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Informationen des LSVD zur Magnus-Hirschfeld-StiftungDer Deutsche Bundestag hat am 27. Juni ein Gesetz beschlossen, das die Errichtung einer Magnus-Hirschfeld-Stiftung vorsieht. Der LSVD hat sich seit langem für die Errichtung einer solchen Stiftung eingesetzt. Wir begrüßen, dass dieses Vorhaben nun auf den Weg gebracht wurde. Die Magnus-Hirschfeld-Stiftung ist als kollektiver Ausgleich für die Zerschlagung der homosexuellen Bürgerrechtsbewegung durch die Nazis 1933 gedacht. Damals wurden schwule und lesbische Vereine verboten oder zur Selbstauflösung gezwungen, Zeitschriften mussten ihr Erscheinen einstellen. Für diese Vernichtung der schwul-lesbischen Infrastruktur hat es nach dem Krieg keine Entschädigung gegeben. Jetzt endlich ist der Bundestag bereit, das Unrecht anzuerkennen. Da es keine direkten Rechtsnachfolger der damals zerschlagenen Einrichtungen gibt, soll die Entschädigung nun in Form einer Stiftung erfolgen, um damit eine breite Wirkung zugunsten von Lesben und Schwulen entfalten zu können. Inhalt des GesetzesDie Aufgaben der Stiftung sind im beschlossenen Gesetz wie folgt dargelegt: „Zweck der Stiftung ist es, homosexuelles Leben in Geschichte und Gegenwart wissenschaftlich zu erforschen und darzustellen, die nationalsozialistische Verfolgung Homosexueller in Erinnerung zu halten, gesellschaftlicher Diskriminierung homosexueller Männer und Frauen entgegenzuwirken, Emanzipations-, Bürgerrechts- und Menschenrechtsarbeit im In- und Ausland zu fördern sowie das Gedenken an Leben und Werk Magnus Hirschfelds zu pflegen. Die Stiftung arbeitet unabhängig und überparteilich." In der dem Bundestagsbeschluss zu Grunde liegenden Empfehlung des Rechtsausschusses heißt es: „Die Stiftung soll im Bereich schwul-lesbischer Erinnerungs- sowie Emanzipations-, Bürger- und Menschenrechtsarbeit ergänzend tätig werden. Es ist keineswegs intendiert, dass die Stiftung die Förderung schwuler und lesbischer Projekte und Einrichtungen durch Bund, Länder oder Gemeinden ersetzen soll." Ausgestattet wird die Stiftung mit einem Finanzvolumen von 15 Millionen €. Das Geld wird in vier Jahresraten à 3,75 Millionen € ab 2003 aus dem Bundeshaushalt an die Stiftung gegeben. Es bildet den Grundstock des Stiftungsvermögens. Ihre Arbeit muss die Stiftung dann aus den Erträgen dieses Kapitals bestreiten. Als Leitungsgremium der Stiftung ist ein ehrenamtliches Kuratorium vorgesehen. Es soll 22 Personen umfassen. Die Hälfte der Kuratoriumsplätze wird mit Vertreterinnen und Vertretern des Bundestages und der Bundesregierung besetzt, die andere Hälfte mit Verbandsvertreter/innen. Im Gesetz sind dafür folgende Organisationen benannt:
In der Beschlussempfehlung des Bundestags-Rechtsausschusses heißt es dazu: „Um das Kuratorium arbeitsfähig zu halten, ist am Prinzip festgehalten worden, auf der Verbändeseite rechtsfähige überregionale Organisationen als entsendende Stellen zu benennen. Ein Teil der benannten Verbände repräsentiert nur schwule Männer, der Lesbenring e.V. ausschließlich Frauen. In einem anderen Teil der Verbände sind sowohl Frauen als auch Männer vertreten, in zweien davon Frauen zu einem hohen Anteil. Um eine Mindestrepräsentanz von Frauen im Kuratorium zu sichern, erhalten diese Verbände zwei Sitze – nun mit der verbindlichen Maßgabe, diese mindestens geschlechterparitätisch besetzen zu müssen." Es handelt sich dabei um die ILGA und den LSVD. Verlauf der BeratungenDer Gesetzentwurf wurde am 4. Juni 2002 in den Bundestag eingebracht und am 24. und 26. Juni im Rechtsausschuss diskutiert. Der LSVD hatte sich mit einer Stellungnahme an die Fraktionen des Bundestages gewandt und darin das Vorhaben grundsätzlich begrüßt. Hinsichtlich des Kuratoriums hat der LSVD betont, dass der Gesetzgeber durch klare Regelungen die Repräsentanz von lesbischen Frauen sicherstellen soll. Der LSVD hat zudem vorgeschlagen, die Bereiche Jugend sowie Arbeitswelt, zu denen jeweils bundesweite Organisationen tätig sind, ebenfalls in das Kuratorium zu integrieren. Für die Arbeitswelt ist dies durch die Aufnahme des Völklinger Kreises und ver.di geschehen, für den Bereich Jugend leider nicht. Bei der Abstimmung im Bundestag wurde das Gesetz mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, Bündnis 90 / Die Grünen und der PDS angenommen. Die CDU/CSU stimmte dagegen, die FDP und eine PDS-Abgeordnete enthielten sich. Bereits im Haushaltsausschuss des Bundestages hatte die CDU/CSU gegen die Stiftung gestimmt und dabei zu Protokoll gegeben, dass sie die Magnus-Hirschfeld-Stiftung nicht mit der Haushaltslage des Bundes für vereinbar hält. QuerelenInsbesondere die CDU/CSU hat nun in Verlautbarungen den Vorwurf der „Selbstbedienung" erhoben und eine angebliche Dominanz des LSVD in der Stiftung beklagt. Der LSVD weist diese Anwürfe entschieden zurück. Sie sind reine Propaganda. Nach dem vom Bundestag verabschiedeten Stiftungsgesetz soll der LSVD aufgrund der Mindestquotierung für Frauen zwei Sitze im Kuratorium einnehmen. Zwei Sitze von 22: Es gehört schon eine große Portion an Böswiligkeit dazu, das als „Dominanz" auszulegen. Von „Selbstbedienung" kann auch schon deswegen keine Rede sein, weil dieses Kuratorium nicht dazu da ist, im Einzelnen Geld zu verteilen, schon gar nicht unter den vertretenen Verbänden. Das Kuratorium entscheidet laut Stiftungsgesetz vielmehr über die Grundzüge und Grundsätze der Stiftungsarbeit. Diese Vorwürfe sind zudem ehrenrührig angesichts der langjährigen ehrenamtlichen Arbeit des LSVD in verschiedensten Gremien. So engagiert sich der LSVD neben der Bürger- und Menschenrechtsarbeit seit langem auch für ein würdiges Gedenken an die homosexuellen NS-Opfer und für die Aufarbeitung der Verfolgungsgeschichte. Der LSVD ist zu diesem Themenkomplex bereits in verschiedenen Beiräten vertreten, so bei der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, bei der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten und beim Hessischen Landeshärtefonds für NS-Verfolgte. Die Initiative „Der homosexuellen NS-Opfer gedenken" arbeitet unter dem Dach des LSVD. Persönlich angegriffen wurde besonders unser Vorstandsmitglied Volker Beck. Dabei ist es ganz wesentlich ihm zu verdanken, dass die aus der Schwulen- und Lesbenbewegung seit vielen Jahren geforderte Stiftung jetzt im Parlament auf den Weg gebracht wurde. Die SPD-Abgeordnete Margot von Renesse hat Beck gegen diese Angriffe in Schutz genommen und betont, dass die Entscheidungen über die Struktur der Stiftung rein aus sachlichen Überlegungen getroffen wurden. Wie weiter?Nach dem Bundestag muss sich nun noch der Bundesrat mit dem Gesetz zur Magnus-Hirschfeld-Stiftung befassen. Das wird auf der Bundesratsitzung am 27. September der Fall sein. Wenn der Bundesrat darauf verzichtet, den Vermittlungsausschuss anzurufen, kann die Magnus-Hirschfeld-Stiftung den Weg ins Gesetzblatt nehmen. Der LSVD fordert den Bundesrat auf, der Magnus-Hirschfeld-Stiftung keine Steine in den Weg zu legen. Manfred Bruns |
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