LSVD-Proteste in sieben Städten
gegen Diskriminierung durch Katholische Kirche
Bischöfe sollen Kündigungsandrohungen zurücknehmen
Am traditionellen Familiensonntag der Katholischen Kirche, der in diesem Jahr
auf den 19. Januar fiel, protestierten der LSVD und andere Organisationen wie
die Ökumenische Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK) e. V. vor sieben
Kathedralen gegen die Kündigungsandrohung der Katholischen Bischöfe für
eingetragene Lebenspartnerinnen und Lebenspartner.
Die in Berlin, Köln, Münster, Trier, Frankfurt/M., Bamberg und Magdeburg
versammelten Demonstrantinnen und Demonstranten forderten die Katholischen
Bischöfe auf, ihren Diskriminierungskurs zu beenden. Beschäftigten im
kirchlichen Dienst darf das vom Verfassungsgericht ausdrücklich gebilligte Recht
auf Eingehen einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft nicht verwehrt bleiben. Die
Bischofskonferenz wurde aufgefordert, ihre Kündigungsdrohungen zurücknehmen.
Zugleich appellierte der LSVD an die Katholische Kirche, gleichgeschlechtliche
Familien nicht länger auszugrenzen.
Liebe verdient Respekt
In dem Flugblatt mit dem Titel „Liebe verdient Respekt", das die
Demonstranten in allen Städten an die Kirchenbesucherinnen und Kirchenbesucher
verteilten, heißt es:
„Heute begeht die Katholische Kirche ihren Familiensonntag. Aus diesem Anlass
weisen wir darauf hin: Auch Lesben und Schwule gehören zur Familie. Sie sind
liebevolle Töchter, Söhne, Schwestern, Brüder und gar nicht so selten selbst
Eltern. Viele schwule wie lesbische Paare leben wie Eheleute zusammen. Sie
lieben sich, sorgen füreinander und stehen füreinander ein – in guten wie in
schlechten Tagen.
Seit dem 1. August 2001 können gleichgeschlechtliche Paare eine Eingetragene
Lebenspartnerschaft eingehen. Das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich
festgestellt: Das steht im Einklang mit dem Grundgesetz. Der Schutz von Ehe und
Familie ist dadurch nicht berührt.
Wir protestieren gegen Berufsverbote
Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in katholischen Einrichtungen soll das
Recht auf eine Eingetragene Lebenspartnerschaft aber verwehrt bleiben. Die
Deutsche Bischofskonferenz bewertet das Eingehen einer Eingetragenen
Lebenspartnerschaft als „schwerwiegenden Loyalitätsverstoß". Kirchlich
Beschäftigten, z.B. Krankenpflegern, Erzieherinnen oder Verwaltungsangestellten,
wird mit dienstrechtlichen Konsequenzen bis hin zur Kündigung gedroht. Dagegen
protestieren wir heute. Wir fordern die Bischöfe auf, diese diskriminierende
Verordnung umgehend zurückzunehmen.
Die Eingetragene Lebenspartnerschaft bedeutet umfassende gegenseitige
Verpflichtungen. Gerade die Kirche sollte es unterstützen, wenn Menschen bereit
sind, füreinander einzustehen. Angestellte mit Berufsverbot zu bedrohen, weil
sie eine Verantwortungsgemeinschaft eingehen wollen, ist hartherzig und
menschenfeindlich, ist Drohbotschaft statt Frohbotschaft. Damit drängt man
Menschen in die Heimlichkeit und Selbstverleugnung. Wir meinen: Liebe verdient
Respekt, auch die gleichgeschlechtliche Liebe.
Familie ist, wo Kinder sind
Viele Lesben und Schwule haben eigene Kinder, tragen Verantwortung für deren
Erziehung und Wohlergehen. Trotz erster gesetzlicher Verbesserungen sind Kinder,
die in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften aufwachsen, rechtlich und
finanziell schlechter abgesichert als andere Kinder. Insbesondere die fehlende
Möglichkeit zur Stiefkindadoption entzieht den Kindern Versorgungsansprüche und
sorgt für Unsicherheit, wenn dem leiblichen Elternteil etwas zustößt. Das kann
nicht im Interesse des Kindeswohls sein. Anstatt sich für die Kinder
einzusetzen, machen die Katholischen Bischöfe massiv Front gegen weitere
kindschaftsrechtliche Verbesserungen beim Lebenspartnerschaftsgesetz und schüren
Vorurteile. Auch dagegen wenden wir uns am heutigen Familiensonntag. Familie
ist, wo Kinder sind."
Berichterstattung
Die Proteste erregten Aufsehen und erfreuten sich einer umfassenden
Berichterstattung. So berichteten in allen Städten die örtlichen Tageszeitungen
über die Aktionen (siehe auch Presseauswahl). Auch einige Radio- und TV-Sender
waren vertreten. So berichtete die Abendschau des SFB in Berlin, der MDR in
Sachsen-Anhalt heute und MDR aktuell, der WDR in Münster, das Schweizer
Fernsehen war in Frankfurt/M. dabei. Von den Nachrichtenagenturen gab es
Meldungen von DPA, AP, KNA und EPD. Den Demonstrantinnen und Demonstranten
gelang es, die Kirchenbesucher auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen.
Bericht aus Münster
Vielen, vielen Dank für Euer Engagement rund um unsere Demonstration „Wir
sind Familie" am Sonntag Morgen vor dem Dom zu Münster. Ich denke, wir haben
allen Grund zufrieden zu sein. Insgesamt pilgerten annähernd 100 Demonstranten
bei strahlendem Sonnenschein vor den Münsteraner Dom, darunter neben einer
großen HuK-Delegation auch Vertreter vieler Parteien und Gruppierungen.
Ausgestattet mit unserem reich dekorierten Bulli und etwa einem Dutzend Bannern
und Protestschildern waren wir vorm Dom für viele Hundert Gottesdienstbesucher
unübersehbar. Mich persönlich freut besonders, dass die Resonanz seitens der
angesprochenen Gläubigen zu einem weit überwiegenden Teil sehr positiv war. In
sehr vielen Gesprächen wurde deutlich, dass die Meinung der Bischöfe sich nicht
mit der Meinung der Kirchenbesucher deckt. Nur wenige Kirchenbesucher brachten
Ablehnung zum Ausdruck. (Timo Kerßenfischer, LSVD Münster)
Unterschriftenaktion und Demo in Magdeburg
Im Herbst 2002 hatte der Lesbisch-Schwule Runde Tisch in Sachsen-Anhalt eine
Unterschriftenaktion gegen die Absicht der Katholischen Bischöfe, Eingetragenen
Lebenspartnern im kirchlichen Dienst zu kündigen, gestartet. Bis jetzt kamen 342
Unterschriften zusammen. Zu den Unterzeichnern gehörten auch Prominente wie der
ehemalige Ministerpräsident aus Sachsen-Anhalt Dr. Reinhard Höppner. Die
Unterschriften wurden der Kirche anlässlich unserer Demonstration am 19. Januar
vor der Magdeburger Bischofskirche St. Sebastian übergeben.
Auch wenn wir uns an diesem sonnigen Tag eine höhere Beteiligung erhofft
hatten, werteten alle Demo-Teilnehmer die Aktion als Erfolg, einmal wegen der
angeregten Diskussionen, mancher kleiner Solidaritätsbeweise von
Gottesdienstbesuchern, der Kooperativität von Herrn Propst Kuschel (dem wir die
Unterschriften übergeben konnten, die in den letzten Wochen gesammelt wurden)
und der Medienresonanz. Der MDR wird heute um 19 Uhr in der Sendung
"Sachsen-Anhalt heute" einen 20-Sekunden-Beitrag dazu senden und versprach
später einen ausführlicheren Beitrag zu machen. (Martin Pfarr, Magedeburg,
LSVD Sachsen-Anhalt)
Schwule und Lesben machen Kardinal Meisner Angst
Schon die Ankündigung einer Demonstration von Schwulen und Lesben vor dem
Kölner Dom am Sonntag, dem 19.1.2003, löste bei Kardinal Meisner und der
Domgeistlichkeit große Ängste aus. Die Domgeistlichkeit war von Erzbischof
Meisner angewiesen worden zu verhindern, dass es zu einer Begegnung mit ihm und
den Demonstranten kommt. Darauf hin wurde ein jahrhundertealtes
Begrüßungszeremoniell des Kardinals durch die Domgeistlichkeit abgesagt. Der
Kardinal fuhr statt dessen in seinem Auto bis vor das Domportal, das kurz zum
Einlass des Erzbischofs geöffnet wurde. So etwas hat es in der Geschichte des
Kölner Doms noch nie gegeben. Diese Begebenheit zeigt mir, wie groß die
Sprachlosigkeit und Ängstlichkeit der Katholischen Kirche und besonders Kardinal
Meisners ist, Fragen von Lesben und Schwulen zu beantworten. (Karl-Heinz
Scherer, HuK Köln)
Es war lausekalt gestern! Vor dem Dom zieht es sowieso immer, aber gestern
hat der Wind besonders eisig gepustet, fast so kalt wie das Herz des Kardinals,
der sich mit dem dicken Audi unmittelbar vor die Domtür hat kutschieren lassen,
so dass er nur 3 m laufen musste, ohne einen Blick auf die Demonstranten zu
werfen. Im Radio (WDR2, 6.30 Uhr) kam heute die Meldung, dass Kardinal Meisner
versichert habe, dass keiner der rund 50.000 Beschäftigten im Erzbistum Köln das
Eingehen einer Lebenspartnerschaft beabsichtige. Gut, dass der Kardinal alle
50000 gefragt hat. Das stünde auch im Widerspruch zur katholischen Lehre,
weshalb Mitarbeiter, die eine Lebenspartnerschaft eingehen, mit Konsequenzen bis
zu Kündigung zu rechnen haben. Anschließend wurden die Demonstrationen von
Lesben und Schwulen in mehreren Städten Deutschlands erwähnt. (Holger Jakobs,
LSVD Mitglied aus Bergisch-Gladbach)
Berlin und Bamberg
Es trafen sich um 9.30 Uhr ca. 30-40 Demonstrantinnen und Demonstranten
gegenüber der Kathedrale St. Hedwig in Berlin-Mitte. (...) Der Gottesdienst um
10 Uhr begann mit einem Statement des ehemaligen Generalvikars Roland Steinke,
der ankündigte, „es sei mit Störungen des Gottesdienstes zu rechnen". Der
Lesben- und Schwulenverband demonstriere dagegen, dass die Kirche Mitarbeit in
ihrem Dienst und Eingetragene Lebenspartnerschaft für unvereinbar halte. Dann
folgte noch ein Hinweis auf den Polizeischutz vor der Kathedrale und ein
weiterer (...) auf Bischof Galen, der Gottes Wort standhaft verteidigt habe.
(Hans-Joachim Hassemer, LSVD und HuK Mitglied aus Rüdersorf bei Berlin)
Morgens 9:30 Uhr begrüßte uns Bamberg in grauen Nebel gehüllt und mit
spiegelglattem Pflaster auf dem Domplatz. Da wir keine Genehmigung hatten, auf
dem Grundstück der Katholischen Kirche unsere Flugblätter an die Kirchgänger zu
verteilen, standen wir auf städtischem Boden. Direkt an dem Treppenzugang zum
Domplatz. Rund 20 Lesben und Schwule versammelten sich vor dem Domplatz, um
unsere Forderungen den BesucherInnen der Messe bekannt zu machen. Die
Flugblattverteilung verlief erfolgreich, wir konnten mit einigen Passanten ins
Gespräch kommen. (www.bayern.lsvd.de)
Trier und Frankfurt/M.
Wir waren ca. 35 Leute. Darunter auch zwölf aus Saarbrücken, der Rest von
verschiedenen Trierer Gruppen (SCHMIT-Z, Infoladen, HUK). Wir hätten gern mehr
Flugblätter verteilt, aber der Gottesdienst war ziemlich schlecht besucht (ca.
400 Leute). (Christian Zims, Saarbrücken)
Ca. 15-20 Aktive sind gekommen, die Messebesucher waren nicht sehr zahlreich,
aber teilweise den Argumenten gegenüber aufgeschlossen. Wir haben auch mit dem
Probst gesprochen, der „sich gar nicht vorstellen konnte, dass die Regelung
umgesetzt wird". Er war nett, aber unverbindlich. Gut war, dass das Schweizer
Fernsehen da war und für einen Beitrag für die Tagesschau (zu einen späteren
Termin) gedreht hat. Es geht um die Gesetzgebung in der Schweiz und unsere
Erfahrungen bisher. (Erich Rossel, Frankfurt/M., LSVD Hessen)
Die Demonstrationen am 19. Januar vor sieben Kathedralen waren also in der
öffentlichen Wirkung ein voller Erfolg. Die Aktionen haben gezeigt, wie eine
gute Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen Ebenen im LSVD funktioniert.
Auch wenn es angesichts der bisherigen Rechtsprechung wenig aussichtsreich
erscheint, rechtlich gegen die Diskriminierung durch die Kirchen vorzugehen, so
bleibt uns dennoch das Mittel des öffentlichen Drucks. Die öffentliche Meinung
ist auf unserer Seite. Demonstrationen wie die am 19. Januar erregen Aufsehen,
erhöhen den Druck auf die Bischöfe und sind ihnen sehr peinlich. Wir wollen die
Hoffnung einfach nicht aufgeben, dass sich langfristig auch innerhalb der
Katholischen Kirche etwas bewegt.
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