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Entscheidungsgründe:Die Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klage ist zulässig. Namentlich ist auch der Kläger zu 2. klagebefugt, da nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen ist, dass ihm der geltend gemachte Anspruch zusteht (vgl. zu diesen Kriterium der KIagebefugnis: BVerwGE 95, 25 [27]; BVerwGE 18, 154 [157]). Dieser könnte sich insbesondere aus dem in Art. 8 Abs. 1 EMRK verbürgten Anspruch auf Achtung des Privatlebens ergeben. Die Klage ist auch begründet. Der Ablehnungsbescheid des Generalkonsulats vom 20. August 1993 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger dadurch in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Ihnen steht jeweils ein eigener Anspruch darauf zu, dass dem Kläger zu 1. bei Nachweis ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ein Visum zur Führung einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft erteilt wird. 1. Der Anspruch des Klägers zu 1. ergibt sich zum einen aus § 15 i.V.m. § 7 Abs. 1 AuslG (a) und zum anderen aus dem in Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleisteten Anspruch auf Achtung des Privatlebens (b). a) Das Visumsbegehren des Klägers zu 1. unterfällt dem Anwendungsbereich von § 15 i.V.m. § 7 Abs. 1 AuslG. Hiernach kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn der Ausländer den Aufenthalt zu einem Zweck erstrebt, der von den einzelnen gesetzlichen Bestimmungen über die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung nicht erfasst wird. Dies ist hinsichtlich des von dem Kläger zu 1 verfolgten Aufenthaltszwecks der Führung einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft der Fall. Eine diesbezügliche - positive oder negative - Regelung findet sich insbesondere nicht in den Vorschriften der §§ 17 ff. AuslG. Diese regeln den Zuzug von Familienangehörigen. Dagegen regeln sie nicht den Zuzug des Partners einer sonstigen Lebensgemeinschaft. Da die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft nicht dem Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG unterfällt, kann dem Kläger zu 1. nicht entgegengehalten werden, sein Fall sei - negativ - bereits in den §§ 17 ff. AuslG geregelt, die dem Schutz von Ehe und Familie dienen (vgl. BVerwG, InfAuslR 1996, 294 [299]). Ein Regelversagungsgrund nach § 7 Abs. 2 AuslG liegt nicht vor, namentlich greift Nr. 2 der Vorschrift nicht Platz. Der Kläger zu 1. kann seinen Lebensunterhalt einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes aus Unterhaltsleistungen eines Dritten, nämlich des Klägers zu 2., bestreiten. Dieser bezieht ausweislich der von ihm in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgelegten Nachweise ein hinreichend hohes regelmäßiges Erwerbseinkommen und verfügt darüber hinaus über ein Sparguthaben in Höhe von mehr als 50 000,-- DM. Er hat seine Bereitschaft bekundet, den Lebensunterhalt des Klägers zu 1. zu bestreiten; von der Ernsthaftigkeit dieser Bereitschaft ist der Senat nach dem Eindruck, den der Kläger zu 1. in der mündlichen Verhandlung hinterlassen hat, überzeugt. Das durch §15 Abs. 1 i.V.m. § 7 Abs. 1 AuslG eröffnete Entscheidungsermessen ist zugunsten des Klägers zu 1. dahin reduziert, dass allein die Erteilung des begehrten Visums rechtmäßig ist. Denn seinem gewichtigen privaten Interesse an einer Aufenthaltnahme im Bundesgebiet stehen durchgreifende gegenläufige öffentliche Belange nicht entgegen: Der von dem Kläger zu 1. verfolgte Aufenthaltszweck der Führung einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft fällt in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG und des Art. 8 Abs. 1 EMRK (vgl. BVerwG, InfAuslR 1996, 294 [299]). An dem Schutz und der Verwirklichung des durch diese Normen gewährleisteten Persönlichkeitsrechts besteht ein ganz erhebliches privates Interesse. Darüber hinaus liegt die Wahrung der Grundrechte auch im öffentlichen Interesse. Das sich hieraus ergebende Gewicht des klägerischen Anliegens erfährt eine weitere Steigerung dadurch, dass an der angestrebten Lebensgemeinschaft ein deutscher Staatsangehöriger, nämlich der Kläger zu 2., beteiligt ist. Diesem kann nicht angesonnen werden, die Lebensgemeinschaft außerhalb des Bundesgebietes zu führen, da sich hier seine wirtschaftliche Existenzgrundlage - und damit zugleich diejenige der Lebensgemeinschaft - befindet. Hinzu kommt, dass für die Kläger ein anderer Lebensmittelpunkt als Deutschland nicht ernsthaft in Betracht kommt: Das Heimatland des Klägers zu 1., Rumänien, scheidet aus, da die dortige Rechtsordnung nach Angaben der Beklagten die Erteilung eines Visums zur Führung einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft nicht vorsieht; im übrigen ist nach rumänischem Strafrecht der homosexuelle Geschlechtsverkehr nach wie vor strafbar, wobei dahingestellt bleiben mag, inwieweit eine strafrechtliche Verfolgung tatsächlich stattfindet. Die Kläger können auch nicht darauf verwiesen werden, ihre Lebensgemeinschaft in Belgien zu führen, da der Kläger zu 1. dort kein gesichertes Aufenthaltsrecht besitzt, wie sich aus den Schreiben seiner belgischen Rechtsanwälte vom 29. und 30. Juli 1996 ergibt. Die Interessenlage des Klägers zu 1. ist mithin dadurch gekennzeichnet, dass seine durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützte Partnerschaft mit dem Kläger zu 2. aufgrund dessen deutscher Staatsangehörigkeit und Verwurzelung in Deutschland eine spezifische Beziehung zum Bundesgebiet aufweist und nur hier gelebt werden kann. Eine Verweigerung des Visums würde die Lebensgemeinschaft mit dem Kläger zu 2. nicht bloß erschweren, sondern auf Dauer verunmöglichen und damit einen nachhaltigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht, die Menschenwürde und das Recht des Klägers zu 2. auf Achtung seines Privatlebens darstellen. Öffentliche Belange, die einer Aufenthaltnahme des Klägers zu 1. im Bundesgebiet entgegenstünden, greifen nicht durch: Dem Kläger zu 1. steht in Deutschland ausreichender Wohnraum zur Verfügung. Zwar weist die Wohnung des Klägers zu 2. in Nürnberg nur eine Wohnfläche von insgesamt 18,5 m2 auf. Die Beengtheit dieser Wohnung wird jedoch dadurch kompensiert, dass ihn an seinem zweiten Wohnsitz in Weiden ein selbstgenutztes Eigenheim mit einer Wohnfläche von etwa 150 m2 gehört. Dieses steht auch dem Kläger zu 1. zur Verfügung, der bereits in seinem formblattmäßigen Visumsantrag vom 20. Juli 1993 angegeben hatte, dass sein erster Wohnsitz in Nürnberg und sein zweiter Wohnsitz in Weiden sein solle. Der von dem Sitzungsvertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angeführte Gesichtspunkt, dass sich der Kläger zu 2. nicht verpflichten könne, den Lebensunterhalt des Klägers zu 1. auf Jahrzehnte sicherzustellen, zeigt einen der Visumserteilung entgegenstehenden öffentlichen Belang nicht auf. Es reicht aus, dass der Lebensunterhalt - wie hier - auf absehbare Zeit gesichert ist. Im Rahmen künftiger Entscheidungen über die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis wird im übrigen stets zu prüfen sein, ob die Lebensgemeinschaft fortbesteht und ob der Lebensunterhalt des Klägers zu 1. weiterhin gesichert ist; ein eigenständiges Aufenthaltsrecht wird ihm erst bei unbefristeter Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis erwachsen. Die von dem Sitzungsvertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung geäußerte Sorge, dass eine stattgebende Entscheidung "Präzedenzwirkung" haben könne, ist ebenfalls nicht geeignet, eine Versagung des Visums zu rechtfertigen. Streiten - wie hier - gewichtige private Belange, die mit Blick auf ihre verfassungs- und menschenrechtliche Fundierung zugleich auch eine öffentliche Dimension haben, zugunsten der Visumserteilung und liegen konkrete gegenläufige öffentliche Belange nicht vor, so kann das Visum nicht deshalb versagt werden, weil andere Ausländer in gleicher Situation ebenfalls ein Visum beanspruchen könnten. Im übrigen ist selbstverständlich in jedem Einzelfall zu prüfen, ob überhaupt eine Lebensgemeinschaft ernsthaft beabsichtigt ist. Dies mag mitunter schwierig zu beurteilen sein; diese Schwierigkeiten unterscheiden sich jedoch nicht von denen, die bei der Beurteilung der Ernsthaftigkeit einer geltend gemachten ehelichen Lebensgemeinschaft auftreten können. Vorliegend steht die Ernsthaftigkeit der von den Klägern in der Vergangenheit bereits praktizierten und für die Zukunft weiterhin angestrebten Lebensgemeinschaft außer Frage. Sie ergibt sich zum einen aus den klaren und eindeutigen Feststellungen des Generalkonsulats in seinem Schreiben an die Beigeladene vom 27. Juli 1993 und wird zum anderen bestätigt durch die Beharrlichkeit und Unbeirrbarkeit, mit der die Kläger ihr Anliegen seit Jahren im Prozesswege verfolgen. Etwaige einwanderungspolitische Erwägungen kommen
angesichts des verfassungs- und menschenrechtlichen
Schutzes, den die von den Klägern angestrebte
Lebensgemeinschaft genießt, nicht in Betracht. |
b) Der Anspruch des Klägers zu 1. auf Erteilung des begehrten Visums ergibt sich ferner aus Art. 8 Abs. 1 EMRK. Nach dieser Vorschrift hat jedermann Anspruch auf Achtung unter anderem seines Privatlebens. Die Führung einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft unterfällt dem Schutzbereich des Privatlebens (vgl. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte [EGMR], EuGRZ 1983, 488 [490] - Fall Dudgeon; EuGRZ 1992, 477 [481] - Fall Norris). Die Schutzwirkung von Art. 8 Abs. 1 EMRK besteht in erster Linie in der Abwehr willkürlicher Einmischungen des Staates. Daneben kann die Bestimmung aber auch positive Verpflichtungen enthalten, die sich aus einer effektiven "Achtung" des Familien- bzw. Privatlebens ergeben. Insoweit steht den Konventiansstaaten allerdings ein weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl. EGMR, NJW 1986, 3007 [3009] - Fall Abdulaziz u. a.; vgl. auch die Bezugnahme auf diese Rechtsprechung in BVerfGE 76, 1 [80]). In bezug auf den Familiennachzug zu eingewanderten Personen hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ausgeführt, dass die durch Art. 8 Abs. 1 EMRK auferlegte Pflicht nicht die generelle Verpflichtung auf Seiten eines Vertragsstaates umfasse, die Wahl des Familienwohnsitzes durch ein verheiratetes Paar zu respektieren und Ehegatten, die nicht die Nationalität des Vertragsstaates haben, zur Niederlassung zu akzeptieren. Vielmehr hänge die Reichweite der positiven Verpflichtungen der Konventionsstaaten von der konkreten Lage der Betroffenen ab (vgl. EGMR a.a.O.). Die dargelegten, für den Schutzbereich des Familienlebens entwickelten Grundsätze gelten in entsprechender Weise für den des Privatlebens (vgl. Europäische Kommission für Menschenrechte [EKMR] , Decisions and Reports [D. R.] 32, 220 [221] ["Application by analogy of the case-law applicable to family relationships"]). Demzufolge ist Voraussetzung eines aus Art. 8 Abs. 1 EMRK herleitbaren Anspruchs des gleichgeschlechtlichen Lebenspartners auf Aufenthalt und Einreise, daß die Partnerschaft nicht anderswo gelebt werden kann und die Verbindung zu dem betreffenden Konventionsstaat ein materielles Element der Beziehung ("material element of the relationship") ist (EKMR, a.a.O. [222]). Das letztgenannte Erfordernis wird in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dahin formuliert, dass das Privatleben in dem betreffenden Land "fest verankert" sein muss (vgl. InfAuslR 1996, 294, [298], unter Bezugnahme auf die Entscheidung der EKMR, a.a.O.). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt: Wie bereits im Zusammenhang mit §§ 15 und 7 Abs. 1
AuslG dargelegt, können die Kläger nirgendwo anders
als im Bundesgebiet ihre Lebensgemeinschaft führen;
jedenfalls ist ihnen das nicht zumutbar. Die Verbindung
zur Bundesrepublik Deutschland stellt auch ein
materielles Element ihrer Beziehung dar, die hier fest
verankert ist. Dies folgt daraus, dass der Kläger zu 2.
deutscher Staatsangehöriger ist, seine wirtschaftliche
Existenzgrundlage - und damit diejenige der
Lebensgemeinschaft - in Deutschland liegt und dass die
Kläger schon in der Vergangenheit - während des
Asylverfahrens des Klägers zu 1. - in Deutschland
zusammengelebt haben. Sofern das Erfordernis der
"festen Verankerung" darüber hinaus
impliziert, dass zwischen den Partnern nicht nur eine
lockere Verbindung, sondern tatsächlich ein hinreichend
enges Band besteht (in diese Richtung deutet die
Bezugnahme in dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
InfAuslR 1996, 294 [298] auf sein Urteil BVerwGE 66, 268
[273], das seinerseits verweist auf das Urteil BVerwGE
65, 166 [195]), ist auch diese Voraussetzung - wie
dargelegt - hier erfüllt. |
2. Der Anspruch des Klägers zu 2. ergibt sich nicht aus § 15 i.V.m. § 7 Abs. 1 AuslG. Auf diese Vorschriften kann er sich nicht berufen, da sie ihm zwar tatsächlich (reflexartig) zugute kommen, aber nicht zugleich im Rechtssinne seinem individuellen Schutz dienen (vgl. BVerwG, InfAuslR 1996, 294, [299]). Dem Kläger zu 2. steht jedoch - ebenso wie den Kläger zu 1. - ein Anspruch auf Visumserteilung an den Kläger zu 1. aus Art. 6 Abs. 1 EMRK zu. Der in dieser Vorschrift gewährleistete Schutz des Privatlebens kommt beiden Partnern einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft in gleicher Weise zugute. Durch die Versagung des Visums wird nicht nur der einreisewillige Kläger zu 1., sondern auch der ihn erwartende Kläger zu 2. in seinem Recht auf Privatleben betroffen. Die vorstehend unter Gliederungspunkt 1 b) dargelegten Erwägungen gelten in gleicher Weise für den Kläger zu 2.. Nach alledem ist auf die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung des begehrten Visums zu erkennen. Die Verpflichtung ist unter den Vorbehalt zu stellen, dass der Kläger zu 1 einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz nachweist, wozu er bislang keine Veranlassung hatte und was kurzfristig erfolgen kann. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Der dem Verpflichtungsausspruch beigefügte Vorbehalt veranlasst angesichts seiner Marginalität keine Kostenbeteiligung der Kläger. Die Revision ist nicht zuzulassen, da die
Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Namentlich ist die Frage, ob und gegebenenfalls unter
welchen Voraussetzungen eine Aufenthaltserlaubnis zur Führung
einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft erteilt
werden kann, durch das Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts InfAuslR 1996, 294,
hinreichend geklärt. |
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