Presse



17.10.2003

Volker Beck, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer Bündnis90/Die Grünen
Deutscher Bundestag, 11011 Berlin

An BASJ
Bundesarbeitsgemeinschaft Schwule Juristen
c/o RA Jacob Hösl
50674 Köln

Antwort auf den Offenen Brief der (BASJ)

Lieber Jacob, lieber Lukas, liebe Freunde,

es gehört eigentlich zu den ungeschriebenen Gesetzen in der Politik, auf "Offene Briefe" grundsätzlich nicht zu antworten, da dieses Medium in der Regel nicht auf Dialog abzielt. Da ich mir gewiss bin, dass das bei euren "Offenen Brief" anders gemeint ist, will ich gerne darauf antworten.

Bündnis 90 / Die Grünen verfolgen weiter mit Nachdruck das Ziel, gleiche Rechte für Lesben und Schwule durchzusetzen. Bündnis 90 / Die Grünen haben dies - nicht zuletzt auf meine Initiative hin - auf ihrem Bundesparteitag am 14./15. Juni 2003 in Cottbus im Beschluss "Grüne Reformpolitik und Agenda 2010: Sozialstaat reformieren - Gesellschaft erneuern - Zukunft gestalten" ausdrücklich bekräftigt (http://www.gruene-partei.de/rsvgn/rs_datei/0,,2751,00.pdf). Gleiches hat die Bundestagsfraktion auf ihrer Klausurtagung am 5. September 2003 in dem Beschluss "Freiheiten nutzen, Neues gestalten, Chancen eröffnen" getan (http://www.gruene-fraktion.de/rsvgn/rs_datei/0,,3867,00.pdf).

Erinnern möchte ich daran, dass es im Herbst 2002 auf Druck von grüner Seite nach intensiven Verhandlungen gelungen ist, im Koalitionsvertrag mit der SPD die Aussage zu verankern: "Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird die Regierungskoalition das Lebenspartnerschaftsgesetz überarbeiten und ergänzen (Lebenspartnerschafts-Ergänzungsgesetz)."

Zu den ebenfalls im Koalitionsvertrag beschlossenen allgemeinen Verfahrensregelungen zählt aber auch, dass keine der Regierungsfraktionen auf eigene Faust parlamentarisch initiativ werden darf: "Anträge, Gesetzesinitiativen und Anfragen auf Fraktionsebene werden gemeinsam oder, im Ausnahmefall, im gegenseitigen Einvernehmen eingebracht." Jeder Vorstoß zur Gesetzgebung setzt also voraus, dass es zuvor in der Koalition eine Einigung über die konkrete Gesetzesvorlage gegeben hat.

Wir haben seit der Bundestagswahl die Situation, dass das mit der Lebenspartnerschaft befasste politische Personal beim großen Koalitionspartner gänzlich ausgetauscht wurde. Von allen Mandatsträgern, die in der letzten Wahlperiode im Justizministerium, in der SPD-Arbeitsgruppe Recht wie im SPD-Fraktionsvorstand mit dem Thema Eingetragene Lebenspartnerschaft näher beschäftigt waren, ist niemand mehr in der gleichen Funktion tätig. Margot von Renesse, die in der SPD-Fraktion die Dinge mit immensem Engagement und Sachverstand ebenso wie mit großer persönlicher Autorität vorangetrieben hatte, hat nicht erneut für den Bundestag kandidiert. Die Frage, wer nun in der SPD die Federführung bei den rechtspolitischen Themen im Bereich Lesben und Schwule hat, ist bislang ungeklärt geblieben. Das zeigt sich z.B. auch darin, dass Veranstalter von Podiumsdiskussionen dem Vernehmen nach regelmäßig große Schwierigkeiten haben, überhaupt eine Ansprechperson zum Bereich gleichgeschlechtliche Lebensweisen zu finden. Ähnlich geht es uns, wenn wir innerhalb der Koalition fachliche Vereinbarungen zur Weiterarbeit bei der Lebenspartnerschaft treffen wollen.

Diese Situation bedeutet, dass wir mit neuen Kolleginnen und Kollegen beim Koalitionspartner viele Diskussionen erneut führen müssen. Das tun wir auch, aber es kostet Zeit. Ein Jahr ist nun darüber vergangen, drei Jahre liegen noch vor uns. Wir haben in der Koalition unsere Vorstellungen zur Überarbeitung und Ergänzung des Lebenspartnerschaftsgesetzes längst detailliert auf den Tisch gepackt. Wir wollen den vom Bundesverfassungsgericht eröffneten Gestaltungsrahmen für den Gesetzgeber voll ausschöpfen und streben volle Gleichstellung an.

Im Rahmen der parlamentarischen Beratungen zum Sozialgesetzbuch XII haben die Koalitionsfraktionen am 15.10.2003 auf meine Initiative hin folgende politische Erklärung abgegeben:

"Die SPD-Fraktion und die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN führten aus, dass sich der Gesetzentwurf an den Leitlinien der Agenda 2010 orientiere, nämlich der Wirtschaftlichkeit, Zukunftsfähigkeit und der Frage der sozialen und der Generationengerechtigkeit. (...)

Im Rahmen des SGB XII werde auch die Gleichstellung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft bei den Subsidiaritätsregelungen der Sozialhilfe mit der Ehe, die schon Bestandteil des Entwurfs eines Ergänzungsgesetzes zum Lebenspartnerschaftsgesetz (BT 14/4545) waren, geregelt. Damit werde die Eingetragene Lebenspartnerschaft bei den Verpflichtungsregelungen im Sozial- und Unterhaltsrechts nun vollständig der Ehe gleichgestellt. Es bleibe Ziel der Koalitionsfraktionen, den Abbau der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Paare durch Gleichstellung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft bei weiteren Reformen, spätestens durch ein Überarbeitungs- und Ergänzungsgesetz, abschließend zu regeln" (Bericht des Ausschusses für Gesundheit und soziale Sicherung, Bundestagsdrucksache 15/1761 vom 16.10.2003).

Mit diesem Bekenntnis zur Gleichstellung ist eine weitere wertvolle Präzisierung gegenüber dem Koalitionsvertrag gelungen und das Programm beschrieben, das wir in dieser Wahlperiode durchsetzen wollen. Damit sind wir einen wichtigen Schritt vorangekommen. Weitere müssen nun folgen.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Schwule Juristen hat in der Vergangenheit durch ihren fachlichen Rat ebenso wie durch politische Interventionen an den richtigen Stellen sehr geholfen, das Projekt Lebenspartnerschaft zu befördern. Ich bin sicher, dass das auch weiter der Fall sein wird, und freue mich auf die weitere Zusammenarbeit für das gemeinsame Ziel der Gleichstellung.

Herzlichen Gruß

Volker Beck
 


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