Gewalt gegen Schwule und Lesben (Seminar-Dokumentation)
Teil 2: Vorstellungsrunde zur Situation der anwesenden Projekte
Köln
Das Anti-Gewalt-Projekt und das Überfalltelefon arbeiten zur Zeit mit fünf Ehrenamtlern, die hauptsächlich in der Beratung aktiv sind. Allgemein wird von einer schwierigen Arbeitssituation berichtet: Prävention und Öffentlichkeitsarbeit sind kaum durchführbar - am ehesten noch über gemeinsame Infostände mit der Polizei (die in NRW zu diesem Zweck ein eigenes Infomobil angeschafft hat). Infostände haben jedoch auch wenig Resonanz in der schwulen Szene, das gleiche gilt für die Website des Projekts. Die Zusammenarbeit mit der Polizei ist sehr gut.
Nordrhein-Westfalen
Es gibt sieben schwule Überfalltelefone und ein lesbisch-schwul gemischtes Projekt - betrieben vom LSVD. Gemeldet wurden 1999 insgesamt 55 Fälle antischwuler Gewalt (gegenüber 48 in 1998). Dabei ist eine stetige Zunahme allgemeiner Anrufe wegen gewalttätiger Vorfälle in Beziehungen zu verzeichnen. Weitere Themen der Anrufe sind polizeiliches Verhalten oder das Interesse an einer allgemeinen Beratung.
Allgemein zeichnet sich jedoch ein Rückgang der Anrufe ab. Allerdings erfahren die Mitarbeiterinnen der Überfalltelefone so oft Vorfälle aus dritter Hand, dass nicht auf einen realen Rückgang antischwuler Gewalt geschlossen werden kann. Öffentlichkeitsarbeit findet in Form von Aufkleberaktionen, Anzeigen, Postkartenaktion, Plakatierung in der Düsseldorfer U-Bahn und in Zusammenarbeit mit der Polizei ("Info-Mobil") statt.
Noch wenig ausgebaut ist die Website. Gerade die auf Prävention ausgerichtete Öffentlichkeitsarbeit müsste noch stärker gefördert werden. Weitere Aktivitäten: Teilnahme am Deutschen Präventionstag gemeinsam mit dem LKA, Organisation der Fachtagung "Polizei und Homosexualität" im Dezember 1999. In Dortmund wird zur Zeit eine Zusammenarbeit mit der Rosa Hilfe als Modell für Städte mit insgesamt geringen Anruf-/Fallzahlen erprobt. Eine weitere Überlegung zur effizienteren Nutzung vorhandener Ressourcen ist in NRW die generelle Öffnung des Angebots bzw. der Infrastruktur für Lesben.
Niedersachsen
Die Struktur der schwulen Anti-Gewalt-Arbeit basiert auf den polizeilichen Ansprechpartnerinnen (4 Männer, 1 Frau) in Hannover, Cuxhaven, Oldenburg und Göttingen. Die Zusammenarbeit findet mit der niedersächsischen Aids-Hilfe, dem HOME-Zentrum und schwulen Organisationen statt. Eine schwule Anti-Gewalt-Gruppe existiert nicht.
Landesweit pro Woche gibt es ca. 10 bis 12 Anrufe. Allerdings existiert keine differenzierte Erfassung "antischwuler" bzw. antilesbischer" Gewalt neben anderen Tatbeständen. Die öffentlichkeits- bzw. Präventionsarbeit findet über ein eigenes Faltblatt und mittels Infoständen statt.
Erfolgreich ist die Arbeit der Clearingstelle bei Problemen von Schwulen/Lesben mit der Polizei. In Niedersachsen wird die schwule Anti-Gewalt-Arbeit unmittelbar durch den Arbeitskreis homosexueller Polizeiangehöriger e.V. (AHPol) getragen.
Frankfurt/Main
Hier existiert eine eigene Anti-Gewalt-Gruppe mit Überfalltelefon in Zusammenarbeit mit der Aids-Hilfe Frankfurt, die zweimal pro Woche erreichbar ist. Ein teilamtlicher Mitarbeiter und drei Ehrenamtler sind in der Gruppe engagiert. Nur relativ wenige Fälle wurden in den vergangenen Monaten (ca. 2 "echte" Notrufe pro Monat) registriert. Eine Beratung findet hauptsächlich am Telefon statt. Eine systematische Öffentlichkeitsarbeit mit Infofaltblättern in der Szene, einem neuen Standkonzept sowie eine gute Zusammenarbeit mit der Polizei stehen im Vordergrund.
Leipzig
Das dortige Anti-Gewalt-Projekt wird derzeit mit nur einem Hauptamtler von der lokalen schwulen Dachorganisation "Rosa Linde" getragen. Die Arbeitsweise besteht vor allem in gemeinsamen Treffen von Vertretern verschiedener Schwulengruppen mit dem Beauftragten der Polizei.
Sehr wenige Notrufe sind in letzter Zeit eingegangen, allerdings kann angenommen werden, dass die meisten schwulen Opfer sich direkt an die Polizei wenden. Die Zusammenarbeit mit der Polizei ist hervorragend, der Ansprechpartner stark engagiert. Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit und Prävention wurden 1999 entsprechende Materialien entworfen, die aber aus Geldmangel nicht produziert werden konnten.
Berlin
Das schwule Überfalltelefon hat nach wie vor gleichbleibende Fallzahlen um 200 Fälle pro Jahr und ist damit völlig ausgelastet und ständig an den Grenzen des Machbaren. Trotzdem soll die Arbeit in Richtung Opferpolitik vorangetrieben werden u.a. durch eine Intensivierung in der Zusammenarbeit mit dem "Arbeitskreis der Opferhilfen (ado) in Deutschland e.V.".
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