LSVD:
Antidiskriminierungsgesetz für Lesben und Schwule
Teil 1:
Möglichkeiten eines Antidiskriminierungsgesetzes für Lesben
und Schwule
1996
Inhalt
Hinweis: Die in diesem Text vorgeschlagenen
Gesetzesänderungen sind in dem Entwurf eines Gesetzes
zum Schutz von Minderheiten zusammengefasst.
1. Was bringt uns ein
Antidiskriminierungsgesetz?
In den siebziger und achtziger Jahren stand der
Kampf für die gänzliche Streichung des § 175 StGB im
Vordergrund der politischen Arbeit in der Schwulenbewegung.
Dieser Kampf - der Paragraph wurde 1994 endlich abgeschafft -
hat seine Bedeutung für die Mobilisierung der Schwulen gehabt.
Es ist den Schwulen aber nicht gelungen, der Öffentlichkeit bewusst
zu machen, dass Lesben und Schwule in fast allen Lebensbereichen
erheblich diskriminiert werden.
Das änderte sich erst, als die Schwulenbewegung
Ende der achtziger Jahre begann, sich dem Kampf für gleiche Bürgerrechte
zuzuwenden. Besonders erfolgreich war die "Aktion
Standesamt" des "Schwulenverband in Deutschland"
(SVD) und der "Schwulen Juristen" im Sommer 1992. Mit
ihr ist es zum ersten Mal gelungen, der Öffentlichkeit das
Ausmaß der Diskriminierung bewusst zu machen.
Derselbe Aufklärungseffekt lässt sich mit der
Forderung nach einem Antidiskriminierungsgesetz erzielen. Denn
jede Diskussion darüber, ob ein solches Gesetz notwendig ist
und was in ihm geregelt werden soll, setzt eine Bestandsaufnahme
der Lebensverhältnisse der Lesben und Schwulen voraus. Damit
kann der Öffentlichkeit anschaulich verdeutlicht werden, in
welchem Ausmaß selbstverständliche Menschen- und Grundrechte
den Lesben und Schulen immer noch vorenthalten werden.
Ohne eine solche Aufklärungsarbeit wird es nie
gelingen, für Lesben und Schwule wenigstens annähernd gleiche
Menschen- und Grundrechte zu erkämpfen. Die Diskriminierung von
Minderheiten beruht immer auf Vorurteilen der Mehrheit, die zu
gesellschaftlichen Ordnungsvorstellungen gerinnen. Gegen diese
gesellschaftlichen Ordnungsvorstellungen können Gesetze allein
wenig ausrichten. Die Emanzipation von Minderheiten kann nicht
von oben her befohlen werden. Sie ist nur durchsetzbar, wenn die
verkrusteten Ordnungsvorstellungen in Bewegung geraten.
Das wichtigste ist deshalb, der Gesellschaft mit
Hilfe des Einsatzes für ein Antidiskriminierungsgesetz ein Bewusstsein
dafür zu vermitteln, wie sehr sie die Menschen- und Grundrechte
der Lesben und Schwulen noch immer missachtet.
Sollte es gelingen, ein
Antidiskriminierungsgesetz durchzusetzen, kann dies den Prozess
der Emanzipation absichern und beschleunigen. Denn ein solches
Gesetz verbessert die Möglichkeiten, sich zu wehren, und macht
allen Mut, gegen diskriminierende Maßnahmen von Behörden und
Privatpersonen die Gerichte anzurufen. Zugleich bindet es alle
Richter, auch wenn diese als Privatpersonen noch an den
gesellschaftlichen Vorurteilen gegenüber Lesben und Schwulen
teilhaben.
2. Die Lebenssituation
lesbischer Frauen und schwuler Männer
Der Anteil ausschließlich
gleichgeschlechtlich orientierter Bürger und Bürgerinnen an
der Bevölkerung ist ziemlich konstant und relativ unabhängig
von zeitgenössischen und kulturellen Einflüssen. Er liegt bei
Männern bei 4-5 %, bei Frauen bei 1-3%1.
Von
den homosexuellen Männern lebten Anfang der neunziger Jahre
etwa 55 % in einer festen Beziehung mit einem anderen Mann2.
Bei lesbischen Frauen ist der Anteil derjenigen, die mit einer
Frau in einer festen Partnerschaft leben, nicht bekannt, aber
mit ho her Wahrscheinlichkeit noch größer. Ein Teil der
gleichgeschlechtlichen Paare lebt wie verschiedengeschlechtliche
eheähnliche3 Paare auf Probe oder
auf Zeit zusammen, ein anderer Teil will wie Eheleute lebenslang
zusammenbleiben. Die Partnerschaften sind nicht bloß Wohn- und
Wirtschaftsgemeinschaften, sondern Lebensgemeinschaften, die auf
Dauer angelegt sind, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft
gleicher Art zulassen und sich durch innere Bindungen
auszeichnen, die ein gegenseitiges Einstehen der PartnerInnen füreinander
begründen4.
Seit Ende der sechziger Jahre
werden schwule Männer nicht mehr strafrechtlich verfolgt, und
seit Mitte der achtziger Jahre gilt das Zusammenleben zweier
Personen gleichen Geschlechts nicht mehr als sittenwidrig5.
Dadurch hat sich die Lebenssituation homosexueller Frauen und Männer
wesentlich verbessert. Lesben und Schwule werden aber noch immer
in vielen Lebensbereichen diskriminiert.
3. Diskriminierungen und
Anfeindungen, denen Lesben und Schwule ausgesetzt sind
3.1 Lesben und Schwule im
Rechtsverkehr
Ehepaare erhalten nicht selten von
Versicherungen und Beförderungsunternehmen, bei Ausstellungen,
von Kinos und bei ähnlichen Veranstaltungen sowie von
Arbeitgebern im Rahmen von Firmentarifen günstigere Konditionen
oder besondere Preisnachlässe. Inzwischen wird es immer üblicher,
auch eheähnlichen Paaren solche Vergünstigungen zu gewähren.
Die meisten Anbieter lehnen es aber ab, gleichgeschlechtliche
Paare genauso zu begünstigen, selbst wenn diese nachweisen, dass
sie zusammen wohnen.
Erhebliche Diskriminierungen gibt es auch auf
dem Wohnungsmarkt. Wenn gleichgeschlechtliche Paare gemeinsam
eine Wohnung suchen und anmieten wollen, werden sie von den
VermieterInnen meist zurückgewiesen.
Besondere Probleme treten bei
gleichgeschlechtlichen Paaren auf, wenn die PartnerInnen
sterben, die MieterInnen waren. Nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs werden in solchen Fällen nur
verschiedengeschlechtliche LebenspartnerInnen geschützt. Sie
treten in entsprechender Anwendung des § 569a Abs. 2 Satz
1 BGB in den Mietvertrag ein. Gleichgeschlechtliche
Le-benspartnerInnen haben dieses Recht nicht6.
Sie genießen deshalb beim Tod ihrer PartnerInnen keinen
Mieterschutz.
3.2 Lesben und Schwule im
Erwerbsleben
Lesben und
Schwule können zwar heute von ihren Arbeitgebern und
Dienstherren nicht mehr entlassen werden, wenn bekannt wird, dass
sie homosexuell sind und mit einer Frau bzw. einem Mann zusammenleben7.
Es ist aber höchst ungewiss, ob ihre Firma bzw. ihre Beh örde
sie eingestellt hätten, wenn ihre sexuelle Identität schon
vorher bekannt gewesen wäre. Auch ist es heute noch undenkbar, dass
einer fähigen lesbischen Beamtin oder einem fähigen schwulen
Beamten die Leitung eines Finanzamts oder einer Polizeidirektion
übertragen wird. Dasselbe gilt für die Aufstiegschancen
lesbischer und schwuler Angestellten in größeren Unternehmen.
Ihnen sind die Leitungsebenen durchweg verschlossen, mögen sie
auch noch so tüchtig sein. Außerdem klagen sehr viele Lesben
und Schwule über Mobbing am Arbeitsplatz8.
3.3 Lesbische und schwule
MitarbeiterInnen von kirchlichen Einrichtungen
Besonders schlimm ist die Situation
homosexueller MitarbeiterInnen in kirchlichen Einrichtungen.
Dazu zählen nicht nur die MitarbeiterInnen im kirchlichen Verkündigungsdienst,
sondern auch die Beschäftigten in den Einrichtungen der
Caritas, der Inneren Mission und der Diakonie, in den
kirchlichen Kindergärten und Kindertagesstätten, in den
Krankenhäusern, Alters- und Pflegeheimen, in den Privatschulen,
Internaten und Ferienheimen sowie bei den Kirchenzeitungen. Die
beiden großen Kirchen beschäftigen in diesem Bereich gegenwärtig
mehr als 1,2 Mio. MitarbeiterInnen. Sie sind damit die größten
Arbeitgeber in der Bundesrepublik.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts9
sind die Kirchen berechtigt, allen MitarbeiterInnen die
Beachtung jedenfalls der tragenden Grundsätze der kirchlichen
Glaubens- und Sittenlehre aufzuerlegen und von ihnen zu
verlangen, dass sie auch im Privatleben nicht gegen die
fundamentalen Verpflichtungen verstoßen, die sich aus ihrer
Zugehörigkeit zur Kirche ergeben und die jedem Kirchenmitglied
obliegen. Deshalb enthalten die Arbeitsverträge üblicherweise
besondere Klauseln, durch die den MitarbeiterInnen die Pflicht
auferlegt wird, ihre gesamte Lebensführung nach der Glaubens-
und Sittenlehre sowie den übrigen Normen der betreffenden
Kirche auszurichten. Das gibt den kirchlichen Arbeitgebern die Möglichkeit,
homosexuelle MitarbeiterInnen zu entlass en, wenn sie gegen die
kirchlichen Glaubens- und Moralvorschriften verstoßen.
3.4 Schwule Soldaten
Erheblich diskriminiert werden
auch schwule Soldaten. Die Bundeswehr besteht zwar darauf, dass
schwule junge Männer den Wehrdienst ableisten. Sie vertritt
aber die Auffassung, dass Schwule als Vorgesetzte und Ausbilder
generell ungeeignet seien. Das Bundesverwaltungsgericht hat
diese diskriminierende Praxis der Bundeswehr wiederholt gebilligt10.
Wegen dieser Rechtsprechung müssen schwule Vorgesetzte und
Ausbilder der Bundeswehr ständig in der Angst leben, dass ihre
Homosexualität bekannt und dadurch ihre berufliche Existenz
zerstört wird.
3.5 Gleichgeschlechtliche
Lebensgemeinschaften
Viele Diskriminierungen von Lesben und Schwulen
hängen damit zusammen, dass sie keine Möglichkeit haben, ihre
Partnerschaften rechtlich abzusichern. Sie haben deshalb nicht
den Rechtsstatus von „Angehörigen“, sondern gelten vor dem
Gesetz immer als Fremde, gleichgültig wie lange sie zusammen
gelebt haben. Daraus ergeben sich vor allem im persönlichen
Bereich erhebliche Schwierigkeiten. So haben
gleichgeschlechtliche PartnerInnen kein gegenseitiges
Zeugnisverweigerungsrecht, kein Auskunfts- und Besuchsrecht b ei
Unglücks- und Krankheitsfällen und kein Recht zur Regelung der
Beerdigung. Verschiedengeschlechtliche PartnerInnen haben diese
Schwierigkeiten meist nicht, weil sie sich als „Verlobte“
ausgeben können.
Andere rechtliche Probleme, die bei
gleichgeschlechtlichen Partnerschaften zu Schwierigkeiten führen
können, treten zwar bei verschiedengeschlechtlichen
PartnerInnen in gleicher Weise auf. Diese haben dann aber die Möglichkeit,
zu heiraten, während Lesben und Schwulen das verwehrt wird. Es
geht hier vor allem um - zum Teil sehr erhebliche -
Benachteiligungen beim Lohn bzw. Gehalt, im Steuerrecht, bei
Versetzungen, bei den Pensions-, Versorgungs- und Rentenansprüchen,
im Erbrecht und beim Aufenthaltsrecht für gemischtnationale
Paare.
Die Benachteiligungen gleichgeschlechtlicher
Lebensgemeinschaften wiegen schwer. So ist z.B. die Situation
gemischtnationaler Paare meist ausweglos. Ihnen wird ein
Zusammenleben unmöglich gemacht, weil die ausländische
PartnerInnen kein Einreisevisum erhalten oder abgeschoben
werden. Sehr tragisch können sich der fehlende Angehörigenstatus
und das fehlende gesetzliche Erbrecht vor allem bei plötzlichen
Krankheits- und Todesfällen auswirken. Unabhängig davon wird
es gleichgeschlechtlichen Paaren unverhältnismäßig erschwert,
das gemeinsam erarbeitete Vermögen und die Altersversorgung für
den überlebenden Teil zu sichern. So sind z.B. die hohen
Pflichtteilsansprüche der Eltern und die enorme
Erbschaftssteuer Probleme, die selbst beim gemeinsamen Kauf
einer Eigentumswohnung unbedingt bedacht werden müssen.
3.6 Lesbische und schwule
Jugendliche
Nach allem was wir wissen, erfolgt die sexuelle
Prägung in frühester Jugend und ist unabänderlich. Gleichwohl
versuchen Eltern und Erzieher immer wieder, die homosexuelle
Identität lesbischer und schwuler Jugendlicher zu unterdrücken
oder zu ändern. Den Jugendlichen wird der Besuch von einschlägigen
Diskotheken und Coming-out-Gruppen sowie der Umgang mit
lesbischen Freundinnen und schwulen Freunden verboten, und sie
werden gezwungen, Heterosexualisierungstherapien über sich
ergehen zu lassen. Gelegentlich kommt es auch heute noch vor, dass
Eltern ihre gleichgeschlechtlich orientierten Kinder aus dem
Haus weisen und ihnen jede Unterstützung entziehen.
3.7 Lesbische Mütter und
schwule Väter
Lesbische Mütter und schwule
Väter werden bei Sorgerechtsstreitigkeiten, bei der Vermittlung
von Pflegekindern und bei der Erteilung der Pflegeerlaubnis
sowie bei Adoptionen oft benachteiligt11.
Dahinter steht die Furcht, dass sich die Kinder „falsch“
entwickeln und ebenfalls lesbisch bzw. schwul werden könnten.
Hinzu kommt das Vorurteil, dass alle Schwulen triebhaft hinter
kleinen Jungen her seien. Deshalb will man verhindern, dass
ihnen Kinder „ausgeliefert“ werden.
3.8 Strafvollzug
Lesbische und schwule Gefangene, die sich in den
Vollzugsanstalten als solche zu erkennen geben, werden nicht
selten von den Anstaltsleitungen benachteiligt und von den
Anstaltsbediensteten sowie den Mitgefangenen diskriminiert und
schikaniert.
3.9 Datenschutz
Es bestreitet heute niemand mehr, dass
allgemeine Datensammlungen über Homosexuelle (“Rosa
Listen“) unzulässig sind. Trotzdem werden immer wieder Fälle
bekannt, in denen örtliche Polizeibehörden gegen dieses Verbot
verstoßen. Gelegentlich tarnen Polizeibehörden solche
Sammlungen als „Stricher-Dateien“, indem sie z.B. alle Männer,
die auf öffentlichen Toiletten angetroffen werden, als
„Stricher“ registrieren.
3.10 Vereine von Lesben
und Schwulen
Vereine von Lesben und Schwule haben immer
wieder Schwierigkeiten, als mildtätig oder als gemeinnützig
und besonders förderungswürdig anerkannt zu werden, auch wenn
es nach ihrer Tätigkeit und ihrer Satzung nicht zweifelhaft
ist, dass sie solche förderungswürdigen Zwecke verfolgen. So
haben z.B. Ende der achtziger Jahre die Finanzminister von
Bayern und Baden-Württemberg ihre Finanzämter angewiesen,
lesbische und schwule Gruppen grundsätzlich nicht als gemeinnützig
anzuerkennen.
4. Anforderungen an ein
Antidiskriminierungsgesetz
4.1 Der
Gleichheitsgrundsatz
Auf welche Weise und wodurch es zur Ausprägung
einer hetero- oder homosexuellen Identität kommt, ist ungeklärt
und wird wahrscheinlich auch nie geklärt werden können, weil
man mit Menschen nur sehr bedingt experimentieren kann. In der
Humanwissenschaft besteht aber Einigkeit darüber, dass die
sexuelle Prägung schon in frühester Kindheit erfolgt und unabänderlich
ist. Es gibt zwar fundamentalistische protestantische Gruppen,
Sekten und Kirchenführer, die behaupten, Homosexualität lasse
sich mit Gottes Hilfe h eilen. Aber es ist noch nirgendwo eine
dauerhafte "Heilung" überzeugend dokumentiert worden.
Da die
Menschen ihre sexuelle Identität weder wählen noch ändern können,
verstößt eine Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität
gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die Vorschrift gebietet, alle Menschen
vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Demgemäss ist dieses G
rundrecht vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von
Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders
behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine
Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass
sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten12.
Erfolgt eine Ungleichbehandlung, so muss der rechtfertigende
Grund in einem angemessenen Verhältnis dazu stehen. Die
Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers geht dabei am weitesten,
wenn die Betroffenen sich durch eigenes Verhalt en auf die
unterschiedlichen Regelungen einstellen können. Dagegen ist die
Bindung des Gesetzgebers um so enger, je mehr sich die
personenbezogenen Merkmale den in Art. 3 Abs. 3 GG genannten annähern
und je größer deshalb die Gefahr ist, dass eine an sie an knüpfende
Ungleichbehandlung zur Diskriminierung einer Minderheit führt13.
Nach diesen vom Bundesverfassungsgericht
entwickelten Rechtssätzen dürfte es eigentlich keine
Ungleichbehandlung geben, die an die sexuelle Identität anknüpft.
Denn sie ist ein unabänderliches persönliches Merkmal, das für
das Leben homosexuell geprägter Menschen in der sozialen
Gemeinschaft eine ähnlich grundlegende Bedeutung hat wie das in
Art. 3 Abs. 3 GG ausdrücklich erwähnte persönliche Merkmal
des "Geschlechts". Eine Ungleichbehandlung, die an
dieses persönliche Merkmal anknüpft, stellt deshalb eine v
erbotene Diskriminierung der Minderheit der gleichgeschlechtlich
orientierten Menschen dar.
Gleichwohl haben die Gerichte Diskriminierungen
von Lesben und Schwulen immer wieder mit der Begründung
gebilligt, dass nach Art. 3 GG nur Gleiches gleich behandelt
werden müsse und dass die betreffenden Lebenssachverhalte nicht
miteinander vergleichbar seie n. Dafür gibt es in der
Geschichte der Diskriminierung von Lesben und Schwulen viele
Beispiele.
Ein
besonders schlimmes Beispiel ist das Urteil des
Bundesverfassungsgerichts vom 10.05.1957, mit dem das Gericht
die nationalsozialistischen Strafvorschriften gegen die männliche
Homosexualität gebilligt hat14.
Das Bundesverfassungsgericht hat damals die Auffassung
vertreten, die Bestrafung nur der männlichen und nicht auch der
weiblichen Homosexualität verletze den Gleichheitsgrundsatz
nicht, weil der biologische Geschlechtsunterschied den
Lebenssachverhalt so entscheidend präge, dass etwa
vergleichbare Elemente daneben vollkommen zurückträten. Wörtlich
heißt es in dem Urteil15:
"Schon die körperliche Bildung der
Geschlechtsorgane weist für den Mann auf eine mehr drängende
und fordernde, für die Frau auf eine mehr hinnehmende und zur
Hingabe bereite Funktion hin. (...) Anders als der Mann wird
die Frau unwillkürlich schon durch ihren Körper daran
erinnert, dass das Sexualleben mit Lasten verbunden ist. Damit
mag es zusammenhängen, dass bei der Frau körperliche
Begierde (Sexualität) und zärtliche Empfindungsfähigkeit
(Erotik) fast immer miteinander verschmolzen sind, während
beim Mann e, und zwar gerade beim Homosexuellen, beide
Komponenten vielfach getrennt bleiben. Die Gefahr einer
Akzentverschiebung zu Lasten der Bereitschaft, Verantwortung
zu übernehmen, und zugunsten des bloßen Lustgewinnes ist
daher eine besondere Gefahr der männlichen Sexualität. Die
kulturelle Aufgabe, Lustgewinn und Bereitschaft zur
Verantwortung zu verbinden, wird von 'dem männlichen
Sexualverhalten extrem häufiger ... verfehlt' als von dem
weiblichen.
Die Verschiedenheiten des Geschlechtslebens machen sich bei
der Gleichgeschlechtlichkeit womöglich noch stärker geltend
als bei heterosexuellen Beziehungen, da der auf Mutterschaft
angelegte Organismus der Frau unwillkürlich den Weg weist,
auch dann in einem übertragenen sozialen Sinne fraulich-mütterlich
zu wirken, wenn sie biologisch nicht Mutter ist, während eine
entsprechende Komponente beim Mann fehlt. So gelingt der
lesbisch veranlagten Frau das Durchhalten sexueller Abstinenz
leichter, während der homosexuelle Mann dazu neigt, einem
hemmungslosen Sexualbedürfnis zu verfallen."
In diesen Ausführungen des
Bundesverfassungsgerichts sind alle Klischees der traditionellen
kirchlichen Sexualmoral vereint: die aus dem Bau der
Geschlechtsorgane abgeleitete "natürliche
Rollenverteilung", die Ablehnung jeder Lust, die nicht auf
Zeugung ausgerichtet ist, und die Vorstellung, dass Kultur
Abstinenz voraussetzt.
Um solchen Interpretationskünsten der
Rechtsprechung vorzubeugen, ist es unbedingt geboten, in einem
Antidiskriminierungsgesetz das Diskriminierungsverbot so konkret
zu fassen, dass den Gerichten solche Umgehungsmanöver nicht
mehr möglich sind.
Das Benachteiligungsverbot des
Art. 3 GG ist zudem nur ein Abwehrrecht gegenüber der
staatlichen Gewalt (vgl. Art. 1 Abs. 3 GG). Es gilt nicht ohne
weiteres im privaten Rechtsverkehr. Inzwischen hat sich aber die
Erkenntnis durchgesetzt, dass der Gesetzgeber befugt ist,
Benachteiligungsverboten auch im privaten Rechtsverkehr Geltung
zu verschaffen, wenn das erforderlich ist, um Gruppen zu schützen,
die in besonderer Weise von Benachteiligungen bedroht sind. So
enthält z.B. § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ein
Diskriminierungsverbot, das Art. 3 Abs. 3 GG nachgebildet ist
und die Arbeitgeber bindet. Auch ist das Verbot, Frauen wegen
ihres Geschlechts zu diskriminieren, durch das Zweite
Gleichberechtigungsgesetz vom 24.06.199416
auf alle privatrechtlichen Arbeitsverhältnisse ausgedehnt
worden (vgl. §§ 611a, 611b BGB). Dasselbe muss auch durch das
Antidiskriminierungsgesetz geschehen. Es muss so gefasst werden,
dass es nicht nur die staatliche Gewalt bindet, sondern auch für
den zivilen Rechtsverkehr gilt.
Dagegen braucht das
Antidiskriminierungsgesetz nicht das private nichtrechtsgeschäftliche
Handeln zu erfassen. Für diesen Bereich genügen die
strafrechtlichen Vorschriften gegen Beleidigung (§§ 185 ff.
StGB) und Volksverhetzung (§ 130 StGB17.
4.2 Regelungsbereiche eines
Antidiskriminierungsgesetzes
Die verschiedenen Minderheitengruppen werden in
unterschiedlichen Lebensbereichen benachteiligt. Trotzdem hat
ihre Diskriminierung eine gemeinsame Wurzel, nämlich die
allgemeine Tendenz, Menschen abzulehnen und auszugrenzen, die
anders sind als die Mehrheit. Deshalb sollte ein
Antidiskriminierungsgesetz allgemeine Regelungen enthalten, die
generell die Solidarität mit allen Minderheiten einfordern.
Daneben sind zusätzliche Regelungen für die einzelnen
Minderheitengruppen erforderlich, die auf die besonderen
Benachteiligungen dieser Gruppen zugeschnitten sein müssen.
Diese Regelungen können entweder in einen besonderen Teil des
Antidiskriminierungsgesetzes eingestellt oder in Sondergesetze
übernommen werden. Letzteres empfiehlt sich bei den
Minderheitengruppe n, für die bereits Sondergesetze existieren
wie etwa die Schwerbehinderten und die Ausländer.
5. Allgemeine Regelungen
5.1 Definition der
Diskriminierung
Die allgemeinen Regelungen des
Antidiskriminierungsgesetzes sollen für alle Gruppen gelten,
die in besonderer Weise von Benachteiligungen bedroht sind. Das
sind zum einen die in Art. 3 Abs. 3 GG aufgezählten Gruppen und
zum anderen die Lesben und Schwulen. Das Diskriminierungsverbot
sollte deshalb an Art. 3 Abs. 3 GG anknüpfen und um das Verbot
der Diskriminierung wegen der "sexuellen Identität“
erweitert werden.
Dem steht nicht entgegen, dass
ein Antrag der SPD auf Aufnahme der „sexuellen Identität“
in die Diskriminierungsverbote des Art. 3 Abs. 3 GG in der
Gemeinsamen Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat
mit 27 Ja-Stimmen, 22 Nein-Stimmen und 3 Enthaltungen nicht die
erforderliche 2/3 Mehrheit erreicht hat. Denn damals
haben die Gegner der Änderung u.a. eingewandt, die notwendige
Beseitigung von Defiziten auf diesem Gebiet könne auch vom
einfachen Gesetzgeber geleistet werden18.
Ich halte den Ausdruck „sexuelle Identität“,
den die brandenburgische (Art. 12 Abs. 2) und die Berliner
Verfassung (Art. 10 Abs. 2) verwenden, für angemessener als der
Ausdruck „sexuelle Orientierung“, der in in den USA üblich
ist und von der thüringischen Verfassung (Art 2 Abs. 2)
verwandt wird. Der Begriff „sexuelle Orientierung“ ist zu
sehr auf das Sexuelle eingeengt. Die gleichgeschlechtliche
Orientierung prägt die Identität von Lesben und Schwulen
grundlegend anders, unabhängig davon, ob sie sich sexuell betätigen
oder nicht. Deshalb erscheint es mir sachgemäß, statt
"sexuelle Orientierung" den Ausdruck "sexuelle
Identität" zu verwenden.
Das Benachteiligungsverbot darf andererseits
sachlich gebotene Unterscheidungen nicht verhindern. Das gilt
vor allem für Eignungsprofile, die berechtigterweise an
bestimmte persönliche Merkmale anknüpfen. So erscheint es z.B.
sachgemäß, dass eine politische Partei die Einstellung und
weitere Beschäftigung von ReferentInnen von deren politischen
Anschauungen abhängig macht. Dagegen wäre es nicht
gerechtfertigt, wenn sie auch so bei Schreibkräften verfahren würde,
die nur technische Arbeiten zu erledigen haben.
Das Antidiskriminierungsgesetz darf auch
positive Fördermaßnahmen und Hilfen für Benachteiligte nicht
unmöglich machen. Deshalb muss im Gesetz klargestellt werden, dass
solche sozialen Maßnahmen keine Benachteiligung anderer
darstellen.
Ich schlage deshalb vor, das
Benachteiligungsverbot wie folgt zu fassen:
Benachteiligungsverbot
(1) Jeder schuldet jedem Anerkennung als Gleicher19.
(2) Niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner sexuellen
Identität, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache,
seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen
oder politischen Anschauungen oder seiner Behinderung
benachteiligt werden.
(3) Eine Benachteiligung ist nicht gegeben, wenn eine Berücksichtigung
dieser Merkmale der Sache nach unverzichtbar20
geboten ist.
4) Maßnahmen, die dazu dienen, Benachteiligungen wegen dieser
Merkmale auszugleichen, sind keine Benachteiligung anderer.
5.2 Schadensersatz und
Abmahnung
Das allgemeine Benachteiligungsverbot ist
Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 Satz 1 BGB. Verstöße
gegen das Benachteiligungsverbot lösen Schadensersatz- und
Unterlassungsansprüche aus.
Die Verfolgung möglicher
Schadensersatzansprüche durch die Betroffenen erscheint mir
allerdings zur Verhinderung von Diskriminierungen weniger
effektiv als die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen.
Das zeigen die Erfahrungen im Bereich des unlauteren
Wettbewerbs. Deshalb halte ich es nicht für erforderlich, die
Verfolgung von Schadensersatzansprüchen generell durch
Schadensvermutungen zu erleichtern21.
Auch erscheint es mir nicht geboten, Diskriminierten über die
derzeitigen Regelungen des Bürgerliche n Gesetzbuchs hinaus ein
besonderes Schmerzensgeld zuzubilligen.
Viel wichtiger ist es, den Verbänden der
Betroffenen das Recht einzuräumen, Unterlassungsansprüche im
eigenen Namen geltend zu machen. Auch sollte ihnen die
Verfolgung von Unterlassungsansprüchen durch Beweisregeln nach
dem Vorbild des § 611a Abs. 1 BGB erleichtert werden. Eine
solche Vorschrift könnte wie folgt lauten:
Abmahnung
(1) Wer gegen das Benachteiligungsverbot verstößt, kann auf
Unterlassung in Anspruch genommen werden.
(2) Der Anspruch auf Unterlassung kann auch von rechtsfähigen
Verbänden geltend gemacht werden, zu deren satzungsmäßigen
Aufgaben es gehört, die Interessen der Benachteiligten durch
Aufklärung und Beratung wahrzunehmen, sofern der Anspruch
eine Handlung betrifft, durch die wesentliche Belange der
Benachteiligten berührt werden. Die Verbände müssen Verbände,
die in diesem Aufgabenbereich tätig sind, oder mindestens fünfundsiebzig
natürliche Personen als Mitglieder haben.
(3) Wenn Tatsachen geltend gemacht werden, die einen Verstoß
gegen das Benachteiligungsverbot vermuten lassen, trägt der
andere Teil die Beweislast dafür, dass nicht auf die Merkmale
des § ... Abs. 2 ADG bezogene, sachliche Gründe eine
unterschiedliche Behandlung rechtfertigen oder dass eine Berücksichtigung
dieser Merkmale der Sache nach unverzichtbar geboten ist.
Die Beschränkung der Befugnis zur Abmahnung auf
größere Verbände und auf wesentliche Benachteiligungen nach
dem Vorbild des § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG und des § 13 Abs. 2 Nr.
1 AGB ist notwendig, um Missbräuchen vorzubeugen. Wann eine
Diskriminierung wesentliche Belange der Benachteiligten berührt,
kann im Gesetz nicht allgemein definiert werden. Dafür ist das
Leben zu vielgestaltig. Die Ausfüllung dieses Begriffs muss der
Rechtsprechung überlassen bleiben.
5.3 Öffentliches
Dienstrecht
Das vorgeschlagene Benachteiligungsverbot ist
nur auf den zivilen Rechtsverkehr zugeschnitten. Es muss deshalb
durch eine weitere Bestimmung ergänzt werden, die es allen
Bediensteten des Bundes, der Länder und der Kommunen zur
Pflicht macht, bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben das
Diskriminierungsverbot zu beachten. Das könnte durch folgende
Vorschrift geschehen:
Öffentlicher Dienst
Öffentliche Bedienstete dürfen bei der Wahrnehmung ihrer
Aufgaben niemand wegen der in § ... Abs. 2 genannten Merkmale
benachteiligen. § ... Abs. 3 und 4 gilt entsprechend.
Eine solche Bestimmung gibt den Betroffenen und
ihren Verbänden die Möglichkeit, sich gegen Diskriminierungen
durch Dienstaufsichtsbeschwerden und Anträge auf Einleitung von
Disziplinarverfahren zu wehren.
5.4 Polizei
Bei der Polizei scheint die Tendenz zur
Diskriminierung von Minderheiten besonders stark verbreitet zu
sein. Deshalb haben die nordrhein-westfälischen
Koalitionsparteien beschlossen, in das nordrhein-westfälische
Polizeigesetz ein ausdrückliches Diskriminierungsverbot
aufzunehmen.
Eine solche zusätzliche Vorschrift ist
angesichts der besonderen Neigung der Polizei zu
Diskriminierungen zu begrüßen, obwohl natürlich das oben
vorgeschlagene allgemeine Diskriminierungsverbot ohnehin auch für
die Polizeibeamten gilt.
5.5 Verbandsklagerecht
Benachteiligte verzichten oft auf die Verfolgung
ihrer Rechte und Ansprüche, weil sie sich dem nicht gewachsen fühlen.
Deshalb muss den Verbänden der Benachteiligten die Befugnis
eingeräumt werden, die Rechte und Ansprüche der Betroffenen für
diese im eigenen Namen geltend zu machen. Das könnte durch
folgende Vorschrift geschehen:
Verbandsklagerecht
(1) Rechtsfähige Verbände, zu deren satzungsmäßigen
Aufgaben es gehört, die Interessen der Benachteiligten durch
Aufklärung und Beratung wahrzunehmen, sind berechtigt, bei
Streitigkeiten über das Vorliegen von Benachteiligungen die
Rechte und Ansprüche der Benachteiligten für diese im
eigenen Namen gerichtlich und und außergerichtlich geltend zu
machen, sofern sie dazu von den Benachteiligten ermächtigt
worden sind.
(2) Die Ermächtigung kann nicht widerrufen werden.
5.6 Datenschutz
Der Datenschutz lässt sich nicht für alle
Gruppen von Benachteiligten einheitlich regeln.
5.7 Gleichstellungsstelle
Mit der Umsetzung des
Antidiskriminierungsgesetzes muss eine besondere Stelle
beauftragt werden. Ihre Aufgabe sollte es sein, die Durchführung
dieses Gesetzes zu überwachen und Verstöße zu rügen. Eine
entsprechende Vorschrift könnte folgendermaßen lauten:
Gleichstellungsstelle
(1) Die Gleichstellungsstelle ist eine oberste Bundesbehörde.
(2) Sie unterstützt den Deutschen Bundestag, die
Bundesregierung und einzelne Bundesministerien bei der
Umsetzung dieses Gesetzes. Soweit die Gleichstellungsstelle
den Bundestag berät, unterrichtet sie gleichzeitig die
Bundesregierung.
(3) Jeder hat das Recht, sich unmittelbar an die
Gleichstellungsstelle zu wenden. Wegen der Tatsache der
Anrufung der Gleichstellungsstelle darf er nicht gemaßregelt
oder benachteiligt werden.
(4) Zur Überprüfung von Eingaben kann die
Gleichstellungsstelle von den Bundesministerien Auskunft und
Akteneinsicht verlangen. Diese Rechte können ihr nur
verweigert werden, soweit zwingende Geheimhaltungsgründe
entgegenstehen.
(5) Die Gleichstellungsstelle kann einen Vorgang der für die
Einleitung des Straf- oder Disziplinarverfahrens zuständigen
Stelle zuleiten.
6) Das Nähere regelt ein Gesetz.
5.8 Bericht
Zur Förderung des Umsetzung
des Antidiskriminierungsgesetzes sollte die Bundesregierung dem
Deutschen Bundestag alle drei Jahre22
einen Bericht über den Stand der Abbau von Diskriminierungen in
Deutschland erstatten. Die Vorschrift könnte folgendermaßen
lauten:
Bericht
Die Bundesregierung legt dem Deutschen Bundestag alle drei
Jahre einen Erfahrungsbericht über die Situation der in §
... Abs. 2 ADG genannten Gruppen vor. Die Bundesministerien
haben dazu die erforderlichen Angaben zu machen. Der Bericht
darf keine personenbezogene Daten enthalten.
6. Allgemeine Vorschriften für
bestimmte Lebensbereiche
6.1 Allgemeine Geschäftsbedingungen
In weiten Bereichen des Rechtsverkehrs sind
Allgemeine Geschäftsbedingungen üblich. Deshalb bietet es sich
an, das Benachteiligungsverbot in das AGB-Gesetz zu übernehmen
und den Verbänden der Betroffenen auch insoweit ein
Abmahnungsrecht einzuräumen. Das könnte wie folgt geschehen:
§ 9 Abs. 2 AGB-Gesetz
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel
anzunehmen, wenn eine Bestimmung
.....
3. gegen § ... Abs. 2 ADG verstößt.
§ 13 Abs. 3a AGB-Gesetz
Im Fall von § 9 Abs. 2 Nr. 3 können die Ansprüche auf
Unterlassung und auf Widerruf nur von rechtsfähigen Verbänden
geltend gemacht werden, zu deren satzungsmäßigen Aufgaben es
gehört, die Interessen der Benachteiligten durch Aufklärung
und Beratung wahrzunehmen, wenn sie in diesem Aufgabenbereich
tätige Verbände oder mindestens fünfundsiebzig natürliche
Personen als Mitglieder haben.
6.2 Vergabe von öffentlichen
Aufträgen
Es ist Aufgabe der öffentlichen Hand, auf den
Abbau von Diskriminierungen hinzuwirken. Dazu kann die
Verpflichtung beitragen, den Abschluss von Verträgen über
Lieferungen und Leistungen davon abhängig zu machen, dass die
Vertragspartner das Benachteiligungsverbot beachten. Diese
Verpflichtung kann durch eine entsprechende Ergänzung des
Haushaltsgrundsätzegesetzes und der Bundeshaushaltsordnung begründet
werden:
§ 30 Abs. 2 HGrG
(2) Die Vertragspartner sind zu verpflichten, bei der Ausführung
der Lieferungen oder Leistungen das Benachteiligungsverbot des
§ ... Abs. 2 ADG zu beachten.
§ 55 Abs. 2a BHO
(2a) Die Vertragspartner sind zu verpflichten, bei der Ausführung
der Lieferungen oder Leistungen das Benachteiligungsverbot des
§ ... Abs. 2 ADG zu beachten.
6.3 Vergabe von staatlichen
Zuwendungen
Es empfiehlt sich, dieselben Regelungen für die
Vergabe von stattlichen Zuwendungen vorzusehen. Jedoch muss
dabei das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen beachtet werden.
Die den Kirchen eingeräumte Befugnis,
MitarbeiterInnen zu entlassen, wenn sie gegen kirchliche
Glaubens- und Moralvorschriften verstoßen, ist berechtigt,
soweit es sich dabei um MitarbeiterInnen im Verkündigungsdienst
handelt. Anders verhält es sich dagegen mit den Beschäftigten
in der kirchlichen Sozialarbeit.
Die Kirchen haben im sozialen Bereich den
Grundsatz der Subsidiarität durchgesetzt. So bestimmt z.B. § 4
Abs. 2 SGB VIII, dass die öffentliche Jugendhilfe von eigenen
Maßnahmen absehen soll, soweit geeignete Einrichtungen, Dienste
und Veranstaltungen von an erkannten Trägern der freien
Jugendhilfe betrieben oder rechtzeitig geschaffen werden können.
Ähnlich heißt es in § 10 Abs. 4 BSHG: "Wird die Hilfe im
Einzelfalle durch die freie Wohlfahrtspflege gewährleistet,
sollen die Träger der Sozialhilfe von der Durchführung eigener
Maßnahmen absehen; dies gilt nicht für die Gewährung von
Geldleistungen." Das bedeutet praktisch, dass der Staat im
Sozialbereich nur tätig werden darf, wenn den Kirchen eine
Aufgabe nicht interessant genug ist.
Die Kirchen finanzieren aber
ihre Sozialarbeit nicht mit ihren Kirchensteuereinnahmen,
sondern fast ausschließlich mit zusätzlichen staatlichen Mitteln23,
die auch von den BürgerInnen aufgebracht werden, die keiner
Kirche angehören. Deshalb erscheint es an gemessen, den Kirchen
bei der Vergabe staatlicher Mittel für Einrichtungen und
Projekte, die nicht unmittelbar der kirchlichen Verkündigung
dienen, die Beachtung der arbeits- und beamtenrechtlichen
Diskriminierungsverbote für die in diesen Bereichen Beschäftigten
zur Auflage zu machen.
Die Regelungen über staatliche Zuwendungen
sollten deshalb wie folgt gefasst werden:
§ 26 Abs. 1a und 1b HGrG
(1a) Zuwendungen müssen mit der Auflage versehen werden, dass
die Empfänger bei der Verfolgung der Zuwendungszwecke das
Benachteiligungsverbot des § ... Abs. 2 ADG beachten müssen.
Die Prüfung nach § 43 Abs. 2 Satz 1 erstreckt sich auf
die Einhaltung der Auflage.
(1b) Absatz 1a gilt auch für Zuwendungen an kirchliche
Einrichtungen und Projekte, die nicht unmittelbar der Verkündigung
dienen.
§ 23 Abs. 2 und 3 BHO
(2) Zuwendungen müssen mit der Auflage versehen werden, dass
die Empfänger bei der Verfolgung der Zuwendungszwecke das
Benachteiligungsverbot des § ... Abs. 2 ADG beachten müssen.
Die Prüfung nach § 91 Abs. 2 Satz 1 erstreckt sich auf
die Einhaltung der Auflage.
(3) Absatz 2 gilt auch für Zuwendungen an kirchliche
Einrichtungen und Projekte, die nicht unmittelbar der Verkündigung
dienen.
Diese Regelungen lassen das kirchliche
Selbstbestimmungsrecht unberührt. Die Kirchen können weiterhin
frei entscheiden, ob sie MitarbeiterInnen einstellen und weiter
beschäftigen wollen, die sich in ihrem Privatleben nicht an die
kirchlichen Glaubens- und Moralvorschriften halten. Der
Vorschlag trägt aber der Tatsache Rechnung, dass die
staatlichen Mittel auch von BürgerInnen mit aufgebracht werden,
die keiner Kirche angehören. Es ist diesem Teil der Bevölkerung
nicht zuzumuten, den moralischen Rigorismus mancher Kirchen
mitzufinanzieren.
6.4 Erwerbsleben
Im Arbeitsrecht sieht § 611a BGB für die
Verfolgung von Schadensersatzansprüchen wegen einer
Benachteiligung aufgrund des Geschlechts neben den
Beweiserleichterungen auch Regelungen über die Höhe des
Schadensersatzes vor. Diese Vorschrift sollte in Übereinstimmung
mit dem allgemeinen Benachteiligungsverbot wie folgt
verallgemeinert werden:
§ 611a BGB
(1) Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer bei einer
Vereinbarung oder einer Maßnahme, insbesondere bei der Begründung
des Arbeitsverhältnisses, beim beruflichen Aufstieg, bei
einer Weisung oder einer Kündigung, nicht wegen seines
Geschlechts, seiner sexuellen Identität, seiner Abstammung,
seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft,
seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen
Anschauungen oder seiner Behinderung benachteiligen. Eine
unterschiedliche Behandlung ist jedoch zulässig, soweit eine
Vereinbarung oder eine Maßnahme die Art der vom Arbeitnehmer
auszuübenden Tätigkeit zum Gegenstand hat und die Berücksichtigung
dieser Merkmale der Sache nach unverzichtbar geboten ist. Wenn
im Streitfall der Arbeitnehmer Tatsachen glaubhaft macht , die
eine Benachteiligung wegen dieser Merkmale vermuten lassen, trägt
der Arbeitgeber die Beweislast dafür, dass nicht auf diese
Merkmale bezogene, sachliche Gründe eine unterschiedliche
Behandlung rechtfertigen oder diese Merkmale unverzichtbare
Voraussetzung für die auszuübende Tätigkeit sind.
(2) bis (5) bleiben unverändert.
Verallgemeinern sollte man außerdem das Verbot
der diskriminierenden Stellenausschreibung:
§ 611b BGB
Stellen sind ohne Rücksicht auf die in § 611a Abs. 1 Satz 1
genannten Merkmale auszuschreiben, es sei denn, dass ein Fall
des § 611a Abs. 1 Satz 2 vorliegt.
6.5 Volksverhetzung und
Beleidigung
Wie schon erwähnt, werden Gruppen, die in
besonderer Weise von Benachteiligungen bedroht sind, durch die
Strafvorschriften über Volksverhetzung (§ 130 StGB) und
Beleidigung (§§ 185-200 StGB) ausreichend geschützt. In der
Praxis bleiben Strafanzeigen wegen diskriminierender
Beleidigungen aber meist erfolglos, weil die
Staatsanwaltschaften die Verletzten unterschiedslos auf den
Privatklageweg zu verweisen pflegen. Deshalb sollte § 376
StPO durch folgenden Absatz 2 ergänzt werden:
§ 376 Abs. 2 StPO
Wegen der in § 374 Abs. 1 Nr. 2 bezeichneten Fälle liegt die
Erhebung der Klage im öffentlichen Interesse, wenn die
ehrverletzende Herabsetzung eines anderen wegen der in
§ ... Abs. 2 ADG genannten Merkmale erfolgt.
6.6 Erziehung und Bildung
Der Abbau von Diskriminierungen kann nur
gelingen, wenn die Erzieher und Lehrer diese Bemühungen unterstützen.
Deshalb muss in den Schulen und Hochschulen sowie im Rahmen der
Erwachsenenbildung vermittelt werden, dass alle Menschen
gleichwertig sind und dass niemand wegen der in § ... Abs. 2
Antidiskriminierungsgesetz genannten Merkmale abgewertet und
benachteiligt werden darf. Allerdings steht dem
Bundesgesetzgeber nur hinsichtlich des Berufsbildungsgesetzes
die Gesetzgebungskompetenz zu. Es sollte wie folgt geändert
werden:
§ 1 Abs. 4a BBiG
Die Berufsbildung soll dazu beitragen, Benachteiligungen wegen
der in § ... Abs. 2 ADG genannten Merkmale zu vermeiden
und abzubauen.
6.7 Verbände von Gruppen,
die in besonderer Weise von Benachteiligungen bedroht sind
Die
besonders förderungswürdigen Vereinszwecke sind im derzeitigen
Steuerrecht so eng gefasst, dass viele Vereine von
Benachteiligten entweder überhaupt nicht oder nur unter großen
Schwierigkeiten als besonders förderungswürdig anerkannt
werden. So gilt die Fürsorge für Benachteiligte derzeit nur
dann als besonders förderungswürdig, wenn es sich um
politisch, rassisch oder religiös Verfolgte oder um Kriegsopfer
handelt. Die Förderung der Toleranz wird steuerlich nur gefördert,
wenn es um die Toleranz auf allen Gebieten der Kultur und des Völkerverständigungsgedankens
geht24. Bei der ohnehin
anstehenden Neuregelung25 sollten
diese Vorschriften wie folgt ergänzt und verallgemeinert
werden:
§ 48 Abs. 2a EStDV
(2a) Die gemeinnützigen Zwecke der Förderung der Toleranz
oder der Fürsorge für Menschen, die wegen der in § ... Abs.
2 ADG genannten Merkmale Benachteiligungen befürchten, sind
als besonders förderungswürdig anerkannt.
7. Besondere Regelungen für
Lesben und Schwule
7.1 Erwerbsleben und
Bundeswehr
Das Arbeits- und Beamtenrecht sowie das
Soldatengesetz und die Soldatenlaufbahnverordnung enthalten
bereits Diskriminierungsverbote, die Art. 3 Abs. 3 GG
nachgebildet sind. Es handelt sich dabei um
-
§ 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG,
-
§ 7 BRRG,
-
§ 8 Abs. 1 Satz 2 BBG,
-
§ 67 Abs. 1 Satz 1 BPersVG,
-
§ 3 Soldatengesetz,
-
§ 1 Soldatenlaufbahnverordnung.
Diese Bestimmungen müssen um
das Verbot der Diskriminierung wegen der "sexuellen Identität"
ergänzt werden. Das fordert auch die Gewerkschaft Öffentliche
Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV). Sie hat am 29.06.1990 den
"Entwurf eines Gesetzes zur Verhinderung der
Diskriminierung von homosexuellen Frauen und Männern in Arbeit
und Beruf" vorgelegt26, der
entsprechende Vorschläge enthält.
7.2 Mietrecht
Auf die diskriminierende Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs, dass überlebende gleichgeschlechtliche
PartnerInnen nicht als Familienangehörige im Sinne des § 569a
BGB gelten, hat die Bundestagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
durch ihren Gesetzentwurf vom 17.03.1995 (Bundestagsdrucksache
13/847) reagiert und die Änderung der §§ 569a und 569b BGB
vorgeschlagen. Sollte dieser Gesetzentwurf scheitern, empfiehlt
es sich, die vorgeschlagenen Änderungen in das
Antidiskriminierungsgesetz zu übernehmen.
7.3 Gleichgeschlechtliche
Lebensgemeinschaften
Zum Problem der Diskriminierung
gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften hat die
Bundestagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN am 24.10.1995 den
„Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Rechts auf
Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts“
(Bundestagsdrucksache 13/2728) vorgelegt. Sollte dieser
Gesetzentwurf scheitern, empfiehlt es sich, die vorgeschlagenen
Änderungen in das Antidiskriminierungsgesetz zu übernehmen.
Gegen
die Gleichstellung lesbischer und schwuler Lebensgemeinschaften
mit der Ehe wird vor allem eingewandt, das verstoße gegen die
Privilegierung der Ehe durch Art. 6 Abs. 1 GG. Dabei wird mit
Art. 6 Abs. 1 GG ganz undifferenziert argumentiert. Man erweck t
den Anschein, als ob die derzeitige Form der bürgerlich-rechtlichen
Ehe einen übergesetzlichen, naturrechtlichen Rang habe27
und dass es daneben keine vom Recht geschützten
Lebensgemeinschaften geben könne28.
Tatsächlich ist die heutige Form der bürgerlich-rechtlichen
Ehe kaum 150 Jahre alt. Die Lebensform "Ehe" hat sich
im Lauf der Jahrhunderte immer wieder geändert und wird sich
auch weiter ändern. Davon geht auch das
Bundesverfassungsgericht aus. Es hält deshalb einen Wandel des
Eheverständnisses mit entsprechenden verfassungsrechtlichen
Auswirkungen durchaus für möglich29.
Außerdem hat das Gericht anerkannt, daß auch die Freiheit, in
nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammenzuleben, als Ausfluss
der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG)
grundgesetzlich geschützt ist30.
Demgemäss
ist die Ehe gegenüber anderen Lebensformen keineswegs so
umfassend privilegiert, wie das immer wieder pauschal behauptet
wird. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat
die verfassungsrechtliche Privilegierung der Ehe im wesentlich
en zwei Auswirkungen: der Staat darf Ehegatten gegenüber Ledigen31
und unverheiratet zusammenlebenden Paaren32
nicht benachteiligen, und er darf die Bereitschaft zur Eheschließung
nicht beeinträchtigen33. Der
erste Gesichtspunkt scheidet hier schon deshalb aus, weil die
Lesben und Schwulen für ihre Lebensgemeinschaften nicht
bessere, sondern gleiche Rechte einfordern. Dadurch werden Ehen
nicht benachteiligt. Der zweite Gesichtspunkt, die Beeinträchtigung
der Bereitschaft zur Eheschließung, hat nur für solch e
Lebensformen Bedeutung, die mit der Ehe konkurrieren, also für
die eheähnlichen Lebensgemeinschaften und die Ledigen. Für die
Wahl zwischen Ehe oder gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaft
ist dagegen nicht die Attraktivität dieser Lebensformen bestimm
end, sondern ausschließlich die sexuelle Identität der
Beteiligten. Über dieses Persönlichkeitsmerkmal kann niemand
verfügen; es ist nicht wählbar. Deshalb eignet sich die
Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften
nicht dazu, die Bereitschaft homosexueller Menschen zu fördern,
eine verschiedengeschlechtliche Partnerschaft oder Ehe
einzugehen. Das wäre auch nicht wünschenswert. Zwar ist es
gleichgeschlechtlichen Menschen durchweg nicht unmöglich, eine
Partnerin bzw. einen Partner des andere n Geschlechts zu
heiraten. In der Vergangenheit haben viele homosexuelle Frauen
und Männer nur dadurch "überleben" können, dass sie
sich in solche Ehen geflüchtet haben. Aber diese Ehen führen
in den seltensten Fällen zu einer umfassenden dauerhaften
Lebensgemeinschaft. Die meisten dieser Ehen scheitern. Der Rest
zerbricht in der Regel nur deshalb nicht, weil der homosexuell
geprägte Teil den anderen lebenslang täuscht und heimlich ein
Doppelleben führt. Es kann nicht Sinn einer verantwortlichen
Familienpolitik sein, gleichgeschlechtliche Menschen in solche
Ehen zu drängen. Das hält der Rat der Evangelischen Kirche in
Deutschland sogar für moralisch verwerflich: Menschen, die
eindeutig und unveränderbar homosexuell geprägt sind, dürfen
keine Ehe schließen, um sich davon „Heilung“ bzw. ein
„normales“ Familienleben zu erhoffen oder um sich darin zu „tarnen“34.
Auch die 3. Kammer des Ersten
Senats des Bundesverfassungsgerichts hat in ihrem bekannten Beschluss
vom 04.10.199335, durch den sie
die Klagen von lesbischen und schwulen Paaren gegen das
Eheverbot der Gleichgeschlechtlichkeit zurückgewiesen hat,
nicht damit argumentiert, dass die Öffnung der Ehe für
gleichgeschlechtliche Paare gegen die Privilegierung der Ehe
durch Art. 6 Abs. 1 GG verstoße, sondern im Gegenteil ausgeführt:
"Das Vorbringen in der Verfassungsbeschwerde kann auch
offensichtlich nicht den Schluss stützen, dass der
Gesetzgeber verpflichtet sei, dem Persönlichkeitsrecht
gleichgeschlechtlicher Partner oder ihrem Recht auf
Gleichbehandlung dadurch Rechnung zu tragen, dass er ihnen den
Zugang zum einfachrechtlichen Institut der Ehe eröffnet.
Insoweit ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber den
genannten Grundrechten nicht auch auf andere Weise als dadurch
Rechnung tragen könnte, dass er die Rechtsform der Ehe für
gleichgeschlechtliche Paare öffnet. Im übrigen darf der
Gesetzgeber, der sich bei der einfachrechtlichen Ausgestaltung
der Ehe an Art. 6 Abs. 1 GG orientiert, den Zugang zu dieser
Rechtsform denjenigen Lebensgemeinschaften vorbehalten, auf
die sich der verfassungsrechtliche Schutzauftrag
bezieht."
Diese Ausführungen sind eindeutig. Danach ist
der Gesetzgeber zwar nicht verpflichtet, das einfachrechtliche
Institut der Ehe für Schwule und Lesben zu öffnen; es ist ihm
aber auch nicht verwehrt. Die Öffnung könnte durch eine Ergänzung
des § 1353 BGB geschehen.
§ 1353 BGB
(1) Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen
Geschlechts geschlossen.
7.4 Lesbische und schwule
Jugendliche
Um sicherzustellen, daß lesbische und schwule
Jugendliche in ihrer Entwicklung von ihren Eltern und Erziehern
nicht mehr behindert werden, müssen die Vorschriften des Bürgerlichen
Gesetzbuches und des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (SGB VIII)
wie folgt ergänzt werden:
§ 1626 Abs. 3 BGB
Die Eltern helfen dem Kind, sich über seine sexuelle Identität
klar zu werden, sie anzunehmen und auf dieser Grundlage ein
sittlich verantwortlich Leben zu führen.
§ 1 Abs. 3 SGB VIII
Jugendhilfe soll zur Verwirklichung des Rechtes nach Absatz 1
insbesondere
1. junge Menschen in ihrer individuellen und sozialen
Entwicklung sowie in ihrer sexuellen Identität fördern und
dazu beitragen, Benachteiligungen zu vermeiden und abzubauen;
7.5 Lesbische Mütter und Väter
Die Vorurteile gegenüber lesbischen Müttern
und schwulen Vätern sind unbegründet. Es leben schon heute
viele Kinder aus früheren Ehen in gleichgeschlechtlichen
Lebensgemeinschaften. Umfangreiche Untersuchungen in den USA
haben ergeben, dass nicht das gleich e oder verschiedene
Geschlecht der Eltern, sondern allein die Art und Weise ihres
Umgangs mit den Kindern für deren Wohlergehen und Entwicklung
ausschlaggebend sind. Davon abgesehen sind sich die
Erziehungswissenschaftler einig, dass zwei Bezugspersonen für
das Wohlergehen und die Entwicklung von Kindern durchweg besser
sind als nur eine. Probleme können sich bei
gleichgeschlechtlichen Eltern allenfalls aus
vorurteilsbefangenen Reaktionen der Umwelt ergeben. Deshalb muss
es einerseits bei dem Grundsatz der Einzelfallprüfung
verbleiben, die allein auf das Wohl des betreffenden Kindes
abzustellen hat. Andererseits muss aber auch sichergestellt
werden, dass die Entscheidung nicht von Vorurteilen beeinflusst
wird. Dazu müssen das BGB und das Kinder-und Jugendhilfegesetz
(SGB VIII) wir folgt ergänzt werden:
§ 1671 Abs. 2 BGB
Das Gericht trifft die Regelung, die dem Wohle des Kindes am
besten entspricht. Hierbei sind die Bindungen des Kindes,
insbesondere an seine Eltern und Geschwister, zu berücksichtigen;
dagegen hat die sexuelle Identität der Eltern als solche außer
Betracht zu bleiben.
§ 1741 Abs. 1a BGB
Bei der Prüfung, ob die Annahme als Kind dem Wohl des Kindes
dient, hat die sexuelle Identität des Annehmenden als solche
außer Betracht zu bleiben.
§ 44 Abs. 2a SGB VIII
Bei der Prüfung, ob das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen
in der Pflegestelle gewährleistet ist, hat die sexuelle
Identität der Pflegeperson als solcher außer Betracht zu
bleiben.
7.6 Strafvollzug
Um lesbische und schwule Gefangene vor
Diskriminierung zu schützen, muss die allgemeine Bestimmung über
die Gestaltung des Vollzugs wie folgt ergänzt werden.
§ 3 Abs. 2 StVollzG
Schädlichen Folgen des Freiheitsentzugs und Benachteiligungen
wegen der sexuellen Identität ist entgegenzuwirken.
7.7 Datenschutz
Nach Art. 8 Abs. 1 der Europäischen
Datenschutzrichtlinie vom 24.10.199536
müssen die Mitgliedstaaten die Verarbeitung von Daten über das
Sexualleben untersagen. Diese Verpflichtung kann wie folgt
umgesetzt werden:
§ 4a BDSG
„Die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener
Daten über das Sexualleben ist nur zulässig,
1) wenn dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift dies
erlaubt oder anordnet,
2) wenn dies der Sache nach unverzichtbar geboten ist oder
3) wenn der Betroffene eingewilligt hat.
§ 35 Abs. 2a SGB I
Eine Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener
Daten über das Sexualleben ist nur zulässig,
1) wenn dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift dies
erlaubt oder anordnet,
2) wenn dies der Sache nach unverzichtbar geboten ist oder
3) wenn der Betroffene eingewilligt hat.“
Die Europäische Datenschutzrichtlinie gilt
allerdings nicht für die Verarbeitung personenbezogener Daten,
die die öffentliche Sicherheit, die Landesverteidigung, die
Sicherheit des Staates und die Tätigkeiten des Staates im
strafrechtlichen Bereich betreff en (Art. 3 Abs. 2 und
Anwendungsgrundsatz 13). Gerade im Bereich der
Nachrichtendienste und der Polizei kommt es aber immer wieder zu
unzulässigen Datensammlungen über das Sexualleben. Das muss
durch entsprechende Ergänzung der einschlägigen Gesetze
unterbunden werden:
§ 2 Abs. 3 BKAG
Das Bundeskriminalamt darf personenbezogene Daten über das
Sexualleben nur erheben, verarbeiten und nutzen,
1) wenn dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift dies
erlaubt oder anordnet,
2) wenn dies zur Erfüllung einer ihm obliegenden Aufgabe
unverzichtbar geboten ist oder
3) wenn der Betroffene eingewilligt hat.
§ 21 Abs. 2a BGSG
Der Bundesgrenzschutz darf personenbezogene Daten über das
Sexualleben nur erheben,
1) wenn dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift dies
erlaubt oder anordnet,
2) wenn dies zur Erfüllung einer ihm obliegenden Aufgabe
unverzichtbar geboten ist oder
3) wenn der Betroffene eingewilligt hat.
§ 29a BGSG
Der Bundesgrenzschutz darf personenbezogene Daten über das
Sexualleben nur verarbeiten und nutzen,
1) wenn dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift dies
erlaubt oder anordnet,
2) wenn dies zur Erfüllung einer ihm obliegenden Aufgabe
unverzichtbar geboten ist oder
3) wenn der Betroffene eingewilligt hat.
§ 8 Abs. 2a BVerfSchG
Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf personenbezogene
Daten über das Sexualleben nur erheben, verarbeiten und
nutzen,
1) wenn dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift dies
erlaubt oder anordnet,
2) wenn dies zur Erfüllung einer ihm obliegenden Aufgabe
unverzichtbar geboten ist oder
3) wenn der Betroffene eingewilligt hat.
§ 4 Abs. 1a MADG
Der Militärische Abschirmdienst darf personenbezogene Daten
über das Sexualleben nur erheben, verarbeiten und nutzen,
1) wenn dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift dies
erlaubt oder anordnet,
2) wenn dies zur Erfüllung einer ihm obliegenden Aufgabe
unverzichtbar geboten ist oder
3) wenn der Betroffene eingewilligt hat.
§ 2 Abs. 2a BNDG
Der Bundesnachrichtendienst darf personenbezogene Daten über
das Sexualleben nur erheben, verarbeiten und nutzen,
1) wenn dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift dies
erlaubt oder anordnet,
2) wenn dies zur Erfüllung einer ihm obliegenden Aufgabe
unverzichtbar geboten ist oder
3) wenn der Betroffene eingewilligt hat.
Hinweis: In einigen Ländern existieren schon
einzelne Antidiskriminierungsbestimmungen, siehe oben.
Anmerkungen
Hinweis: Wenn Sie von einer Anmerkung in den
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Wort!
-
BTDrucks.
11/2495, S. 24.
-
Bochow,
Michael: Schwuler Sex und die Bedrohung durch AIDS -
Reaktionen homosexueller Männer in Ost- und
Westdeutschland. AIDS-Forum D.A.H. Band XVI - Berlin:
Deutsche AIDS-Hilfe, 1994, S. 32; Starke, Kurt: Schwuler
Osten: homosexuelle Männer in der DDR - Berlin: Ch. Links
Verlag, 1994, S. 307.
-
Im
Anschluß an die Entscheidungen BVerfGE 87, 234 (264), BGHZ
121, 116 (124), und BVerwG, NJW 1995, 2802, hat sich eingebürgert,
den Begriff "eheähnlich" nur noch für
verschiedengeschlechtliche Lebensgemeinschaften zu
verwenden, obwohl der Gesetzgeber mit diesem Begriff in § 2
Abs. 2 Sicherheitsüberprüfungsgesetz auch
gleichgeschlechtliche nichteheliche Lebensgemeinschaften
meint. Das ergibt sich eindeutig aus der Klammerdefinition
"Lebenspartner" und aus dem Normzweck der
Vorschrift. Davon gehen auch die R ichtlinien zu § 2 Abs. 2
SÜG aus (GMBl 1994, 550 [553]).
-
Vgl.
BVerfGE 87, 234, (264).
-
BGHZ 92,
213 (219); BFH, BStBl. II 1991, 518; vgl. auch BAG, NJW
1995, 275 (277).
-
BGHZ 121,
116 (124).
-
BVerwGE
43, 157; BAG, NJW 1995, 275.
-
Vgl. die
vom Niedersächsischen Sozialministerium in Auftrag gegebene
Studie von Knoll/Bittner/Edinger/Reisbeck/Schmitt/Keupp:
"Lesben und Schwule in der Arbeitswelt" -
Manuskript, 1995.
-
Vgl.
insbesondere BVerfGE 70, 138.
-
BVerwGE
63, 286; BVerwG NJW 1991, 1127.
-
Vgl.Dimski,
Andrea: Gleichberechtigung für homosexuelle Eltern? -
Zeitschrift für Europäisches Privatrecht, 1995, 465-481.
-
BVerfGE
22, 387 (415); 52, 277 (280); 55, 72, (88); 83, 395, (401);
91, 389 (401) zum Teil m. w. Nw.
-
BVerfGE
55, 72 (89); 88, 5, (12); 88, 87 (96)
-
BVerfGE
6, 389.
-
BVerfGE
6, 389 (424/445).
-
BGBl. I
1994, 1406.
-
Vgl.
unten Ziffer 6.5.
-
BTDrucks.
12/6000 S. 54 = Zur Sache 5/93, S. 107.
-
Vgl.
Art. 1 Abs. 2 des Entwurfs der Arbeitsgruppe „Neue
Verfassung der DDR“ des Zentralen Runden Tisches vom
04.04.1990, veröffentlicht u.a. in KritJustiz 1990, 226
ff., und KritV 1990, 167 ff.
-
Vgl. §
611a Abs. 1 Satz 2 BGB.
-
Vgl.
aber unten Ziffer 6.4.
-
Vgl. §
14 Frauenfördergesetz.
-
Vgl.
Herrmann, Horst: Die Kirche und unser Geld: Daten,
Tatsachen, Hintergründe - Hamburg: Rasch und Röhring,
1990.
-
Anlage
7, Nr. 10 und 12, zu Abschnitt 111 Abs. 1 EStR.
-
BMFVgl.,
BStBl. II 1994, 710.
-
Hammer/Rzadkowski,
ZTR 1991, 363-371; Hammer, Der Personalrat 1996, 112-115.
-
Manche
Äußerungen konservativer Verteidiger der Ehe muten an wie
der bekannte Ausspruch von Getrude Stein über die Rose: Die
Ehe ist die Ehe ist die Ehe.
-
So
pflegte z.B. der frühere F.D.P.-Justizminister Engelhardt
Forderungen nach rechtlichen Regelungen für nichteheliche
Lebensgemeinschaften mit dem Spruch zurückzuweisen:
"Wer rechtliche Regelungen will, der mag heiraten"
-
BVerfGE
15, 328 (332); 31, 58 (82 f); 36, 146, (163 f.); 53, 224
(245).
-
Vgl.
BVerfGE 9, 20 (34 f.); 82, 6 (15 u. 16); 84, 168, 184; 87,
234 (267).
-
Vgl.
z.B. BVerfGE 9, 237 (242); 12, 180 (197); 28, 324 (347); 47,
1 (19); 75, 361 (366); 75, 382 (393); 76, 126 (128); 87, 234
(259) zum Teil m.w.Nw.
-
Vgl.
z.B. BVerfGE 67, 186 (195 f.); 87, 234 (264 f.).
-
Vgl.
z.B. BVerfGE 12, 151 (167); 28, 324, (347); 55, 114, (126
f.).
-
Kirchenamt
der EKD (Hrsg.): „Mit Spannungen leben“ - Eine
Orientierungshilfe des Rates der Evangelischen Kirche in
Deutschland zum Thema „Homosexualität und Kirche“ -
Hannover: 1996, Seite 33/34
-
NJW
1993, 3058, mit Anm. Schimmel, FuR 1993, 348 f.; vgl. auch
Zuck, NJW 1995, 175 f.
-
Richtlinie
Nr. 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
24.10.1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der
Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien
Datenverkehr, ABl. EG Nr. L 281/31 v. 23.11.1995.
|