Internationalee Bund der Konfessionslosen und Atheisten e.V. (IBKA)
Pressemitteilung vom 08.06.2004
Hält Rot-Grün kirchliches Sonderrecht für wichtiger als
EU-Richtlinien?
Konfessionslose erinnern an Koalitionsversprechen für
ein Antidiskriminierungsgesetz
Bereits 2000 erließ die EU zwei Richtlinien, die sich gegen die
Diskriminierung verschiedenster Bevölkerungsgruppen wendeten (2000/43/EG
und 2000/78/EG).
Den Mitgliedsstaaten wurde bis 2003 Zeit gegeben, die Richtlinien in
nationales Recht umzusetzen.
Mit Bedauern stellt der Internationale Bund der Konfessionslosen und
Atheisten (IBKA) fest, dass die Bundesregierung es bis heute nicht
geschafft hat, den europäischen Standard mit Hilfe eines
Antidiskriminierungsgesetzes zu erfüllen.
Bereits in der vorhergehenden Wahlperiode hatte die Koalition einen
entsprechenden Anlauf unternommen. Er blieb folgenlos.
Im Koalitionsvertrag von 2002 wurde das Wahlversprechen erneut
festgeschrieben. Doch es blieb weiterhin bei der bloßen Absicht.
Am 4. April 2003, also vor etwa 14 Monaten, verkündete Volker Beck,
innenpolitischer Sprecher der grünen Bundestagsfraktion: "Innerhalb der
Koalition machen wir uns sehr deutlich für die zügige Umsetzung eines
umfassenden Antidiskriminierungsgesetzes stark. Die Arbeiten sind also in
vollem Gange."
Weitere Versprechungen dieser Art gab es immer wieder. Allein: Den Worten
folgen keine Taten.
Woran liegt diese Untätigkeit?
In der Vergangenheit hatten die beiden großen Kirchen immer wieder
Vorbehalte gegen das Gesetz angemeldet. Auch zum Scheitern des Gesetzes in
der vorhergehenden Legislaturperiode trugen die Kirchen maßgeblich bei:
Gerade im Sozialsektor sind es die großen Religionsgemeinschaften, die
Diskriminierung praktizieren.
Wenn die EU-Richtlinie 2000/78/EG ernsthaft umgesetzt werden soll, dann
muss sie auch den Menschen einen effektiven Rechtsschutz vor der Kündigung
durch kirchliche Arbeitgeber gewähren, die in einer eingetragenen
Lebenspartnerschaft leben oder als Katholiken nach einer Scheidung wieder
heiraten oder einen geschiedenen Partner heiraten, oder die aus der Kirche
ausgetreten sind. Darüber hinaus sollte seitens der rot-grünen Koalition
das kirchliche Sonderarbeitsrecht insgesamt, so auch § 118 II BetrVG
(Betriebsverfassungsgesetz), zur Disposition gestellt werden.
Hören die rotgrünen Koalitionspolitiker hier erneut allzu intensiv auf die
Einflüsterungen der Kirchen?
So hieß es im Bundestagswahlprogramm 2002 von Bündnis 90/Die Grünen: "Wir
wollen mit den Kirchen einen Dialog über die Stellung der Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter bei kirchlichen Wohlfahrtseinrichtungen führen. Hier
streben wir die Geltung des allgemeinen Arbeits-, Sozial- und
Tarifvertrags an."
Wurde dieser Dialog allzu intensiv gepflegt und vergessen, worum es in der
Sache geht?
"Wenn der Dialog offenkundig nicht fruchtet" so der IBKA, "muss an die
Stelle des Dialoges das Primat der Politik treten. Es ist nicht
hinzunehmen, dass 1,3 Millionen Arbeitnehmer faktisch vom allgemein
geltenden Arbeitsrecht ausgeschlossen sind, ob in Caritas oder Diakonie,
in Altenheimen, Kindergärten oder Krankenhäusern, deren Betrieb weit
überwiegend oder vollständig aus nichtkirchlichen Mitteln bestritten wird.
Öffentliche Mittel sollten ferner lediglich solchen Institutionen zur
Verfügung stehen, die die Menschenrechte uneingeschränkt einhalten. Der
Gesetzgeber muss den Kirchen die Grenzen aufzeigen und verdeutlichen, dass
EU-Richtlinien gegenüber kirchlichem Sonderrecht vorrangig sind."
Pressemitteilung des Behindertenverbandes Netzwerk Artikel 3 vom 6. Juni
2004:
http://www.kobinet-nachrichten.org/cipp/kobinet/custom/pub/content,lang,1/oid,4564/ticket,g_a_s_t
Pressemitteilung des Lesben- und Schwulenverbandes Deutschland (LSVD) vom
17. Mai 2004:
http://www.lsvd.de/presse/0405170.html
Stellungnahme Volker Becks vom 4. April 2003:
http://www.volkerbeck.de/texte/030404_ADG.htm
Notker Bakker
Pressesprecher des IBKA e.V.
Rubensstr. 12
40789 Monheim
Telefon 02173-53114, Fax 02173-931654
Mobil 0163-2409467
presse@ibka.org
http://www.ibka.org
Über den Internationalen Bund der Konfessionslosen und Atheisten e.V.:
Der IBKA versteht sich als Interessenvertretung des konfessionslosen
Bevölkerungsteiles, der in Deutschland mittlerweile auf über 30%
angewachsen ist. Wir setzen uns für die Verwirklichung des
Verfassungsgebotes, der weltanschaulichen Neutralität des Staates, ein –
in Deutschland, wie in Europa.
Der IBKA tritt ein für die allgemeinen Menschenrechte als unveräußerliche
individuelle Rechte des einzelnen Menschen. Er wendet sich gegen
Diskriminierungen aus religiösen oder weltanschaulichen Motiven. Zu diesem
Zweck fordert er eine konsequente Trennung des staatlichen Bereichs von
Kirchen, Religionen und Weltanschauungen.
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