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Rundbrief für die Mitglieder
Mai 2002
 


 

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Inhalt


Bundesverband aktuell

Verbandstag

Unser 14. Verbandstag fand am 23. und 24. Februar in Köln statt. Der Kölner Bürgermeister Manfred Wolf richtete ein Grußwort an die versammelten LSVD Mitglieder. Im Mittelpunkt der zweitägigen Mitgliederversammlung standen u. a. die Verabschiedung von Prüfsteinen zur Bundestagswahl 2002 und eines Grundsatzpapiers zur Transgender-Politik, die Aktualisierung des LSVD Programms, die Änderung der Finanzordnung sowie Wahlen zum Bundesvorstand.

Die große Mehrheit der Versammelten sprach sich dafür aus, den Bundesvorstand wieder mit elf Personen zu besetzen, so dass acht Plätze neu zu wählen waren. Halina Bendkowski, Olaf Schwennesen und Ida Schillen waren noch für ein weiteres Jahr im Amt. Neu im Vorstand sind: Antje Ferchau, Axel Blumenthal und Kirstin Fussan. Wieder gewählt wurden Volker Beck, Manfred Bruns, Günter Dworek, Eduard Stapel und Jacques Teyssier.

Darüber hinaus verabschiedete der Verbandstag lesben- und schwulenpolitische Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl 2002. Unter der Überschrift „Die Gleichstellung vorantreiben!" formuliert der LSVD sechs Forderungen an die im Bundestag vertretenen Parteien, die wir an dieser Stelle dokumentieren:

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Die Gleichstellung vorantreiben
Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl 2002

1. Gleichstellung von Eingetragenen Lebenspartnerschaften vollenden

Das am 1. August 2001 in Kraft getretene Lebenspartnerschaftsgesetz bedeutet einen großen Sprung nach vorne für die Bürgerrechte von Lesben und Schwulen. Gleiche Rechte bringt es aber noch nicht. Unser Ziel ist die volle Gleichstellung. Es gibt keine sachliche Begründung, warum schwule und lesbische Lebensgemeinschaften anders behandelt werden sollten als heterosexuelle. Wir wollen gleiche Rechte auf dem Standesamt. Dazu gehört beispielsweise die Anerkennung im Steuerrecht, im Beamtenrecht und bei der Hinterbliebenenversorgung.

Sind Sie bereit, sich für die vollständige Gleichberechtigung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften einzusetzen? Sind Sie bereit, sich im Bundestag und gegenüber dem Bundesrat für die Verabschiedung der im Ergänzungsgesetz zur Eingetragenen Lebenspartnerschaft zusammengefassten Regelungen einzusetzen? Sind Sie bereit, auch die weiteren zur Gleichstellung noch nötigen Regelungen voranzutreiben, wie beispielsweise die Anerkennung in der Hinterbliebenenversorgung?

2. Gleichgeschlechtliche Familien anerkennen

Viele Lesben und Schwule leben mit Kindern, tragen Verantwortung für deren Erziehung und Wohlergehen. Lesbische oder schwule Paare mit Kindern haben ein Recht auf volle Anerkennung als Familie. Die Benachteiligung lesbischer und schwuler Familien muss beendet werden. Sie müssen steuer-, sozial- und namensrechtlich gleichgestellt werden.

Es gibt keinen sachlichen Grund, Menschen allein wegen ihrer Homosexualität vom Adoptionsrecht auszuschließen. Unter den gleichen Voraussetzungen wie für Ehepaare muss auch für Eingetragene Lebenspartnerschaften die sogenannte "Stiefkindadoption" ermöglicht werden. Das gleiche gilt für das gemeinsame Adoptionsrecht sowie für das gemeinsame Sorgerecht.

Für Frauen gibt es bislang in Deutschland außerhalb der Ehe keinen freien Zugang zu Samenbanken. Das ist diskriminierend. Das Recht auf Familiengründung muss für alle gelten.

Sind Sie bereit, sich für die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Familien einzusetzen und deren Gleichstellung im Steuer-, Sozial- und Namensrecht sowie beim Sorge- und Adoptionsrecht voranzutreiben? Unterstützen Sie die freie Möglichkeit zur Familiengründung? Sind Sie bereit, sich dafür einzusetzen, dass in Deutschland – wie es in anderen Ländern bereits üblich ist – die Samenbanken auch für lesbische Paare und unverheiratete Frauen zugänglich sind?

3. Schutz vor Diskriminierung verstärken

Trotz großer gesellschaftlicher Liberalisierung kommt es im Alltag immer wieder zu Anfeindungen und Benachteiligungen. Besonders schwer wiegen Diskriminierungen im Arbeitsleben. Die bereits bestehenden Gleichbehandlungsklauseln im Arbeitsrecht sowie im Beamten- und Soldatenrecht müssen um das Merkmal der "sexuellen Identität" ergänzt werden. Die EU-Richtlinie zur Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf muss zügig und umfassend in nationales Recht umgesetzt werden. Dazu zählt auch die Einführung eines Verbandsklagerechts. Eine umfassende Antidiskriminierungsgesetzgebung muss zudem ausdrücklich festschreiben, dass die Träger öffentlicher Gewalt niemanden aufgrund der „sexuellen Identität" als Lesbe oder Schwuler benachteiligen dürfen. Es muss zudem sichergestellt werden, dass die Antidiskriminierungsgesetzgebung auch Transgender einschließt.

Sind Sie bereit, sich für eine Antidiskriminierungsgesetzgebung einzusetzen, die Benachteiligungen in der Arbeitswelt angeht und die Träger der öffentlichen Gewalt zur Gleichbehandlung verpflichtet?

4. Umfassende Reform des "Transsexuellengesetzes" angehen

Das 1981 in Kraft getretene Transsexuellengesetz entspricht nicht mehr dem heutigen Kenntnisstand. Es enthält zahlreiche Regelungen, die sich sehr restriktiv ausgewirkt haben und teilweise mit der Würde des Menschen unvereinbar sind. Transgender müssen das Recht haben, ihre Lebensweise selbst zu bestimmen – bei der Ausgestaltung ihrer Geschlechtsidentität wie auch bei ihrer Partnerwahl. So ist beispielsweise eine Liberalisierung der Zugangsvoraussetzungen für Vornamens- und Personenstandsänderung erforderlich. Auch die faktischen Ehe- bzw. Partnerschaftsverbote für Menschen, die ihren Vornamen geändert haben, müssen aufgehoben werden. In diesem Sinne ist eine umfassende Reform des Transsexuellengesetzes nötig, damit es seinen Zweck erfüllen kann, das Leben der Transgender rechtlich, psychisch und sozial zu erleichtern.

Sind Sie bereit, sich für eine umfassende Reform des Transsexuellengesetzes einzusetzen, damit Transgender das Recht bekommen, ihre Lebensweise selbst zu bestimmen?

5. Ein Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen errichten, die Erinnerungsarbeit fördern

Bislang wurden die homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus in der Gedenkkultur zumeist übergangen. Für Menschen, die wegen ihrer Homosexualität vom NS-Staat verfolgt wurden, gibt es bislang keinen Gedenkort von nationaler Bedeutung. Es wird Zeit, dass sich dies ändert. Der LSVD setzt sich dafür ein, dass das Gedenken an die verfolgten Homosexuellen in der Bundeshauptstadt Berlin eine angemessene Form findet. Ein solches Denkmal soll ein beständiges Zeichen setzen gegen Intoleranz, Feindseligkeit und Ausgrenzung gegenüber Lesben und Schwulen. Den Standort wünschen wir uns in Berlin-Mitte (Tiergarten), in der Nähe des Reichstages, gegenüber dem entstehenden Denkmal für die ermordeten Juden Europas sowie in Nachbarschaft zum geplanten Mahnmal für Sinti und Roma.

Für die Zerschlagung und Enteignung der schwulen und lesbischen Bürgerrechtsbewegung der Weimarer Republik hat es nie eine Entschädigung gegeben. Wir fordern als kollektiven Ausgleich eines Bundesstiftung, die international den Einsatz für die Menschenrechte von Lesben und Schwulen fördern, sowie die historische Erinnerungsarbeit und die Durchsetzung der Bürgerrechte von Schwulen und Lesben unterstützen soll.

Sind sie bereit, sich im Bundestag für einen Beschluss zur Errichtung eines Denkmals für die verfolgten Homosexuellen in der Bundeshauptstadt Berlin einzusetzen? Sind Sie bereit, sich zudem für die Errichtung einer Stiftung zur Menschenrechts-, Bürgerrechts- und Erinnerungsarbeit einzusetzen?

6. Rechtsextremismus und Hassverbrechen entgegentreten

Menschen in Deutschland müssen befürchten, aufgrund ihrer ethnischen Herkunft, aufgrund einer Behinderung oder aufgrund ihrer sexuellen oder geschlechtlichen Identität angegriffen zu werden. Die Existenz sogenannter "national befreiter Zonen" ist für eine demokratische Gesellschaft ein unerträglicher Zustand. Auch für Schwule, Lesben und Transgender gibt es No-go-areas: Orte, in denen sie es tunlichst vermeiden, als solche erkannt zu werden, weil ihnen sonst Gefahr droht. Staatliche Programme zur Bekämpfung rechtsextremer und minderheitenfeindlicher Gewalt müssen gewährleisten, dass alle Gruppen, gegen die sich Hassverbrechen richten, einbezogen und angemessen berücksichtigt werden. Das gilt auch für Maßnahmen zur Opferhilfe.

Sind Sie bereit, gegen rechtsextreme und minderheitenfeindliche Gewalt einzutreten und sich dafür einzusetzen, dass die Situation von Schwulen, Lesben und Transgendern bei den staatlichen Programmen zur Gewaltprävention und zur Opferhilfe angemessen berücksichtigt wird?

Für den 4. April luden wir in Berlin zu einer Pressekonferenz ein, um die LSVD Wahlprüfsteine der Öffentlichkeit vorzustellen. Die Medien haben ausführlich berichtet (siehe Presseauswahl). Wir wollen uns im Wahljahr aktiv einmischen. Der Ausgang der Bundestagswahl entscheidet auch darüber, ob es weitere Fortschritte in der Gleichstellungspolitik geben wird, oder ob es zu Stillstand oder gar Rückschritt kommt.

Die von der Mitgliederversammlung des LSVD beschlossenen politischen Forderungen an die Parteien im Wahljahr haben wir frühzeitig an die Generalsekretäre aller im Bundestag vertretenen Parteien verschickt mit der Bitte, sie an die Programmkommissionen weiterzuleiten. Alle Parteien haben also die gleichen Chancen, unsere Forderungen zu beraten und in ihre Wahlprogramme aufzunehmen.

Zur Jahresmitte werden wir unsere Forderungen, dann versehen mit den Fragen, die die Wahlprüfsteine bilden, nochmals an die Parteien versenden. Die Antworten werden wir auswerten und publizieren, und daraus eine Wahlempfehlung formulieren. Wir werden dazu aufrufen, nur den Parteien eine Stimme zu geben, die eine lesben- und schwulenfreundliche Politik verfolgen.

Unseren Forderungen haben sich auch weitere bundesweite Verbände angeschlossen, wie der Bundesverband der Eltern, Freunde und Angehörigen von Homosexuellen (BEFAH), die Bundesarbeitsgemeinschaft schwuler und lesbischer Paare (SLP), die Ökumenische Arbeitsgemeinschaft Homosexualität und Kirche (HuK) sowie die Bundesarbeitsgemeinschaft Schwuler Juristen (BASJ).

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