Home | Themen | Lesben- und Schwulenrechte in die Verfassung! |
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Keine GleichberechtigungNach wie vor bietet das Grundgesetz Lesben und Schwulen keinen ausdrücklichen Schutz vor Diskriminierung. Man erinnere sich: Bis 1969 war Homosexualität mit einem strafrechtlichen Totalverbot belegt. Das Bundesverfassungsgericht hatte dies mit der Begründung abgesegnet, das im Grundgesetz verankerte "Sittengesetz" erlaube es, die freie Entfaltung der Persönlichkeit einzuschränken. Bei der Verfassungsreform ist es nicht gelungen, dieses ominöse "Sittengesetz" aus dem Grundgesetz zu streichen. Auch die fortgeltende Fassung des Gleichbehandlungsgebots in Artikel 3, Absatz 3 hat bisher rechtliche Benachteiligungen von Schwulen nicht wirksam verhindert. Wesentliche Grundrechte, wie das der freien Meinungsäußerung, wurden von der |
§ 175 vor dem Verfassungsgericht1957 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die 1935 verschärfte Fassung des §175 StGB nicht "in dem Maße national-sozialistisch geprägtes Recht" sei, dass ihm "in einem freiheitlich demokratischen Staat die Geltung versagt werden müsse." Karlsruhe urteilte: "Gleichgeschlechtliche Betätigung verstößt eindeutig gegen das Sittengesetz." §175 StGB verstoße daher nicht gegen das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit oder den Gleichheitsgrundsatz. Dabei konstatierte man mit kruden biologistischen Argumenten die "Rechtmäßigkeit" der Ungleichbehandlung von (strafbarer) männlicher und (straffreier) weiblicher Homosexualität. Dass Schwule dereinst so vermessen sein könnten, rechtliche Gleichstellung von Homo- mit Heterosexualität zu verlangen, kam den Sittengesetz-Apologeten in den roten Roben gar nicht erst in den Sinn. Der Europäische
Menschenrechtsgerichtshof hat ein Verbot
einvernehmlicher Homosexualität zwischen Erwachsenen
als Verstoß gegen die Europäische
Menschenrechtskonvention verurteilt. Das Grundgesetz schützt
Homosexuelle also nicht einmal vor
menschenrechtswidrigen Diskriminierungen. |
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Rechtsprechung für Schwule und ihre Organisationen eingeschränkt. So haben Kommunalbehörden mit richterlichem Segen noch in den 80er Jahren lnformationsveranstaltungen schwuler Organisationen wegen davon
angeblich ausgehender Jugendgefährdung verboten. Die Rechtlosigkeit schwuler Lebensgemeinschaften besteht fort. Nach wie vor stehen weiterhin nur die heterosexuelle Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz des Staates. Die Diskriminierung anderer Lebensformen wurde beibehalten. Anstelle der notwendigen Ausweitung des Asylrechts auf Menschen, die wegen ihrer Homosexualität verfolgt werden, wurde das Grundrecht auf Asyl bereits 1993 gravierend beschnitten. |
Lesben und Schwule machen mobilLesben und Schwule haben versucht, auf die Verfassungsdiskussion Einfluss zu nehmen Die gemeinsame Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat erhielt über 14.000 Eingaben, die eine Antidiskriminierungsklausel für Lesben und Schwule forderten. Die Ökumenische Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK) und der damalige SVD organisierten gemeinsam eine Prominenten-Initiative zur Unterstützung der Forderung nach Ergänzung des Artikels 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. Zahlreiche Landespolitiker, Schriftsteller und Künstler unterzeichneten den Aufruf darunter Iris Berben, Hans-Jörg Felmy, Götz George, Günter Grass, Gottfried Helmwein, Reinhard Mey, Inge Meysel und Wim Wenders. Mehrheit in der VerfassungskommissionDer öffentliche Druck zeigte
Wirkung: SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PDS sowie die SPD-geführten
Länder schlossen sich der Forderung nach einer
Antidiskriminierungsbestimmung an. Bei einer Anhörung der
Verfassungskommission plädierten fünf von sieben Sachverständigen
dafür. |
VerfassungsforderungenArt 3 Abs. 3 (Gleichheit vor dem Gesetz) Fassung des
Grundgesetzes: LSVD-Vorschlag: Art. 6 Abs. 1 (Ehe, Familie, nichteheliche Lebensgemeinschaft) Fassung des
Grundgesetzes: LSVD-Vorschlag: (Ehe, Lebensgemeinschaften) Der Staat schützt die eheliche Lebensgemeinschaft. Gleich- und verschiedengeschlechtliche Lebensgemeinschaften sind gleichberechtigt. (Lebensformen) Alle freigewählten Lebensformen haben Anspruch auf Schutz vor Diskriminierungen. |
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Am 17. Juni 1993 sprach sich die gemeinsame Verfassungskommission mit 27 zu 22 Stimmen bei drei Enthaltungen dafür aus, in den Gleichbehandlungsartikel eine Bestimmung aufzunehmen,
wonach niemand aufgrund seiner sexuellen Identität benachteiligt werden darf. Die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit wurde allerdings durch den Widerstand von CDU/CSU und die Enthaltung
der F.D.P. verfehlt. Die Gegner argumentierten, das Grundgesetz wie auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts biete "bereits ausreichenden Schutz für Homosexuelle" - ein Hohn angesichts der Tausenden von Schwulen, die mit dem ausdrücklichen Segen des Verfassungsgerichts in den Knast gesteckt wurden. Überdies, so CDU/ CSU und F.D.P., wolle man keine "Änderungen allein aus Zeitströmungen heraus" und "ohne weiteren zwingenden Grund" vornehmen, da die "Verfassung durch die Atomisierung nach Gruppen Schaden nehmen könne." Im Klartext heißt das: Die Regierung hat sich eine staatliche Option auf Diskriminierung von Homosexuellen vorbehalten. |
Ablehnung im BundestagIm Bundestag scheiterte die Forderung nach einem Diskriminierungsschutz für Lesben und Schwule an der Ablehnung von CDU/CSU und F.D.P. Für die F.D.P. argumentierte deren Abgeordneter Burkhard Hirsch, er "sehe ... keinen Mangel an Möglichkeiten, sich sexuell auszuleben". Sein Parteifreund Walter Hitschler sekundierte, dann müsse man auch "beispielsweise Linkshänder und Brillenträger" aufnehmen. Dennoch kam es zu einer Erweiterung des Artikel 3, Absatz 3. Nach einem Machtwort von Kanzler Kohl gaben die Koalitionsparteien ihren anfänglichen Widerstand gegen ein Diskriminierungsverbot für Behinderte auf. Der Richtungsschwenk wurde mit den "zunehmenden gewalttätigen Übergriffen" auf Behinderte begründet. Man wolle dagegen ein "Signal" für einen "nachhaltigen Bewusstseinswandel" setzen. Den Schwulen und Lesben haben CDU/CSU und F.D.P. ein solches Signal gegen Gewalt kaltschnäuzig verweigert. Nicht anders verlief die Entscheidung gegen eine Anerkennung nichtehelicher und homosexueller Lebensgemeinschaften in der Verfassung. Die Oppositionsparteien blieben in der Minderheit. Zwar brachte diesmal auch die F.D.P. einen Antrag ein, neben der Ehe auch andere auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaften zu achten. Da ein großer Teil der F.D.P.-Fraktion aber gegen den eigenen Antrag stimmte, erhielt der im Bundestag nicht einmal eine einfache Mehrheit. Die Union hatte ohnehin klargestellt: "Der besondere Schutz von Ehe und Familie ist als grundlegende Wertentscheidung unserer Verfassung für die CDU/CSU nicht disponibel." |
Verfassungsreform weiter notwendigDie Niederlage in der Grundgesetzreform darf nicht entmutigen. Schon die intensive Diskussion über Schwulenrechte in der Verfassung hat den Handlungsspielraum für lesbische und schwule Bürgerrechtspolitik erweitert. Beim Entstehen des Grundgesetzes galt Homosexualität noch als sittenwidrig. In den letzten 25 Jahren haben die Schwulen- und Lesbenbewegungen einen schrittweisen Wertewandel bewirkt. Der muss sich auch im Grundgesetz wiederfinden. Verfassungsbestimmungen müssen die gesellschaftliche Entwicklung widerspiegeln. Auf und Länder- und Eu-Ebene schon Erfolge zu verzeichnen. Brandenburg, Berlin, Bremen und Thüringen schreiben in ihren Landesverfassungen ausdrücklich fest, dass niemand aufgrund seiner "sexuellen Identität" bzw. "sexuellen Orientierung" benachteiligt werden darf. Gleichlautende Bestimmungen enthalten der EG-Vertrag und und die EU-Charta. In Brandenburg und Berlin wird zudem die "Schutzbedürftigkeit anderer, auf Dauer angelegter Lebensgemeinschaften" in der Verfassung anerkannt. Der LSVD hält an seinen Forderungen fest: Bundes- und Landesverfassungen müssen Lesben und Schwulen ohne Vorbehalt gleiche Rechte und Schutz vor Diskriminierung garantieren. |
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