Lesben und Schwule in der Union (LSU)
Zeit für Taten - Zeit für den doppelten Wechsel
Wahlplattform der Lesben und Schwulen in der Union (LSU) zur Bundestagswahl am 22. September 2002
OLIVER NÖLKEN, Pressesprecher
I. Wir können uns Rot-Grün nicht mehr leisten.
Am 22. September ist Bundestagswahl. Die Menschen in Deutschland haben die Wahl zwischen einer Fortsetzung von Rot-Grün und einem Neuanfang mit einer unionsgeführten Bundesregierung.
Die Gesamtbilanz der Regierung Schröder ist verheerend. Sie hat in der Wirtschaftspolitik und auf dem Arbeitsmarkt versagt und Deutschland zum Schlusslicht in Europa gemacht. Notwendige Reformen sind vier Jahre lang liegengeblieben. Gesundheits-, Bildungs-, Europa-, Sicherheitspolitik: kaum ein Politikfeld, auf dem nicht Konzeptlosigkeit, Stillstand oder gar Rückschritt herrschen.
Wir können uns weitere vier Jahre Rot-Grün nicht leisten, auch und gerade als Lesben und Schwule nicht. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass das Interesse für die Belange von Minderheiten und das Maß der gesellschaftlichen Toleranz um so geringer sind, je schlechter es der Bevölkerung insgesamt geht. Wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Aufbruch müssen Hand in Hand gehen.
II. Wir wollen den doppelten Wechsel.
Dieser Aufbruch ist nur mit einer modernen christdemokratischen Politik zu schaffen. Einer Politik, die Reformen anpackt und Wachstumskräfte freisetzt. Einer Politik, die die Kreativität und Leistungsbereitschaft der Menschen und Unternehmen in Deutschland nicht länger blockiert. Einer Politik aber auch, die auf der Höhe der gesellschaftlichen Realität ist und mit längst überholten Gesellschaftsbildern Schluss macht, an denen CDU und CSU viel zu lange festgehalten haben.
Wir wollen den doppelten Wechsel. Wir wollen den Wechsel von Rot-Grün zu einer unionsgeführten Bundesregierung unter Edmund Stoiber. Wir wollen gleichzeitig einen Wechsel in der Gesellschaftspolitik der Union. Die Ablehnung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft, die Klage dreier unionsgeführter Bundesländer gegen das Gesetz, die Blockade des Ergänzungsgesetzes im Bundesrat und manche rhetorische Entgleisung - dies alles waren Symptome von Ignoranz und Unverständnis gegenüber den Belangen von Lesben und Schwulen. Hier erwarten wir Veränderungen.
An einigen wenigen Punkten wollen wir als Lesben und Schwule in der Union beispielhaft den Begriff des doppelten Wechsels verdeutlichen und unsere Forderungen an die künftige Regierung Stoiber formulieren:
III. Wir wollen die Eingetragene Lebenspartnerschaft sichern und ausbauen.
Die Einführung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft für Lesben und Schwule war eines der wenigen, wenn nicht das einzige Verdienst von Rot-Grün. Endlich erfahren lesbische und schwule Paare Anerkennung vor dem Gesetz. Doch bis jetzt ist die Eingetragene Lebenspartnerschaft Stückwerk geblieben.
Unser Kanzlerkandidat Edmund Stoiber hat deutlich gemacht, dass die Eingetragene Lebenspartnerschaft nach dem erwarteten Urteil des Bundesverfassungsgerichts ein Faktum sei, das eine von ihm geführte Bundesregierung nicht in Frage stellen werde. CDU und CSU haben darum bewusst darauf verzichtet, Wahlkampf gegen die Eingetragene Lebenspartnerschaft zu machen. Das ist ermutigend, aber es reicht uns nicht. Wir bedauern es, dass die Vollendung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft bei gar keiner Partei im Wahlkampf eine wesentliche Rolle spielt.
Wir wollen nicht nur die Bestandssicherung, sondern den Ausbau der Eingetragenen Lebenspartnerschaft. Auch in den noch offenen Fragen insbesondere des Steuer- und Beamtenrechts muss es endlich Verbesserungen für lesbische und schwule Paare geben. Ebenso muss die Frage des Adoptionsrechts endlich angepackt werden. Alle Beteiligten müssen hier ohne Vorbedingungen zu Verhandlungen bereit und zu Kompromissen fähig sein.
IV. Wir wollen Förderung für Familien und Gerechtigkeit für Paare.
Es besteht bei allen Parteien Einigkeit, dass die Erziehung von Kindern kein Armutsrisiko sein darf und Familien deutlich stärker als bisher gefördert werden müssen. Doch es fehlen die Taten. Die Regierung Schröder hat im wesentlichen eine zaghafte Erhöhung des Kindergeldes zuwege gebracht, die von der Belastung der Familien durch die rot-grüne Öko-Steuer vollständig wieder aufgefressen wurde. CDU und CSU haben dagegen in ihrem Regierungsprogramm die Einführung eines Familiengeldes von bis zu 600 € pro Kind und Monat verankert.
Wir sprechen uns klar für ein solches Familiengeld aus. Jedes Kind muss dem Staat gleich viel wert sein - unabhängig von Familienstand, Einkommen oder Berufstätigkeit der Eltern. Wenn das Familiengeld finanzierbar sein soll, wird es jedoch Einschnitte bei der "familienblinden" Förderung des Trauscheins insbesondere durch das Ehegattensplitting geben müssen. Weder SPD noch CDU/CSU sind dazu bislang bereit.
Wir wollen das bisherige Ehegattensplitting in die Finanzierung des Familiengeldes einbeziehen. Steuerliche Privilegien für Kinderlose sind nicht gerechtfertigt; staatliche Förderung soll gezielt Familien mit Kindern zugute kommen. Dies ist auch Voraussetzung für eine moderne und gerechte Lebensformenpolitik, die Rechte und materielle Unterstützung nicht willkürlich an die sexuelle Identität von Menschen knüpft, sondern die Struktur von Lebensgemeinschaften in den Mittelpunkt stellt. Im Klartext heißt das: Lesben und Schwule mit Kindern sollen genauso behandelt werden wie Heterosexuelle mit Kindern, kinderlose lesbische und schwule Paare genauso wie kinderlose heterosexuelle Paare.
V. Wir wollen die Balance zwischen Freiheit und Schutz vor Diskriminierung.
Zu den vielen Kapiteln rot-grünen Versagens gehört das geplante Antidiskriminierungsgesetz. Nach europäischem Recht ist Deutschland verpflichtet, ein umfassendes Verbot der Diskriminierung unter anderem aufgrund der sexuellen Identität im nationalen Arbeitsrecht zu verankern. Rot-Grün wollte das Diskriminierungsverbot für Lesben, Schwule und viele andere Gruppen auf alle öffentlich angebotenen Verträge ausweiten, hat letzten Endes jedoch überhaupt nichts erreicht. Das Antidiskriminierungsgesetz ist bis heute ein bloßes Wunschzettelprojekt geblieben.
Die Opposition zeigt sich demgegenüber skeptisch gegenüber Antidiskriminierungsvorschriften. Sie verweist darauf, dass solche Regelungen in die Vertragsfreiheit eingreifen, also in das Recht der Bürger, selbst zu entscheiden, mit wem sie Verträge schließen wollen und mit wem nicht.
Wir wollen, dass die geltenden Antidiskriminierungs-Richtlinien der EU zügig umgesetzt werden. Gerade im Arbeitsleben müssen Lesben, Schwule und andere gesellschaftliche Minderheiten endlich wirksam vor Diskriminierung geschützt sein. Was darüber hinausgehende Vorschriften angeht, brauchen wir endlich einen öffentlichen Diskurs über die richtige Balance zwischen Vertragsfreiheit und Schutz vor Diskriminierung. Im Zweifel setzen wir dabei eher auf die Freiheit und Einsicht der Bürger als auf staatlichen Zwang.
VI. Wann, wenn nicht jetzt?
Die Chance für den doppelten Wechsel war noch nie so groß wie heute. Während in den letzten Jahren das Versagen von Rot-Grün immer offenkundiger wurde, haben CDU und CSU aus Fehlern gelernt und sich Schritt für Schritt der gesellschaftlichen Realität geöffnet. Nicht schnell und noch nicht weit genug, das ist gar keine Frage. Aber sie sind auf einem Weg in die richtige Richtung, der uns Mut macht für die Zukunft.
Wir sind uns bewusst, dass vielen Lesben und Schwulen die Wahl am 22. September nicht leicht fällt. Auf der einen Seite steht Rot-Grün, das die Eingetragene Lebenspartnerschaft auf den Weg gebracht hat, ansonsten aber eine verheerende Regierungsbilanz aufweist. Auf der anderen Seite steht die Union, die die Belange von Lesben und Schwulen viel zu lange ignoriert und vernachlässigt hat, in einer Gesamtschau der politischen Fragen aber die bessere Perspektive für die Zukunft Deutschlands bietet.
Gerade um die Zukunft Deutschlands aber geht es am 22. September. Darum werben wir für CDU und CSU und für unseren Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber. Zugleich aber kämpfen wir darum, dass es auch in den kommenden vier Jahren entscheidende Fortschritte für Lesben und Schwule gibt. Wir ermutigen CDU und CSU nicht nur, ihren Prozeß der gesellschaftspolitischen Modernisierung fortzusetzen und zu beschleunigen. Wir fordern und wir erwarten es von ihnen.
Verantwortlich und für Rückfragen zuständig: OLIVER NÖLKEN, Pressesprecher
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