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Umsetzung der Richtlinien 2000/43/EG und 2000/78/EG

 

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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland                           April 2003

Eckpunkte zur
Umsetzung der Richtlinien
2000/43/EG und 2000/78/EG

Deutschland muss die Richtlinien

  • 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft (Amtsbl. EG L 180/22)
    bis zum 19.07.2003,
     
  • 2000/78/EG des Rates vom 27.November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (Amtsbl. EG L 303/16)
    bis zum 02.12.2003

umsetzen.

Die Regierungsparteien haben in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, dass die Regierungskoalitionen auf der Grundlage der Vorarbeiten aus der 14. Legislatur ein Antidiskriminierungsgesetz auf den Weg bringen und die EU-Richtlinien hierzu umsetzen wollen. Des Weiteren ist im Koalitionsvertrag vereinbart, die Chancengleichheit in Deutschland durch Umsetzung der hierzu gemeinsam mit den europäischen Partnern vereinbarten Richtlinien weiter voranzubringen. Im Rahmen eines arbeitsrechtlichen Antidiskriminierungsgesetzes soll eine „sinnvolle und anwenderfreundliche Lösung für die betriebliche Praxis" umgesetzt werden.

Das Justiz- und das Arbeitsministerium haben mitgeteilt, bis zum Stichtag im Juli wolle man eine Gesetzesvorlage auf den Weg bringen. Das Justizministerium arbeite an einem Gesetz, welches die Richtlinie in das deutsche Zivilrecht eingliedern soll, das Arbeitsministerium sei mit der Umsetzung der Richtlinie in das deutsche Arbeitsrecht beauftragt worden.

Der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland ist der Auffassung, dass in diesen beiden Antidiskriminierungsgesetzen folgende Punkte geregelt werden sollten.


1. Das zivilrechtliche Antidiskriminierungsgesetz:

1.1 Diskriminierungsmerkmale

Die Richtlinie 2000/43/EG verbietet nur die Diskriminierung wegen der Rasse oder der ethnischen Herkunft. Das zivilrechtliche Antidiskriminierungsgesetz darf sich nicht auf diese beiden Merkmale beschränken, sondern muss die Diskriminierung wegen sämtlicher in Art. 3 GG und in Art. 13 EG-Vertrag aufgezählter Merkmale erfassen einschließlich der Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung (bzw. „sexuellen Identität")1. Dazu verweisen wir auf die Ausführungen des Bundesjustizministeriums im „Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Verhinderung von Diskriminierungen im Zivilrecht, Stand 10.12.2001, S. 22f:

„Für andere Diskriminierungsmerkmale (erg.: als das der Rasse oder der ethnischen Herkunft) müssten nach dieser Richtlinie keine Vorschriften erlassen werden. Würden sich solche Vorschriften aber nur auf die beiden EG-rechtlich bereits vorbestimmten Diskriminierungsmerkmale beschränken, würde die Wirkung der vorgesehenen Bestimmungen in ihr Gegenteil verkehrt. Ein solches Vorgehen könnte gerade diejenigen, für die die Gleichbehandlung ihrer Mitbürger keine Selbstverständlichkeit ist, zu dem fatalen Trugschluss verleiten, dass Benachteiligungen nach anderen Kriterien, als denen der Rasse und der ethnischen Herkunft, erlaubt seien. Zumindest würde der ebenso unglückliche Eindruck entstehen, als sollten die anderen Gruppen nicht besonders geschützt werden. Dem muss von vornherein entgegengewirkt werden. Das ist nur möglich, wenn das Benachteiligungsverbot breiter angelegt und auch auf andere Diskriminierungsmerkmale ausgedehnt wird, für die in der Gesetzgebung der Europäischen Union zu Artikel 13 des EG-Vertrags ein Regelungsbedürfnis gesehen wird. Dies sind neben der Rasse und der ethnischen Herkunft auch die sexuelle Identität, die Religion, die Weltanschauung, das Alter und die Behinderung (personeller Anwendungsbereich). Berücksichtigt werden sollte auch die Diskriminierung wegen des Geschlechts, die schon vor Schaffung des Artikels 13 des EG-Vertrags Gegenstand EG-rechtlichen Regelungen war2."

1.2 Der sachliche Anwendungsbereich

Der sachliche Anwendungsbereich des zivilrechtlichen Antidiskriminierungsgesetzes muss umfassen (Art. 3 der Richtlinie 2000/43/EG):

  • den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich von Wohnraum,
  • die Zugangsbedingungen zu Beschäftigungen, die keine Arbeitsverhältnisse sind, sowie die Beschäftigungs- und Entlassungsbedingen und das Entgelt,
  • den Zugang zu und die Mitwirkung in Organisationen,
    • deren Mitglieder einer bestimmten Gruppe angehören oder
    • die eine überragende Machtstellung im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich innehaben
      einschließlich der Inanspruchnahme der Leistungen solcher Organisationen,
  • die private medizinische Versorgung
  • die Bildung.

1.3 Ausnahmen

Die Umschreibung der zulässigen Ausnahmen muss sich an Art. 4 der Richtlinie 2000/43/EG ausrichten. Das heißt, eine Ungleichbehandlung wegen der genannten Merkmale darf nur zugelassen werden,

  • wenn das Vorhandensein oder Fehlen der Merkmale eine wesentliche und entscheidende Voraussetzung für die Tätigkeit oder den Zugang zu und der Mitwirkung in einer Organisation darstellt,
  • in den übrigen Fällen, wenn die Berücksichtigung der Merkmale durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist,

sofern es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt.

Sachlich ist ein Grund, wenn er nicht nur Ausdruck des persönlichen Gutdünkens ist, sondern einen Bezug zum Inhalt des fraglichen Rechtsgeschäfts hat und auch für den durchschnittlichen Betrachter nachzuvollziehen ist.

In Übereinstimmung mit Art. 5 der Richtlinie 2000/43/EG muss das zivilrechtliche Antidiskriminierungsgesetz vorsehen, dass zur Gewährleistung der vollen Gleichstellung spezifische Maßnahmen, mit denen Benachteiligungen aufgrund der genannten Merkmale verhindert oder ausgeglichen werden, beibehalten oder eingeführt werden dürfen.

1.4 Sanktionen

Die Sanktionen für Verstöße gegen das Diskriminierungsverbot (Art. 15 der Richtlinie 2000/43/EG) müssen den Anspruch auf Unterlassung, auf Folgenbeseitigung und hilfsweise auf eine angemessene Entschädigung in Geld umfassen.

1.5 Beweislast

Entsprechend Art. 8 der Richtlinie 2000/43/EG muss das zivilrechtliche Antidiskriminierungsgesetz anordnen, dass immer dann, wenn Personen, die sich durch die Nichtanwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für verletzt halten und bei einem Gericht oder einer anderen zuständigen Stelle Tatsachen glaubhaft machen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen, es dem Beklagten obliegt zu beweisen, dass keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorgelegen hat.

1.6 Verbandsklagerecht

Nach Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2000/43/EG muss den Verbänden der Betroffenen die Möglichkeit eingeräumt werden, die Betroffenen bei der Verfolgung ihrer Rechte zu unterstützen. Zu diesem Zweck muss den Verbänden ein Verbandsklagerecht eingeräumt und das Verbot der Rechtsberatung für diesen Bereich aufgehoben werden.

1.7 Gesetzgebungsverfahren

Das zivilrechtliche Antidiskriminierungsgesetz kann ohne Zustimmung des Bundesrates verwirklicht werden.


2 Das arbeitsrechtliche Antidiskriminierungsgesetz

2.1 Beschäftigung und Beruf

Bei dem arbeitsrechtlichen Antidiskriminierungsgesetz geht es um die Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG zur Umsetzung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs umfassen die Begriffe „Beschäftigung und Beruf" nicht nur die Tätigkeit von Arbeitern und Angestellten, sondern auch die der Beamten, Richter und der Berufssoldaten3. Das „arbeitsrechtliche" Antidiskriminierungsgesetz darf sich deshalb nicht auf die Umsetzung der Richtlinie im Bereich des Arbeitsrechts beschränken, sondern muss auch das Beamten- und Richterrecht und das Soldatenrecht an die Richtlinie anpassen.

2.2 Diskriminierungsverbote

2.2.1 Diskriminierungsverbote im Betriebsverfassungs-, Personalvertretungs-, Bundesbeamten- und Soldatengesetz

Das Betriebsverfassungsgesetz, das Personalvertretungsgesetz, das Bundesbeamtengesetz und das Soldatengesetz enthalten Diskriminierungsverbote, die Art. 3 Abs. 3 GG nachgebildet sind. Es handelt sich um:

  • § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG (Grundsätze für die Behandlung der Betriebsangehörigen)
  • § 67 Abs. Satz 1 BPersVG (Grundsätze für die Behandlung der Beschäftigten)
  • § 7 BRRG (Handhabung der Ernennung)
  • § 8 Abs. 1 Satz 1 BBG (Auslese der Bewerber)
  • § 3 Soldatengesetz (Ernennungs- und Verwendungsgrundsätze)

Aufgrund der Richtlinie 2000/78/EG ist § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG bereits um das Merkmal der „sexuellen Identität" ergänzt worden. Dasselbe muss auch bei den vier anderen Vorschriften geschehen.

2.2.2 Diskriminierungsverbot im Bürgerlichen Gesetzbuch

§ 611 a BGB verbietet nur die geschlechtsbezogene Diskriminierung von Arbeitnehmern durch Arbeitgeber.

Die Vorschrift dient der Umsetzung der Richtlinie 76/207/EWG des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen vom 09.02.1976 (Amtsbl. EG Nr. L 39/40). Da die Struktur dieser älteren Richtlinie nicht der Struktur der neuen Richtlinien 2000/43/EG und 2000/78/EG entsprach, haben das Europäische Parlament und der Rat die Richtlinie 76/207/EWG durch die Richtlinie 2002/73/EG vom 23.09.2002 (Amtsbl. EG L 269/15) an die neuen Richtlinien angepasst. Die Änderungen müssen von den Mitgliedstaaten bis zum 05.10.2005 umgesetzt werden.

§ 611a BGB entspricht bereits den Anforderungen der geänderten Richtlinie. Die Vorschrift braucht deshalb nur noch um das Verbot der Benachteiligung wegen der sexuellen Identität4 erweitert zu werden.

2.3 Verbandsklagerecht

Nach Art. 9 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG (und Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2000/43/EG sowie Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 76/207/EWG n.F.) muss den Verbänden der Betroffenen die Möglichkeit eingeräumt werden, die Betroffenen bei der Verfolgung ihrer Rechte zu unterstützen. Zu diesem Zweck muss den Verbänden ein Verbandsklagerecht eingeräumt und das Verbot der Rechtsberatung für diesen Bereich aufgehoben werden.
 

2.4 Hinterbliebenenversorgung

2.4.1 Hinterbliebenenpensionen

Während die Ehegatten von verstorbenen Beamten und Richtern aufgrund des Beamtenversorgungsgesetzes ein „Witwengeld" (Hinterbliebenenpension) erhalten (§§ 2 Abs. 1 Nr. 2, 16 ff. BeamtVG), haben überlebende Lebenspartner von Beamten und Richtern keinen Anspruch auf „Witwengeld". Die Hinterbliebenenpension gilt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs als Teil des Arbeitsentgelts5. Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2000/78/EG verbietet die Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung beim Arbeitsentgelt. Da sich Lebenspartner und Ehegatten, die Beamte oder Richter sind, hinsichtlich der Versorgung ihrer Partner in einer vergleichbaren Situation befinden (Art 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie), stellt die Tatsache, dass den Lebenspartnern von Beamten und Richtern die Hinterbliebenenpension verweigert wird, eine durch die Richtlinie verbotene Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung dar.

Zwar heißt es in der Begründungserwägung 22 der Richtlinie 200/78/EG: "Diese Richtlinie lässt die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften über den Familienstand und davon abhängige Leistungen unberührt." Das hat aber für die Ansprüche von Lebenspartnern auf Zahlung eines „Witwengeldes" keine Bedeutung. Begründungserwägungen sind das Resultat der in Art. 253 EG-Vertrag statuierten Begründungspflicht für Rechtsakte der Gemeinschaft, die dem Europäischen Gerichtshof die Ausübung seiner Rechtskontrolle und den Mitgliedstaaten die Unterrichtung darüber ermöglichen soll, in welcher Weise die Gemeinschaftsorgane den Vertrag angewandt haben. Wenn man die Hinterbliebenenpensionen von dem Verbot der Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung beim Arbeitsentgelt hätte ausnehmen wollen, hätte man dazu eine entsprechende Ausnahmebestimmung in die Richtlinie selbst aufnehmen müssen. Das hätte Einstimmigkeit vorausgesetzt (siehe z.B. die Begründungserwägung 13 einerseits und Art. 3 Abs. 3 andererseits).

Das Beamtenversorgungsgesetz muss deshalb durch eine Gleichstellungsklausel ergänzt werden, die als § 1 Abs. 4 eingefügt werden sollte:

„(4) Bestimmungen dieses Gesetzes, die sich auf das Bestehen oder frühere Bestehen einer Ehe beziehen, sind auf das Bestehen oder frühere Bestehen einer Lebenspartnerschaft entsprechend anzuwenden. Bestimmungen dieses Gesetzes, die sich auf Ehegatten und ihre Angehörigen beziehen, sind auf Lebenspartner und ihre Angehörige sinngemäß anzuwenden. Gleiches gilt für derartige Bestimmungen in Rechtsverordnungen aufgrund dieses Gesetzes."

Die vorstehenden Ausführungen gelten in gleicher Weise für die hinterbliebenen Lebenspartner von Soldaten. Deshalb muss in das Soldatenversorgungsgesetz dieselbe Gleichstellungsklausel eingefügt werden, und zwar als § 1 Abs. 3.

2.4.2 Sozialversicherungsrenten

Die Richtlinie 2000/78/EG zwingt nicht zur Gleichstellung der Lebenspartner mit Ehegatten in der gesetzlichen Rentenversicherung. Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie bestimmt, dass die Richtlinie nicht für Leistungen jeder Art seitens der staatlichen Systeme oder der damit gleichgestellten Systeme einschließlich der staatlichen Systeme der sozialen Sicherheit oder des sozialen Schutzes gilt.

Das Bundesverfassungsgericht hat aber festgestellt, dass die beitragsfinanzierten Versicherungsrenten genauso wie die Versorgungsbezüge der Beamten Gegenwert für die zur Zeit der aktiven Beschäftigung erbrachten Dienstleistungen sind6. Es würde deshalb gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen, wenn demnächst nur hinterbliebene Lebenspartner von Beamten, Richtern und Soldaten in die Hinterbliebenenversorgung einbezogen würden. Deshalb muss in das Sechste Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - die oben (2.4.1) formulierte Gleichstellungsklausel eingefügt werden und zwar als § 6a.

2.4.3 Abgeordnete des Deutschen Bundestages, Bundesminister, Parlamentarische Staatssekretäre

Die Hinterbliebenenversorgung der Abgeordneten des Deutschen Bundestages, der Bundesminister und der Parlamentarischen Staatssekretäre ist im Abgeordnetengesetz, im Bundesministergesetz und im Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatsekretäre geregelt. Die Gesetze sehen vor, dass überlebende Ehegatten unter bestimmten Voraussetzungen eine Hinterbliebenenpension erhalten, überlebende Lebenspartner dagegen nicht, obwohl sie sich insoweit in einer „vergleichbaren" Situation befinden. Diese willkürliche Ungleichbehandlung (Art. 3 GG) muss durch Einfügung der oben (2.4.1) formulierten Gleichstellungsklausel in diese Gesetze beendet werden, und zwar als § 54a Abgeordnetengesetz, § 21b Bundesministergesetz und § 9a des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre. Diese Änderungen bedürfen nicht der Zustimmung des Bundesrates.

2.5 Familienzuschlag

Beamte, Richter und Soldaten, die verheiratet sind, erhalten wegen ihrer Unterhaltspflicht gegenüber ihren Partnern zusätzlich zu ihrem Gehalt einen Familienzuschlag (§ 40 BBesG). Lebenspartner erhalten diesen Zuschlag nicht, obwohl sie gegenüber ihren Partnern dieselben Unterhaltspflichten haben wie Eheleute. Das stellt eine durch Art 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG verbotene Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung der Lebenspartner dar, weil sie eine weniger günstige Behandlung erfahren als Eheleute, obwohl sie sich in einer vergleichbaren Situation befinden.

Dem steht die Begründungserwägung 227 der Richtlinie 2000/78/EG nicht entgegen. Die Höhe des Familienzuschlags richtet sich nach der Anzahl der Personen, denen die Beamten, Richter und Soldaten Unterhalt zahlen müssen. Das zeigt, dass der Familienzuschlag nicht vom „Familienstand" abhängig ist, sondern von den Unterhaltsverpflichtungen. Diese sind aber bei Eheleuten und Lebenspartnern „vergleichbar".

In das Bundesbesoldungsgesetz muss deshalb die oben (2.4.1) formulierte Gleichstellungsklausel eingefügt werden, und zwar als § 1 Abs. 1a.

2.6 Beihilfe

Nach der geltenden Rechtslage erfüllen die Dienstherrn ihre Fürsorgepflicht gegenüber ihren Beamten, Richtern und Soldaten in Krankheits-, Pflege, Geburts- und Todesfällen durch die Gewährung von Beihilfe; sie soll die Beamten von den durch die Besoldung nicht gedeckten notwendigen Aufwendungen in angemessenem Umfang freistellen. Zwar erfordert die Fürsorgepflicht der Dienstherrn von Verfassungs wegen nicht den Ausgleich jeglicher Aufwendungen und auch nicht deren Erstattung in jeweils vollem Umfang. Die Beihilfe muss aber sicherstellen, dass die Beamten in den genannten Fällen nicht mit erheblichen Aufwendungen belastet bleiben, die für sie unabwendbar sind und denen sie sich nicht entziehen können8. Damit ist nicht zu vereinbaren, dass Beamte, Richter und Soldaten, die in einer Lebenspartnerschaft leben, selbst dann keine Beihilfe erhalten, wenn sie die Aufwendungen für Krankheiten und für die Pflege ihrer Partner aufgrund ihrer Unterhaltspflicht voll tragen müssen.

Insoweit besteht auch ein Wertungswiderspruch zur gesetzlichen Krankenversicherung. In der gesetzlichen Krankenversicherung werden Lebenspartner, die über kein nennenswertes Einkommen verfügen, beitragsfrei in die Versicherung ihrer Partner miteinbezogen. Bei der Beihilfe werden sie dagegen selbst dann nicht mitberücksichtigt, wenn sie kein nennenswertes eigenes Einkommen haben. Diese unterschiedliche Behandlung verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz, weil verpartnerte Beamte gegenüber ihren Lebenspartnern dieselben Unterhaltspflichten haben wie verpartnerte Sozialversicherte. Es bestehen deshalb zwischen diesen Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten.

Die Ungleichbehandlung verstößt außerdem gegen die Richtlinie 2000/78/EG. Verpartnerte Beamte, Richter und Soldaten befinden sich aufgrund ihrer Unterhaltspflicht hinsichtlich ihrer Aufwendungen für Krankheits-, Pflege, Geburts- und Todesfällen ihrer Partner in der gleichen Lage wie verheiratete Beamte, Richter und Soldaten. Die Tatsache, dass verpartnerte Beamte, Richter und Soldaten trotzdem keine Beihilfe für ihre Aufwendungen erhalten, stellt eine durch Art 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie verbotene Diskriminierung wegen ihrer sexuellen Ausrichtung dar, weil sie eine weniger günstige Behandlung erfahren als Eheleute, obwohl sie sich in einer vergleichbaren Situation befinden.

Für die Beihilfe gilt im Übrigen dasselbe wie für den Familienzuschlag. Die Höhe der Beihilfe richtet sich nach der Anzahl der Personen, denen die Beamten, Richter und Soldaten Unterhalt zahlen müssen. Die Beihilfe ist deshalb nicht vom „Familienstand" abhängig, sondern von den Unterhaltsverpflichtungen. Diese sind aber bei Eheleuten und Lebenspartnern „vergleichbar".

In das Bundesbeamtengesetz und das Beamtenrechtsrahmengesetz muss deshalb die oben (2.4.1) formulierte Gleichstellungsklausel eingefügt werden, und zwar als § 79 Abs. 2 BBG und als § 48 Abs. 2 BRRG.

2.7 Reise- und Umzugskosten, Sonderurlaub, Trennungsgeld

Die vorstehenden Erwägungen gelten in gleicher Weise für die Bevorzugung von verheirateten Beamten, Richtern und Soldaten bei der Erstattung von Reise- und Umzugskosten, beim Sonderurlaub und beim Trennungsgeld. Lebenspartner und Ehegatten befinden sich insoweit in einer „vergleichbaren" Situation. Dass sie trotzdem unterschiedlich behandelt werden, ist willkürlich (Art. 3 GG) und verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2000/78/EG.

In des Bundesreisekostengesetz, das Bundesumzugskostengesetz, die Sonderurlaubsverordnung und die Trennungsgeldverordnung muss deshalb die oben (2.4.1) formulierte Gleichstellungsklausel eingefügt werden, und zwar als § 1 Abs. 3 Bundesreisekostengesetz, § 1 Abs. 4 Bundesumzugskostengesetz, § 1 Abs. 2 Sonderurlaubsverordnung und als § 1 Abs. 5 Trennungsgeldverordnung. Diese Änderungen bedürfen nicht der Zustimmung des Bundesrates.

2.8 Zugang zu unselbstständiger und selbstständiger Erwerbstätigkeit

2.8.1 Heilberufe

Nach den für die Ausübung der Heilkunde maßgeblichen Vorschriften (§ 10 Abs. 3 Nr. 3 Bundesärzteordnung, § 13 Abs. 3 des Gesetzes über die Ausübung der Zahnheilkunde, § 4 Abs. 2 S. 4 Nr. 3 Psychotherapeutengesetz und § 11 Abs. 3 Nr. 3 u 4 der Bundes-Apothekerordnung) darf die vor allem für Ausländer gedachte Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des Berufs Ehegatten von Deutschen und von freizügigkeitsberechtigten Ausländern aus dem Europäischen Wirtschaftsraum9 über die vorgesehenen Zeiträume hinaus erteilt oder erstreckt werden. Für ausländische Lebenspartner von Deutschen und von freizügigkeitsberechtigten Ausländern aus dem Europäischen Wirtschaftsraum gelten diese Regelungen nicht, obwohl sie sich insoweit in einer „vergleichbaren" Situation befinden (Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie). Das verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG. Deshalb muss in die betreffenden Gesetze die oben (2.4.1) formulierte Gleichstellungsklausel eingefügt werden, und zwar als § 15 Bundesärzteordnung, § 21 des Gesetzes über die Ausübung der Zahnheilkunde, § 12 Abs. 6 des Psychotherapeutengesetzes und § 14 Abs. 3 Bundes-Apothekerordnung. Diese Änderungen bedürfen nicht der Zustimmung des Bundesrates.

2.8.2 Weiterführung des Geschäfts oder Unternehmens durch den überlebenden Lebenspartner

Wenn ein Geschäft oder Unternehmen nur aufgrund einer Erlaubnis oder Approbation betrieben werden darf, sieht das Gesetz meist vor, dass beim Tod des Erlaubnisinhabers sein Ehegatte und seine minderjährigen Kinder das Unternehmen durch einen Stellvertreter weiterführen lassen dürfen. Diese Befugnis ist durch das
LPartDisBG und weitere Gesetze in folgenden Fällen auch dem überlebenden Lebenspartner eingeräumt worden:

  • Apotheken - § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 ApG
  • Fahrschulen - § 15 Abs. 1 Nr. 1 FahrlG
  • Gewerbebetrieb - § 46 Abs. 1 GewO
  • Gaststätten - § 10 GaststättenG
  • milchwirtschaftlichen Unternehmen - § 5 Abs. 2 Nr. 2 MargG

Dagegen steht überlebenden Lebenspartnern diese Befugnis in folgenden Fällen nicht zu:

  • Handwerksbetrieb - §§ 4 Abs. 1, 7 Abs. 8, 22 Abs. 4 HandwO
  • Schornsteinfegergesetz – § 21 Abs. 1 SchornsteinfegerG

Für diese Differenzierung gibt es keinen sachlichen Grund. Sie verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz und, da sich überlebende Lebenspartner insoweit in einer „vergleichbaren" Situation wie Ehegatten befinden (Art. 2 Abs. 2 Buchst. a), gegen Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie der Richtlinie 2000/78/EG. Deshalb muss in die betreffenden Gesetze die oben (2.4.1) formulierte Gleichstellungsklausel eingefügt werden, und zwar als § 2 GewO, § 1 Abs. 4 HandwO, § 32 GaststättenG und als § 58 SchornsteinfegerG.


  1. Im deutschen Recht setzt sich statt der in Art. 13 EG-Vertrag verwendeten Formulierung der „sexuellen Ausrichtung“ zunehmend der Begriff der „sexuellen Identität“ durch. Die sexuelle Identität nimmt Bezug auf die Benachteiligung von Homosexuellen männlichen und weiblichen Geschlechts, stellt aber zudem klar, dass auch transsexuelle oder zwischengeschlechtliche Menschen erfasst werden. 
  2. Zur Diskriminierung wegen des Geschlechts siehe unten 2.2.2.
  3. Zu den Berufssoldaten siehe EUGH, Urt. v. 26.10.1999 - C-273/97 (Rs. Sirdar); Slg. 1999, I-7403; NJW 2000, 499; EUGH, Urt. v. 11.01.2000 - C-285/98 (Rs. Kreil); Slg. 2000, I-69, NJW 2000, 497.
  4. und der anderen Diskriminierungsverbote der Richtlinien 2000/43/EG und 2000/78/EG.

  5. EuGH, Urt. v. 28.09.1994, C- 7/93 (Rs. Beune), Slg. 1994, I -4471; EuZW 1995, 152; Urt. v. 29.11.2001 - C-366/99 (Rs. Griesmar), Slg. 2001 I-9383; NZA 2002, 143.

  6. BVerfGE 105, 73, 114

  7. Siehe dazu oben 2.4.1.

  8. BVerfG, Beschl. v. 13.11.1990 – 2 BvF 3/88; BVerfGE 83, 89, 100f.; BVerfG (3. Kammer), Beschl. v. 16.09.1992 - 2 BvR 1161/89 u.a.; DVBl. 1992, 1590.

  9. EuGH (4. Kammer), Urt. v. 07.05.1986 – 131/85 (Rs. GÜL/Regierungspräsident Düsseldorf); Slg. 1986, 1573; NJW 1986, 3015.


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