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LSVD: Antidiskriminierungsgesetz Teil 1


LSVD: Antidiskriminierungsgesetz für Lesben und Schwule

Teil 1: Möglichkeiten eines Antidiskriminierungsgesetzes für Lesben und Schwule

1996

Inhalt

  1. Was bringt uns ein Antidiskriminierungsgesetz?
  2. Die Lebenssituation lesbischer Frauen und schwuler Männer
  3. Diskriminierungen und Anfeindungen, denen Lesben und Schwule ausgesetzt sind
    1. Lesben und Schwule im Rechtsverkehr
    2. Lesben und Schwule im Erwerbsleben
    3. Lesbische und schwule MitarbeiterInnen von kirchlichen Einrichtungen
    4. Schwule Soldaten
    5. Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften
    6. Lesbische und schwule Jugendliche
    7. Lesbische Mütter und schwule Väter
    8. Strafvollzug
    9. Datenschutz
    10. Vereine von Lesben und Schwulen
  4. Anforderungen an ein Antidiskriminierungsgesetz
    1. Der Gleichheitsgrundsatz
    2. Regelungsbereiche eines Antidiskriminierungsgesetzes
  5. Allgemeine Regelungen
    1. Definition der Diskriminierung
    2. Schadensersatz und Abmahnung
    3. Öffentliches Dienstrecht
  1. Polizei
  2. Verbandsklagerecht
  3. Datenschutz
  4. Gleichstellungsstelle
  5. Bericht
  1. Allgemeine Vorschriften für bestimmte Lebensbereiche
    1. Allgemeine Geschäftsbedingungen
    2. Vergabe von öffentlichen Aufträgen
    3. Vergabe von staatlichen Zuwendungen
    4. Erwerbsleben
    5. Volksverhetzung und Beleidigung
    6. Erziehung und Bildung
    7. Verbände von Gruppen, die in besonderer Weise von Benachteiligungen bedroht sind
  2. Besondere Regelungen für Lesben und Schwule
    1. Erwerbsleben und Bundeswehr
    2. Mietrecht
    3. Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften
    4. Lesbische und schwule Jugendliche
    5. Lesbische Mütter und Väter
    6. Strafvollzug
    7. Datenschutz

Hinweis: Die in diesem Text vorgeschlagenen Gesetzesänderungen sind in dem Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Minderheiten zusammengefasst.


1. Was bringt uns ein Antidiskriminierungsgesetz?

In den siebziger und achtziger Jahren stand der Kampf für die gänzliche Streichung des § 175 StGB im Vordergrund der politischen Arbeit in der Schwulenbewegung. Dieser Kampf - der Paragraph wurde 1994 endlich abgeschafft - hat seine Bedeutung für die Mobilisierung der Schwulen gehabt. Es ist den Schwulen aber nicht gelungen, der Öffentlichkeit bewusst zu machen, dass Lesben und Schwule in fast allen Lebensbereichen erheblich diskriminiert werden.

Das änderte sich erst, als die Schwulenbewegung Ende der achtziger Jahre begann, sich dem Kampf für gleiche Bürgerrechte zuzuwenden. Besonders erfolgreich war die "Aktion Standesamt" des "Schwulenverband in Deutschland" (SVD) und der "Schwulen Juristen" im Sommer 1992. Mit ihr ist es zum ersten Mal gelungen, der Öffentlichkeit das Ausmaß der Diskriminierung bewusst zu machen.

Derselbe Aufklärungseffekt lässt sich mit der Forderung nach einem Antidiskriminierungsgesetz erzielen. Denn jede Diskussion darüber, ob ein solches Gesetz notwendig ist und was in ihm geregelt werden soll, setzt eine Bestandsaufnahme der Lebensverhältnisse der Lesben und Schwulen voraus. Damit kann der Öffentlichkeit anschaulich verdeutlicht werden, in welchem Ausmaß selbstverständliche Menschen- und Grundrechte den Lesben und Schulen immer noch vorenthalten werden.

Ohne eine solche Aufklärungsarbeit wird es nie gelingen, für Lesben und Schwule wenigstens annähernd gleiche Menschen- und Grundrechte zu erkämpfen. Die Diskriminierung von Minderheiten beruht immer auf Vorurteilen der Mehrheit, die zu gesellschaftlichen Ordnungsvorstellungen gerinnen. Gegen diese gesellschaftlichen Ordnungsvorstellungen können Gesetze allein wenig ausrichten. Die Emanzipation von Minderheiten kann nicht von oben her befohlen werden. Sie ist nur durchsetzbar, wenn die verkrusteten Ordnungsvorstellungen in Bewegung geraten.

Das wichtigste ist deshalb, der Gesellschaft mit Hilfe des Einsatzes für ein Antidiskriminierungsgesetz ein Bewusstsein dafür zu vermitteln, wie sehr sie die Menschen- und Grundrechte der Lesben und Schwulen noch immer missachtet.

Sollte es gelingen, ein Antidiskriminierungsgesetz durchzusetzen, kann dies den Prozess der Emanzipation absichern und beschleunigen. Denn ein solches Gesetz verbessert die Möglichkeiten, sich zu wehren, und macht allen Mut, gegen diskriminierende Maßnahmen von Behörden und Privatpersonen die Gerichte anzurufen. Zugleich bindet es alle Richter, auch wenn diese als Privatpersonen noch an den gesellschaftlichen Vorurteilen gegenüber Lesben und Schwulen teilhaben.

2. Die Lebenssituation lesbischer Frauen und schwuler Männer

Der Anteil ausschließlich gleichgeschlechtlich orientierter Bürger und Bürgerinnen an der Bevölkerung ist ziemlich konstant und relativ unabhängig von zeitgenössischen und kulturellen Einflüssen. Er liegt bei Männern bei 4-5 %, bei Frauen bei 1-3%1.

Von den homosexuellen Männern lebten Anfang der neunziger Jahre etwa 55 % in einer festen Beziehung mit einem anderen Mann2. Bei lesbischen Frauen ist der Anteil derjenigen, die mit einer Frau in einer festen Partnerschaft leben, nicht bekannt, aber mit ho her Wahrscheinlichkeit noch größer. Ein Teil der gleichgeschlechtlichen Paare lebt wie verschiedengeschlechtliche eheähnliche3 Paare auf Probe oder auf Zeit zusammen, ein anderer Teil will wie Eheleute lebenslang zusammenbleiben. Die Partnerschaften sind nicht bloß Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaften, sondern Lebensgemeinschaften, die auf Dauer angelegt sind, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulassen und sich durch innere Bindungen auszeichnen, die ein gegenseitiges Einstehen der PartnerInnen füreinander begründen4.

Seit Ende der sechziger Jahre werden schwule Männer nicht mehr strafrechtlich verfolgt, und seit Mitte der achtziger Jahre gilt das Zusammenleben zweier Personen gleichen Geschlechts nicht mehr als sittenwidrig5. Dadurch hat sich die Lebenssituation homosexueller Frauen und Männer wesentlich verbessert. Lesben und Schwule werden aber noch immer in vielen Lebensbereichen diskriminiert.

3. Diskriminierungen und Anfeindungen, denen Lesben und Schwule ausgesetzt sind

3.1 Lesben und Schwule im Rechtsverkehr

Ehepaare erhalten nicht selten von Versicherungen und Beförderungsunternehmen, bei Ausstellungen, von Kinos und bei ähnlichen Veranstaltungen sowie von Arbeitgebern im Rahmen von Firmentarifen günstigere Konditionen oder besondere Preisnachlässe. Inzwischen wird es immer üblicher, auch eheähnlichen Paaren solche Vergünstigungen zu gewähren. Die meisten Anbieter lehnen es aber ab, gleichgeschlechtliche Paare genauso zu begünstigen, selbst wenn diese nachweisen, dass sie zusammen wohnen.

Erhebliche Diskriminierungen gibt es auch auf dem Wohnungsmarkt. Wenn gleichgeschlechtliche Paare gemeinsam eine Wohnung suchen und anmieten wollen, werden sie von den VermieterInnen meist zurückgewiesen.

Besondere Probleme treten bei gleichgeschlechtlichen Paaren auf, wenn die PartnerInnen sterben, die MieterInnen waren. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs werden in solchen Fällen nur verschiedengeschlechtliche LebenspartnerInnen geschützt. Sie treten in entsprechender Anwendung des § 569a Abs. 2 Satz 1 BGB in den Mietvertrag ein. Gleichgeschlechtliche Le-benspartnerInnen haben dieses Recht nicht6. Sie genießen deshalb beim Tod ihrer PartnerInnen keinen Mieterschutz.

3.2 Lesben und Schwule im Erwerbsleben

Lesben und Schwule können zwar heute von ihren Arbeitgebern und Dienstherren nicht mehr entlassen werden, wenn bekannt wird, dass sie homosexuell sind und mit einer Frau bzw. einem Mann zusammenleben7. Es ist aber höchst ungewiss, ob ihre Firma bzw. ihre Beh örde sie eingestellt hätten, wenn ihre sexuelle Identität schon vorher bekannt gewesen wäre. Auch ist es heute noch undenkbar, dass einer fähigen lesbischen Beamtin oder einem fähigen schwulen Beamten die Leitung eines Finanzamts oder einer Polizeidirektion übertragen wird. Dasselbe gilt für die Aufstiegs­chancen lesbischer und schwuler Angestellten in größeren Unternehmen. Ihnen sind die Leitungsebenen durchweg verschlossen, mögen sie auch noch so tüchtig sein. Außerdem klagen sehr viele Lesben und Schwule über Mobbing am Arbeitsplatz8.

3.3 Lesbische und schwule MitarbeiterInnen von kirchlichen Einrichtungen

Besonders schlimm ist die Situation homosexueller MitarbeiterInnen in kirchlichen Einrichtungen. Dazu zählen nicht nur die MitarbeiterInnen im kirchlichen Verkündigungsdienst, sondern auch die Beschäftigten in den Einrichtungen der Caritas, der Inneren Mission und der Diakonie, in den kirchlichen Kindergärten und Kindertagesstätten, in den Krankenhäusern, Alters- und Pflegeheimen, in den Privatschulen, Internaten und Ferienheimen sowie bei den Kirchenzeitungen. Die beiden großen Kirchen beschäftigen in diesem Bereich gegenwärtig mehr als 1,2 Mio. MitarbeiterInnen. Sie sind damit die größten Arbeitgeber in der Bundesrepublik.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts9 sind die Kirchen berechtigt, allen MitarbeiterInnen die Beachtung jedenfalls der tragenden Grundsätze der kirchlichen Glaubens- und Sittenlehre aufzuerlegen und von ihnen zu verlangen, dass sie auch im Privatleben nicht gegen die fundamentalen Verpflichtungen verstoßen, die sich aus ihrer Zugehörigkeit zur Kirche ergeben und die jedem Kirchenmitglied obliegen. Deshalb enthalten die Arbeitsverträge üblicherweise besondere Klauseln, durch die den MitarbeiterInnen die Pflicht auferlegt wird, ihre gesamte Lebensführung nach der Glaubens- und Sittenlehre sowie den übrigen Normen der betreffenden Kirche auszurichten. Das gibt den kirchlichen Arbeitgebern die Möglichkeit, homosexuelle MitarbeiterInnen zu entlass en, wenn sie gegen die kirchlichen Glaubens- und Moralvorschriften verstoßen.

3.4 Schwule Soldaten

Erheblich diskriminiert werden auch schwule Soldaten. Die Bundeswehr besteht zwar darauf, dass schwule junge Männer den Wehrdienst ableisten. Sie vertritt aber die Auffassung, dass Schwule als Vorgesetzte und Ausbilder generell ungeeignet seien. Das Bundesverwaltungsgericht hat diese diskriminierende Praxis der Bundeswehr wiederholt gebilligt10. Wegen dieser Rechtsprechung müssen schwule Vorgesetzte und Ausbilder der Bundeswehr ständig in der Angst leben, dass ihre Homosexualität bekannt und dadurch ihre berufliche Existenz zerstört wird.

3.5 Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften

Viele Diskriminierungen von Lesben und Schwulen hängen damit zusammen, dass sie keine Möglichkeit haben, ihre Partnerschaften rechtlich abzusichern. Sie haben deshalb nicht den Rechtsstatus von „Angehörigen“, sondern gelten vor dem Gesetz immer als Fremde, gleichgültig wie lange sie zusammen gelebt haben. Daraus ergeben sich vor allem im persönlichen Bereich erhebliche Schwierigkeiten. So haben gleichgeschlechtliche PartnerInnen kein gegenseitiges Zeugnisverweigerungsrecht, kein Auskunfts- und Besuchsrecht b ei Unglücks- und Krankheitsfällen und kein Recht zur Regelung der Beerdigung. Verschiedengeschlechtliche PartnerInnen haben diese Schwierigkeiten meist nicht, weil sie sich als „Verlobte“ ausgeben können.

Andere rechtliche Probleme, die bei gleichgeschlechtlichen Partnerschaften zu Schwierigkeiten führen können, treten zwar bei verschiedengeschlechtlichen PartnerInnen in gleicher Weise auf. Diese haben dann aber die Möglichkeit, zu heiraten, während Lesben und Schwulen das verwehrt wird. Es geht hier vor allem um - zum Teil sehr erhebliche - Benachteiligungen beim Lohn bzw. Gehalt, im Steuerrecht, bei Versetzungen, bei den Pensions-, Versorgungs- und Rentenansprüchen, im Erbrecht und beim Aufenthaltsrecht für gemischtnationale Paare.

Die Benachteiligungen gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften wiegen schwer. So ist z.B. die Situation gemischtnationaler Paare meist ausweglos. Ihnen wird ein Zusammenleben unmöglich gemacht, weil die ausländische PartnerInnen kein Einreisevisum erhalten oder abgeschoben werden. Sehr tragisch können sich der fehlende Angehörigenstatus und das fehlende gesetzliche Erbrecht vor allem bei plötzlichen Krankheits- und Todesfällen auswirken. Unabhängig davon wird es gleichgeschlechtlichen Paaren unverhältnismäßig erschwert, das gemeinsam erarbeitete Vermögen und die Altersversorgung für den überlebenden Teil zu sichern. So sind z.B. die hohen Pflichtteilsansprüche der Eltern und die enorme Erbschaftssteuer Probleme, die selbst beim gemeinsamen Kauf einer Eigentumswohnung unbedingt bedacht werden müssen.

3.6 Lesbische und schwule Jugendliche

Nach allem was wir wissen, erfolgt die sexuelle Prägung in frühester Jugend und ist unabänderlich. Gleichwohl versuchen Eltern und Erzieher immer wieder, die homosexuelle Identität lesbischer und schwuler Jugendlicher zu unterdrücken oder zu ändern. Den Jugendlichen wird der Besuch von einschlägigen Diskotheken und Coming-out-Gruppen sowie der Umgang mit lesbischen Freundinnen und schwulen Freunden verboten, und sie werden gezwungen, Heterosexualisierungstherapien über sich ergehen zu lassen. Gelegentlich kommt es auch heute noch vor, dass Eltern ihre gleichgeschlechtlich orientierten Kinder aus dem Haus weisen und ihnen jede Unterstützung entziehen.

3.7 Lesbische Mütter und schwule Väter

Lesbische Mütter und schwule Väter werden bei Sorgerechtsstreitigkeiten, bei der Vermittlung von Pflegekindern und bei der Erteilung der Pflegeerlaubnis sowie bei Adoptionen oft benachteiligt11. Dahinter steht die Furcht, dass sich die Kinder „falsch“ entwickeln und ebenfalls lesbisch bzw. schwul werden könnten. Hinzu kommt das Vorurteil, dass alle Schwulen triebhaft hinter kleinen Jungen her seien. Deshalb will man verhindern, dass ihnen Kinder „ausgeliefert“ werden.

3.8 Strafvollzug

Lesbische und schwule Gefangene, die sich in den Vollzugsanstalten als solche zu erkennen geben, werden nicht selten von den Anstaltsleitungen benachteiligt und von den Anstaltsbediensteten sowie den Mitgefangenen diskriminiert und schikaniert.

3.9 Datenschutz

Es bestreitet heute niemand mehr, dass allgemeine Datensammlungen über Homosexuelle (“Rosa Listen“) unzulässig sind. Trotzdem werden immer wieder Fälle bekannt, in denen örtliche Polizeibehörden gegen dieses Verbot verstoßen. Gelegentlich tarnen Polizeibehörden solche Sammlungen als „Stricher-Dateien“, indem sie z.B. alle Männer, die auf öffentlichen Toiletten angetroffen werden, als „Stricher“ registrieren.

3.10 Vereine von Lesben und Schwulen

Vereine von Lesben und Schwule haben immer wieder Schwierigkeiten, als mildtätig oder als gemeinnützig und besonders förderungswürdig anerkannt zu werden, auch wenn es nach ihrer Tätigkeit und ihrer Satzung nicht zweifelhaft ist, dass sie solche förderungswürdigen Zwecke verfolgen. So haben z.B. Ende der achtziger Jahre die Finanzminister von Bayern und Baden-Württemberg ihre Finanzämter angewiesen, lesbische und schwule Gruppen grundsätzlich nicht als gemeinnützig anzuerkennen.

4. Anforderungen an ein Antidiskriminierungsgesetz

4.1 Der Gleichheitsgrundsatz

Auf welche Weise und wodurch es zur Ausprägung einer hetero- oder homosexuellen Identität kommt, ist ungeklärt und wird wahrscheinlich auch nie geklärt werden können, weil man mit Menschen nur sehr bedingt experimentieren kann. In der Humanwissenschaft besteht aber Einigkeit darüber, dass die sexuelle Prägung schon in frühester Kindheit erfolgt und unabänderlich ist. Es gibt zwar fundamentalistische protestantische Gruppen, Sekten und Kirchenführer, die behaupten, Homosexualität lasse sich mit Gottes Hilfe h eilen. Aber es ist noch nirgendwo eine dauerhafte "Heilung" überzeugend dokumentiert worden.

Da die Menschen ihre sexuelle Identität weder wählen noch ändern können, verstößt eine Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die Vorschrift gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Demgemäss ist dieses G rundrecht vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten12. Erfolgt eine Ungleichbehandlung, so muss der rechtfertigende Grund in einem angemessenen Verhältnis dazu stehen. Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers geht dabei am weitesten, wenn die Betroffenen sich durch eigenes Verhalt en auf die unterschiedlichen Regelungen einstellen können. Dagegen ist die Bindung des Gesetzgebers um so enger, je mehr sich die personenbezogenen Merkmale den in Art. 3 Abs. 3 GG genannten annähern und je größer deshalb die Gefahr ist, dass eine an sie an knüpfende Ungleichbehandlung zur Diskriminierung einer Minderheit führt13.

Nach diesen vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Rechtssätzen dürfte es eigentlich keine Ungleichbehandlung geben, die an die sexuelle Identität anknüpft. Denn sie ist ein unabänderliches persönliches Merkmal, das für das Leben homosexuell geprägter Menschen in der sozialen Gemeinschaft eine ähnlich grundlegende Bedeutung hat wie das in Art. 3 Abs. 3 GG ausdrücklich erwähnte persönliche Merkmal des "Geschlechts". Eine Ungleichbehandlung, die an dieses persönliche Merkmal anknüpft, stellt deshalb eine v erbotene Diskriminierung der Minderheit der gleichgeschlechtlich orientierten Menschen dar.

Gleichwohl haben die Gerichte Diskriminierungen von Lesben und Schwulen immer wieder mit der Begründung gebilligt, dass nach Art. 3 GG nur Gleiches gleich behandelt werden müsse und dass die betreffenden Lebenssachverhalte nicht miteinander vergleichbar seie n. Dafür gibt es in der Geschichte der Diskriminierung von Lesben und Schwulen viele Beispiele.

Ein besonders schlimmes Beispiel ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 10.05.1957, mit dem das Gericht die nationalsozialistischen Strafvorschriften gegen die männliche Homosexualität gebilligt hat14. Das Bundesverfassungsgericht hat damals die Auffassung vertreten, die Bestrafung nur der männlichen und nicht auch der weiblichen Homosexualität verletze den Gleichheitsgrundsatz nicht, weil der biologische Geschlechtsunterschied den Lebenssachverhalt so entscheidend präge, dass etwa vergleichbare Elemente daneben vollkommen zurückträten. Wörtlich heißt es in dem Urteil15:

 "Schon die körperliche Bildung der Geschlechtsorgane weist für den Mann auf eine mehr drängende und fordernde, für die Frau auf eine mehr hinnehmende und zur Hingabe bereite Funktion hin. (...) Anders als der Mann wird die Frau unwillkürlich schon durch ihren Körper daran erinnert, dass das Sexualleben mit Lasten verbunden ist. Damit mag es zusammenhängen, dass bei der Frau körperliche Begierde (Sexualität) und zärtliche Empfindungsfähigkeit (Erotik) fast immer miteinander verschmolzen sind, während beim Mann e, und zwar gerade beim Homosexuellen, beide Komponenten vielfach getrennt bleiben. Die Gefahr einer Akzentverschiebung zu Lasten der Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, und zugunsten des bloßen Lustgewinnes ist daher eine besondere Gefahr der männlichen Sexualität. Die kulturelle Aufgabe, Lustgewinn und Bereitschaft zur Verantwortung zu verbinden, wird von 'dem männlichen Sexualverhalten extrem häufiger ... verfehlt' als von dem weiblichen.

Die Verschiedenheiten des Geschlechtslebens machen sich bei der Gleichgeschlechtlichkeit womöglich noch stärker geltend als bei heterosexuellen Beziehungen, da der auf Mutterschaft angelegte Organismus der Frau unwillkürlich den Weg weist, auch dann in einem übertragenen sozialen Sinne fraulich-mütterlich zu wirken, wenn sie biologisch nicht Mutter ist, während eine entsprechende Komponente beim Mann fehlt. So gelingt der lesbisch veranlagten Frau das Durchhalten sexueller Abstinenz leichter, während der homosexuelle Mann dazu neigt, einem hemmungslosen Sexualbedürfnis zu verfallen."

In diesen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts sind alle Klischees der traditionellen kirchlichen Sexualmoral vereint: die aus dem Bau der Geschlechtsorgane abgeleitete "natürliche Rollenverteilung", die Ablehnung jeder Lust, die nicht auf Zeugung ausgerichtet ist, und die Vorstellung, dass Kultur Abstinenz voraussetzt.

Um solchen Interpretationskünsten der Rechtsprechung vorzubeugen, ist es unbedingt geboten, in einem Antidiskriminierungsgesetz das Diskriminierungsverbot so konkret zu fassen, dass den Gerichten solche Umgehungsmanöver nicht mehr möglich sind.

Das Benachteiligungsverbot des Art. 3 GG ist zudem nur ein Abwehrrecht gegenüber der staatlichen Gewalt (vgl. Art. 1 Abs. 3 GG). Es gilt nicht ohne weiteres im privaten Rechtsverkehr. Inzwischen hat sich aber die Erkenntnis durchgesetzt, dass der Gesetzgeber befugt ist, Benachteiligungsverboten auch im privaten Rechtsverkehr Geltung zu verschaffen, wenn das erforderlich ist, um Gruppen zu schützen, die in besonderer Weise von Benachteiligungen bedroht sind. So enthält z.B. § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ein Diskriminierungsverbot, das Art. 3 Abs. 3 GG nachgebildet ist und die Arbeitgeber bindet. Auch ist das Verbot, Frauen wegen ihres Geschlechts zu diskriminieren, durch das Zweite Gleichberechtigungsgesetz vom 24.06.199416 auf alle privatrechtlichen Arbeitsverhältnisse ausgedehnt worden (vgl. §§ 611a, 611b BGB). Dasselbe muss auch durch das Antidiskriminierungsgesetz geschehen. Es muss so gefasst werden, dass es nicht nur die staatliche Gewalt bindet, sondern auch für den zivilen Rechtsverkehr gilt.

Dagegen braucht das Antidiskriminierungsgesetz nicht das private nichtrechtsgeschäftliche Handeln zu erfassen. Für diesen Bereich genügen die strafrechtlichen Vorschriften gegen Beleidigung (§§ 185 ff. StGB) und Volksverhetzung (§ 130 StGB17.

4.2 Regelungsbereiche eines Antidiskriminierungsgesetzes

Die verschiedenen Minderheitengruppen werden in unterschiedlichen Lebensbereichen benachteiligt. Trotzdem hat ihre Diskriminierung eine gemeinsame Wurzel, nämlich die allgemeine Tendenz, Menschen abzulehnen und auszugrenzen, die anders sind als die Mehrheit. Deshalb sollte ein Antidiskriminierungsgesetz allgemeine Regelungen enthalten, die generell die Solidarität mit allen Minderheiten einfordern. Daneben sind zusätzliche Regelungen für die einzelnen Minderheitengruppen erforderlich, die auf die besonderen Benachteiligungen dieser Gruppen zugeschnitten sein müssen. Diese Regelungen können entweder in einen besonderen Teil des Antidiskriminierungsgesetzes eingestellt oder in Sondergesetze übernommen werden. Letzteres empfiehlt sich bei den Minderheitengruppe n, für die bereits Sondergesetze existieren wie etwa die Schwerbehinderten und die Ausländer.

5. Allgemeine Regelungen

5.1 Definition der Diskriminierung

Die allgemeinen Regelungen des Antidiskriminierungsgesetzes sollen für alle Gruppen gelten, die in besonderer Weise von Benachteiligungen bedroht sind. Das sind zum einen die in Art. 3 Abs. 3 GG aufgezählten Gruppen und zum anderen die Lesben und Schwulen. Das Diskriminierungsverbot sollte deshalb an Art. 3 Abs. 3 GG anknüpfen und um das Verbot der Diskriminierung wegen der "sexuellen Identität“ erweitert werden.

Dem steht nicht entgegen, dass ein Antrag der SPD auf Aufnahme der „sexuellen Identität“ in die Diskriminierungsverbote des Art. 3 Abs. 3 GG in der Gemeinsamen Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat mit 27 Ja-Stimmen, 22 Nein-Stimmen und 3 Enthaltungen nicht die erforderliche 2/3 Mehrheit erreicht hat. Denn damals haben die Gegner der Änderung u.a. eingewandt, die notwendige Beseitigung von Defiziten auf diesem Gebiet könne auch vom einfachen Gesetzgeber geleistet werden18.

Ich halte den Ausdruck „sexuelle Identität“, den die brandenburgische (Art. 12 Abs. 2) und die Berliner Verfassung (Art. 10 Abs. 2) verwenden, für angemessener als der Ausdruck „sexuelle Orientierung“, der in in den USA üblich ist und von der thüringischen Verfassung (Art 2 Abs. 2) verwandt wird. Der Begriff „sexuelle Orientierung“ ist zu sehr auf das Sexuelle eingeengt. Die gleichgeschlechtli­che Orientierung prägt die Identität von Lesben und Schwulen grundle­gend anders, unabhängig davon, ob sie sich sexuell betätigen oder nicht. Deshalb erscheint es mir sachgemäß, statt "sexuelle Orientierung" den Ausdruck "sexuelle Identität" zu verwen­den.

Das Benachteiligungsverbot darf andererseits sachlich gebotene Unterscheidungen nicht verhindern. Das gilt vor allem für Eignungsprofile, die berechtigterweise an bestimmte persönliche Merkmale anknüpfen. So erscheint es z.B. sachgemäß, dass eine politische Partei die Einstellung und weitere Beschäftigung von ReferentInnen von deren politischen Anschauungen abhängig macht. Dagegen wäre es nicht gerechtfertigt, wenn sie auch so bei Schreibkräften verfahren würde, die nur technische Arbeiten zu erledigen haben.

Das Antidiskriminierungsgesetz darf auch positive Fördermaßnahmen und Hilfen für Benachteiligte nicht unmöglich machen. Deshalb muss im Gesetz klargestellt werden, dass solche sozialen Maßnahmen keine Benachteiligung anderer darstellen.

Ich schlage deshalb vor, das Benachteiligungsverbot wie folgt zu fassen:

Benachteiligungsverbot
(1) Jeder schuldet jedem Anerkennung als Gleicher19.
(2) Niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner sexuellen Identität, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen oder seiner Behinderung benachteiligt werden.
(3) Eine Benachteiligung ist nicht gegeben, wenn eine Berücksichtigung dieser Merkmale der Sache nach unverzichtbar20 geboten ist.
4) Maßnahmen, die dazu dienen, Benachteiligungen wegen dieser Merkmale auszugleichen, sind keine Benachteiligung anderer.

5.2 Schadensersatz und Abmahnung

Das allgemeine Benachteiligungsverbot ist Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 Satz 1 BGB. Verstöße gegen das Benachteiligungsverbot lösen Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche aus.

Die Verfolgung möglicher Schadensersatzansprüche durch die Betroffenen erscheint mir allerdings zur Verhinderung von Diskriminierungen weniger effektiv als die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen. Das zeigen die Erfahrungen im Bereich des unlauteren Wettbewerbs. Deshalb halte ich es nicht für erforderlich, die Verfolgung von Schadensersatzansprüchen generell durch Schadensvermutungen zu erleichtern21. Auch erscheint es mir nicht geboten, Diskriminierten über die derzeitigen Regelungen des Bürgerliche n Gesetzbuchs hinaus ein besonderes Schmerzensgeld zuzubilligen.

Viel wichtiger ist es, den Verbänden der Betroffenen das Recht einzuräumen, Unterlassungsansprüche im eigenen Namen geltend zu machen. Auch sollte ihnen die Verfolgung von Unterlassungsansprüchen durch Beweisregeln nach dem Vorbild des § 611a Abs. 1 BGB erleichtert werden. Eine solche Vorschrift könnte wie folgt lauten:

Abmahnung
(1) Wer gegen das Benachteiligungsverbot verstößt, kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.
(2) Der Anspruch auf Unterlassung kann auch von rechtsfähigen Verbänden geltend gemacht werden, zu deren satzungsmäßigen Aufgaben es gehört, die Interessen der Benachteiligten durch Aufklärung und Beratung wahrzunehmen, sofern der Anspruch eine Handlung betrifft, durch die wesentliche Belange der Benachteiligten berührt werden. Die Verbände müssen Verbände, die in diesem Aufgabenbereich tätig sind, oder mindestens fünfundsiebzig natürliche Personen als Mitglieder haben.
(3) Wenn Tatsachen geltend gemacht werden, die einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot vermuten lassen, trägt der andere Teil die Beweislast dafür, dass nicht auf die Merkmale des § ... Abs. 2 ADG bezogene, sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen oder dass eine Berücksichtigung dieser Merkmale der Sache nach unverzichtbar geboten ist.

Die Beschränkung der Befugnis zur Abmahnung auf größere Verbände und auf wesentliche Benachteiligungen nach dem Vorbild des § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG und des § 13 Abs. 2 Nr. 1 AGB ist notwendig, um Missbräuchen vorzubeugen. Wann eine Diskriminierung wesentliche Belange der Benachteiligten berührt, kann im Gesetz nicht allgemein definiert werden. Dafür ist das Leben zu vielgestaltig. Die Ausfüllung dieses Begriffs muss der Rechtsprechung überlassen bleiben.

5.3 Öffentliches Dienstrecht

Das vorgeschlagene Benachteiligungsverbot ist nur auf den zivilen Rechtsverkehr zugeschnitten. Es muss deshalb durch eine weitere Bestimmung ergänzt werden, die es allen Bediensteten des Bundes, der Länder und der Kommunen zur Pflicht macht, bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben das Diskriminierungsverbot zu beachten. Das könnte durch folgende Vorschrift geschehen:

Öffentlicher Dienst
Öffentliche Bedienstete dürfen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben niemand wegen der in § ... Abs. 2 genannten Merkmale benachteiligen. § ... Abs. 3 und 4 gilt entsprechend.

Eine solche Bestimmung gibt den Betroffenen und ihren Verbänden die Möglichkeit, sich gegen Diskriminierungen durch Dienstaufsichtsbeschwerden und Anträge auf Einleitung von Disziplinarverfahren zu wehren.

5.4 Polizei

Bei der Polizei scheint die Tendenz zur Diskriminierung von Minderheiten besonders stark verbreitet zu sein. Deshalb haben die nordrhein-westfälischen Koalitionsparteien beschlossen, in das nordrhein-westfälische Polizeigesetz ein ausdrückliches Diskriminierungsverbot aufzunehmen.

Eine solche zusätzliche Vorschrift ist angesichts der besonderen Neigung der Polizei zu Diskriminierungen zu begrüßen, obwohl natürlich das oben vorgeschlagene allgemeine Diskriminierungsverbot ohnehin auch für die Polizeibeamten gilt.

5.5 Verbandsklagerecht

Benachteiligte verzichten oft auf die Verfolgung ihrer Rechte und Ansprüche, weil sie sich dem nicht gewachsen fühlen. Deshalb muss den Verbänden der Benachteiligten die Befugnis eingeräumt werden, die Rechte und Ansprüche der Betroffenen für diese im eigenen Namen geltend zu machen. Das könnte durch folgende Vorschrift geschehen:

Verbandsklagerecht
(1) Rechtsfähige Verbände, zu deren satzungsmäßigen Aufgaben es gehört, die Interessen der Benachteiligten durch Aufklärung und Beratung wahrzunehmen, sind berechtigt, bei Streitigkeiten über das Vorliegen von Benachteiligungen die Rechte und Ansprüche der Benachteiligten für diese im eigenen Namen gerichtlich und und außergerichtlich geltend zu machen, sofern sie dazu von den Benachteiligten ermächtigt worden sind.
(2) Die Ermächtigung kann nicht widerrufen werden.

5.6 Datenschutz

Der Datenschutz lässt sich nicht für alle Gruppen von Benachteiligten einheitlich regeln.

5.7 Gleichstellungsstelle

Mit der Umsetzung des Antidiskriminierungsgesetzes muss eine besondere Stelle beauftragt werden. Ihre Aufgabe sollte es sein, die Durchführung dieses Gesetzes zu überwachen und Verstöße zu rügen. Eine entsprechende Vorschrift könnte folgendermaßen lauten:

Gleichstellungsstelle
(1) Die Gleichstellungsstelle ist eine oberste Bundesbehörde.
(2) Sie unterstützt den Deutschen Bundestag, die Bundesregierung und einzelne Bundesministerien bei der Umsetzung dieses Gesetzes. Soweit die Gleichstellungsstelle den Bundestag berät, unterrichtet sie gleichzeitig die Bundesregierung.
(3) Jeder hat das Recht, sich unmittelbar an die Gleichstellungsstelle zu wenden. Wegen der Tatsache der Anrufung der Gleichstellungsstelle darf er nicht gemaßregelt oder benachteiligt werden.
(4) Zur Überprüfung von Eingaben kann die Gleichstellungsstelle von den Bundesministerien Auskunft und Akteneinsicht verlangen. Diese Rechte können ihr nur verweigert werden, soweit zwingende Geheimhaltungsgründe entgegenstehen.
(5) Die Gleichstellungsstelle kann einen Vorgang der für die Einleitung des Straf- oder Disziplinarverfahrens zuständigen Stelle zuleiten.
6) Das Nähere regelt ein Gesetz.

5.8 Bericht

Zur Förderung des Umsetzung des Antidiskriminierungsgesetzes sollte die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag alle drei Jahre22 einen Bericht über den Stand der Abbau von Diskriminierungen in Deutschland erstatten. Die Vorschrift könnte folgendermaßen lauten:

Bericht
Die Bundesregierung legt dem Deutschen Bundestag alle drei Jahre einen Erfahrungsbericht über die Situation der in § ... Abs. 2 ADG genannten Gruppen vor. Die Bundesministerien haben dazu die erforderlichen Angaben zu machen. Der Bericht darf keine personenbezogene Daten enthalten.

6. Allgemeine Vorschriften für bestimmte Lebensbereiche

6.1 Allgemeine Geschäftsbedingungen

In weiten Bereichen des Rechtsverkehrs sind Allgemeine Geschäftsbedingungen üblich. Deshalb bietet es sich an, das Benachteiligungsverbot in das AGB-Gesetz zu übernehmen und den Verbänden der Betroffenen auch insoweit ein Abmahnungsrecht einzuräumen. Das könnte wie folgt geschehen:

§ 9 Abs. 2 AGB-Gesetz
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
.....
3. gegen § ... Abs. 2 ADG verstößt.

§ 13 Abs. 3a AGB-Gesetz
Im Fall von § 9 Abs. 2 Nr. 3 können die Ansprüche auf Unterlassung und auf Widerruf nur von rechtsfähigen Verbänden geltend gemacht werden, zu deren satzungsmäßigen Aufgaben es gehört, die Interessen der Benachteiligten durch Aufklärung und Beratung wahrzunehmen, wenn sie in diesem Aufgabenbereich tätige Verbände oder mindestens fünfundsiebzig natürliche Personen als Mitglieder haben.

6.2 Vergabe von öffentlichen Aufträgen

Es ist Aufgabe der öffentlichen Hand, auf den Abbau von Diskriminierungen hinzuwirken. Dazu kann die Verpflichtung beitragen, den Abschluss von Verträgen über Lieferungen und Leistungen davon abhängig zu machen, dass die Vertragspartner das Benachteiligungsverbot beachten. Diese Verpflichtung kann durch eine entsprechende Ergänzung des Haushaltsgrundsätzegesetzes und der Bundeshaushaltsordnung begründet werden:

§ 30 Abs. 2 HGrG
(2) Die Vertragspartner sind zu verpflichten, bei der Ausführung der Lieferungen oder Leistungen das Benachteiligungsverbot des § ... Abs. 2 ADG zu beachten.

§ 55 Abs. 2a BHO
(2a) Die Vertragspartner sind zu verpflichten, bei der Ausführung der Lieferungen oder Leistungen das Benachteiligungsverbot des § ... Abs. 2 ADG zu beachten.

6.3 Vergabe von staatlichen Zuwendungen

Es empfiehlt sich, dieselben Regelungen für die Vergabe von stattlichen Zuwendungen vorzusehen. Jedoch muss dabei das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen beachtet werden.

Die den Kirchen eingeräumte Befugnis, MitarbeiterInnen zu entlassen, wenn sie gegen kirchliche Glaubens- und Moralvorschriften verstoßen, ist berechtigt, soweit es sich dabei um MitarbeiterInnen im Verkündigungsdienst handelt. Anders verhält es sich dagegen mit den Beschäftigten in der kirchlichen Sozialarbeit.

Die Kirchen haben im sozialen Bereich den Grundsatz der Subsidiarität durchgesetzt. So bestimmt z.B. § 4 Abs. 2 SGB VIII, dass die öffentliche Jugendhilfe von eigenen Maßnahmen absehen soll, soweit geeignete Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen von an erkannten Trägern der freien Jugendhilfe betrieben oder rechtzeitig geschaffen werden können. Ähnlich heißt es in § 10 Abs. 4 BSHG: "Wird die Hilfe im Einzelfalle durch die freie Wohlfahrtspflege gewährleistet, sollen die Träger der Sozialhilfe von der Durchführung eigener Maßnahmen absehen; dies gilt nicht für die Gewährung von Geldleistungen." Das bedeutet praktisch, dass der Staat im Sozialbereich nur tätig werden darf, wenn den Kirchen eine Aufgabe nicht interessant genug ist.

Die Kirchen finanzieren aber ihre Sozialarbeit nicht mit ihren Kirchensteuereinnahmen, sondern fast ausschließlich mit zusätzlichen staatlichen Mitteln23, die auch von den BürgerInnen aufgebracht werden, die keiner Kirche angehören. Deshalb erscheint es an gemessen, den Kirchen bei der Vergabe staatlicher Mittel für Einrichtungen und Projekte, die nicht unmittelbar der kirchlichen Verkündigung dienen, die Beachtung der arbeits- und beamtenrechtlichen Diskriminierungsverbote für die in diesen Bereichen Beschäftigten zur Auflage zu machen.

Die Regelungen über staatliche Zuwendungen sollten deshalb wie folgt gefasst werden:

§ 26 Abs. 1a und 1b HGrG
(1a) Zuwendungen müssen mit der Auflage versehen werden, dass die Empfänger bei der Verfolgung der Zuwendungszwecke das Benachteiligungsverbot des § ... Abs. 2 ADG beachten müssen. Die Prüfung nach § 43 Abs. 2 Satz 1 erstreckt sich auf die Einhaltung der Auflage.
(1b) Absatz 1a gilt auch für Zuwendungen an kirchliche Einrichtungen und Projekte, die nicht unmittelbar der Verkündigung dienen.

§ 23 Abs. 2 und 3 BHO
(2) Zuwendungen müssen mit der Auflage versehen werden, dass die Empfänger bei der Verfolgung der Zuwendungszwecke das Benachteiligungsverbot des § ... Abs. 2 ADG beachten müssen. Die Prüfung nach § 91 Abs. 2 Satz 1 erstreckt sich auf die Einhaltung der Auflage.
(3) Absatz 2 gilt auch für Zuwendungen an kirchliche Einrichtungen und Projekte, die nicht unmittelbar der Verkündigung dienen.

Diese Regelungen lassen das kirchliche Selbstbestimmungsrecht unberührt. Die Kirchen können weiterhin frei entscheiden, ob sie MitarbeiterInnen einstellen und weiter beschäftigen wollen, die sich in ihrem Privatleben nicht an die kirchlichen Glaubens- und Moralvorschriften halten. Der Vorschlag trägt aber der Tatsache Rechnung, dass die staatlichen Mittel auch von BürgerInnen mit aufgebracht werden, die keiner Kirche angehören. Es ist diesem Teil der Bevölkerung nicht zuzumuten, den moralischen Rigorismus mancher Kirchen mitzufinanzieren.

6.4 Erwerbsleben

Im Arbeitsrecht sieht § 611a BGB für die Verfolgung von Schadensersatzansprüchen wegen einer Benachteiligung aufgrund des Geschlechts neben den Beweiserleichterungen auch Regelungen über die Höhe des Schadensersatzes vor. Diese Vorschrift sollte in Übereinstimmung mit dem allgemeinen Benachteiligungsverbot wie folgt verallgemeinert werden:

§ 611a BGB
(1) Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme, insbesondere bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses, beim beruflichen Aufstieg, bei einer Weisung oder einer Kündigung, nicht wegen seines Geschlechts, seiner sexuellen Identität, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen oder seiner Behinderung benachteiligen. Eine unterschiedliche Behandlung ist jedoch zulässig, soweit eine Vereinbarung oder eine Maßnahme die Art der vom Arbeitnehmer auszuübenden Tätigkeit zum Gegenstand hat und die Berücksichtigung dieser Merkmale der Sache nach unverzichtbar geboten ist. Wenn im Streitfall der Arbeitnehmer Tatsachen glaubhaft macht , die eine Benachteiligung wegen dieser Merkmale vermuten lassen, trägt der Arbeitgeber die Beweislast dafür, dass nicht auf diese Merkmale bezogene, sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen oder diese Merkmale unverzichtbare Voraussetzung für die auszuübende Tätigkeit sind.
(2) bis (5) bleiben unverändert.

Verallgemeinern sollte man außerdem das Verbot der diskriminierenden Stellenausschreibung:

§ 611b BGB
Stellen sind ohne Rücksicht auf die in § 611a Abs. 1 Satz 1 genannten Merkmale auszuschreiben, es sei denn, dass ein Fall des § 611a Abs. 1 Satz 2 vorliegt.

6.5 Volksverhetzung und Beleidigung

Wie schon erwähnt, werden Gruppen, die in besonderer Weise von Benachteiligungen bedroht sind, durch die Strafvorschriften über Volksverhetzung (§ 130 StGB) und Beleidigung (§§ 185-200 StGB) ausreichend geschützt. In der Praxis bleiben Strafanzeigen wegen diskriminierender Beleidigungen aber meist erfolglos, weil die Staatsanwaltschaften die Verletzten unterschiedslos auf den Privatklageweg zu verweisen pflegen. Deshalb sollte § 376 StPO durch folgenden Absatz 2 ergänzt werden:

§ 376 Abs. 2 StPO
Wegen der in § 374 Abs. 1 Nr. 2 bezeichneten Fälle liegt die Erhebung der Klage im öffentlichen Interesse, wenn die ehrverletzende Herabsetzung eines anderen wegen der in § ... Abs. 2 ADG genannten Merkmale erfolgt.

6.6 Erziehung und Bildung

Der Abbau von Diskriminierungen kann nur gelingen, wenn die Erzieher und Lehrer diese Bemühungen unterstützen. Deshalb muss in den Schulen und Hochschulen sowie im Rahmen der Erwachsenenbildung vermittelt werden, dass alle Menschen gleichwertig sind und dass niemand wegen der in § ... Abs. 2 Antidiskriminierungsgesetz genannten Merkmale abgewertet und benachteiligt werden darf. Allerdings steht dem Bundesgesetzgeber nur hinsichtlich des Berufsbildungsgesetzes die Gesetzgebungskompetenz zu. Es sollte wie folgt geändert werden:

§ 1 Abs. 4a BBiG
Die Berufsbildung soll dazu beitragen, Benachteiligungen wegen der in § ... Abs. 2 ADG genannten Merkmale zu vermeiden und abzubauen.

6.7 Verbände von Gruppen, die in besonderer Weise von Benachteiligungen bedroht sind

Die besonders förderungswürdigen Vereinszwecke sind im derzeitigen Steuerrecht so eng gefasst, dass viele Vereine von Benachteiligten entweder überhaupt nicht oder nur unter großen Schwierigkeiten als besonders förderungswürdig anerkannt werden. So gilt die Fürsorge für Benachteiligte derzeit nur dann als besonders förderungswürdig, wenn es sich um politisch, rassisch oder religiös Verfolgte oder um Kriegsopfer handelt. Die Förderung der Toleranz wird steuerlich nur gefördert, wenn es um die Toleranz auf allen Gebieten der Kultur und des Völkerverständigungsgedankens geht24. Bei der ohnehin anstehenden Neuregelung25 sollten diese Vorschriften wie folgt ergänzt und verallgemeinert werden:

§ 48 Abs. 2a EStDV
(2a) Die gemeinnützigen Zwecke der Förderung der Toleranz oder der Fürsorge für Menschen, die wegen der in § ... Abs. 2 ADG genannten Merkmale Benachteiligungen befürchten, sind als besonders förderungswürdig anerkannt.

7. Besondere Regelungen für Lesben und Schwule

7.1 Erwerbsleben und Bundeswehr

Das Arbeits- und Beamtenrecht sowie das Soldatengesetz und die Soldatenlaufbahnverordnung enthalten bereits Diskriminierungsverbote, die Art. 3 Abs. 3 GG nachgebildet sind. Es handelt sich dabei um

  • § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG,

  • § 7 BRRG,

  • § 8 Abs. 1 Satz 2 BBG,

  • § 67 Abs. 1 Satz 1 BPersVG,

  • § 3 Soldatengesetz,

  • § 1 Soldatenlaufbahnverordnung.

Diese Bestimmungen müssen um das Verbot der Diskriminierung wegen der "sexuellen Identität" ergänzt werden. Das fordert auch die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV). Sie hat am 29.06.1990 den "Entwurf eines Gesetzes zur Verhinderung der Diskriminierung von homosexuellen Frauen und Männern in Arbeit und Beruf" vorgelegt26, der entsprechende Vorschläge enthält.

7.2 Mietrecht

Auf die diskriminierende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass überlebende gleichgeschlechtliche PartnerInnen nicht als Familienangehörige im Sinne des § 569a BGB gelten, hat die Bundestagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN durch ihren Gesetzentwurf vom 17.03.1995 (Bundestagsdrucksache 13/847) reagiert und die Änderung der §§ 569a und 569b BGB vorgeschlagen. Sollte dieser Gesetzentwurf scheitern, empfiehlt es sich, die vorgeschlagenen Änderungen in das Antidiskriminierungsgesetz zu übernehmen.

7.3 Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften

Zum Problem der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften hat die Bundestagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN am 24.10.1995 den „Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts“ (Bundestagsdrucksache 13/2728) vorgelegt. Sollte dieser Gesetzentwurf scheitern, empfiehlt es sich, die vorgeschlagenen Änderungen in das Antidiskriminierungsgesetz zu übernehmen.

Gegen die Gleichstellung lesbischer und schwuler Lebensgemeinschaften mit der Ehe wird vor allem eingewandt, das verstoße gegen die Privilegierung der Ehe durch Art. 6 Abs. 1 GG. Dabei wird mit Art. 6 Abs. 1 GG ganz undifferenziert argumentiert. Man erweck t den Anschein, als ob die derzeitige Form der bürgerlich-rechtlichen Ehe einen übergesetzlichen, naturrechtlichen Rang habe27 und dass es daneben keine vom Recht geschützten Lebensgemeinschaften geben könne28. Tatsächlich ist die heutige Form der bürgerlich-rechtlichen Ehe kaum 150 Jahre alt. Die Lebensform "Ehe" hat sich im Lauf der Jahrhunderte immer wieder geändert und wird sich auch weiter ändern. Davon geht auch das Bundesverfassungsgericht aus. Es hält deshalb einen Wandel des Eheverständnisses mit entsprechenden verfassungsrechtlichen Auswirkungen durchaus für möglich29. Außerdem hat das Gericht anerkannt, daß auch die Freiheit, in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammenzuleben, als Ausfluss der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) grundgesetzlich geschützt ist30.

Demgemäss ist die Ehe gegenüber anderen Lebensformen keineswegs so umfassend privilegiert, wie das immer wieder pauschal behauptet wird. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat die verfassungsrechtliche Privilegierung der Ehe im wesentlich en zwei Auswirkungen: der Staat darf Ehegatten gegenüber Ledigen31 und unverheiratet zusammenlebenden Paaren32 nicht benachteiligen, und er darf die Bereitschaft zur Eheschließung nicht beeinträchtigen33. Der erste Gesichtspunkt scheidet hier schon deshalb aus, weil die Lesben und Schwulen für ihre Lebensgemeinschaften nicht bessere, sondern gleiche Rechte einfordern. Dadurch werden Ehen nicht benachteiligt. Der zweite Gesichtspunkt, die Beeinträchtigung der Bereitschaft zur Eheschließung, hat nur für solch e Lebensformen Bedeutung, die mit der Ehe konkurrieren, also für die eheähnlichen Lebensgemeinschaften und die Ledigen. Für die Wahl zwischen Ehe oder gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaft ist dagegen nicht die Attraktivität dieser Lebensformen bestimm end, sondern ausschließlich die sexuelle Identität der Beteiligten. Über dieses Persönlichkeitsmerkmal kann niemand verfügen; es ist nicht wählbar. Deshalb eignet sich die Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften nicht dazu, die Bereitschaft homosexueller Menschen zu fördern, eine verschiedengeschlechtliche Partnerschaft oder Ehe einzugehen. Das wäre auch nicht wünschenswert. Zwar ist es gleichgeschlechtlichen Menschen durchweg nicht unmöglich, eine Partnerin bzw. einen Partner des andere n Geschlechts zu heiraten. In der Vergangenheit haben viele homosexuelle Frauen und Männer nur dadurch "überleben" können, dass sie sich in solche Ehen geflüchtet haben. Aber diese Ehen führen in den seltensten Fällen zu einer umfassenden dauerhaften Lebensgemeinschaft. Die meisten dieser Ehen scheitern. Der Rest zerbricht in der Regel nur deshalb nicht, weil der homosexuell geprägte Teil den anderen lebenslang täuscht und heimlich ein Doppelleben führt. Es kann nicht Sinn einer verantwortlichen Familienpolitik sein, gleichgeschlechtliche Menschen in solche Ehen zu drängen. Das hält der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland sogar für moralisch verwerflich: Menschen, die eindeutig und unveränderbar homosexuell geprägt sind, dürfen keine Ehe schließen, um sich davon „Heilung“ bzw. ein „normales“ Familienleben zu erhoffen oder um sich darin zu „tarnen“34.

Auch die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat in ihrem bekannten Beschluss vom 04.10.199335, durch den sie die Klagen von lesbischen und schwulen Paaren gegen das Eheverbot der Gleichgeschlechtlichkeit zurückgewiesen hat, nicht damit argumentiert, dass die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare gegen die Privilegierung der Ehe durch Art. 6 Abs. 1 GG verstoße, sondern im Gegenteil ausgeführt:

"Das Vorbringen in der Verfassungsbeschwerde kann auch offensichtlich nicht den Schluss stützen, dass der Gesetzgeber verpflichtet sei, dem Persönlichkeitsrecht gleichgeschlechtlicher Partner oder ihrem Recht auf Gleichbehandlung dadurch Rechnung zu tragen, dass er ihnen den Zugang zum einfachrechtlichen Institut der Ehe eröffnet. Insoweit ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber den genannten Grundrechten nicht auch auf andere Weise als dadurch Rechnung tragen könnte, dass er die Rechtsform der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare öffnet. Im übrigen darf der Gesetzgeber, der sich bei der einfachrechtlichen Ausgestaltung der Ehe an Art. 6 Abs. 1 GG orientiert, den Zugang zu dieser Rechtsform denjenigen Lebensgemeinschaften vorbehalten, auf die sich der verfassungsrechtliche Schutzauftrag bezieht."

Diese Ausführungen sind eindeutig. Danach ist der Gesetzgeber zwar nicht verpflichtet, das einfachrechtliche Institut der Ehe für Schwule und Lesben zu öffnen; es ist ihm aber auch nicht verwehrt. Die Öffnung könnte durch eine Ergänzung des § 1353 BGB geschehen.

§ 1353 BGB
(1) Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts geschlossen.

7.4 Lesbische und schwule Jugendliche

Um sicherzustellen, daß lesbische und schwule Jugendliche in ihrer Entwicklung von ihren Eltern und Erziehern nicht mehr behindert werden, müssen die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches und des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (SGB VIII) wie folgt ergänzt werden:

 

§ 1626 Abs. 3 BGB
Die Eltern helfen dem Kind, sich über seine sexuelle Identität klar zu werden, sie anzunehmen und auf dieser Grundlage ein sittlich verantwortlich Leben zu führen.

§ 1 Abs. 3 SGB VIII
Jugendhilfe soll zur Verwirklichung des Rechtes nach Absatz 1 insbeson­dere
1. junge Menschen in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung sowie in ihrer sexuellen Identität fördern und dazu beitragen, Benachteiligungen zu vermeiden und abzubauen;

7.5 Lesbische Mütter und Väter

Die Vorurteile gegenüber lesbischen Müttern und schwulen Vätern sind unbegründet. Es leben schon heute viele Kinder aus früheren Ehen in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften. Umfangreiche Untersuchungen in den USA haben ergeben, dass nicht das gleich e oder verschiedene Geschlecht der Eltern, sondern allein die Art und Weise ihres Umgangs mit den Kindern für deren Wohlergehen und Entwicklung ausschlaggebend sind. Davon abgesehen sind sich die Erziehungswissenschaftler einig, dass zwei Bezugspersonen für das Wohlergehen und die Entwicklung von Kindern durchweg besser sind als nur eine. Probleme können sich bei gleichgeschlechtlichen Eltern allenfalls aus vorurteilsbefangenen Reaktionen der Umwelt ergeben. Deshalb muss es einerseits bei dem Grundsatz der Einzelfallprüfung verbleiben, die allein auf das Wohl des betreffenden Kindes abzustellen hat. Andererseits muss aber auch sichergestellt werden, dass die Entscheidung nicht von Vorurteilen beeinflusst wird. Dazu müssen das BGB und das Kinder-und Jugendhilfegesetz (SGB VIII) wir folgt ergänzt werden:

 

§ 1671 Abs. 2 BGB
Das Gericht trifft die Regelung, die dem Wohle des Kindes am besten entspricht. Hierbei sind die Bindungen des Kindes, insbesondere an seine Eltern und Geschwister, zu berücksichtigen; dagegen hat die sexuelle Identität der Eltern als solche außer Betracht zu bleiben.

§ 1741 Abs. 1a BGB
Bei der Prüfung, ob die Annahme als Kind dem Wohl des Kindes dient, hat die sexuelle Identität des Annehmenden als solche außer Betracht zu bleiben.

§ 44 Abs. 2a SGB VIII
Bei der Prüfung, ob das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen in der Pflegestelle gewährleistet ist, hat die sexuelle Identität der Pflegeperson als solcher außer Betracht zu bleiben.

7.6 Strafvollzug

Um lesbische und schwule Gefangene vor Diskriminierung zu schützen, muss die allgemeine Bestimmung über die Gestaltung des Vollzugs wie folgt ergänzt werden.

 

§ 3 Abs. 2 StVollzG
Schädlichen Folgen des Freiheitsentzugs und Benachteiligungen wegen der sexuellen Identität ist entgegenzuwirken.

7.7 Datenschutz

Nach Art. 8 Abs. 1 der Europäischen Datenschutzrichtlinie vom 24.10.199536 müssen die Mitgliedstaaten die Verarbeitung von Daten über das Sexualleben untersagen. Diese Verpflichtung kann wie folgt umgesetzt werden:

 

§ 4a BDSG
„Die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten über das Sexualleben ist nur zulässig,
1) wenn dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet,
2) wenn dies der Sache nach unverzichtbar geboten ist oder
3) wenn der Betroffene eingewilligt hat.

§ 35 Abs. 2a SGB I
Eine Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten über das Sexualleben ist nur zulässig,
1) wenn dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet,
2) wenn dies der Sache nach unverzichtbar geboten ist oder
3) wenn der Betroffene eingewilligt hat.“

Die Europäische Datenschutzrichtlinie gilt allerdings nicht für die Verarbeitung personenbezogener Daten, die die öffentliche Sicherheit, die Landesverteidigung, die Sicherheit des Staates und die Tätigkeiten des Staates im strafrechtlichen Bereich betreff en (Art. 3 Abs. 2 und Anwendungsgrundsatz 13). Gerade im Bereich der Nachrichtendienste und der Polizei kommt es aber immer wieder zu unzulässigen Datensammlungen über das Sexualleben. Das muss durch entsprechende Ergänzung der einschlägigen Gesetze unterbunden werden:

§ 2 Abs. 3 BKAG
Das Bundeskriminalamt darf personenbezogene Daten über das Sexualleben nur erheben, verarbeiten und nutzen,
1) wenn dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet,
2) wenn dies zur Erfüllung einer ihm obliegenden Aufgabe unverzichtbar geboten ist oder
3) wenn der Betroffene eingewilligt hat.

§ 21 Abs. 2a BGSG
Der Bundesgrenzschutz darf personenbezogene Daten über das Sexualleben nur erheben,
1) wenn dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet,
2) wenn dies zur Erfüllung einer ihm obliegenden Aufgabe unverzichtbar geboten ist oder
3) wenn der Betroffene eingewilligt hat.

§ 29a BGSG
Der Bundesgrenzschutz darf personenbezogene Daten über das Sexualleben nur verarbeiten und nutzen,
1) wenn dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet,
2) wenn dies zur Erfüllung einer ihm obliegenden Aufgabe unverzichtbar geboten ist oder
3) wenn der Betroffene eingewilligt hat.

§ 8 Abs. 2a BVerfSchG
Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf personenbezogene Daten über das Sexualleben nur erheben, verarbeiten und nutzen,
1) wenn dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet,
2) wenn dies zur Erfüllung einer ihm obliegenden Aufgabe unverzichtbar geboten ist oder
3) wenn der Betroffene eingewilligt hat.

§ 4 Abs. 1a MADG
Der Militärische Abschirmdienst darf personenbezogene Daten über das Sexualleben nur erheben, verarbeiten und nutzen,
1) wenn dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet,
2) wenn dies zur Erfüllung einer ihm obliegenden Aufgabe unverzichtbar geboten ist oder
3) wenn der Betroffene eingewilligt hat.

§ 2 Abs. 2a BNDG
Der Bundesnachrichtendienst darf personenbezogene Daten über das Sexualleben nur erheben, verarbeiten und nutzen,
1) wenn dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet,
2) wenn dies zur Erfüllung einer ihm obliegenden Aufgabe unverzichtbar geboten ist oder
3) wenn der Betroffene eingewilligt hat.

 

Hinweis: In einigen Ländern existieren schon einzelne Antidiskriminierungsbestimmungen, siehe oben.


Anmerkungen

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  1. BTDrucks. 11/2495, S. 24.

  2. Bochow, Michael: Schwuler Sex und die Bedrohung durch AIDS - Reaktionen homosexueller Männer in Ost- und Westdeutschland. AIDS-Forum D.A.H. Band XVI - Berlin: Deutsche AIDS-Hilfe, 1994, S. 32; Starke, Kurt: Schwuler Osten: homosexuelle Männer in der DDR - Berlin: Ch. Links Verlag, 1994, S. 307.

  3. Im Anschluß an die Entscheidungen BVerfGE 87, 234 (264), BGHZ 121, 116 (124), und BVerwG, NJW 1995, 2802, hat sich eingebürgert, den Begriff "eheähnlich" nur noch für verschiedengeschlechtliche Lebensgemeinschaften zu verwenden, obwohl der Gesetzgeber mit diesem Begriff in § 2 Abs. 2 Sicherheitsüberprüfungsgesetz auch gleichgeschlechtliche nichteheliche Lebensgemeinschaften meint. Das ergibt sich eindeutig aus der Klammerdefinition "Lebenspartner" und aus dem Normzweck der Vorschrift. Davon gehen auch die R ichtlinien zu § 2 Abs. 2 SÜG aus (GMBl 1994, 550 [553]).

  4. Vgl. BVerfGE 87, 234, (264).

  5. BGHZ 92, 213 (219); BFH, BStBl. II 1991, 518; vgl. auch BAG, NJW 1995, 275 (277).

  6. BGHZ 121, 116 (124).

  7. BVerwGE 43, 157; BAG, NJW 1995, 275.

  8. Vgl. die vom Niedersächsischen Sozialministerium in Auftrag gegebene Studie von Knoll/Bittner/Edinger/Reisbeck/Schmitt/Keupp: "Lesben und Schwule in der Arbeitswelt" - Manuskript, 1995.

  9. Vgl. insbesondere BVerfGE 70, 138.

  10. BVerwGE 63, 286; BVerwG NJW 1991, 1127.

  11. Vgl.Dimski, Andrea: Gleichberechtigung für homosexuelle Eltern? - Zeitschrift für Europäisches Privatrecht, 1995, 465-481.

  12. BVerfGE 22, 387 (415); 52, 277 (280); 55, 72, (88); 83, 395, (401); 91, 389 (401) zum Teil m. w. Nw.

  13. BVerfGE 55, 72 (89); 88, 5, (12); 88, 87 (96)

  14. BVerfGE 6, 389.

  15. BVerfGE 6, 389 (424/445).

  16. BGBl. I 1994, 1406.

  17. Vgl. unten Ziffer 6.5.

  18. BTDrucks. 12/6000 S. 54 = Zur Sache 5/93, S. 107.

  19. Vgl. Art. 1 Abs. 2 des Entwurfs der Arbeitsgruppe „Neue Verfassung der DDR“ des Zentralen Runden Tisches vom 04.04.1990, veröffentlicht u.a. in KritJustiz 1990, 226 ff., und KritV 1990, 167 ff.

  20. Vgl. § 611a Abs. 1 Satz 2 BGB.

  21. Vgl. aber unten Ziffer 6.4.

  22. Vgl. § 14 Frauenfördergesetz.

  23. Vgl. Herrmann, Horst: Die Kirche und unser Geld: Daten, Tatsachen, Hintergründe - Hamburg: Rasch und Röhring, 1990.

  24. Anlage 7, Nr. 10 und 12, zu Abschnitt 111 Abs. 1 EStR.

  25. BMFVgl., BStBl. II 1994, 710.

  26. Hammer/Rzadkowski, ZTR 1991, 363-371; Hammer, Der Personalrat 1996, 112-115.

  27. Manche Äußerungen konservativer Verteidiger der Ehe muten an wie der bekannte Ausspruch von Getrude Stein über die Rose: Die Ehe ist die Ehe ist die Ehe.

  28. So pflegte z.B. der frühere F.D.P.-Justizminister Engelhardt Forderungen nach rechtlichen Regelungen für nichteheliche Lebensgemeinschaften mit dem Spruch zurückzuweisen: "Wer rechtliche Regelungen will, der mag heiraten"

  29. BVerfGE 15, 328 (332); 31, 58 (82 f); 36, 146, (163 f.); 53, 224 (245).

  30. Vgl. BVerfGE 9, 20 (34 f.); 82, 6 (15 u. 16); 84, 168, 184; 87, 234 (267).

  31. Vgl. z.B. BVerfGE 9, 237 (242); 12, 180 (197); 28, 324 (347); 47, 1 (19); 75, 361 (366); 75, 382 (393); 76, 126 (128); 87, 234 (259) zum Teil m.w.Nw.

  32. Vgl. z.B. BVerfGE 67, 186 (195 f.); 87, 234 (264 f.).

  33. Vgl. z.B. BVerfGE 12, 151 (167); 28, 324, (347); 55, 114, (126 f.).

  34. Kirchenamt der EKD (Hrsg.): „Mit Spannungen leben“ - Eine Orientierungshilfe des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland zum Thema „Homosexualität und Kirche“ - Hannover: 1996, Seite 33/34

  35. NJW 1993, 3058, mit Anm. Schimmel, FuR 1993, 348 f.; vgl. auch Zuck, NJW 1995, 175 f.

  36. Richtlinie Nr. 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.10.1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, ABl. EG Nr. L 281/31 v. 23.11.1995.

 
 

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