundesrepublik herrscht Aufbruchsstimmung. Ein Aufbruch ist dringend nötig. Bislang waren ältere und alte Schwule weitgehend unsichtbar. Schwule Senioren machen nicht selten die Erfahrung, innerhalb schwuler Lebenswelten an den Rand gedrängt zu werden. Viele ältere Schwule tun sich schwer, schwule Einrichtungen zu nutzen. Ihr Leben wurde von der "bleiernen Zeit" der strafrechtlichen Verfolgung geprägt. Viele haben den Zwang zum Tarnen und Verstecken verinnerlicht und können sich daher schwer auf die offenen Umgangsformen in der heutigen schwulen Gemeinschaft einlassen.

Die heutige schwule Infrastruktur wurde weitgehend von den Generationen geschaffen, die nach der Reform des § 175 im Jahre 1969 ins schwule Leben traten. In den meisten Einrichtungen dominiert die Jugend, teilweise herrscht sogar eine Art "Jugendkult". Wer ein gewisses Alter überschritten hat, für den sind viele Angebote der schwulen Gemeinschaft nur noch wenig attraktiv, weil sie an den Bedürfnissen der jüngeren Schwulen unter 40 Jahren ausgerichtet sind.

Das stille Ausscheiden älterer Männer aus der schwulen Gemeinschaft birgt nicht nur für die Älteren die Gefahr der Isolation; auch die Jungen verlieren durch die Unsichtbarkeit der Älteren zugleich Perspektiven für ihr eigenes Alter. Es fehlt an Vorbildern und an der Weitergabe von Erfahrungen. Der LSVD will den Dialog der Generationen fördern. Er arbeitet an der (Re-) Integration älterer Schwuler in die schwule Gemeinschaft.


Kein Platz für ältere Schwule?

Die herkömmliche Altenarbeit ignoriert die Lebenssituation alter homosexueller Männer nahezu vollständig. Es gibt von den traditionellen Trägern der Seniorenarbeit keinerlei Freizeit- oder Bildungsangebote, die den Bedürfnissen dieser Gruppe alter Menschen gerecht würden. Die Tatsache, dass es auch unter der älteren Bevölkerung Homosexuelle gibt, wird einfach nicht zur Kenntnis genommen.

Besonders bedrückend ist die Situation von Schwulen in Altenheimen und Altenpflegeeinrichtungen. Zumeist müssen sie ihre sexuelle Identität verbergen, um keinen Ärger zu bekommen. Homosexualität passt zumeist nicht in die Moralvorstellungen der Heimleitung. Schwule Senioren können der Gefahr von Mobbing durch andere Heimbewohner häufig nur durch Selbstverleugnung entgehen. Gerade für die Schwulen, die sich in ihrer Jugend auch durch Strafverfolgung und gesellschaftliche Ächtung nicht verbiegen ließen und - in den Maßstäben der Zeit - selbstbewusst lebten, ist es eine besonders bittere Erfahrung, am Lebensabend wieder die Tarnkappe aufsetzen zu müssen. Immer wieder verbieten Heimleitungen aus "moralischen Gründen" schwulen Insassen Männerbesuch. Solche Zustände sind einfach entwürdigend. Der LSVD setzt sich dafür ein, dass Schwule auch im hohem Alter ein Leben in Würde und ohne Anfeindungen führen können.


Die Regierung weiß nichts...

Fehlanzeige auch in der Altenpolitik. Die Bundesregierung erklärte auf Anfrage, sie habe "bisher keine Erkenntnisse über die spezifische Situation von älteren Menschen homosexueller Orientierung". Ihr ist auch nicht bekannt, "ob es bei älteren Menschen mit homosexueller Orientierung ein Bedürfnis nach zielgruppenorientierten Einrichtungen gibt". Immerhin hat die Regierung versprochen, "in künftigen Altersstudien ein stärkeres Augenmerk auf die Situation älterer Menschen mit homosexueller Orientierung zu legen."

Bei der Versorgungssituation sind Lebenspartner gegenüber Ehegatten deutlich benachteiligt: Es wird Lebenspartnern verwehrt, im Todesfall das gemeinsam erarbeitete Vermögen und die Altersversorgung für den überlebenden Partner zu sichern. Stirbt der Partner, verfallen alle Pensions-, Versorgungs- und Rentenansprüche. Sie können nicht weitergegeben werden. Der überlebende Partner unterliegt zudem der Besteuerung nach der höchsten Steuerklasse des Erbschaftssteuergesetzes. Ihm steht nur ein lächerlich geringer Bruchteil der Freibeträge zu, die Ehegatten erhalten.


Was wir wollen:

  • Integration
    Ältere und alte Schwule haben ein Recht auf Teilhabe an der schwulen Gemeinschaft. Das Thema Alter darf nicht tabuisiert werden. Eine Ausgrenzung schwuler Senioren aus schwulen Einrichtungen darf nicht hingenommen werden.
     
  • Keine Diskriminierung
    Die Einrichtungen der traditionellen Altenarbeit müssen sich für die Bedürfnisse älterer Schwuler öffnen. Altenheime und Altenpflegeeinrichtungen dürfen schwule Männer nicht diskriminieren. Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung darf nicht eingeschränkt werden. Die besondere Situation schwuler Senioren muss Thema der Aus- und Fortbildung des Personals solcher Einrichtungen werden.
     
  • Förderung von Selbsthilfe
    Schwule Alten-Initiativen und Wohnprojekte müssen angemessen aus öffentlichen Mitteln gefördert werden. Einrichtungen der schwulen Altenarbeit sollen in die Altenhilfepläne von Ländern und Kommunen aufgenommen werden.
     
  • Rechtliche Gleichstellung
    Die Benachteiligung von Lebenspartnern gegenüber Ehegatten tritt bei Partnerschaften, die viele Jahre oder Jahrzehnte zusammen sind, besonders krass zu Tage. Sie müssen beseitigt werden.
     
  • Forschung
    Wie leben schwule Senioren? Wie möchten sie leben? Die sozialwissenschaftlichen Altenforschung hat diese Fragen bislang ignoriert. Ein Forschungsprojekt zur Untersuchung der Lebenssituation von älteren und alten Schwulen ist dringend erforderlich.

Der LSVD hat zu diesem Fragenkomplex bisher zwei Fachkongresse durchgeführt:

1. Deutscher Fachkongress "Schwule und Alter" im Oktober 1995 in Köln

gay & gray I 

2. Deutscher Fachkongress "Neue Wohnformen für ältere und alte Schwule" im April 1996 in Köln

gay & gray II 

Siehe auch die neue Broschüre des Berliner Fachbereichs für "Gleichgeschlechtliche Lebensweisen (PDF-Dokument):

 


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