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Presserklärung der Bundestagsfraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen

Rechtsausschuss beschließt die Errichtung der Magnus-Hirschfeld-Stiftung

Die Rechtspolitischen Sprecher Alfred Hartenbach (SPD) und Volker Beck (Bündnis 90 / Die Grünen) sowie die Berichterstatterin Margot von Renesse (SPD) erklären:

Der Rechtsausschuss des Bundestages hat heute dem Gesetzentwurf zur Errichtung einer Magnus-Hirschfeld-Stiftung zugestimmt. Damit wird ein einstimmiger Beschluss des Bundestages vom 7. Dezember 2000 umgesetzt. Der Bundestag hatte sich dafür ausgesprochen, für die Zerschlagung der schwulen und lesbischen Bürgerrechtsbewegung durch die Nazis einen "kollektiven Ausgleich" zu schaffen, "der die Anerkennung des Unrechts verdeutlicht und der Förderung homosexueller Bürger- und Menschenrechtsarbeit gewidmet ist".

Zweck der Stiftung soll sein: homosexuelles Leben in Geschichte und Gegenwart wissenschaftlich zu erforschen und darzustellen, die nationalsozialistische Verfolgung Homosexueller in Erinnerung zu halten, gesellschaftlicher Diskriminierung homosexueller Männer und Frauen entgegenzuwirken, Emanzipations-, Bürgerrechts- und Menschenrechtsarbeit im In- und Ausland zu fördern sowie das Gedenken an Leben und Werk Magnus Hirschfelds zu pflegen.

Die Stiftung wird nach dem Berliner Arzt und Sexualwissenschaftler Dr. Magnus Hirschfeld (1868 - 1935) benannt, der neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit auch als Streiter für die Rechte der Homosexuellen hervorgetreten ist.

Das Kuratorium der Stiftung wird Vertreter des Bundestages und der Bundesregierung sowie ein breites Spektrum an Verbänden umfassen: den Fachverband Homosexualität und Geschichte e.V., die Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft e.V., den Lesben- und Schwulenverband in Deutschland e.V., die Ökumenische Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche e.V., der Lesbenring e.V., den Bundesverband der Eltern, Freunde und Angehörigen von Homosexuellen e.V., die European Region of the International Gay and Lesbian Association (ILGA-Europe), den Völklinger Kreis e.V. und die Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di.

Berufen werden damit rechtsfähige überregionale Organisationen, die sich bereits für ähnliche Zwecke wie die der zu errichtenden Stiftung engagieren und sich nicht durch Spezialinteressen definieren. In der deutschen Verbändelandschaft gibt es weit mehr Vereinigungen schwuler Männer als Organisationen lesbischer Frauen. Um eine Mindestrepräsentanz von Frauen im Kuratorium abzusichern, erhalten gemischtgeschlechtliche Verbände, die über einen relevanten Frauenanteil in der Mitgliedschaft verfügen, zwei Sitze mit der verbindlichen Maßgabe, davon mindestens einen mit einer Frau zu besetzen.

Die Stiftung wird mit einem Kapital von insgesamt 15 Mio. EUR aus dem Bundeshaushalt ausgestattet, das in vier Jahresraten ab 2003 eingezahlt wird. Die Stiftung soll im Bereich schwul-lesbischer Erinnerungs- sowie Emanzipations-, Bürger- und Menschenrechtsarbeit ergänzend tätig werden. Es ist keineswegs intendiert, dass die Stiftung die Förderung schwuler und lesbischer Projekte und Einrichtungen durch Bund, Länder oder Gemeinden ersetzen soll.

Über fünf Jahrzehnte wurde das den Homosexuellen widerfahrene Unrecht in der Bundesrepublik nicht angemessen gewürdigt. Rot-Grün hat hier erstmals Zeichen gesetzt: Im Mai diesen Jahres hat der Bundestag die pauschale Aufhebung der im Nationalsozialismus wegen Homosexualität verhängten Strafurteile beschlossen. Bereits im Dezember 2000 hatte sich das Parlament für die strafrechtliche Verfolgung Homosexueller in der Bundesrepublik entschuldigt und ausdrücklich festgestellt, dass die Strafverfolgung die Menschenwürde verletzte. Mit der Magnus-Hirschfeld-Stiftung wird nun ein weiteres Projekt der Aufarbeitung der Verfolgungsgeschichte von Homosexuellen auf den Weg gebracht.

Die Koalition hat das Gespräch mit den Oppositionsfraktionen gesucht, um einen Konsens beim Stiftungsgesetz zu erreichen. Wir sind der Opposition weit entgegengekommen. In der heutigen Rechtsausschuss-Sitzung hat die CDU/CSU gegen den Koalitionsentwurf gestimmt, die FDP hat sich enthalten. Bei der PDS hat eine Vertreterin dafür gestimmt, die andere sich enthalten.

Für Rückfragen:
Günter Dworek
Referent
Bündnis 90/Die Grünen
T 030 - 227 58903
F 030 - 227 56273
eMail: guenter.dworek@gruene-fraktion.de
 
 


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