Block V:
„Wie wird das Reformgesetz in der Gesellschaft angenommen?“
Eine Bilanz nach über einem Jahrzehnt Diskussion, einem Jahr Praxistest und ein
Monat nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts
- Teilnehmerinnen und Teilnehmer:
- Prof. Dr. Gerhard Robbers, Prozessvertreter der Bundesregierung
beim Verfassungsgerichtsverfahren zur Lebenspartnerschaft, Universität Trier
- Positionspapier -
- Vera Gaserow, Redakteurin „Frankfurter Rundschau“
- Tissy Bruns, Redakteurin „Die Welt“
- Jan Feddersen, Redakteur „taz“
- Moderation: Günter Dworek, LSVD-Bundesvorstand
Robbers: Die Klarheit und Schärfe der Begründung des BVerfG-Urteils
zur Lebenspartnerschaft sei unter JuristInnen mit Überraschung aufgenommen
worden. Wenn etwas neu und überraschend ist, schlage sich dies in den
Kommentaren derart nieder, dass besonders schnell diejenigen solche Urteile in
der Fachpresse bewerten, die „damit nicht zurecht kommen“. Jedoch: „Die Welle
kommt zurück.“ Dass das LPartG verfassungsgemäß ist, sei schon nach dem
Zurückweisen der Einstweiligen Anordnung zum Inkrafttreten klar gewesen. Die
Klage von Bayern, Sachsen und Thüringen sei „ein Rohrkrepierer“ wegen der
Schärfe der Begründung. Nun stelle sich eine Beruhigung in der öffentlichen
Auseinandersetzung ein, die das BVerfG mit seinem Urteil auch bezweckt habe.
Bruns: Die Mehrheit der RedakteurInnen beurteile das Outing des
Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Klaus Wowereit (SPD), und das LPartG
positiv. Ein Rest Diskriminierung werde dennoch bleiben. Toleranz sei auf
breiter Front vorhanden. Doch es gebe auch eine „prekäre Toleranz“, die für eine
Neiddiskussion empfänglich sei.
Gaserow: Ihre Generation würde der Lebenspartnerschaft distanziert
gegenüber stehen, weil sie einst angetreten wäre, um sich von staatlichen
Regelungen (wie der Ehe) zu lösen. Die (scheinbare) Bevorteilung von Homopaaren
sei ein Argument, unterschwellig gebe es Vorbehalte gegen die
Lebenspartnerschaft. Toleranz und Gleichheit seien gesellschaftliche Werte, für
die die Gesellschaft kämpfen und wofür sie sich interessieren müsse, denn aus
dem Kampf dafür ergebe sich ein gegenseitiger Nutzen. „Erreichtes wird nicht
zurückgenommen werden können.“ Die Diskussion über die Lebenspartnerschaft
konnte nur stattfinden, weil bereits ein Minimum an Toleranz existiert habe. Die
(öffentliche) Diskussion zur Lebenspartnerschaft habe die Situation von
Homopaaren (und Homosexualität) weiten Bevölkerungskreisen nahe gebracht.
Feddersen: Ehe und Kinder wären für seine Generation nicht denkbar. Vor
diesem Hintergrund werde die Lebenspartnerschaft als Ausdruck von Spießigkeit
gewertet. Die Ende der 80er Jahre größer werdenden CSDs hätten ihre Radikalität
verloren. Regelmäßig hätte er mit der Fotoredaktion die CSD-Bebilderung
ausfechten müssen, weil immer „schrillen“ Motiven der Vorzug gegeben werden
sollte. Die Frage sei, ob der Neid der Heterosexuellen berechtigt sei? Sie sei
prekär wie die jüdische Frage. Homophobe würden allgemein nicht mehr akzeptiert.
So müsse auch die CDU mit der Lebenspartnerschaft ihren Frieden finden. Die
Szene werde mehr bürgerliche Werte leben.
Gaserow: Die Union sei sich uneins in ihrem Familienbild. Auch das stecke
hinter dem Stillstand in Sachen LPartG-Ergänzungsgesetz.
Robbers: Das BVerfG-Urteil sage, dass der Gesetzgeber die
Lebenspartnerschaft rechtlich weiter ausgestalten darf, aber nicht muss. Es sei
nicht vorstellbar, dass das LPartG zurück genommen wird. Politisch gebe es eine
große Chance, dass das LPartG-Ergänzungsgesetz nach der Bundestagswahl in der
einen oder anderen Form „durchzubringen“ sei.
Bruns: Das Ergänzungsgesetz werde es in abgespeckter Form geben, ansonsten
aber wenig in Sachen Gleichstellung von Homosexuellen in der nächsten
Legislaturperiode. Das LPartG sei im Kern ein Gewinn an Humanität. Die Ehe müsse
rechtlich auf den Prüfstand gestellt werden und die Politik/Gesellschaft
umsteuern auf Lebensverhältnisse mit Kindern.
Gaserow: „Die SPD muss zum Jagen getragen werden.“ Es sei Druck (durch
die lesbisch-schwule Community) in der Öffentlichkeit oder auf juristischem Wege
nötig.
Feddersen: Es sei möglicherweise ein langer Kampf ähnlich der
Frauengleichstellung.
Bruns: Kinder seien die wirkliche gesellschaftliche Minderheit. Lesbische
Beziehungen mit Kindern würden in Zukunft als Familie anerkannt werden. Jede
Frau, die will, könne künftig Kinder haben.
Gaserow: Lesben und Schwule hätten an einer Stelle gekämpft, was woanders
abgeschafft werden soll (Ehegattensplitting/Ehe).
Feddersen: Was die Community in den vergangenen zehn Jahren geschafft
hat, sei sehr modern. Entscheidend sei nun, was das konservative Lager mache.
Die Haltung von CSU-MdB Norbert Geis stehe für eine Minorität am rechten Rand.
Gaserow: Das LPartG sei Teil einer Antidiskriminierungsbewegung. An
anderer Stelle werde es nun eine Gegenbewegung geben, da sich eine andere
Minderheit gegenüber den Homosexuellen benachteiligt fühle.
Bruns: Die Homosexuellen sollten ihren Kampf um gleiche Rechte nicht
gegen andere Lebensformen führen. Das allerwichtigste der Lebenspartnerschaft
sei die Aussage: Seht her, mit diesem Menschen bin ich zusammen und ich bin
stolz darauf.
Robbers: Für das LPartG-Ergänzungsgesetz sei der Ausgang der
Bundestagswahl am 22. September abzuwarten. Mit dem BVerfG-Urteil zur
Lebenspartnerschaft habe es einen Stimmungsumschwung gegeben, der vorher schon
angelegt gewesen wäre. Das BVerfG „wollte Ruhe an dieser Front haben“ und habe
deshalb „so weit entschieden, wie es zu gehen bereit war“. Die Homosexuellen
müssten weiter für Toleranz kämpfen.
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