Home | Themen | Recht | Antidiskriminierung | Bündnis 90/Die Grünen: Entwurf eines Antidiskriminierungsgesetzes

 

Deutscher Bundestag

13. Wahlperiode

13/9706

20.01.1998

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Volker Beck (Köln), ... und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Entwurf eines Gesetzes zum Schutz vor Diskriminierung und zur Stärkung von Minderheitenrechten
(Antidiskriminierungs- und Minderheitenrechtsgesetz)

A. Problem

In der Bundesrepublik Deutschland werden Angehörige bestimmter gesellschaftlicher Gruppen im täglichen Leben häufiger mit Diskriminierungen konfrontiert als andere. Besonders betroffen sind hierbei drei Gruppen: erstens Menschen mit einer tatsächlich oder vermeintlich anderen ethnischen Abstammung, Herkunft oder Zugehörigkeit als die Mehrzahl der Deutschen, wie zum Beispiel Einwanderinnen und Einwanderer, zweitens Schwule und Lesben sowie drittens behinderte Menschen.

Nicht zuletzt im Privatrechtsverkehr sind Ungleichbehandlungen in Form von Benachteiligungen und Herabsetzungen an der Tagesordnung. Hervorzuheben ist hierbei der Bereich des Arbeitsrechts sowie der Bereich der alltäglichen Rechtsgeschäfte. In der Arbeitswelt werden Migrantinnen und Migranten bei der Arbeitsplatzsuche regelmäßig und in erheblichem Maße diskriminiert. Auch im alltäglichen Rechtsverkehr, etwa bei der Anmietung einer Wohnung, bei der Bewirtung in Gaststätten oder bei dem Abschluß von Kfz-Versicherungen, sind häufig Benachteiligungen oder Ausschließungen zu verzeichnen.

Obwohl diese Diskriminierungen eine erhebliche gesellschaftliche Relevanz haben und der Gesetzgeber bereits mehrfach von der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen zu einer Verstärkung des Schutzes vor Diskriminierung aufgefordert wurde, haben weder der Gesetzgeber noch die Rechtsprechung angemessen auf dieses Problem reagiert. Insbesondere dem Gesetzgeber ist hierbei eine erhebliche Versäumnis vorzuwerfen, zumal die Bundesrepublik aufgrund des Internationalen Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung völkerrechtlich verpflichtet ist, wirksame Schutzvorkehrungen vor Diskriminierungen zu schaffen.

Der bestehende gesetzliche Schutz vor Diskriminierungen ist lückenhaft und unzureichend. Im Privatrecht gibt es (abgesehen von §§ 611a, b BGB sowie § 75 BetrVG, die nur enge Teilbereiche abdecken) überhaupt keine speziellen Regelungen. Da die Grundrechte im Privatrechtsverkehr grundsätzlich nur mittelbar zur Anwendung kommen und viele Problemlagen von den privatrechtlichen Generalklauseln nicht erfaßt werden, bietet auch das Diskriminierungsverbot des Artikel 3 Absatz 3 Grundgesetz keinen ausreichenden Schutz vor Diskriminierungen.

B. Lösung

Der Gesetzentwurf verbessert als ersten Schrift in einem allgemeinen Teil die Möglichkeiten der Betroffenen, sich gegen Diskriminierungen, insbesondere im Bereich der privaten Rechtsgeschäfte, wirksam zur Wehr zu setzen.

Ihm müssen weitere gesetzgeberische Schritte folgen, die insbesondere bestehende rechtliche Diskriminierungen der genannten Personenkreise beseitigen.

C. Alternativen

Keine.

D. Kosten

Fast alle vorgeschlagenen Regelungen sind kostenneutral. Lediglich die Einführung eines/einer Antidiskriminierungsbeauftragten verursacht zusätzliche Personal- und Sachkosten, deren Höhe zur Zeit nicht zu beziffern ist.


Entwurf eines Gesetzes zum Schutz vor Diskriminierung und zur Stärkung von Minderheitenrechten
(Antidiskriminierungs- und Minderheitenrechtsgesetz)

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Präambel

Ziel dieses Gesetzes ist die Förderung der Gleichbehandlung von Personengruppen, die erfahrungsgemäß im Rechtsverkehr besonders benachteiligt werden.

Artikel 2
Gesetz zum Schutz von Minderheiten vor ungerechtfertigter Benachteiligung
(Antidiskriminierungsgesetz, ADG)

§ 1
Diskriminierungsverbot

(1) Jede Person hat Anspruch auf Gleichbehandlung im Rechtsverkehr. Niemand darf insbesondere wegen seiner tatsächlichen oder vermeintlichen

  1. ethnischen Abstammung, Herkunft oder Zugehörigkeit, Hautfarbe, Nationalität, religiösen Anschauungen oder
  2. sexuellen Identität oder
  3. Behinderung

diskriminiert werden. Eine Behinderung liegt dann vor, wenn eine Person auf Grund einer Minderung körperlicher Funktionen, geistiger Fähigkeiten oder seelischer Gesundheit nicht nur vorübergehend die jeweils üblichen Anforderungen der natürlichen und sozialen Umwelt nicht oder nicht vollständig erfüllen kann und dadurch ihr Leben in der Gesellschaft erschwert oder eingeschränkt ist. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mindestens 6 Monaten.

(2) Diskriminierung im Sinne dieses Gesetzes ist jede nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung.

(3) Nicht gerechtfertigt ist die Ungleichbehandlung, wenn sie ausschließlich oder überwiegend auf Umständen beruht, die in mittelbarem oder unmittelbarem Zusammenhang mit den in Absatz 1 genannten Zugehörigkeitsmerkmalen stehen.

(4) Eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung ist nicht gegeben, wenn eine Berücksichtigung der Merkmale nach Absatz 1 der Sache nach unverzichtbar geboten ist oder die Berücksichtigung der Merkmale nach Absatz 1 zur Förderung der berechtigten Interessen von Diskriminierten erforderlich ist.

(5) Die Vorschriften dieses Gesetzes finden keine Anwendung auf Ungleichbehandlungen aufgrund der Nationalität, soweit diese gesetzlich vorgeschrieben sind.

(6) Maßnahmen zur Förderung von Personen, die dazu dienen, aufgrund der Merkmale nach Absatz 1 bestehende Diskriminierungen und soziale Ungleichheiten auszugleichen, sind keine Benachteiligung anderer.

§ 2
Regelbeispiele

Diskriminierend unter Verstoß gegen § 1 verhält sich insbesondere, wer

  1. die Gestaltung, den Abschluss, die Aufrechterhaltung oder die Fortsetzung eines Rechtsgeschäfts auf Grund eines der in § 1 Abs. 1 genannten Merkmale verweigert, dessen der andere Teil zur Gestaltung seiner Lebensverhältnisse bedarf; hierzu zählen insbesondere Mietverträge, Verträge über Dienst-, Arbeits- und Ausbildungsverhältnisse oder Versicherungsverträge;
  2. den Abschluss, die Aufrechterhaltung oder die Fortsetzung eines Rechtsgeschäfts auf Grund eines der in § 1 Abs. 1 genannten Merkmale verweigert, das öffentlich oder einem unbestimmten Personenkreis angeboten wird, insbesondere im Bereich der Gastronomie, bei Dienstleistungen oder Veranstaltungen;
  3. bei einem öffentlichen Angebot oder der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots zum Abschluss eines Vertrages, insbesondere in Zeitungsinseraten, den Vertragsabschluß vom Vorliegen oder Nichtvorliegen eines der in § 1 Abs. 1 genannten Merkmale abhängig macht;
  4. innerhalb eines Arbeitsverhältnisses Vergünstigungen, Beförderungen oder freiwillige Leistungen, Schulungen, Maßnahmen der Weiterbildung oder disziplinarische Maßnahmen vom Vorliegen oder Nichtvorliegen eines der in § 1 Abs. 1 genannten Merkmale abhängig macht;
  5. den Zugang zu einem Gebiet oder Raum, der einer unbestimmten Anzahl von Personen offengehalten wird, vom Vorliegen oder Nichtvorliegen eines der in § 1 Abs. 1 genannten Merkmale abhängig macht;
  6. die Aufnahme in, die Zugehörigkeit zu oder den Ausschluss aus einem Verein, einer Gesellschaft oder einer Partei vom Vorliegen oder Nichtvorliegen eines der in § 1 Abs. 1 genannten Merkmale abhängig macht.

(2) § 1 Abs. 4 und 5 bleiben unberührt.

(3) In Hinblick auf Arbeitsverhältnisse ist § 611a Abs. 2 bis 5 BGB ergänzend anzuwenden.

§ 3
Beweiserleichterung

(1) Wenn im Streitfalle die betroffene Person Tatsachen glaubhaft macht, die eine Diskriminierung wegen eines der in § 1 genannten Merkmale vermuten lassen, so trägt der andere Teil die Beweislast dafür, dass die Berücksichtigung des Merkmals der Sache nach unverzichtbar geboten ist.

(2) Bei seiner freien Beweiswürdigung soll das Gericht auch Statistiken und wissenschaftliche Forschungsergebnisse berücksichtigen, die die betroffene Person zum Gegenstand ihres Vortrages gemacht hat.

§ 4
Schutzgesetz

Das Diskriminierungsverbot (§§ 1, 2) ist Schutzgesetz im Sinne des § 823 Absatz 2 BGB.

§ 5
Unterlassung

(1) Wer gegen das Diskriminierungsverbot (§§ 1, 2) verstößt, kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

(2) Der Anspruch auf Unterlassung kann auch von rechtsfähigen Verbänden geltend gemacht werden, zu deren satzungsgemäßen Aufgaben es gehört, die Interessen der Diskriminierten durch Aufklärung und Beratung wahrzunehmen, sofern der Anspruch eine Handlung betrifft, durch die wesentliche Belange der Benachteiligten berührt werden. Die Verbände müssen gemeinnützige Verbände oder Vereine sein, die in diesem Aufgabenbereich tätig sind, und mindestens 100 natürliche Personen als Mitglieder haben.

In begründeten Ausnahmefällen kann die Antidiskriminierungskommission (§ 9) Verbänden oder Vereinen eine Befreiung von den Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 2 erteilen.

§ 6
Verbandsklagerecht

Die rechtsfähigen Verbände nach § 5 Absatz 2 sind berechtigt, bei Streitigkeiten über das Vorliegen von Diskriminierungen die Rechte und Ansprüche der Diskriminierten für diese im eigenen Namen gerichtlich und außergerichtlich geltend zu machen, sofern sie dazu von den Benachteiligten schriftlich ermächtigt worden sind.

§ 7
Grundsätze für den öffentlichen Dienst

(1) Öffentliche Bedienstete dürfen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben niemanden wegen der in § 1 Abs. 1 genannten Merkmale benachteiligen. § 1 Abs. 4 bleibt unberührt.

(2) Der Abbau von Diskriminierungen zählt zu den Aufgaben der Bundesverwaltung. Zu diesem Zweck ist insbesondere bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen sowie im Rahmen der Vergabe von Subventionen oder anderen Leistungen zu berücksichtigen, ob private Rechtssubjekte

  1. diskriminierende Handlungen im Sinne dieses Gesetzes begehen, so daß eine Berücksichtigung ausscheidet oder
  2. Maßnahmen zur Verhinderung von Diskriminierungen ergreifen, so daß eine bevorzugte Berücksichtigung in Betracht kommt.

§ 8
Antidiskriminierungsbeauftragte/Antidiskriminierungsbeauftragter

(1) Der Deutsche Bundestag wählt die Antidiskriminierungsbeauftragte/den Antidiskriminierungsbeauftragten des Bundes mit mehr als der Hälfte der gesetzlichen Zahl seiner Mitglieder. Die/der Gewählte ist vom Bundespräsidenten zu ernennen.

(2) Die/der Antidiskriminierungsbeauftragte unterstützt den Deutschen Bundestag, die Bundesregierung und die Bundesministerien bei der Durchführung dieses Gesetzes.

(3) Die/der Antidiskriminierungsbeauftragte erstellt und veröffentlicht alle zwei Jahre einen Bericht über den Stand des Abbaus von Diskriminierungen in Deutschland. Die Bundesministerien und die Bundesbehörden haben die hierzu erforderlichen Angaben zu machen.

(4) Die/der Antidiskriminierungsbeauftragte nimmt Beschwerden gegen Verstöße gegen dieses Gesetz entgegen. Sie/er hat das Recht und die Pflicht, in Konfliktfällen zwischen den Beteiligten zu vermitteln.

(5) Zur Erforschung des Sachverhalt kann die/der Antidiskriminierungsbeauftragte von den Bundesministerien Auskunft und Akteneinsicht verlangen. Diese Rechte können der/dem Antidiskriminierungsbeauftragten nur verwehrt werden, wenn zwingende Geheimhaltungsgründe entgegenstehen.

(6) Soweit Konfliktfälle nicht im Wege der Schlichtung beigelegt werden können, legt der/die Antidiskriminierungsbeauftragte den Vorgang der für die Einleitung eines Straf- oder Disziplinarverfahrens zuständigen Stelle vor. Zur Vorlegung ist die Zustimmung des Beschwerdeführers erforderlich.

(7) Das nähere regelt ein Gesetz, das auch eine Abgrenzung zu den Aufgaben der/des Ausländerbeauftragte/n vorsieht.

§ 9
Ständige Kommission für Fragen der Minderheitenrechte und der Antidiskriminierungspolitik
(Antidiskriminierungskommission)

(1) Die Antidiskriminierungskommission entwickelt mit dem Ziel

  1. der Beseitigung von Diskriminierungen im Rechtsverkehr,
  2. der Verwirklichung der Menschen- und Bürgerrechte für alle Bürgerinnen und Bürger,
  3. des gleichberechtigten Zusammenlebens

Vorschläge und Empfehlungen zu Fragen der Antidiskriminierungspolitik.

(2) Der Deutsche Bundestag beruft in die Antidiskriminierungskommission Vertreterinnen und Vertreter der Fraktionen des Deutschen Bundestages, von bundesweiten Menschen- und Bürgerrechtsorganisationen sowie von bundesweit organisierten Interessenverbände der von Diskriminierungen besonders betroffenen gesellschaftlichen Gruppen (§ 1 Abs. 1 ADG).

§ 10
Berufliche Bildung

Die Inhalte der beruflichen Bildung müssen dazu beitragen, Diskriminierungen im Berufsleben wegen der in § 1 Absatz 1 genannten Merkmale abzubauen.

Artikel 3
Änderung des Strafgesetzbuches

Das Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. März 1987 (BGBl. I S. 945, ber. S. 1160), zuletzt geändert durch das Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetz vom 21. August 1995 (BGBl. I S. 1050), wird wie folgt geändert:

Nach § 130 Absatz 5 StGB wird folgender Absatz 6 eingefügt:

"(6) Als Teile der Bevölkerung im Sinne dieser Vorschrift gelten insbesondere Gruppen, deren Angehörige Träger der in § 1 Absatz 1 des Antidiskriminierungsgesetzes genannten Merkmale sind."

Artikel 4
Änderung der Strafprozeßordnung

 

Die Strafprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), zuletzt geändert durch das Markenrechtsänderungsgesetz vom 19. Juli. 1996 (BGBl. I S. 1014), wird wie folgt geändert:

§ 376 wird wie folgt ergänzt:

1. Der bisherige Text wird Absatz 1.

2. Folgender Absatz 2 wird angefügt:

 

"(2) Bei der Beleidigung (§ 374 Abs. 1 Nr. 2), der Körperverletzung (§ 374 Abs. 1 Nr. 4), der Bedrohung (§ 374 Abs. 1 Nr. 5) oder der Sachbeschädigung (§ 374 Abs. 1 Nr. 6) ist das öffentliche Interesse dann zu bejahen, wenn die Tat gegen § 1 Absatz 1 des Antidiskriminierungsgesetzes verstößt."

Artikel 5
Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches

Das Bürgerliche Gesetzbuch vom 18. August 1896 (RGBl. S. 195), zuletzt geändert durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Rechtspflege-Anpassungsgesetzes (RpflAnpG) und anderer Gesetze vom 20. Dezember 1996 (BGBl. I S. 2090), wird wie folgt geändert:

1. § 226 wird wie folgt ergänzt:

 Nach den Worten "Schaden zuzufügen" werden die Worte eingefügt: "oder einen anderen im Sinne des Antidiskriminierungsgesetzes zu diskriminieren".

2. Nach § 847 wird folgender § 847 a eingefügt:

 "Im Falle einer Diskriminierung im Sinne des Antidiskriminierungsgesetzes kann der Diskriminierte auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung beträgt im Einzelfall mindestens 500 Deutsche Mark."

Artikel 6
Änderung des AGB-Gesetzes

Das Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Gesetz) vom 9. Dezember 1976, zuletzt geändert durch Gesetz zur Änderung des AGB-Gesetzes und der Insolvenzordnung vom 19. Juli 1996 (BGBl. I S. 1013), wird wie folgt geändert:

1. Nach § 11 Ziffer 16 wird folgende Ziffer 17 eingeführt:

 "17 (Verstoß gegen Schutzzweck des ADG)
 eine Bestimmung, durch die gegen den Schutzzweck des Antidiskriminierungsgesetzes verstoßen wird."

2. § 13 wird wie folgt ergänzt:

 a) Nach Absatz 3 wird folgender Absatz 4 eingefügt:
 

"(4) Der Anspruch auf Unterlassung und auf Widerruf kann im Falle des § 11 Ziff. 17 auch von Verbänden im Sinne des § 5 Absatz 2 ADG geltend gemacht werden."

b) Der bisherige Absatz 4 wird Absatz 5.

Artikel 7
Änderung dienstrechtlicher Vorschriften

(1) Das Bundesbeamtengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Februar 1985 (BGBl. I S. 479), zuletzt geändert durch Art. 12 Abs. 7 PostneuordnungsG vom 14. September 1994 (BGBl. I S. 2325), wird wie folgt geändert:

In § 52 Absatz 1 wird nach Satz 2 folgender Satz 3 angefügt:

"Er darf bei seiner Amtsführung niemanden wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seiner ethnischen Zugehörigkeit, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen, seiner sexuellen Identität oder einer Behinderung diskriminieren."

(2) Das Beamtenrechtsrahmengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Februar 1985 (BGBl. I S. 462), zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes zur Änderung wehrpflichtrechtlicher, beamtenrechtlicher und anderer Vorschriften vom 24. Juli 1995 (BGBl. I S. 962) wird wie folgt geändert:

In § 35 Absatz 1 wird nach Satz 3 folgender Satz 4 angefügt:

"Er darf bei seiner Amtsführung niemanden wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seiner ethnischen Zugehörigkeit, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen, seiner sexuellen Identität oder einer Behinderung diskriminieren."

(3) Das Bundesgrenzschutzgesetz vom 19. Oktober 1994 (BGBl. I S. 2978) wird wie folgt geändert:

a) In § 1 wird nach Absatz 5 folgender Absatz 6 eingefügt:

 "(6) Der Bundesgrenzschutz darf bei der Erfüllung seiner Aufgaben niemanden wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seiner ethnischen Zugehörigkeit, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen, seiner sexuellen Identität oder einer Behinderung diskriminieren."

b) Die bisherigen Absätze 6 und 7 werden Absätze 7 und 8.

 

Artikel 8
Änderung des Haushaltsgrundsätzegesetzes:

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates beschlossen:

Das Haushaltsgrundsätzegesetz vom 19. August 1969 (BGBl. I S. 1273), zuletzt geändert durch Art. 29 Agrarsozialreformgesetz 1995 vom 29. Juli 1994 (BGBl. I S. 1890), wird wie folgt geändert:

1. § 26 wird wie folgt geändert:

 Nach Absatz 1 wird folgender Absatz 2 eingeführt:

"Zuwendungen an kirchliche Einrichtungen und für kirchliche Projekte, die nicht unmittelbar der kirchlichen Verkündigung dienen, müssen mit der Auflage versehen werden, dass die Kirchen bei allen in diesen Bereichen Beschäftigten die arbeits- und beamtenrechtlichen Diskriminierungsverbote beachten müssen. Die Prüfung nach § 43 Absatz 2 Satz 1 erstreckt sich auf die Einhaltung dieser Auflage."

2. Der bisherige Absatz 2 wird Absatz 3.

Artikel 9
Änderung der Bundeshaushaltsordnung:

Die Bundeshaushaltsordnung vom 19. August 1969 (BGBl. I S. 1284), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften vom 02. Mai 1996 (BGBl. I S. 656) wird wie folgt geändert:

1. Der bisherige Text wird Absatz 1.

2. Es wird folgender Absatz 2 angefügt:

 "(2) Zuwendungen an kirchliche Einrichtungen und für kirchliche Projekte, die nicht unmittelbar der kirchlichen Verkündigung dienen, müssen mit der Auflage versehen werden, dass die Kirchen bei allen in diesen Bereichen Beschäftigten die arbeits- und beamtenrechtlichen Diskriminierungsverbote beachten müssen. Die Prüfung nach § 43 Absatz 2 Satz 1 erstreckt sich auf die Einhaltung dieser Auflage."

Artikel 10
Änderung des Gesetzes zu dem Internationalen Übereinkommen vom 7. März 1966 zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung

Das Gesetz zu dem Internationalen Übereinkommen vom 7. März 1966 zur Beseitigung jeder Form der Rassendiskriminierung (BGBl. 1969 II S. 962) wird wie folgt geändert:

1. Es wird ein neuer Artikel eingefügt:

"Artikel 3

 ´(1) Gemäß Artikel 14 Abs. 1 Satz 1 des Internationalen Übereinkommens vom 7. März 1966 zur Beseitigung jeder Form der Rassendiskriminierung erklärt die Bundesrepublik Deutschland, dass sie die Zuständigkeit des Ausschusses für die Beseitigung der Rassendiskriminierung bei den Vereinten Nationen für die Entgegennahme und Erörterung von Mitteilungen einzelner seiner Hoheitsgewalt unterstehender Personen oder Personengruppen, die vorgeben, Opfer einer Verletzung eines in diesem Übereinkommen vorgesehenen Rechts durch die Bundesrepublik Deutschland zu sein, anerkennt.

(2) Zuständige Stelle für die Entgegennahme und Erörterung der Petitionen nach Artikel 14 Absatz 2 des Übereinkommens ist die/der Antidiskriminierungsbeauftragte.

2. Der bisherige Artikel 3 wird Artikel 4.

Artikel 11
Inkraftreten

Das Gesetz tritt am Tage nach der Verkündigung in Kraft.

Bonn, den 19. Januar 1998

 

Volker Beck (Köln)
.......... und Fraktion


Begründung:

A. Allgemeiner Teil

1. Ausgangslage

1. In der Bundesrepublik sind Diskriminierungen an der Tagesordnung. Zahlreiche Studien und Berichte zeugen von einer Vielzahl von rechtlichen und sozialen Benachteiligungen wie auch von subtilen, ständig sich wiederholenden privaten Herabwürdigungen im Alltag. Aufgrund dieser Erfahrungen fordern Ausländerbeauftragte des Bundes, der Länder, Kreise und Kommunen seit Jahren immer wieder die Einführung eines Antidiskriminierungsgesetzes, das insbesondere auch auf die Diskriminierungen im privaten Bereich reagieren muss. Daneben sind es vor allem die Behindertenverbände und die Schwulen- und Lesbenvereinigungen, die ein wirksames Antidiskriminierungsgesetz einfordern. Ein solches Antidiskriminierungsgesetz mit Biss wird hiermit vorgelegt.

Rechtlicher Schutz vor Diskriminierung kann sich nicht darin erschöpfen, rechtliche Mittel gegen diskriminierendes Verhalten der öffentlichen Gewalt bereitzustellen. Vielmehr ist es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, allen Bürgern den Genuss ihrer Bürgerrechte zu sichern und zu gewährleisten. Die tatsächliche Gleichberechtigung und soziale Gleichstellung von Angehörigen benachteiligter Gruppen ist daher nicht nur im Bereich des öffentlichen Rechts, sondern auch und vor allem im Bereich des Privatrechtsverkehrs eine dringliche gesetzgeberische Aufgabe.

Wie dringend der Bedarf nach einem umfassenden Schutz vor Diskriminierung auch im Privatrechtsverkehr ist, zeigt eine neuere Studie des International Labour Office (ILO) in Genf über Arbeitsmarkt-Diskriminierung gegenüber ausländischen Arbeitnehmern in Deutschland. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Diskriminierung von Arbeitsmigranten in bestimmten Beschäftigungsbereichen in Deutschland ein weitverbreitetes Phänomen ist. Sowohl bei der Bewerbung um einen Arbeitsplatz, wie auch am Arbeitsplatz selbst werden Arbeitsmigranten trotz vergleichbarer Ausbildung, Qualifizierung und Berufserfahrung schlechter behandelt als einheimische Arbeitnehmer. Die von den Forschern durchgeführten empirischen Untersuchungen hatten ergeben, daß tatsächlich oder vermeintlich ausländische Bewerber in 19 % aller Fälle bei der Bewerbung um einen Arbeitsplatz für angelernte Arbeiter in unzulässiger Weise diskriminiert wurden (Goldberg/Mourinho/Kulke, Arbeitsmarkt- Diskriminierung gegenüber ausländischen Arbeitnehmern in Deutschland, International Migration Papers Nr. 7, Genf 1995).

Diskriminierungen wegen der ethnischen Abstammung, Herkunft oder Zugehörigkeit sind jedoch nicht auf die Arbeitswelt beschränkt. Besonders zahlreich sind auch Klagen darüber, dass mit tatsächlichen oder vermeintlichen Ausländern keine Mietverträge abgeschlossen werden; dass bereits in den Stellen- oder Wohnungsanzeigen Ausländer als Bewerber ausdrücklich ausgeschlossen werden; dass "ausländisch aussehenden" Gästen der Zugang zu Diskotheken oder Gaststätten verwehrt wird (Mager, Schutz der Ausländer vor Diskriminierung durch Privatpersonen, Rechtsgutachten für die Ausländerbeauftragte des Berliner Senats, Berlin 1991, S. 3). Diese Liste ließe sich mühelos verlängern.

Von ähnlichen Erfahrungen berichten auch Schwule und Lesben, die ebenfalls im alltäglichen Leben in vielfacher Weise diskriminiert werden: So werden gleichgeschlechtliche Partnerinnen und Partnerschaften, die gemeinsam eine Wohnung suchen und anmieten wollen, von den Vermietern nicht selten zurückgewiesen. Außerdem klagen sehr viele Lesben und Schwule über Mobbing am Arbeitsplatz (vgl. die vom Niedersächsischen Sozialministerium in Auftrag gegebene Studie von Knoll/Bittner/Edinger/Reisbeck/Schmitt/Keupp, Lesben und Schwule in der Arbeitswelt, 1995).

Auch behinderte Menschen berichten immer wieder von nachteiligen Behandlungen im privaten Rechtsverkehr: So lehnen es viele Versicherungsgesellschaften nach wie vor ab, vor allem mit geistig behinderten Menschen oder psychisch Kranken überhaupt Verträge über eine Haftpflicht-, Kranken- oder Unfallversicherung abzuschließen. Viele körperlich behinderte Menschen müssen erheblich höhere Versicherungsprämien zahlen, als nichtbehinderte. Auch bei der Bewirtung in Gaststätten kommt es immer wieder zu Herabwürdigungen; so wurde unlängst in der Presse von den Erfahrungen einer körperbehinderten Frau berichtet, der ohne sachlichen Grund die Bewirtung in einem Restaurant verweigert wurde.

Diese und zahllose weitere Beispiele zeigen, dass Benachteiligungen wegen der ethnischen Abstammung, Herkunft oder Zugehörigkeit, Hautfarbe und Nationalität und religiösen Anschauungen, wegen der sexuellen Identität oder einer Behinderung keine Einzelfälle darstellen, sondern in der Gesellschaft noch immer tief verankert sind. Die Bekämpfung von Diskriminierungen hat also ein gewichtiges gesellschaftliches Problem zum Gegenstand, und die wirksame Bekämpfung von Diskriminierung liegt im dringenden öffentlichen Interesse

Dies gilt um so mehr, als die permanente Konfrontation mit Ausgrenzungen und Benachteiligungen auch bei den Betroffenen selbst zu unerwünschten Reaktionen führen kann. So sind beispielsweise die Folgen jahrelanger Diskriminierungen von Einwanderinnen und Einwanderern auf kommunaler Ebene unmittelbar sichtbar: Die Zahl der deutschen und ausländischen Jugendlichen, die sich in die eigenen Gruppen zurückziehen, der Gemeinschaft jede konstruktive Zusammenarbeit verweigern und sich selbstschädigend verhalten, steigt (Wolf-Almanasreh, in: Nickel, Rechtlicher Schutz vor Diskriminierung, Frankfurt am Main 1996, S. 8). Ein wirksamer Schutz vor Demütigungen oder subtilem Rassismus, vor Ausgrenzungen und Unrechtserfahrungen dient daher auch der Bewahrung des sozialen und politischen Friedens.

2. Die gegenwärtige Rechtslage bedarf der Verbesserung. Das Diskriminierungsverbot des Artikel 3 Abs. 3 GG bietet keinen ausreichenden Schutz vor Diskriminierungen. Der Merkmalskatalog des Artikel 3 Abs. 3 GG ist zum einen ergänzungsbedürftig, und zum anderen kommen die Grundrechte anerkanntermaßen im Privatrechtsverkehr ohnehin nur mittelbar zur Anwendung, so dass die gesellschaftlichen Probleme, die die anhaltende Diskriminierung sozialer Gruppen mit sich bringt, allein durch Artikel 3 Abs. 3 GG nicht annähernd bewältigt werden können.

Der bestehende einfachgesetzliche Schutz, insbesondere gegen Diskriminierungen im Privatrechtsverkehr, ist ebenfalls lückenhaft und unzureichend. Dies belegen zahlreiche Studien (vgl. Goldberg/Mourinho/Kulke, Arbeitsmarkt-Diskriminierung gegen über ausländischen Arbeitnehmern in Deutschland, International Migration Papers Nr. 7, Genf 1995; Nickel, Rechtlicher Schutz gegen Diskriminierung, S. 26f, 31f). Insbesondere im Privatrecht gibt es (abgesehen von §§ 611a, b BGB sowie § 75 BetrVG, die jeweils nur enge Teilbereiche abdecken) keine speziellen Regelungen, die Diskriminierungen im privaten Rechtsverkehr erfassen. Eine Vielzahl diskriminierender Verhaltensweisen fällt somit gänzlich aus dem Bereich des Rechts heraus, so dass die Betroffenen keine Mittel zur Hand haben, um sich gegen die Benachteiligungen zu wehren.

Die Bundesrepublik ist deshalb von der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen bereits mehrfach aufgefordert worden, insbesondere der Schutz von Migranten vor Diskriminierung zu verbessern. Darüber hinaus fordern auch die Ausländerbeauftragten von Bund, Ländern und Kommunen seit langem die Einführung eines Antidiskriminierungsgesetzes. Auch Behindertenverbände plädieren seit Jahren für eine Verbesserung des rechtlichen Schutzes gegen Diskriminierungen und eine Beseitigung der bestehenden Gesetzeslücken. Gleiches fordern Schwulen- und Lesbenvereinigungen. In seiner Entschließung zur Gleichberechtigung von Schwulen und Lesben in der Europäischen Union hat das Europäische Parlament 1994 die Mitgliedsstaaten der EU aufgefordert, "im Zusammenwirken mit den nationalen Lesben- und Schwulenorganisationen Maßnahmen und Kampagnen zur Bekämpfung jeglicher Form der sozialen Diskriminierung von Homosexuellen einzuleiten" (Drucksache 12/7069).

3. Mit einem Antidiskriminierungsgesetz befindet sich die Bundesrepublik zudem auf der Linie der Rechtsentwicklung innerhalb der Europäischen Union. Auf der Amsterdamer Regierungskonferenz wurde der EG-Vertrag um einen neuen § 6a ergänzt. Diese Norm ermächtigt den Rat, auf Vorschlag der Kommission und nach Konsultierung des Europäischen Parlaments geeignete Vorkehrungen zu treffen, um "Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts, der Rasse oder der ethnischen Herkunft, der Religion oder des Glaubens, der Behinderung, des Alters oder der sexuellen Orientierung zu bekämpfen."

4. Durch die Verbesserung des Schutzes vor Diskriminierung erfüllt die Bundesrepublik auch ihre Verpflichtungen aus dem Internationalen Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung. Dort hat sich die Bundesrepublik ausdrücklich zu einer umfassenden Antidiskriminierungspolitik verpflichtet. Mangels einer gesetzlichen Umsetzung der in dem Übereinkommen niedergelegten Bestimmungen ist jedoch das Übereinkommen in der Rechtswirklichkeit weitestgehend wirkungslos geblieben.

5. Das Antidiskriminierungs- und Minderheitenrechtsgesetz ergänzt die Anstrengungen des Gesetzgebers, die Gleichbehandlung und Gleichstellung aller Bürger im Rechtsverkehr zu verwirklichen, die insbesondere in den einfachgesetzlichen Regelungen zur Verstärkung der Rechte von Frauen ihren Anfang genommen haben. Durch das Minderheitenrechtsgesetz führt der Gesetzgeber diese Anstrengungen im Sinne einer aktiven Antidiskriminierungspolitik einen weiteren Schritt voran.

6. Das Antidiskriminierungs- und Minderheitenrechtsgesetz beschränkt sich im wesentlichen auf die Bekämpfung von Diskriminierungen im privatrechtlichen Verkehr sowie auf Antidiskriminierungsmaßnahmen, die für alle hier relevanten Personenkreise gleichermaßen zur Anwendung kommen können. Nicht behandelt werden in diesem Entwurf rechtliche Probleme, die die jeweiligen Personenkreise in jeweils unterschiedlicher Form betreffen. So bestehen beispielsweise auch außerhalb des diskriminierenden Ausländer- und Staatsangehörigkeitsrechts für Menschen nichtdeutscher Herkunft entwürdigende rechtliche Sonderregelungen, die dringend beseitigt werden müssen, z.B. im Opferentschädigungsgesetz, in den Approbationsordnungen für Ärzte und Apotheker oder selbst im Schornsteinfegergesetz. Für Behinderte besteht ebenfalls noch vielfältiger gesetzlicher Handlungsbedarf. So muß z.B. der Zugang zum Öffentlichen Personenverkehr gesetzlich garantiert werden. Ebenso erforderlich ist unter anderem die Anerkennung der Gebärdensprache. Für Schwule und Lesben wirkt sich besonders die weitgehende Rechtlosigkeit gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften negativ aus. Auch fehlt in den gesetzlichen Antidiskriminierungsvorschriften beispielsweise im öffentlichen Dienstrecht das Kriterium der "sexuellen Identität.
Solche spezifischen Formen gesetzlicher Diskriminierung sollen in weiteren parlamentarischen Initiativen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für die jeweils betroffenen gesellschaftlichen Gruppen gesondert angegangen werden.

II. Der Gesetzentwurf in seinen Grundlagen

Der vorliegende Gesetzentwurf ist von drei Leitgedanken getragen:

  1. Konzentration der rechtlichen Umsetzung einer aktiven Antidiskriminierungspolitik in einem gesonderten Antidiskriminierungsgesetz;
  2. Abbau von Diskriminierungen im gesellschaftlichen Bereich durch Bereitstellung primär zivilrechtlicher Abwehrmittel;
  3. Institutionalisierung einer/eines Antidiskriminierungsbeauftragten, welche/welcher die Durchführung des Antidiskriminierungsgesetzes im Bereich des öffentlichen Dienstes unterstützt und die Einhaltung des Antidiskriminierungsgesetzes überwacht, sowie Einführung einer Antidiskriminierungskommission.

Daneben sieht der Gesetzentwurf die notwendige Ergänzung strafrechtlicher Vorschriften sowie die Verbesserung weiterer dienst- und haushaltsrechtlicher Vorschriften vor.

1. Ein einheitliches Antidiskriminierungsgesetz hat gegenüber einer Konkretisierung oder Erweiterung der bestehenden Rechtsvorschriften den Vorteil, dass es eine klare und übersichtliche Regelung für den Bereich der gesellschaftlichen Diskriminierung schafft und damit die Anwendbarkeit der Normen für die Betroffenen und deren Interessenverbände wie auch die Justiz wesentlich erleichtert. Diese Rechtsklarheit bedeutet auch eine Effektivierung des Rechtsschutzes. Das Beispiel der Niederlande hat gezeigt, dass eine Verstreuung der Antidiskriminierungsvorschriften in verschiedenen Gesetzen eine Unsicherheit in der Rechtsanwendung dieser Vorschriften zur Folge hat und damit dem beabsichtigten Rechtsschutz nur in geringer Weise gerecht wird. Aufgrund dessen wurde 1994 in den Niederlanden ein konkretes und umfassendes Antidiskriminierungsgesetz verabschiedet (Goldberg/Mourinho/Kulke, Arbeitsmarkt-Diskriminierung gegenüber ausländischen Arbeitnehmern in Deutschland, International Migration Papers Nr. 7, Genf 1995, S. 82).

2. Die notwendige Herstellung der gesellschaftlichen Gleichheit wird durch die Einführung einer Generalklausel gewährleistet, die das Diskriminierungsverbot des Artikel 3 Absatz 3 GG für besonders betroffene Personengruppen auf privatrechtliche Beziehungen ausweitet. Die Generalklausel wird durch Regelbeispiele ergänzt, die besonders häufig vorkommende Diskriminierungstatbestände erfassen. Um mögliche Kollisionen mit grundrechtlichen Freiheiten, insbesondere der Vertragsfreiheit zu vermeiden, sieht der Entwurf eine Öffnungsklausel für diejenigen Fälle vor, in denen eine Benachteiligung der Sache nach unverzichtbar geboten ist.

3. Als flankierende Maßnahme zum Ausbau des privatrechtlichen Schutzes wird eine Antidiskriminierungsbeauftragte/ein Antidiskriminierungsbeauftragter ernannt. Dies soll der effektiven Durchsetzung der Rechtsvorschriften des Antidiskriminierungsgesetzes dienen. Dabei erfüllt der/die Antidiskriminierungsbeauftragte zwei Funktionen: Einerseits unterstützt sie/er den Deutschen Bundestag, die Bundesregierung und die Bundesministerien bei der effektiven Umsetzung des Antidiskriminierungsgesetzes, und andererseits stellt sie/er einen zentralen Ansprechpartner sowohl für betroffene Bürger wie auch für die Bediensteten des Bundes dar. Beide Personengruppen können sich mit ihren Beschwerden an die Antidiskriminierungsbeauftragte/den Antidiskriminierungsbeauftragten wenden. Im Wege der Konfliktvermittlung bemüht sich die/der Antidiskriminierungsbeauftragte um eine einvernehmliche Lösung der ihr/ihm angetragenen Konflikte. Einschlägige Erfahrungen sowohl aus den Niederlanden wie auch in der Bundesrepublik mit derartigen Konfliktvermittlungsinstitutionen haben gezeigt, daß viele Konflikte zwischen Betroffenen und öffentlichen Bediensteten im Wege der Verhandlung und Schlichtung gelöst werden können und die hierbei in Gang gesetzten Lernprozesse wertvoller und wirkungsmächtiger sind als eine disziplinarrechtliche oder gerichtsförmige Verarbeitung der Konfliktfälle.

Die Antidiskriminierungskommission ergänzt schließlich die bürgernahe Antidiskriminierungspolitik des Antidiskriminierungsgesetzes durch eine Einbindung von gesellschaftlichen Organisationen und Interessenverbänden in die Erarbeitung weiterer Vorschläge und Empfehlungen zu Fragen der Antidiskriminierungspolitik.

B. Einzelbegründungen

Zu Artikel 1 (Präambel)

Artikel 1 nennt das Ziel des Gesetzes. Es soll die Gleichberechtigung und Gleichbehandlung im gesellschaftlichen Miteinander fördern und insbesondere denjenigen Personengruppen, die im Rechtsverkehr wegen bestimmter Merkmale erfahrungsgemäß besonders häufig benachteiligt werden, wirksame Mittel zum rechtlichen Schutz vor Benachteiligungen zur Verfügung stellen.

Zu Artikel 2 (Antidiskriminierungsgesetz - ADG)

Zu § 1

Die Vorschrift enthält in Absatz 1 eine Generalklausel, die das Diskriminierungsverbot des Artikel 3 Abs. 3 Satz 1 GG hinsichtlich bestimmter Merkmale auf den Bereich des privaten Rechtsverkehrs ausdehnt. In der Generalklausel war zu berücksichtigen, dass Diskriminierungen auch wegen Unterscheidungsmerkmalen vorgenommen werden, die in Wirklichkeit nicht vorliegen. Da die Rechtswidrigkeit der Diskriminierung auf der verbotenen Anknüpfung an ein Merkmal beruht, ist es unerheblich, ob das Merkmal in der Person des Diskriminierten tatsächlich vorliegt.

Das Diskriminierungsverbot erfasst nur den Rechtsverkehr, nicht das allgemeine private Verhalten. Für nichtrechtsgeschäftliches Handeln reichen die hierfür vorgesehenen Regelungen, insbesondere die strafrechtlichen Vorschriften gegen Beleidigung (§§ 185ff StGB) und Volksverhetzung (§ 130 StGB) aus.

Die Generalklausel beschränkt sich auf die Merkmalsbeispiele der ethnischen Herkunft, Abstammung oder Zugehörigkeit, Hautfarbe, Nationalität und religiösen Anschauungen, der sexuellen Identität und der Behinderung.

Die sexuelle Identität war aufzunehmen, weil Diskriminierungen von Schwulen und Lesben von Artikel 3 Abs. 3 S. 1 GG nicht ausdrücklich erfasst werden, obgleich Angehörige dieser Gruppen häufig Benachteiligungen ausgesetzt sind. Gegen die Aufnahme spricht auch nicht der Umstand, dass ein Antrag auf Aufnahme der sexuellen Identität in die Diskriminierungsverbote des Artikel 3 Abs. 3 GG in der Gemeinsamen Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat mit 27 Ja-Stimmen, 22 Nein Stimmen und 3 Enthaltungen nicht die erforderliche 2/3-Mehrheit erreicht hat. Denn damals wurde die Ablehnung u.a. damit begründet, dass die notwendige Beseitigung von Defiziten auf diesem Gebiet auch vom einfachen Gesetzgeber geleistet werden könne (Drucksache 12/6000 S. 54). Das Kriterium der sexuellen Identität schließt neben Schwulen und Lesben auch Bisexuelle und Transsexuelle in den Schutzbereich mit ein. Nicht geschützt ist durch das Kriterium der sexuellen Identität selbst verständlich jedwedes strafrechtlich verbotene sexuelle Verhalten.

Die Generalklausel des § 1 Abs. 1 verzichtet auf den problematischen Begriff "Rasse" und verwendet stattdessen den Ausdruck der ethnischen Herkunft, Abstammung oder Zugehörigkeit. Das Konzept der Existenz von "Menschenrassen" ist wissenschaftlich längst widerlegt, so dass der Begriff "Rasse" entsprechend zu ersetzen war. Das Diskriminierungsverbot soll umfassend greifen. Daher wird das Diskriminierungsverbot aufgrund der ethnischen Herkunft, Abstammung oder Zugehörigkeit noch um die Begriffe Hautfarbe und Nationalität und religiöse Anschauungen ergänzt. Immigranten ohne deutsche Staatsangehörigkeit fallen ebenso unter den Schutzbereich wie eingebürgerte Zuwanderer. Das Diskriminierungsverbot umfasst auch Diskriminierungen, wie sie beispielsweise schwarze Deutsche erleben. Ebenso sind Juden und ethnische Minderheiten wie Sinti und Roma in den Schutzbereich dieses Gesetzes miteinbezogen.

Die Aufnahme des Merkmals Behinderung ist allein schon wegen der zahlreichen Diskriminierungserfahrungen von behinderten Menschen gerechtfertigt. Das Antidiskriminierungsgesetz will eine wirksame Umsetzung der 1994 in das Grundgesetz aufgenommene Antidiskriminierungsklausel für Behinderte erreichen. Am problematischen Begriff der Behinderung wurde aufgrund dessen Verankerung im Grundgesetz festgehalten. Auf eine direkte Übernahme des international gebräuchlichen Behindertenbegriffs der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der den Terminus "Beeinträchtigung" (disability) vorsieht, wird daher verzichtet. Die Definition der Behinderung lehnt sich aber an die Vorschläge des Forums behinderter Juristinnen und Juristen an (vgl. Forum Behinderter Juristinnen und Juristen, Vorschläge für Gleichstellungsvorschriften, Kassel 1995).

Andere Unterscheidungsmerkmale nach Artikel 3 Abs. 3 GG wie z.B. das Geschlecht waren vorliegend nicht zu berücksichtigen, da insoweit bereits andere gesetzgeberische Initiativen ergriffen worden sind, bzw. der hier weiterhin bestehende gesetzgeberische Handlungsbedarf nicht unter dem Vorzeichen der Minderheitenrechte geregelt werden kann.

In Absatz 2 wird Diskriminierung als eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung definiert. Analog zur Definition des Begriffs von Benachteiligung durch das Bundesarbeitsgericht umfasst der Begriff der Ungleichbehandlung auch die Vorenthaltung von Vorteilen sowie die mittelbare Diskriminierung. Mittelbare Diskriminierung liegt dann vor, wenn zwar keine formelle Unterscheidung vorgenommen wird, aber in der Praxis Gruppen diskriminiert werden, weil beispielsweise bestimmte Auswahlkriterien oder Prüfungsanforderungen angewandt werden, die speziell eine Gruppe benachteiligen. Als Ungleichbehandlungen sind daher auch solche Regelungen anzusehen, die nicht ausdrücklich an ein Unterscheidungsmerkmal anknüpfen, aber in ihren konkreten Auswirkungen Angehörige bestimmter Gruppen wesentlich nachteiliger betreffen als andere (vgl. hierzu Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. 09. 1992, Az. AZR 30/92, in: NJW 1993, S. 3091).

Absatz 3 stellt klar, dass Ungleichbehandlungen unzulässig sind, wenn sie an eines der in Absatz 1 aufgeführten Merkmale anknüpfen, und zwar auch dann, wenn sie in mittelbarem Zusammenhang mit diesen Merkmalen stehen. Damit sind u. a. auch Fälle von Diskriminierung um fasst, die Familienangehörigen von Personen aus den benachteiligten Gruppen widerfahren können, beispielsweise dem deutschen Ehepartner eines Migranten oder den Eltern eines behinderten Kindes.

Die mit den Regelungen in Absatz 1 bis 3 verbundenen Einschränkungen der Vertragsfreiheit sind - wie auch bei der Gleichstellung der Frauen im Arbeitsrecht nach §§ 611 a, b BGB - um der Bedeutung des verfassungsrechtlich herausgehobenen Rechtsgutes der Gleichbehandlung willen zulässig. Um eine unverhältnismäßige Beschränkung der Vertragsfreiheit zu verhindern, bedarf es allerdings der in Abs. 4,1. Alternative eingeführten Öffnungsklausel mit der Folge, dass gerechtfertigte Ungleichbehandlungen von dem Diskriminierungsverbot ausgenommen sind. Allerdings wird eine hohe Hürde eingebaut: Gerechtfertigt sind Ungleichbehandlungen nur dann, wenn eine Berücksichtigung der Merkmale der Sache nach unverzichtbar geboten ist.

Absatz 4, 2. Alternative verhindert, dass das Diskriminierungsverbot gegen die benachteiligten Gruppen selbst gewendet wird; so ist es beispielsweise weiterhin möglich, im Rahmen von Lesbenveranstaltungen männliches Publikum auszuschließen.

Absatz 5 stellt klar, dass Ungleichbehandlungen aufgrund der Nationalität, soweit sie anderweitig gesetzlich vorschrieben sind, z.B. durch das Ausländergesetz oder alle anderen an die Staatsangehörigkeit anknüpfende Vorschriften, vom Diskriminierungsverbot dieses Gesetzes ausgenommen bleiben müssen. In diesem Bereich hat die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit Gesetzentwürfen zur Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts (Drucksache 13/423), zur Niederlassung von Ausländerinnen und Ausländern (Drucksache 13/7416) sowie mit dem Entwurf eines Einwanderungsgesetzes (Drucksache 13/7417) bereits weitreichende Reformvorschläge aus gearbeitet.

Absatz 6 stellt klar, dass Fördermaßnahmen, die Diskriminierungen und soziale Ungleichheiten ausgleichen, keine Diskriminierungen anderer darstellen. Das ADG will die Ausweitung bestehender sozialer Gleichstellungsmaßnahmen und weitere Initiativen zur faktischen Gleichstellung bisher Benachteiligter nicht verhindern.

Zu § 2

Absatz 1 enthält Regelbeispiele für besonders häufig vorkommende Diskriminierungstatbestände.

Absatz 2 stellt klar, dass die Öffnungsklausel des § 1 Absatz 4 und die Förderklausel des § 1 Absatz 5 auch hinsichtlich der Regelbeispiele zur Anwendung kommen.

Die Regelung in Absatz 3 ist notwendig, um Wertungswidersprüche zwischen der arbeitsrechtlichen Schutzvorschrift des § 611a BGB und dem Antidiskriminierungsgesetz zu vermeiden. Der arbeitsrechtliche Schutz vor Diskriminierung z.B. wegen der sexuellen Identität geht somit nicht weiter als der Schutz vor Diskriminierung wegen des Geschlechts. Aufgrund der Verweisung sind die Absätze 2 bis 5 des § 611a BGB ergänzend an zuwenden.

Zu § 3

Die Vorschrift des Absatz 1 soll bewirken, dass die berechtigten Ansprüche der Betroffenen nicht an der häufig anzutreffenden Beweisnot scheitert. Die Regelung ist an § 611a Absatz 1 Satz 2 BGB angelehnt.

Absatz 2 macht deutlich, dass Statistiken und wissenschaftliche Forschungsergebnisse - etwa im Wege des Sachverständigengutachtens - in den Prozess eingeführt werden können. Dies ist insbesondere in Fällen der mittelbaren Diskriminierung von großer Bedeutung, da dort die individuelle Benachteiligung nur anhand von strukturellen Untersuchungen glaubhaft gemacht werden kann.

Zu § 4

Die Vorschrift stellt klar, dass das Diskriminierungsverbot der §§ 1, 2 ADG ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Absatz 2 BGB darstellt. Dies hat zur Folge, dass ein vorsätzlicher oder fahrlässiger Verstoß gegen die Diskriminierungsverbote der §§ 1, 2 ADG eine unerlaubte Handlung im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches darstellt und die Täter zum Schadensersatz verpflichtet sind. Die Betroffenen können daher von den Tätern Ersatz von Vermögensschäden verlangen, die aufgrund der Diskriminierung entstanden sind.

Zu § 5

Die Regelungen des § 5 sind an wettbewerbsrechtliche Vorschriften angelehnt und eröffnen die Möglichkeit der Unterlassungsklage für Verbände und Vereine der Betroffenen. Eine institutionalisierte staatliche Kontrollinstanz ist hingegen nicht vorgesehen.

Es liegt zwar im öffentlichen Interesse, einen möglichst wirksamen Schutz vor Diskriminierungen zu gewährleisten, so dass eine Überwachung des privaten Rechtsverkehrs dringend erforderlich ist, zumal diese Überwachung von den Betroffenen als Einzelpersonen nicht geleistet werden kann. Staatliche Überwachungsorgane sind jedoch zumeist zu schwerfällig und können insbesondere in Zeiten der Haushaltskrisen weder personell noch infrastrukturell hinreichend ausgestattet werden, um eine umfassende und flächendeckende Kontrolle zu gewährleisten. Die notwendige Kontrolldichte kann nur durch andere Instrumente erreicht werden, wobei es auch darauf ankommt, den Betroffenen nicht die Verfolgung ihrer Interessen aus der Hand zu nehmen, sondern diese selbst an der Durchsetzung der Gleichstellungsrechte aktiv zu beteiligen. Der Gesetzeszweck wird deshalb am besten durch eine gesellschaftliche Selbstkontrolle unterstützt, die von den Betroffenen selbst organisiert und durchgeführt wird.

In § 5 wird daher an die bewährten Kontrollinstrumente des Wettbewerbsrechts angeknüpft und die Möglichkeit der Unterlassungsklage für Verbände und Vereine eröffnet.

Absatz 1 stellt klar, dass der Verstoß gegen §§ 1, 2 ADG eine Unterlassungspflicht auslöst. Die Beschränkung der Wahrnehmung des Unterlassungsanspruches auf Verbände mit einer gewissen Größe und Mitgliederzahl in Absatz 2 ist erforderlich, weil nur solche Verbände oder Vereine die nötige Kontinuität und Verlässlichkeit auf weisen. Außerdem wird hierdurch der Gefahr eines Missbrauchs der Unterlassungsklage vorgebeugt.

Zu § 6

Über die Regelung des § 5 ADG hinaus ist es zusätzlich erforderlich, dass Verbände die Interessen der Betroffenen umfassend vertreten können. Die Opfer von Diskriminierungen schrecken häufig vor dem Beschreiten des Rechtsweges zurück. Daher ist es zur Durchsetzung einer wirksamen Antidiskriminierungspolitik geboten, eine Verbandsklagemöglichkeit einzuführen, um Betroffene bei der Wahrnehmung ihrer Rechte zu unterstützen. Aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit muss die Übertragung der Rechte und Ansprüche schriftlich erfolgen.

Zu § 7

Absatz 1 bekräftigt das Diskriminierungsverbot für den Bereich des öffentlichen Dienstes. Die Regelungen des Absatz 2 verdeutlichen, dass der Abbau von Diskriminierungen zu den Aufgaben der Bundesverwaltung gehört. Außerdem ist es zur Durchsetzung einer aktiven und effektiven Antidiskriminierungspolitik erforderlich, dass bei der Vergabe von Subventionen oder anderen Leistungen das Verhalten des Zuwendungsempfängers berücksichtigt wird. Es ist nicht im Interesse des Gemeinwesens, private Rechtssubjekte finanziell zu fördern oder zu unterstützen, wenn diese diskriminierende Handlungen begehen. Hingegen entspricht es dem Gesetzeszweck, wenn bei der Vergabe von Zuwendungen eine aktive Antidiskriminierungspolitik von privaten Rechtssubjekten positiv berücksichtigt wird.

Zu § 8

Die/der in § 8 eingeführte Antidiskriminierungsbeauftragte unterstützt den Deutschen Bundestag, die Bundesregierung und die Bundesministerien bei der aktiven Durchsetzung des Antidiskriminierungsgesetzes. Der Jahresbericht nach Absatz 2 dient der regelmäßigen Unterrichtung des Parlaments, der Regierung und der interessierten Öffentlichkeit über Stand und Fortschritte der Antidiskriminierungspolitik

Daneben hat die/der Antidiskriminierungsbeauftragte gemäß Absatz 3 die Aufgabe, im Bereich der Bundesverwaltung über die Einhaltung des Antidiskriminierungsgesetzes zu wachen. Dies geschieht auf zwei Wegen: Einerseits nimmt sie/er Beschwerden von Bediensteten des Bundes entgegen, die Diskriminierungen innerhalb der Bundesverwaltung zum Gegenstand haben. Darüber hinaus nimmt sie/er auch Beschwerden von Bürgern entgegen, die eine Diskriminierung durch Bundesbedienstete geltend machen. In diesen Streitfällen nimmt die/der Beauftragte ihre/seine Vermittlungsfunktion auf und versucht, eine einvernehmliche Beilegung der Kontroversen herbeizuführen. Diese Form einer internen Kontrolle der Verwaltungstätigkeit durch eine bereichsunabhängige, aber dennoch verwaltungsinterne Institution hat sich insbesondere in der kommunalen Praxis der Ausländerbeauftragten, Bürgerbüros wie auch im Falle des Amtes für multikulturelle Angelegenheiten der Stadt Frankfurt am Main als sehr effektiv erwiesen. Es hat sich gezeigt, dass im Wege der Kommunikation Lernprozesse in Gang gebracht werden können, die durch ein sofortiges Einsetzen von disziplinarischen und sonstigen Maßnahmen eher behindert würden. So konnten durch den Einsatz der bereichsunabhängigen Institutionen in den Kommunen viele Konflikte im Wege der Verhandlung und Schlichtung gelöst und Prozesse der Selbstaufklärung der Verwaltung in Gang gebracht werden.

Absatz 4 gewährt der/dem Antidiskriminierungsbeauftragten das für die Vermittlungsarbeit notwendige Informationsrecht gegenüber den Bundesministerien. Für den Fall, daß eine Schlichtung nicht möglich ist, sieht Absatz 5 die Überleitung in ein Straf- oder Disziplinarverfahren vor.

Absatz 6 verweist die Regelung der Einzelheiten auf ein eigenes Gesetz. Eine Detailregelung im Antidiskriminierungsgesetz würde das Antidiskriminierungsgesetz nur unnötig überfrachten. Dieses Gesetz muss zudem eine Abgrenzung zu den Aufgaben der/des Bundesbeauftragten für die Belange der Ausländer vorsehen. Außerdem sollte das Gesetz eine weitere wichtige Funktion der/des Antidiskriminierungsbeauftragten, die Förderung der Selbstaufklärung der Verwaltung, dadurch vertiefen, dass es z.B. die Organisation von Diskussionsforen und Mitarbeiterschulungen durch die/den Antidiskriminierungsbeauftragten vorschreibt.

Zu § 9

Die Antidiskriminierungskommission stellt die notwendige Ergänzung einer bürgernahen Antidiskriminierungspolitik dar. Die nach Absatz 2 zu berufenen Mitglieder der Kommission gewährleisten neben einer kompetenten auch eine sachnahe Behandlung des Problems gesellschaftlicher Benachteiligungen, zumal auch Menschen- und Bürgerrechtsorganisationen sowie Vereinigungen der von Diskriminierungen Betroffenen in der Kommission vertreten sind. Die Kommission hat die Aufgabe, gemäß Absatz 1 Vorschläge und Empfehlungen zu Fragen der Antidiskriminierungspolitik zu entwickeln.

Zu § 10

Zu einer aktiven Antidiskriminierungspolitik gehört es, Vorurteile abzubauen und bereits frühzeitig über bestehende Rechte und Pflichten zu informieren und aufzuklären. Daher muß die Bekämpfung von Benachteiligungen zu einem integralen Bestandteil auch der Bildungspolitik gemacht werden. Aufgrund der eingeschränkten Gesetzgebungskompetenz des Bundesgesetzgebers in Bildungsfragen ist dies auf Bundesebene nur im Bereich der beruflichen Bildung möglich. § 10 schreibt dementsprechend vor, dass die Inhalte der beruflichen Bildung dazu beitragen müssen, Benachteiligungen im Berufsleben wegen der in § 1 Abs. 1 genannten Merkmale abzubauen.

Zu Artikel 3:

Die Vorschrift stellt klar, dass als Teile der Bevölkerung im Sinne des § 130 Abs. 1 StGB (Volksverhetzung) auch diejenigen Gruppen anzusehen sind, die durch das ADG besonders geschützt werden sollen. Diese Klarstellung ist erforderlich, um Schwierigkeiten bei der Auslegung des Ausdrucks "Teile der Bevölkerung" in der Rechtsprechung vorzubeugen.

Zu Artikel 4:

In der Praxis bleiben Strafanzeigen wegen diskriminierender Beleidigungen, Bedrohungen, Körperverletzungen oder Sachbeschädigungen zumeist erfolglos, weil die Staatsanwaltschaften die Verletzten unterschiedslos auf den Privatklageweg zu verweisen pflegen. Die Vorschrift legt insoweit eine Rückausnahme fest und stellt klar, dass die Verfolgung dieser Delikte, soweit sie einen diskriminierenden Hintergrund haben, stets im öffentlichen Interesse liegt.

Unbeschadet davon besteht bei den Meinungsäußerungsdelikten wie Beleidigung genereller Reformbedarf. Es ist zu prüfen, ob sie nicht außerhalb des Strafrechts wirkungsvoller und für die Betroffenen vorteilhafter mit zivilrechtlichen Schadensersatzverfahren geahndet werden können

Zu Artikel 5:

Die Ergänzung des Schikaneverbots (§ 226 BGB) ist erforderlich, um einen umfassenden Schutz vor Diskriminierungen im Privatrechtsverkehr zu gewährleisten.

Diesem Zweck dient auch die Einführung des § 847a BGB. Der Schaden, den die Betroffenen bei Diskriminierungen erleiden, liegt häufig im immateriellen Bereich. Ein Schmerzensgeldanspruch wird jedoch über § 823 Absatz 2 BGB nicht eröffnet, so dass der Anspruch ausdrücklich gesetzlich geregelt werden muss. Die Mindestsumme von 500 DM bekräftigt, dass Diskriminierungen keine "Kavaliersdelikte" sind.

Zu Artikel 6:

Die Änderung des AGB-Gesetzes macht deutlich, dass Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam sind, wenn sie gegen den Schutzzweck des Antidiskriminierungsgesetzes verstoßen. Durch diese Verankerung wird erreicht, dass zukünftig auch in standardisierten Verträgen eine Diskriminierung unzulässig ist.

Die Ausweitung der Verbandsklagemöglichkeit der Verbände nach § 5 Absatz 2 ist eine sinnvolle Ergänzung ihres Aufgabenbereichs.

Zu Artikel 7:

Zur Verwirklichung einer aktiven Antidiskriminierungspolitik und zur Bekräftigung des Gleichbehandlungsgebotes nach Artikel 3 Abs. 3 GG ist es notwendig, in das Bundesbeamtengesetz, das Beamtenrechtsrahmengesetz und das Bundesgrenzschutzgesetz ein ausdrückliches Diskriminierungsverbot aufzunehmen.

Zu Artikel 8 und 9:

Die Vorschriften stellen kirchliche Einrichtungen und Projekte bei der Vergabe von öffentlichen Zuwendungen mit anderen Trägern gleich. Sie stellen klar, dass Zuwendungen an kirchliche Einrichtungen und für kirchliche Projekte von der Einhaltung der arbeits- und beamtenrechtlichen Diskriminierungsverbote abhängig gemacht werden müssen. Hierdurch wird verdeutlicht, dass es nicht im öffentlichen Interesse liegt, öffentliche Gelder ohne Rücksicht auf Diskriminierungsverbote und diskriminierende Praktiken zu vergeben und insoweit auch für kirchliche Einrichtungen oder Projekte keine Ausnahmen zulässig sind. Die Gleichstellung ist beschränkt auf die Arbeitsbereiche, die nicht unmittelbar im Bereich der kirchlichen Verkündigung liegen. Unberührt blieben auch die Bereiche, die von den Kirchen aus ihren eigenen Mitteln finanziert werden.

Zu Artikel 10:

Die Bundesrepublik Deutschland hat mit dem Gesetz zu dem Internationalen Übereinkommen vom 7. März 1966 zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung diesem Abkommen am 9. Mai 1969 zugestimmt (BGBl. 1969 II S. 962). Eine Abgabe der Erklärung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 des Internationalen Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung steht aber noch aus. Einer solchen Erklärung kommt eine hohe symbolische, aber auch eine praktische Bedeutung zu.

Zunächst macht die Bundesrepublik durch ihre Unterwerfungserklärung deutlich, dass sie ein hohes Interesse an der wirksamen Umsetzung des Übereinkommens hat und die Ziele des Übereinkommens vorbehaltlos unterstützt. Darüber hinaus ist die Einzelbeschwerdemöglichkeit nach Art. 14 des Übereinkommens zwar ein ungewöhnliches, aber durchaus wirksames Rechtsmittel gegen Diskriminierungen. Die Niederlande ist erst jüngst aufgrund einer Beschwerde wegen einer diskriminierenden Verwaltungspraxis gerügt worden (vgl. den Abdruck in lnformationsbrief Ausländerrecht 1993, S. 249). Die Einführung der Einzelbeschwerdemöglichkeit bekräftigt nochmals die Bereitschaft der Bundesrepublik, ihre umfassenden Verpflichtungen aus dem Übereinkommen zu erfüllen, und sie verbessert zudem die Rechtsposition der von Diskriminierungen betroffenen Personen.

Gemäß Artikel 14 Absatz 2 des Übereinkommens sollte eine Stelle bezeichnet werden, die Petitionen entgegennimmt. Hierfür ist die/der Antidiskriminierungsbeauftragte (§ 8 ADG) die geeignete Institution.

Zu Art. 11

Artikel 11 bestimmt den Zeitpunkt, zu dem der Gesetzentwurf in Kraft treten soll.

 


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